Nachfolgend ein Beitrag vom 11.12.2015 von Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR 22/2015 Anm. 2

Leitsatz

Begehrt der Mieter, dem gemäß § 537 Abs. 1 BGB das Verwendungsrisiko der Mietsache zugewiesen ist, wegen besonderer Umstände des Einzelfalls mit Rücksicht auf Treu und Glauben die vorzeitige Entlassung aus einem längerfristigen Mietverhältnis gegen Stellung eines Nachmieters, obliegt es allein ihm, einen geeigneten Nachmieter zu suchen, den Vermieter über dessen Person aufzuklären und ihm sämtliche Informationen zu geben, die dieser benötigt, um sich ein hinreichendes Bild über die persönliche Zuverlässigkeit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Nachmieters machen zu können.

A. Problemstellung

Es gibt inzwischen regelmäßig Beiträge in Tageszeitungen und Online-Medien mit dem Titel: „Die größten Irrtümer im Mietrecht“ o.ä. Neben dem vermeintlichen Anspruch auf die jährliche Hausparty taucht dort regelmäßig auch die fälschliche Vorstellung von dem kurzfristigen Ausscheiden aus dem Mietverhältnis bei Gestellung mehrerer, meist dreier, Nachmieter auf. Etwas Richtiges ist da ja dran, aber die Anforderungen, die Juristen an die Nachmietergestellung stellen, sind weit höher als mietrechtliche Laien meist glauben.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Beklagten waren seit April 2011 Mieter eines Einfamilienhauses. Die Miete betrug anfänglich 1.450 Euro netto monatlich und erhöhte sich gemäß § 3 des Mietvertrages jeweils zum 1. Mai der Folgejahre um zwei Prozent. Im Mietvertrag heißt es zur Laufzeit des Vertrages auszugsweise:
„Das Mietverhältnis beginnt am 01.05.2011 und läuft fest bis zum 30.04.2015. Innerhalb dieser Festlaufzeit kann das Mietverhältnis von keiner Vertragspartei gekündigt werden. Ab dem 01.05.2015 läuft das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit und kann von beiden Parteien mit gesetzlicher Kündigungsfrist gekündigt werden.“
Vor Abschluss des Mietvertrages hatten sich die Mieter bei der Vermieterin erkundigt, ob der beabsichtigte Kündigungsausschluss auch im Falle eines arbeitgeberseitig „forcierten“ Standortwechsels oder anderen schwerwiegenden Veränderungen der Lebensumstände bindend sei. Die Vermieterin hatte hierzu Rechtsrat eingeholt und den Mietern mitgeteilt, dass im Einzelfall bei außergewöhnlichen, nicht vorhersehbaren Umständen ein Anspruch auf vorzeitige Entlassung aus dem Mietverhältnis in Betracht kommen könnte.
Im März 2013 wechselte einer der Mieter den Arbeitgeber und nahm eine neue Stelle in Norddeutschland an. Im März 2013 erklärten die Mieter mit Blick auf die geänderten Lebensumstände die „fristgerechte Kündigung“ des Mietvertrages. Nach Ablauf der Kündigungsfrist zahlten sie keine Miete mehr, räumten das Anwesen und gaben der Vermieterin die Schlüssel zurück. Letztere akzeptierte die Kündigung nicht, erklärte sich aber bereit, sie bei Stellung eines geeigneten Nachmieters aus dem Mietvertrag zu entlassen. Sie verlangte hierzu vom Nachmieter eine kurze schriftliche Erklärung zu den Familienverhältnissen, eine Selbstauskunft nebst Verdienstbescheinigung, den bisherigen Mietvertrag, Personalausweiskopien, eine Bonitätsauskunft sowie eine Bescheinigung, dass er den Mietvertrag vorbehaltlos unterschreiben werde.
Im Januar 2014 baten die Mieter um Mitteilung eines Besichtigungstermins für einen zwischenzeitlich gefundenen Mietinteressenten. Die Vermieterin, die in 120 Kilometern Entfernung vom Mietobjekt lebt, verwies darauf, dass sie erst nach Eingang und Prüfung der von den Mietinteressenten vorzulegenden Unterlagen zur Vereinbarung eines Besichtigungstermins bereit sei. Der Interessent lehnte die Erteilung der geforderten Auskünfte ab. Die Vermieterin verlangt Zahlung der Mieten für die Monate Juli bis September 2013 sowie die Feststellung, dass das Mietverhältnis bis mindestens zum 30.04.2015 fortbestand. Das Landgericht hat angenommen, dass die Mieter nach Treu und Glauben so zu stellen seien, als wenn das Mietverhältnis ab April 2014 beendet sei.
Dem ist der BGH nicht gefolgt. Seiner Meinung nach kann mit Treu und Glauben eine vorzeitige Mietvertragsbeendigung nicht begründet werden. Jedoch hat der BGH ausdrücklich offengelassen, ob der vereinbarte Kündigungsausschluss wirksam ist. Der Senat hat die landgerichtliche Würdigung zugrunde legen müssen, wonach es sich um eine Individualvereinbarung handelt. Formularvertraglich war nämlich die Vereinbarung des Kündigungsausschlusses unwirksam, weil er für mehr als vier Jahre gelten sollte. Bei einem formularvertraglichen Kündigungsausschluss muss die Kündigung immer zum Ablauf von vier Jahren seit Abschluss des Mietvertrages möglich sein (BGH, Urt. v. 08.12.2010 – VIII ZR 86/10). Vorliegend erlaubt die mietvertragliche Vereinbarung eine Kündigung erstmals nach dem 30.04.2015, also zum 31.07.2015, so dass die Bindung des Mieters mehr als vier Jahre seit Vertragsabschluss betragen würde. Eine solche Vereinbarung ist grundsätzlich nur individualvertraglich wirksam. Aber auch hier kann die Vier-Jahres-Frist bei Verbindung mit einer Staffelmiete wegen § 557a Abs. 4 BGB nicht überschritten werden. Bei einer Individualvereinbarung tritt aber gem. § 134 BGB nur eine Teilunwirksamkeit ein, weil alles das, was nicht verboten ist, nach deutschem Privatrecht erlaubt ist.
Auch aufgrund der Nachmietergestellung sind die Mieter nicht aus dem Mietvertrag ausgeschieden. Nach Ansicht des Senats haben die Mieter bisher keinen geeigneten Nachmieter gestellt. Es obliege allein dem Mieter, einen geeigneten Nachfolger zu benennen, wenn er vom Vermieter mit Rücksicht auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine vorzeitige Entlassung aus dem Mietverhältnis begehrt. Das ergibt sich daraus, dass allein der Mieter gemäß § 537 Abs. 1 BGB das Verwendungsrisiko der Mietsache trägt. Es ist deshalb allein seine Sache, einen geeigneten Nachfolger zu suchen, den Vermieter über die Person des Nachfolgers aufzuklären und ihm sämtliche Informationen zu geben, die dieser benötigt, um sich ein hinreichendes Bild über die persönliche Zuverlässigkeit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Nachmieters machen zu können. Der Vermieter ist demgegenüber nicht gehalten, aktiv an der Suche eines Nachmieters mitzuwirken. Aus diesem Grund kann es der Vermieterin nicht als widersprüchliches oder sonst rechtsmissbräuchliches Verhalten angelastet werden, dass sie die Durchführung von Besichtigungsterminen, die für sie mit einer Anreise von 120 Kilometern verbunden gewesen wäre, von der Durchführung einer Vorauswahl möglicher Nachmieter abhängig gemacht hat.
C. Kontext der Entscheidung
Der Mieter hat dann einen Anspruch auf Entlassung aus dem Mietverhältnis, wenn
1. der Mieter das Mietverhältnis nicht mit der gesetzlichen Kündigungsfrist gem. § 573c BGB (ca. 3 Monate) beenden kann;
2. ihm die Gestellung eines Nachmieters vertraglich gestattet wurde;
3. bei fehlender Gestattung ein berechtigtes Interesse des Mieters an der vorzeitigen Mietvertragsbeendigung besteht;
4. der gestellte Nachmieter geeignet ist.
Vorliegend hat der Senat offengelassen, ob die berufliche Veränderung eines der Mieter ein berechtigtes Interesse darstellt. Die Vermieter hatte sich mit der Nachmietergestellung einverstanden erklärt, so dass den Mietern bereits von daher gestattet war, einen Nachmieter zu stellen.
In der Regel ist in der Praxis strittig, ob eine bestimmte Person ein geeigneter Nachmieter ist. So hat der BGH (Urt. v. 22.01.2003 – VIII ZR 244/02) sich in den Anfängen seiner umfassenden wohnraummietrechtlichen Zuständigkeit mit der schwierigen Frage beschäftigen müssen, ob ein alleinerziehender Vater ein geeigneter Nachmieter ist. Es hat dies selbstverständlich bejaht.
Die vorliegende Fallgestaltung ist der Entscheidung über die Geeignetheit des Nachmieters vorgeschaltet. Hier geht es erst einmal darum, welche Informationen der Vormieter liefern muss, damit der Vermieter sich überhaupt ein Bild über die Geeignetheit des Nachmieters machen darf. Im Ergebnis hat der BGH dem Vermieter die Rechte eingeräumt, die er auch bei einer Neuvermietung hat. Auch da darf er dem Mietinteressenten alle für die Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bedeutsamen Fragen stellen. Der Vermieter muss keinen Nachmieter akzeptieren, der diese Fragen nicht beantwortet. Das ist auch nicht zu beanstanden.
D. Auswirkungen für die Praxis
Für die Praxis wird die Nachmietergestellung im Zusammenhang mit der Begrenzung der Wiedervermietungsmiete bedeutsam. Nach der Rechtsprechung des BGH kann nämlich der Mieterwechsel auf einen Nachmieter im Wege des Abschlusses eines neuen Mietvertrags mit einem vom Mieter gestellten Nachmieter und gleichzeitiger Aufhebung des bisherigen Mietvertrags erfolgen oder durch den Eintritt des Nachmieters in den bereits bestehenden Vertrag (BGH, Urt. v. 21.02.2012 – VIII ZR 117/11). Die Mietpreisbremse des § 556d Abs. 1 BGB gilt nur im ersten Fall, da sie nur bei Neuabschluss eines Mietvertrages gilt (Börstinghaus, jurisPR-MietR 9/2015 Anm. 1; Eisenschmid, jurisPR-MietR 10/2015 Anm. 1; Eisenschmid, jurisPR-MietR 11/2015 Anm. 1). Tritt der Nachmieter in den Mietvertrag ein, ist jede vereinbarte Mieterhöhung eine solche gem. § 557 Abs. 1 BGB, für die die Grenze des § 556d Abs. 1 BGB nicht gilt.
E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Etwas erstaunlich ist, dass der BGH hier kommentarlos von der Wirksamkeit der Staffelmietvereinbarung ausgeht. Das ist mit Sicherheit nicht der Fall. Bei einer Staffelmiete in der Wohnraummiete muss zwingend entweder der Erhöhungsbetrag oder die neue zu zahlende Miete angegeben werden. Hier wurde eine prozentuale Steigerung vereinbart, was weder früher noch heute zulässig ist (BGH, Urt. v. 15.02.2012 – VIII ZR 197/11 – NJW 2012, 1502 = MietPrax-AK, § 557a BGB Nr. 16, m. Anm. Börstinghaus; OLG Braunschweig, RE v. 29.03.1985 – 1 MH 1/85 – NJW-RR 1986, 91; OLG Karlsruhe, RE v. 13.11.1989 – 9 ReMiet 1/89 – NJW-RR 1990, 155; LG Berlin, Urt. v. 29.10.1991 – 64 S 87/91 – WuM 1992, 198; LG Bonn, Urt. v. 12.03.1992 – 6 S 453/91 – WuM 1992, 199; Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl., § 557a Rn. 37). Man könnte allenfalls erörtern, ob sich ggf. der Verwender auf die Unwirksamkeit der Klausel bzw. die Unwirksamkeit der Vereinbarung berufen darf. Wenn die Staffelmiete nämlich unwirksam gewesen wäre, dann wäre ein Kündigungsausschluss von mehr als vier Jahren individualvertraglich möglich gewesen.