Nachfolgend ein Beitrag von Krapf, jurisPR-MietR 18/2015 Anm. 1 vom 8.9.2015

Leitsätze

1. Eine Betriebskostenabrechnung ist nur formell ordnungsgemäß und ihr Saldo fällig, wenn innerhalb der Abrechnungsfrist vom Vermieter eine für das durchschnittliche Verständnisvermögen des juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulten Mieters aus sich heraus verständliche Abrechnung vorgelegt wird.
2. Es genügt nicht, wenn der Verteilerschlüssel in der Abrechnung nur mit „Menge“ überschrieben ist oder einfach Zahlen mitgeteilt werden. Es muss für jede Position der Abrechnung klar erkennbar sein, welcher Verteilerschlüssel zur Anwendung kam. Erst nach Ablauf der Abrechnungsfrist gegebene Erläuterungen sind ohne Belang.
3. Die Bildung von Nutzergruppen bei den Heizkosten muss erkennen lassen, welche Nutzer/Wohnungen gemeint sind.

A. Problemstellung

Das Amtsgericht hatte wieder einmal über den „Klassiker“ des Betriebskostenrechts zu entscheiden, mithin ob Betriebskostenabrechnungen formell ordnungsgemäß erstellt sind, hier insbesondere in Bezug auf die Nachvollziehbarkeit des Verteilerschlüssels, und somit die Forderungen eines daraus sich ergebenden Nachzahlungsbetrages beansprucht werden können.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Beklagten waren seit 2008 Mieter einer Wohnung, deren Mietzins sich aus einer Kaltmiete in Höhe von 645 Euro zuzüglich monatlicher Vorauszahlungen auf Betriebskosten i.H.v. 220 Euro zusammensetzte.
Mit Schreiben vom 27.12.2010 übermittelte der Kläger den Beklagten die Abrechnung über die Betriebskosten des Jahres 2009, welche mit einem Nachzahlungsbetrag i.H.v. 803,84 Euro endete. Hiergegen wurden seitens der Beklagten mit Schreiben vom 02.11.2011 sowie 28.11.2011 Einwendungen erhoben. Im Laufe des Jahres 2011 kam es zu mehreren Kontakten des Klägers mit den Beklagten, wo die Abrechnungen näher erläutert wurden.
Mit Datum vom 26.12.2011 wurde die Abrechnung über die Betriebskosten des Jahres 2010 übermittelt, welche mit einem Nachzahlungsbetrag in Höhe von 1.024,78 Euro schloss. Diesem Schreiben war noch eine weitere Seite mit „Anm. zur Nebenkostenabrechnung 2009“ beigefügt. Beklagtenseitige Einwände gegen die Betriebskostenabrechnung 2010 wurden unter anderem mit Schriftsatz vom 22.02.2012 erhoben.
Der sodann gestellte Klageantrag belief sich auf einer Hauptforderung von 1.828,62 Euro sowie Nebenforderungen, welche auch vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten des Klägers i.H.v. 192,90 Euro beinhalteten. Die Beklagten beantragten, die Klage abzuweisen.
Das Amtsgericht ist dem Klageabweisungsantrag in vollem Umfang gefolgt. Es hat festgestellt, dass dem Kläger aus beiden Betriebskostenabrechnungen keine Forderungen zustehen.
Dabei führt das Amtsgericht zunächst aus, dass die formelle Ordnungsgemäßheit einer Betriebskostenabrechnung als Fälligkeitsvoraussetzung von Amts wegen zu prüfen sei. Diese müsse den allgemeinen Anforderungen des § 259 BGB entsprechen, mithin die notwendigen Mindestangaben, wie die Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe und Erläuterung des zugrunde gelegten Verteilerschlüssels, die Anrechnung des Anteils des Mieters sowie der Abzug der Vorauszahlungen des Mieters enthalten (vgl. BGH, Urt. v. 14.02.2007 – VIII ZR 1/06). Damit soll der betriebswirtschaftlich und juristisch nicht vorgebildete Mieter in die Lage versetzt werden, den Anspruch des Vermieters gedanklich und rechnerisch nachzuvollziehen. Dies treffe insbesondere auch hinsichtlich des gewählten Verteilerschlüssels zu. Es müsse nachvollziehbar sein, ob die Umlage beispielsweise nach Verbrauch, Personenbelegung, Anzahl der Wohnungen oder Wohnfläche erfolgen soll. Sei dies – wie im vorliegenden Fall – nicht gegeben, so sei von der Unwirksamkeit der Abrechnung auszugehen.
Die vorliegende Abrechnung für das Jahr 2009 sei hinsichtlich des Verteilerschlüssels nur mit der Bezeichnung „Menge“ überschrieben und enthalte dort verortete Zahlen, wobei sich dem Gericht nicht erschließt, um was es sich dabei handeln soll. Unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze seien daher die Zahlungsbeträge für davon betroffenen Kostenpositionen nicht umlegbar, welche bereits einen Betrag i.H.v. 664,48 Euro für die Abrechnung 2009 ausmachten. Des Weiteren kürzt das Gericht die Kosten für den allgemeinen Strom i.H.v. 79,15 Euro, da überhaupt kein Verteilerschlüssel erkennbar war. Somit sind bereits 743,63 Euro von der Klageforderung in Abzug zu bringen.
Auch sei der Verteilerschlüssel der Heizkostenabrechnung formell fehlerhaft. Die Aufteilung in „Fußbod.Hzg. Nr 1+2“ sowie Nutzergruppe „HKV 1-3″ sei ohne weitere Erläuterung nicht nachzuvollziehen. Daran ändere auch nichts, dass möglicherweise im Jahr 2011 oder später weitere Erläuterungen der Abrechnung erfolgt seien, da dies nach Ende der Abrechnungsfrist gemäß § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB verspätet sei.
Im Ergebnis übersteigen daher die insoweit nicht geschuldeten Betriebskostenpositionen den verlangten Nachzahlungsbetrag.
Zumindest hinsichtlich der Heizkosten leidet die Abrechnung 2010 unter den gleichen Fehlern wie im Jahr 2009, so dass auch diese Kostenposition dort zu streichen war, was im Ergebnis den Nachzahlungsbetrag auch für dieses Jahr zu Fall gebracht habe. Auch insoweit erfolgte Erläuterungen seien außerhalb der Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB erfolgt und daher unbeachtlich.
C. Kontext der Entscheidung
Das Urteil des AG Aschaffenburg reiht sich nahtlos in die absolut herrschende Meinung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung als auch in der Literatur ein. Die Abrechnung von Betriebskosten hat nach den Maßstäben des § 259 BGB zu erfolgen. Ein weder juristisch noch betriebswirtschaftlich vorgebildeter Mieter muss in der Lage sein, die insoweit erforderlichen Mindestangaben gedanklich und rechnerisch sowie auf Plausibilität nachzuprüfen. Die notwendigen Informationen hierzu muss der Mieter aus der Abrechnung selbst oder einer entsprechenden Erläuterung, welche bis zum Ende der Abrechnungsfrist erfolgen muss, erhalten haben. Nur so ist gewährleistet, dass der Abrechnungszeitraum des § 556 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht umgangen werden kann. Sinn dieser Vorschrift ist es, dass zwischen Mieter und Vermieter Klarheit darüber geschaffen wird, wie die treuhänderisch überlassenen Vorauszahlungen verwendet wurden und welche Ausgleichszahlungen gegebenenfalls daraus folgen. Entspricht eine Abrechnung innerhalb der vorgenannten Frist nicht diesen Anforderungen, so ist sie zumindest in Teilen, wenn nicht gar im Gesamten formell unwirksam. Dem Mieter stehen in diesem Falle diverse Rechte zur Seite. Er könnte auf die Erteilung einer formell ordnungsgemäßen Betriebskostenabrechnung klagen oder im laufenden Mietverhältnis bis zur Erteilung einer entsprechenden Abrechnung die Vorauszahlungen auf die Betriebskosten zurückbehalten. Nachzahlungen auf Abrechnungsspitzen des Vermieters sind jedoch nach Ablauf der Abrechnungsfrist auch bei einer nachträglich erteilten Abrechnung nicht mehr geschuldet. Die Sanktionen auf Vermieterseite bei nicht formell ordnungsgemäß abgerechneten Betriebskosten können daher nicht unerheblich sein. Im Sinne der Abrechnungsgerechtigkeit ist daher die Tendenz der Rechtsprechung des BGH zu begrüßen, dass Unrichtigkeiten bei Betriebskostenabrechnungen, welche früher noch als „formell“ eingestuft wurden, nunmehr lediglich eine materielle Qualität besitzen. Denn im Ergebnis sollte es darauf ankommen, dass der Mieter die von ihm verursachten Kosten trägt und nicht durch möglicherweise eine kleine Unachtsamkeit der Vermieter für diese einzustehen hat. Insoweit ist die Definition dahingehend, dass ein nicht juristisch oder betriebswirtschaftlich vorgebildete Mieter innerhalb der Abrechnungsfrist in die Lage versetzt werden muss, die Abrechnung gedanklich und rechnerisch nachzuvollziehen, völlig ausreichend, um dem Schutzziel des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB genüge zu tun. Insoweit ist nicht nachvollziehbar, weshalb der BGH an seiner überholten Rechtsprechung hinsichtlich der „unechten Gesamtkosten“, gemäß seiner Entscheidung vom 14.02.2007 (Az. VIII ZR 1/06), weiter festhält. Dies ist weder nach der vorgenannten Definition noch dogmatisch zu rechtfertigen. Auch wenn nicht alle dem Vermieter in der betreffenden Kostenpositionen in Rechnung gestellten Kosten in der Abrechnung als Gesamtkosten ausgewiesen sind, ist der Mieter dennoch in der Lage, die Abrechnung gedanklich und rechnerisch nachzuvollziehen. Die Prüfung der in Ansatz gebrachten Gesamtkosten sowie die sonstigen Kostenansätze könnten im Rahmen der Wahrnehmung der Kontrollrechte durch Einsichtnahme in die der Abrechnung zugrunde liegenden Verträge und Unterlagen geprüft und im Rahmen der mieterseitigen Einwendungen moniert werden. Dem Mieter entsteht hierdurch kein signifikanter Nachteil, während dem Vermieter durch Streichung ganzer Kostenposition bei auch teilweise nur kleinsten Fehlern, die meist darin bestehen, dass der Mieter sogar weniger Kosten in Rechnung gestellt bekommt, erheblicher Schaden droht. Schlussendlich handelt es sich bei § 556 Abs. 3 Nr. 2 BGB um eine Vorschrift zur Sicherstellung der Verteilungsgerechtigkeit und um keine Strafvorschrift. Daher sollte der BGH die sich ihm bietende nächste Möglichkeit nutzen, auch hier seine Rechtsprechung zu revidieren.
D. Auswirkungen für die Praxis
Auch zukünftig wird der Vermieter gehalten sein, bei der Abfassung von Betriebskostenabrechnungen genau darauf zu achten, dass die Mindestanforderungen des § 259 BGB sowie die hierzu ergangenen höchstrichterliche Rechtsprechung beachtet werden. Hier hatte sich in der Praxis als sinnvoll erwiesen, einem unbefangenen Dritten eine Abrechnung zur Durchsicht vorzulegen. So treten am ehesten Verständnisschwierigkeiten zu Tage. Sollten Abrechnungen aus sich heraus nicht verständlich sein, so ist dringend anzuraten, beispielsweise einzelne Abrechnungspositionen unter Benennung und gegebenenfalls einer Erläuterung der angewandten Verteilerschlüssel aufzuzeigen, gebildete Wirtschaftseinheiten unter Angabe der beteiligten Häuser und der sich hieraus ergebenden Flächenschlüssel exakt zu bezeichnen sowie Gesamtkosten und hiervon vorgenommene Vorwegabzüge bzw. Voraufteilungen unter Offenlegung der angewandten Rechenwege explizit darzustellen. Die Aufzählung ist nicht erschöpfend und sollte je nach Objekt entsprechend modifiziert werden. Insbesondere bei der Abrechnung von Objekten mit höheren Gewerbeanteil ist es unerlässlich. Im öffentlich geförderten Wohnraum sind darüber hinaus die Spezifika der entsprechenden Gesetze zu beachten.