Nachfolgend ein Beitrag vom 13.2.2017 von Harbeck, jurisPR-InsR 3/2017 Anm. 3
Leitsatz
Für die Frage der rechtlichen Umsetzbarkeit eines Sanierungskonzeptes kommt es auf die tatsächlichen Umstände an, mithin auf die Rechtsansicht der zuständigen Gerichte.
A. Problemstellung
Das OLG Frankfurt hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Anforderungen an ein Sanierungskonzept und dessen tatsächliche Umsetzung zu stellen sind, damit dieses die in einer Krisensituation meist vorliegenden Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung gemäß den §§ 129 ff. InsO, insbesondere die Vermutung eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes bezüglich geleisteter Sanierungsberaterhonorare auszuschließen vermag. In der Folge eines wirksamen Ausschlusses dürfte der Sanierungsberater die an ihn seitens des Schuldners geleisteten Beraterhonorare behalten.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Schuldnerin, eine juristische Person, drohte in wirtschaftliche Schieflage zu geraten. Die Beklagte ist eine Investmentbank, die den letztendlich gescheiterten Sanierungsversuch der Schuldnerin als deren Finanzberaterin koordinierte und hierfür unmittelbar vor dem Insolvenzantrag ein Honorar in Millionenhöhe erhielt. Nach Insolvenzantragstellung, namentlich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin, begehrte der Insolvenzverwalter im Klagewege Rückzahlung des vorgenannten Beraterhonorars an die Insolvenzmasse.
Das Landgericht hatte der Klage mit der Begründung stattgegeben, dass die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO, insbesondere der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, vorlägen. Dieser sei auch nicht aufgrund der schuldnerischen Annahme entfallen, das Sanierungskonzept sei aussichtsreich, da ein solches zum Zeitpunkt der schuldnerischen Rechtshandlung gemäß § 129 InsO in Form der Leistung der Beraterhonorare tatsächlich nicht vorgelegen habe.
Der Kläger trägt mit seinem Antrag auf Abweisung der Berufung in Anlehnung an die Vorinstanz vor, dass das von der Beklagten koordinierte Sanierungskonzept nicht aussichtsreich gewesen und es zum Zeitpunkt der Zahlungen an die Beklagte vor allem nicht wenigstens schon zum Teil in die Tat umgesetzt worden sei, insbesondere der Sanierungsplan nicht eingehalten wurde. Vielmehr hätten die Sanierungsaussichten davon abgehangen, gewisse Gläubiger davon zu überzeugen, auf ihre jeweilige Forderung zu verzichten. Eine positive Fortführungsprognose, welche für die Widerlegung der Vermutung eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes gemäß § 133 InsO jedoch zwingend erforderlich sei, habe zum Zeitpunkt der Leistungen an die Beklagte nicht vorgelegen.
Die Beklagte hält dem entgegen, dass es hinsichtlich der Frage der Kenntnis des Eintritts eines Insolvenzgrundes und damit eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes auf die Kenntnis der Organe der Schuldnerin ankäme. Diese hätten zum Zeitpunkt der Zahlungen jedoch gerade externe Berater beauftragt, das Vorliegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit zu prüfen und zeitgleich ein Sanierungskonzept zu erstellen. Die Organe hätten demnach zum Zeitpunkt der Beratung (noch) keine Kenntnis von dem tatsächlich bereits vorliegenden Insolvenzszenario gehabt. Hinzu trete, dass eine etwaige Kenntnis von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit noch nicht den zwingenden Schluss auf einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz zulasse. Vielmehr sei die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit lediglich ein Indiz, welches in der Gesamtschau der Umstände, insbesondere auf Grundlage der Sanierungsbemühungen, zu betrachten sei.
Das OLG Frankfurt hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz werde nicht durch ein Sanierungskonzept ausgeschlossen, da ein solches nicht vorgelegen habe.
Es genüge für den Benachteiligungsvorsatz, wenn die Schuldnerin zum Zeitpunkt der Rechtshandlung in Kenntnis einer mutmaßlichen Benachteiligung ihrer Gläubiger durch die Rechtshandlung gehandelt habe. Die Kenntnis der Schuldnerin von der drohenden Zahlungsunfähigkeit, die auch unter Auslegung der Umstände ermittelt werden kann, biete demnach ein starkes Beweisanzeichen für einen Benachteiligungsvorsatz. Bei der Beurteilung sei die gesamte Finanzlage der Schuldnerin zum Zeitpunkt der Handlung zu berücksichtigen. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes kannte die Schuldnerin ihre drohende Zahlungsunfähigkeit, da in dem Konzernzwischenlagebericht darauf hingewiesen wurde, dass sich das bereits im Halbjahresbericht erläuterte Risiko, dass eine zeitnahe Rückzahlungsverpflichtung der Schuldnerin in Bezug auf fällig werdende Wandelanleihen nicht aus freien, liquiden Mitteln bedient werden könne, weiter erhöht habe.
Für die Entkräftung der Vermutung des Benachteiligungsvorsatzes tauge nur ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept, welches bei dem Schuldner die ernsthafte und begründete Aussicht auf Sanierung rechtfertige und zum Zeitpunkt der Rechtshandlung mindestens in den Anfängen bereits in die Tat umgesetzt sei. Ein solches liege hier jedoch nicht vor. Das Sanierungskonzept sei vorliegend vielmehr steckengeblieben und begründe daher keine realistische Aussicht auf Sanierung, sondern nur eine vage Hoffnung auf diese. In der Folge konnte die Vorsatzvermutung nicht entkräftet werden.
Gegen die Entscheidung ist Revision eingelegt (Az. des BGH: IX ZR 261/16).
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung fügt sich in die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Anforderungen an Sanierungskonzepte und deren vorsatzausschließende Wirkung ein.
Jüngst hat der BGH (Urt. v. 12.05.2016 – IX ZR 65/14 Rn. 14 m.w.N. – ZIP 2016, 1235) unter Bestätigung der ständigen Rechtsprechung die Konturen von Sanierungskonzepten scharf nachgezeichnet. Er bestätigte, dass die (drohende) Zahlungsunfähigkeit ihre Bedeutung als Indiz für einen schuldnerischen Benachteiligungsvorsatz und der gläubigerseitigen Kenntnis hiervon entkräftet würde, wenn die streitgegenständliche Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften, wenn ggf. letztlich auch gescheiterten Sanierungskonzeptes sei. Hintergrund sei, dass der Schuldner in diesen Fällen bei Vornahme der Rechtshandlung von einem anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen geleitet sei und daher das Bewusstsein der potentiellen Benachteiligung anderer Gläubiger aufgrund dieser hehren Zielsetzung in den Hintergrund trete (BGH, Urt. v. 14.04.2014 – IX ZR 65/14 Rn. 43 – ZIP 2014, 1491).
Die Anforderungen, die an ein solches Sanierungskonzept gestellt werden, sind mittlerweile relativ eindeutig durch die Rechtsprechung festgelegt. Grundsätzlich stimmen diese Anforderungen mit denjenigen überein, die von der betriebswirtschaftlichen Literatur (z.B. Crome/Werner, Modernes Sanierungsmanagement, 4. Aufl. 2014, S. 47 ff.; Burth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 4. Aufl. 2014, § 7 Rn. 3; WP Handbuch 2014, Bd. II, Kap. L, Rn. 133 ff.) aufgestellt wurden.
Im Rahmen der oben genannten Entscheidung (Urt. v. 12.05.2016 – IX ZR 65/14) arbeitete der BGH insbesondere folgende Sanierungskonzeptanforderungen heraus:
Die Analyse der Vergangenheit und der Verluste sei zur Identifizierung der Krisenursachen und zur Plausibilisierung des Konzepts unerlässlich. Ferner muss das Konzept die Frage beantworten, ob operative Verluste gar leistungs- oder finanzwirtschaftlich verursacht wurden und wie diese zukünftig beseitigt werden sollen. Hintergrund ist, dass die bisherige Praxis gezeigt hat, dass die Krisenursachen andernfalls nur temporär überwunden werden, das Unternehmen aber nicht langfristig auf belastbarem Boden steht. Auf diesen Gedanken fußend wird weiter verlangt, dass die Sanierung auf Dauer angelegt sein soll und die konzipierten Maßnahmen das Unternehmen daher nachhaltig rentabel machen müssen. Andernfalls seien Investoren meist auch nicht bereit, zu investieren.
Dabei darf jedoch nicht verkannt werden, dass nicht nur betriebswirtschaftliche, sondern auch insolvenzrechtliche Fragestellungen (Stichwort: Gläubigerbefriedigung) im Rahmen des Konzepts eine Rolle spielen. Werden die diesbezüglichen theoretischen und praktischen Szenarien außer Acht gelassen, kann ein Konzept, welches von der drohenden Zahlungsunfähigkeit ausgeht, nicht tragfähig sein, da die Insolvenz schließlich wenigstens unmittelbar bevorsteht. Das Konzept muss daher wesentlich die Vermeidung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung beinhalten und das idealerweise wenigstens für das laufende und folgende Kalenderjahr (so auch IDW S 6, Tz. 13). Diese Voraussetzung kann nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bejaht werden, wenn eine nachvollziehbare und vertretbar erscheinende Prognose vorliegt, also gewichtigere Gründe für ein positives Ergebnis als für ein Scheitern sprechen. Bei der Beurteilung sollen die Erwägungen auf den tatsächlichen Gegebenheiten basieren. Das OLG Frankfurt hat in der besprochenen Entscheidung dementsprechend insbesondere darauf abgestellt, dass keine tatsächlichen, gewichtigen Gründe für die Annahme einer nachhaltigen Sanierung zum Zeitpunkt der Rechtshandlung vorlagen.
Der Standard IDW S 6 des Instituts für Wirtschaftsprüfer e.V. stellt Standards auf, an die sich die Ersteller von Sanierungskonzepten halten sollten. Ein Sanierungskonzept muss zwar nicht nach dem IDW S 6 erstellt sein, um einer gerichtlichen Überprüfung standzuhalten. Dennoch hat sich der IDW S 6 in der Praxis tatsächlich zu dem Standard entwickelt. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass die Voraussetzungen der Rechtsprechung sämtlich in dem IDW S 6 erfasst sind, zum anderen, weil die Vorgaben klar auf die Unternehmenssanierung ausgerichtet sind und der Sanierungsberater damit potentielle Fehlerquellen seines Konzeptes reduzieren kann.
Dennoch kann im Umkehrschluss, wohl aber eher bei kleineren Unternehmen, ein Konzept, welches von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht, auf eine nachhaltige Sanierung ausgelegt und nicht offensichtlich undurchführbar erscheint, schlüssig und damit den Anforderungen der Rechtsprechung genügend sein.
Nach alledem bleibt festzuhalten, dass sich die Begründung des Oberlandesgerichts nahtlos in die bisherige Rechtsprechung zu Sanierungskonzepten einfügt.
D. Auswirkungen für die Praxis
Praxisrelevanz entfaltet die Entscheidung dahingehend, dass bei einer Rechtshandlung in Form einer Leistung des Schuldners an seinen Sanierungsberater zum Zeitpunkt der drohenden Zahlungsunfähigkeit genauestens geprüft werden sollte, ob das aufgestellte Sanierungskonzept den oben dargestellten Anforderungen (der Rechtsprechung) entspricht. Andernfalls droht nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verpflichtung zu Rückgewähr der erhaltenen Beraterhonorare. Der Anfechtungsgegner ist für die Widerlegung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes durch Darlegung der Schlüssigkeit des Sanierungskonzepts beweisbelastet.