Nachfolgend ein Beitrag vom 18.5.2018 von Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR 9/2018 Anm. 2

Leitsätze

1. Ein Mieter kann im Rahmen der bei einer Betriebskostenabrechnung geschuldeten Belegvorlage vom Vermieter auch die Einsichtnahme in die von diesem erhobenen Einzelverbrauchsdaten anderer Nutzer eines gemeinsam versorgten Mietobjekts beanspruchen, um sich etwa Klarheit zu verschaffen, ob bei einer verbrauchsabhängigen Abrechnung der Gesamtverbrauchswert mit der Summe der Verbrauchsdaten der anderen Wohnungen übereinstimmt, ob deren Werte zutreffend sind oder ob sonst Bedenken gegen die Richtigkeit der Kostenverteilung bestehen. Der Darlegung eines besonderen Interesses an dieser Belegeinsicht bedarf es nicht.
2. Ein Mieter ist zur Leistung von Betriebskostennachzahlungen nicht verpflichtet, solange und soweit der Vermieter einem berechtigten Verlangen nach Belegvorlage nicht nachgekommen ist.

A. Problemstellung

Betriebskostenabrechnungen enthalten das Ergebnis der vom Vermieter vorgenommenen Verteilung von Kosten auf alle Mieter eines Hauses. Soweit es sich um einen festen Verteilungsschlüssel handelt, z.B. Flächenmaßstab, ist dies für den Mieter regelmäßig leicht nachvollziehbar. Schwieriger wird es schon beim Personenschlüssel, da der Mieter bei wechselnden Werten nur eingeschränkt die Veränderungen ohne Erläuterungen verstehen kann. Gänzlich unübersichtlich wird es bei Abrechnungen, die auf einem gemessenen Verbrauch beruhen, wie z.B. die Heizkosten, aber auch die Warm- oder Kaltwasserabrechnung. Hier benötigt er zur Kontrolle die Werte, die in den anderen Wohnungen gemessen wurden. Es stellen sich in diesem Zusammenhang zwei Fragen:
1. Hat der Mieter einen Anspruch auf Vorlage dieser Werte?
2. Welche Rechte hat er gegenüber der Abrechnung, wenn ihm die Belege/Auskünfte nicht erteilt werden?
Mit beiden Fragen hat der BGH sich in der aktuellen Entscheidung beschäftigt.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Beklagten waren von Oktober 2012 bis August 2015 Mieter einer 94 m² großen Dreizimmerwohnung in einem Mehrfamilienhaus der Klägerin. Die gesamte Wohnfläche des Hauses beläuft sich auf ungefähr 760 m², wobei an den für die Mietwohnung der Beklagten maßgeblichen Heizkreis eine Wohnfläche von knapp 720 m² angeschlossen ist. Der Mietvertrag der Parteien sieht unter Ansatz einer monatlichen Vorauszahlung von 200 Euro die Umlage im einzelnen bezeichneter Betriebskosten vor, darunter der Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage und der darin verbrauchten Brennstoffe. Die Vermieterin verlangt die Nachzahlung von Heizkosten für die Jahre 2013 und 2014 nach jeweils erteilter Abrechnung. Diese hat sie zu 30 Prozent nach der Nutzfläche und zu 70 Prozent nach dem Verbrauch berechnet, dem wiederum eine – aus ihrer Sicht zutreffende – Erfassung durch Wärmemesser zugrunde liegt. Die beiden Jahresabrechnungen weisen danach für die Mietwohnung der Beklagten Verbrauchswerte aus, die 42,8 Prozent bzw. 47 Prozent der jeweils im Heizkreis gemessenen Verbrauchseinheiten ausmachen.
Die auf dieser Grundlage vorgenommene Abrechnung ergab für 2013 einen auf die Beklagten entfallenden Heizkostenbetrag von insgesamt 3.491,74 Euro und für 2014 von insgesamt 3.856,76 Euro. Die Vermieterin weigerte sich auf Verlangen der Mieter, diesen die Ablesebelege zu den Verbrauchseinheiten der anderen in der Liegenschaft befindlichen Wohnungen vorzulegen. Die Zahlungsklage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Anders hat es der Senat gesehen, der die Klage als zurzeit unbegründet abgewiesen hat.
Nach Ansicht des BGH ging es nicht um die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots gemäß § 556 Abs. 3 Satz 1 HS. 2 BGB. Es geht vielmehr darum, ob die beklagten Mieter die ihnen gegenüber abgerechneten und von ihnen als nicht plausibel bestrittenen Wärmemengen in ihrer auffällig von der Wohnflächenverteilung abweichenden Höhe tatsächlich verbraucht haben, insbesondere ob die Abrechnungswerte etwa auf einer unzutreffenden Erfassung einzelner Wärmemengen und/oder auf eine fehlerhafte Verteilung der Gesamtwärmemenge des Heizkreises auf die einzelnen Abnehmer zurückzuführen sind.
Die Darlegungs- und Beweislast für die inhaltliche Richtigkeit der erhobenen Forderung, also für die richtige Erfassung, Zusammenstellung und Verteilung der angefallenen Betriebskosten auf die einzelnen Mieter, liegt bei der Klägerin als Vermieterin. Umstände, die geeignet wären, eine tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit zumindest einzelner Abrechnungskriterien zu begründen, sind nicht ersichtlich. Es war deshalb falsch, dass die Vorinstanz den Mietern die Verpflichtung auferlegt hatte, objektiv nachvollziehbare Anhaltspunkte wie etwa bestehende Leitungsverluste vorzutragen, aus denen sich eine Unrichtigkeit der ihnen in Rechnung gestellten Verbrauchswerte ergibt.
Die Entscheidung des Senats beruht aber auf der Antwort auf die Frage, ob der Mieter einen Anspruch auf die Vorlage der Ablesebelege zu den Verbrauchseinheiten der anderen in der Liegenschaft befindlichen Wohnungen hat.
Eine vom Vermieter gemäß § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB vorzunehmende Abrechnung dient dazu, die hierzu anstehenden Betriebskosten des jeweiligen Abrechnungsjahres zu erfassen, zusammenzustellen und unter Abzug der jeweils geleisteten Vorauszahlungen auf die einzelnen Mieter zu verteilen. Dazu muss sie den allgemeinen Anforderungen des § 259 Abs. 1 BGB entsprechen, also eine aus sich heraus verständliche geordnete Zusammenstellung der zu den umzulegenden Betriebskosten im Abrechnungsjahr getätigten Einnahmen und Ausgaben enthalten, um es dem Mieter zu ermöglichen, die zur Verteilung anstehenden Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil an diesen Kosten gedanklich und rechnerisch nachzuprüfen. Darin erschöpft sich die zu erteilende Abrechnung indes nicht. Vielmehr bestimmt § 259 Abs. 1 BGB darüber hinaus, dass Belege, soweit sie erteilt zu werden pflegen, vorzulegen sind. Dementsprechend gehört es auch noch zu der vom Vermieter vorzunehmenden ordnungsgemäßen Abrechnung, dass er im Anschluss an die Mitteilung der die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthaltenden Rechnung dem Mieter auf dessen Verlangen zusätzlich die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen durch deren Vorlage ermöglicht, soweit dies etwa zur sachgerechten Überprüfung der Nebenkostenabrechnung oder zur Vorbereitung etwaiger Einwendungen erforderlich ist.
Der Senat folgt der allgemeinen Auffassung im mietrechtlichen Schrifttum und in der Instanzrechtsprechung, dass ein Mieter in diesem Zusammenhang auch die Einsichtnahme in die vom Vermieter erhobenen Einzelverbrauchsdaten anderer Nutzer eines gemeinsam versorgten Mietobjekts hinsichtlich der Heizkosten beanspruchen kann, um sich etwa Klarheit zu verschaffen, ob bei einer verbrauchsabhängigen Abrechnung der Gesamtverbrauchswert mit der Summe der Verbrauchsdaten der anderen Wohnungen übereinstimmt, ob deren Werte zutreffend sind oder ob sonst Bedenken gegen die Richtigkeit der Kostenverteilung bestehen.
Dieser Anspruch besteht ohne Darlegung eines besonderen Interesses an einer Belegeinsicht in die Verbrauchswerte der anderen im Haus befindlichen Mietwohnungen. Schon der Wortlaut der allgemeinen Vorschrift des § 259 Abs. 1 BGB bietet dafür keinen Anhalt. Vielmehr ist es gerade Zweck einer solchen Belegvorlagepflicht, die Ausführung der abzurechnenden Geschäfte umfassend nachprüfbar zu gestalten und es dem Einsichtsberechtigten etwa zu ermöglichen, sich durch Nachfrage bei den in den Belegen genannten Dritten über die Richtigkeit der daraus hervorgehenden Umstände zu vergewissern oder weitere Aufklärung einzuholen.
Solange der Vermieter dieser Vorlageverpflichtung nicht nachkommt, stellt sich das Zahlungsbegehren des Vermieters als unzulässige Rechtsausübung dar. Es geht nicht um ein Zurückbehaltungsrecht. Die Unzulässigkeit ergibt sich insbesondere daraus, dass es sinnwidrig wäre, einen Schuldner, der eine Abrechnung erst noch nachprüfen will, sogleich zur Zahlung des ungeprüften Betrages zu verurteilen, der nach Erhalt der Zug um Zug zu erteilenden Belegeinsicht dann auch so im titulierten Umfang zu erbringen wäre. Der Sinn einer Überprüfung der Betriebskostenabrechnung liegt vielmehr gerade darin, den Mieter bereits vorab in die Lage zu versetzen, etwaige Abrechnungsfehler aufzudecken, und ihm über die unmittelbare Belegkontrolle und das dadurch vermittelte eigene Bild die Möglichkeit zur wirkungsvollen Abwehr der ungerechtfertigten Inanspruchnahme aus einem wegen eines vertragsverletzenden Verhaltens des Vermieters ansonsten ganz oder teilweise ungeprüft bleibenden Abrechnungssaldos einzuräumen.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung stärkt die Rechte der Mieter, auch wenn die Auffassung, der sich der BGH angeschlossen hat, bereits bisher schon überwiegend so vertreten worden war. Durch die Entscheidung des BGH wird diese Auffassung aber nochmals verstärkt in das Bewusstsein der Mietvertragsparteien gerückt. Der BGH hat schon früher die Kontrollrechte des Mieters gestärkt, aber auch dem Mieter aufgegeben, die Kontrollrechte auch auszuüben. Letztendlich muss der Vermieter im Prozess den Anspruch darlegen und beweisen. Dazu gehört auch der Umlagemaßstab. Der Mieter kann sich hiergegen aber nur effektiv verteidigen, wenn er die Verbrauchswerte der anderen Mieter kennt und eine Plausibilitätskontrolle durchführen kann.
Ein Vermieter, der dem Mieter diese Informationen trotz entsprechenden Verlangens nicht gibt, kann keine Zahlung verlangen; das verstößt gegen Treu und Glauben.

D. Auswirkungen für die Praxis

Ende Mai tritt die Datenschutz-Grundverordnung in Kraft. Datenschutzrechtlich ist es zunächst unproblematisch, dass der Vermieter dem Mieter die Verbrauchswerte der anderen Mieter mitteilt. Dabei ist es unerheblich, ob er den Mieternamen mitteilt oder die Wohnung nur so genau beschreibt, dass der Mieter den Namen des Mieters anhand der angegebenen Adresse und der Lage der Wohnung im Haus leicht selbst herausfinden kann. Gemäß Art. 6 Abs. 1c DS-GVO ist die Verarbeitung solcher Daten rechtmäßig, soweit die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, der der Verantwortliche unterliegt, erforderlich ist. Interessanter ist die Frage, ob Vermieter die Mieter der anderen Wohnungen davon informieren muss, dass er deren Werte weitergegeben hat. Dies richtet sich nach Art. 13 oder 14 DS-GVO, je nachdem, wo der Vermieter die Informationen über die Vergleichswohnungen her bezogen hat. Hat er die Daten bei dem betroffenen Mieter selbst erhoben, kennt dieser die Datenerhebung, und eine besondere Unterrichtung entfällt deshalb. Hat der Vermieter die Daten von Dritten, z.B. einem Abrechnungsunternehmen, muss er den Mieter der Vergleichswohnung gemäß Art. 14 DS-GVO informieren. Allerdings setzt auch das gemäß Art. 2 Abs. 1 DS-GVO voraus, dass es sich dabei um eine ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung handelt.

Anspruch auf Vorlage der Ablesebelege aller übrigen Mieter des Hauses
Thomas HansenRechtsanwalt
  • Fachanwalt für Steuerrecht
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