Nachfolgend ein Beitrag vom 3.7.2017 von Cranshaw, jurisPR-InsR 13/2017 Anm. 3

Leitsatz

Entnimmt ein Kommanditist Gelder aus dem Vermögen der Gesellschaft und sind die Entnahmen durch ein Guthaben auf einem Kapitalkonto gedeckt, scheidet eine Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO aus, wenn das Guthaben eine Beteiligung am Eigenkapital der Gesellschaft ausweist und damit keine Forderung des Gesellschafters darstellt.

A. Problemstellung

Das OLG Schleswig hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit bzw. unter welchem rechtlichen Aspekt Auszahlungen aus dem Vermögen einer Kommanditgesellschaft an den Kommanditisten einer GmbH & Co. KG zulasten seines Gesellschafterkontos in der Krise der Gesellschaft angefochten werden können und unter welchen Voraussetzungen solche Auszahlungen das Eigenkapital der KG betreffen oder der Tilgung von Forderungen des Gesellschafters dienen, also auf Fremdkapital erfolgen. Prima facie scheint dies zu überraschen, denn wenn man sich § 135 Abs. 1, 4 InsO (zusammen mit § 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4, 5 InsO) betrachtet, der die Anfechtbarkeit von Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich vergleichbaren Leistungen zum Gegenstand hat, scheint ein argumentum a fortiori, ein „Erst-recht-Schluss“, dafür zu sprechen, dass dies auch für die Rückzahlung von Eigenkapital in der Krise der Gesellschaft gilt. Dabei muss man aber berücksichtigen, dass die Außenhaftung des Kommanditisten nach den §§ 171 Abs. 1, 172, 173, 174 HGB, die der Insolvenzverwalter der KG nach § 171 Abs. 2 HGB durchsetzt, nicht dieselbe ratio legis hat wie § 135 InsO. Die Haftung nach den zitierten Normen des HGB schützt nur diejenigen Gläubiger, die gegen den Kommanditisten einen persönlichen Haftungsanspruch bis zur Höhe seiner Hafteinlage als unmittelbare Außenhaftung geltend machen können. Die unbeschränkte Haftung nach § 176 HGB, die einen anderen Ansatz verfolgt und daher insolvenzrechtlich unter § 93 InsO zu subsumieren ist, spielt vorliegend keine Rolle. Dennoch entspricht § 171 Abs. 2 HGB für den Sonderfall der beschränkten Kommanditistenhaftung nach § 171 Abs. 1 HGB der Norm des § 93 InsO im Hinblick auf die persönlich unbeschränkt haftenden Gesellschafter, so dass der Verwalter als Treuhänder dieser Gläubiger auch hier eine Sondermasse an den durchgesetzten Beträgen zugunsten der betroffenen Gläubiger bilden muss. Wie § 93 InsO, so wohnt auch § 171 Abs. 2 HGB die von der allgemeinen Meinung dort vertretene Sperr- und Ermächtigungswirkung inne. Zudem erfasst § 171 Abs. 1 HGB allein das Haftkapital und generiert eine Außenhaftung zugunsten der Gläubiger im Umfang der unbezahlt gebliebenen, zurückbezahlten, gestundeten, erlassenen usw., im Handelsregister eingetragenen Hafteinlage, und berührt nicht die etwa darüber hinausgehende Pflichteinlage. § 171 Abs. 2 HGB, der wie § 93 InsO keine Anspruchsgrundlage darstellt, ermöglicht auch nicht, die Massegläubiger aus der erfolgreichen Durchsetzung der Haftung des Kommanditisten zu befriedigen, da die beschränkte akzessorische Außenhaftung der Kommanditisten die Masseverbindlichkeiten nicht einschließt. Völlig anders ist § 135 InsO zu betrachten. Der Insolvenzverwalter vereinnahmt die nach den §§ 129 ff., 143 InsO durchgesetzten Beträge zur Masse.
Wenn auch die ratio legis der Norm nicht ganz deutlich erscheint und nur klar ist, dass der Gesetzgeber mit dem MoMiG (2008) den Eigenkapitalersatz und die Novellenregeln beseitigen wollte, so kann man doch annehmen, dass er dem Gesellschafter, der unter die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4, 5 bzw. 135 InsO zu subsumieren ist, eine besondere Rolle als Gläubiger einräumt und daher seine in der Insolvenz bestehenden Insolvenzforderungen herabstuft. Ob man daraus folgern kann, auch Eigenkapitalrückzahlungen könnten mittels des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nach § 135 InsO angefochten werden können, ist somit schon systematisch fraglich. Die nachrangige Gesellschafterforderung rangiert im letzten Rang des § 39 Abs. 1 InsO, aber dennoch vor den im Rang zurückgetretenen Insolvenzforderungen des § 39 Abs. 2 InsO. Hingegen ist das Eigenkapital einer Gesellschaft, gleichgültig, ob hier Haftkapital der Kommanditisten oder Pflichteinlage, keine Insolvenzforderung nach § 38 InsO. Wird die Gesellschaft im Insolvenzverfahren liquidiert und entsteht ein Liquidationsüberschuss, so ist dieser nach § 199 Satz 2 InsO von dem Insolvenzverwalter an die beteiligten Gesellschafter nach ihrer Kapitalquote an der Gesellschaft herauszugeben. § 135 InsO ist mit Karsten Schmidt zu Recht als „Kernstück der Gesellschafter-Fremdfinanzierung“ (K. Schmidt, InsO, 19. Aufl., 2016, § 135 Rn. 1) anzusehen, mit der Eigenkapitalrefinanzierung der Unternehmen hat die Norm nichts zu tun.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

I. Klägerin des vorliegenden Falles ist die Insolvenzverwalterin einer 1994 gegründeten GmbH & Co. KG, Beklagte ist deren Kommanditistin. Diese hielt 95% des Kommanditkapitals und 98% der Anteile an der Komplementär-GmbH. Geschäftsführer der GmbH war ihr Lebensgefährte. Die Beklagte vereinte also vermögens- wie mitgliedschaftsrechtlich nahezu alle gesellschaftsrechtlichen Positionen beider Gesellschaften in ihrer Hand. Auf Eigenantrag vom 30.08.2013 wurde schon am 20.09.2013 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG eröffnet. Die Klägerin verfolgte nach Teilvergleich im Berufungsverfahren zuletzt noch ca. 13.600 Euro, die die Beklagte von März 2012 bis Anfang Juli 2013 von der Gesellschaft mit 23 Zahlungen empfangen hatte und die als „Privatentnahme“ und „DAK“, (also als Krankenkassenbeitrag) bezeichnet worden waren. Nach dem Gesellschaftsvertrag wurden für die Gesellschafter bei der KG zwei Konten geführt. Das eine diente als „festes Kapitalkonto“ der Verbuchung der Kommanditeinlage und wies die „Beteiligung am Festkapital und am Gesellschaftsvermögen“ aus, das zweite Konto war ein „variables Kapitalkonto“, auf dem Gewinne und Verluste sowie Entnahmen zu buchen waren. Ferner enthielt der Gesellschaftsvertrag Bestimmungen über die Voraussetzungen der Änderung von Kommanditanteilen und die Zulässigkeit sowie die Höhe von Entnahmen, auf die im Einzelnen nicht einzugehen ist. Vom variablen Kapitalkonto sollten die Kommanditisten bei positivem Saldo monatlich bis zu 10.000 DM erheben können (ca. 5.100 Euro). Vorliegend war die Höhe des variablen Kapitalkontos der Beklagten streitig; nach dem Rechnungswesen der KG war im März 2012, dem Zeitpunkt des Beginns der Zahlungen, ein Stand des Kontos von ca. 106.000 Euro ausgewiesen, im September 2013 von ca. 114.000 Euro. Die klagende Insolvenzverwalterin focht die Auszahlungen an die Beklagte zum einen unter dem Aspekt der unentgeltlichen Leistung an (§ 134 InsO), denn die Beklagte könne als Konsequenz der Verluste der KG kein Guthaben mehr gehabt haben. Ferner stützte sie die Anfechtung auf § 133 InsO und schließlich auf § 135 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 InsO, also die Auszahlung auf ein Gesellschafterdarlehen oder eine vergleichbare Leistung im letzten Jahr vor Insolvenzantrag oder danach, sollte der Kontostand des variablen Kontos richtig ausgewiesen worden sein. In Höhe eines Teilbetrags von ca. 4.600 Euro (Kommanditeinlage als Hafteinlage) stützte sich die Klägerin ferner auf § 172 Abs. 4 HGB (den Gläubigern gegenüber unwirksame Rückzahlung der Hafteinlage).
Das LG Itzehoe hatte der Klage, soweit in der Berufung noch relevant, unter Heranziehung des § 134 InsO stattgegeben. Das Entnahmerecht der Beklagten stehe der Annahme der Unentgeltlichkeit nicht entgegen. Außerdem habe ein Guthaben auf dem variablen Kapitalkonto wie ein eigenkapitalersetzendes Darlehen behandelt werden müssen mit der Folge der Anfechtbarkeit nach § 135 InsO.
II. Das OLG Schleswig hat sich dieser Auffassung der ersten Instanz nicht angeschlossen und die Klage abgewiesen.
§ 134 InsO sei auf die als „Privatentnahmen“ und „DAK“ bezahlten Beträge nicht anwendbar. Der Begriff der Unentgeltlichkeit nach § 134 InsO sei zwar weit auszulegen, um, so der Senat im Ergebnis, der geringeren Berechtigung des unentgeltlichen Erwerbs gegenüber der Gesamtheit der Gläubiger mit entgeltlichen Forderungen zum Durchbruch zu verhelfen. Demgegenüber sei der entgeltliche Erwerb dadurch geprägt, dass der Schuldner für seine Leistung einen entsprechenden Gegenwert erhält oder – außerhalb von Verpflichtungsgeschäften – eine „ausgleichende Zuwendung“. Bei einem entgeltlichen Vertrag erlange der Schuldner für seine Leistung die Befreiung von der entsprechenden Verbindlichkeit gegenüber dem Berechtigten. Die Erfüllung des Anspruchs eines Gesellschafters auf Gewinnauszahlungen oder das Auseinandersetzungsguthaben sei nach der Rechtsprechung des BGH somit entgeltlich. Genauso betrachtet der Senat die Entnahmen der Beklagten von ihrem variablem Kapitalkonto im vorliegenden Fall. Die Grenzen der Entnahmen nach dem Gesellschaftsvertrag waren eingehalten. Auf die Fragen der Beweislast des Insolvenzverwalters und der ggf. sekundären Darlegungslast des Anfechtungsgegners, die vorliegend aufgrund des Streits über die Höhe des Kapitalkontos von Bedeutung war, ist nicht weiter einzugehen.
Der Senat lehnt aber auch eine Anfechtbarkeit der fraglichen Zahlungen nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ab. Hierzu setzt sich das OLG Schleswig mit Literaturstimmen und Rechtsprechung des OLG Koblenz auseinander, die für die GmbH eine einem Gesellschafterdarlehen gleichgestellte Forderung annehmen, wenn die Gesellschaft durch einen Gewinnvortrag neue Liquidität erhalte. Gewinnvortrag und Gewinnrücklage hätten Finanzierungscharakter, und daher seien sie einem Gesellschafterdarlehen gleichzustellen, anders sei dies nur bei „zeitnah festgestellten und ausgeschütteten“ Gewinnen. Nach dieser Meinung, so folgert der Senat, sei § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO auch dann anzuwenden, wenn der Gesellschafter Gewinne, die er habe entnehmen können, stehengelassen habe, um sie dann erst durch die Entnahme abzuschöpfen. Diese Auffassung sei aber unrichtig. § 135 InsO sei vorliegend schon nicht unmittelbar anwendbar, weil es an einem Forderungsrecht des Gesellschafters fehle, einer Grundvoraussetzung der Norm. Im Kern einer Forderung stehe deren Unentziehbarkeit durch den Schuldner. Die Beteiligung eines Gesellschafters sei aber keine Forderung; der Auszahlungsanspruch auf Gewinnanteile setze die Feststellung des Jahresabschlusses und einen Gewinnverwendungsbeschluss voraus. Die Einstellung des Gewinns in die Rücklage oder der Gewinnvortrag würden eine Forderung des Gesellschafters erst gar nicht entstehen lassen, so dass von einer Gesellschafterforderung i.S.d. § 135 InsO nicht gesprochen werden könne. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO sei aber auch nicht analog anwendbar. Das Unterbleiben der Entnahme oder die Thesaurierung von Gewinnen stehe zwar in der (wirtschaftlichen) Wertung dem Stehenlassen einer Forderung nahe, ebenso spreche die Wertung des § 199 InsO für die Heranziehung des § 135 InsO in Fällen wie hier. Es fehle indes an einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz (der grundlegenden Voraussetzung jeder Analogie). Mit der Neufassung des § 135 InsO durch das MoMiG (zum 01.11.2008) habe man das frühere Eigenkapitalersatzrecht abgeschafft, ebenso die sog. Novellenregeln der Judikatur des BGH. Der Gesetzgeber habe eine insolvenzanfechtungsrechtliche Regelung der Finanzierung durch Gesellschafter mit klaren Fristen umsetzen wollen. Nicht indes habe er den Schutz der Eigenkapitalziffer verstärken wollen. Die Kapitalerhaltung sei freilich anderweit geschützt, zunächst durch die verbotene Auszahlung von Stammkapital nach § 30 Abs. 1 GmbHG, wenn in der KG durch die Rückzahlung das Vermögen der GmbH unter die Stammkapitalziffer sinkt oder die Überschuldung vertieft wird. Der Senat stützt sich insoweit auf den Gesellschaftsrechtssenat des BGH (Urt. v. 09.12.2014 – II ZR 360/13 Ls. 1 und Rn. 8 – ZInsO 2015, 356). Das Berufungsgericht weist ferner auf die §§ 171 f. HGB sowie auf die Deckungs- und die Vorsatzanfechtung hin. Eine analoge Anwendung des § 135 InsO auf Eigenkapitalausschüttungen scheide daher (auch) nach Literaturstimmen aus. Im Anschluss hieran hat sich das OLG Schleswig damit auseinandersetzen müssen, ob vorliegend tatsächlich Eigenkapital ausbezahlt wurde oder ob nicht doch ein darlehensgleicher Anspruch der Gesellschafterin befriedigt wurde, also eine unter § 135 InsO zu subsumierende Rechtshandlung vorliegt. Der Senat grenzt hierzu die unentziehbare Forderung von der Kapitalbeteiligung ab; Buchungen auf einem Gesellschafterkonto könnten beides sein. Die Forderung (aus Gewinnbezug) nehme nach § 169 Abs. 2 HGB nicht mehr an späteren Verlusten teil, sei aber in der Insolvenz der GmbH & Co. KG nachrangig (sofern nicht die Voraussetzungen des Kleinbeteiligungs- bzw. des Sanierungsprivilegs vorliegen, §§ 39 Abs. 4 Satz 2, Abs. 5, 135 Abs. 4 InsO). Die Beteiligung hingegen werde durch Verluste geschmälert und in der Insolvenz am Liquidationserlös nur nach Maßgabe des § 199 InsO beteiligt. Im Ergebnis bedarf die Abgrenzung zwischen Gesellschafterforderung und Kapitalbeteiligung aus dem Blick des OLG Schleswig der Auslegung (der Details des Gesellschaftsvertrags und der weiteren Beschlussfassungen der Gesellschafter), wobei anderweitige Auslegungskriterien als die Unterscheidung nach der Verlustbeteiligung erst dann relevant seien, wenn der Gesellschafter nicht am Verlust beteiligt werden solle und danach offen sei, ob nun eine Beteiligung zu bejahen sei oder nicht oder doch eine Forderung (genauer: ob die Buchung auf dem Gesellschafterkonto Eigenkapital oder Fremdkapital betrifft). Ist das streitig, so können nach der Besprechungsentscheidung Fragen der Verzinsung des Guthabensaldos des Gesellschafters, Entnahmerechte, ja die Bezeichnung des Kontos relevante Abgrenzungskriterien sein (wobei aber auch hier gelten muss, dass „falsa demonstratio non nocet“).
Vorliegend meint der Senat, das Gesellschafterkonto, auf dem die ausbezahlten Beträge (vereinbarungsgemäß) gebucht wurden, sei ein Eigenkapitalkonto gewesen, denn man habe dort auch Verluste eingestellt. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO sei daher nicht anwendbar.
Der Senat verneint auch eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO, denn bei Würdigung des vorgetragenen Sachverhalts seien keine hinreichenden Indiztatsachen erkennbar, die für drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin im fraglichen Zeitraum gesprochen hätten oder für die Kenntnis der Beklagten von einer „unterstellten Zahlungsunfähigkeit“. Das Urteil enthält insoweit die Wiedergabe von Leitlinien der höchstrichterlichen Judikatur zu § 133 InsO und der Subsumtion des Sachverhalts darunter, so dass weitere Ausführungen dazu hier entbehrlich erscheinen. Die Klägerin und die Vorinstanz hatten sich für die Frage der Kenntnis offenbar zudem auf eine Nähebeziehung nach § 138 Abs. 2 Nr. 1, 3 InsO gestützt, weil der Geschäftsführer der KG der Lebensgefährte der Beklagten ist, gegen den eine Haftungsklage nach § 64 GmbHG geführt wurde. § 138 InsO sei indes im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO nicht heranzuziehen, so dass es bei der Gesamtwürdigung des Sachverhalts ohne Einbeziehung des § 138 InsO bleibe, wobei die Klägerin nicht einmal vortragen konnte, dass die Beklagte Einblick in Geschäftsunterlagen der KG hatte.
Auch den Haftungsanspruch nach § 172 Abs. 4 HGB hat das OLG Schleswig verneint, da die Klägerin hierzu nicht schlüssig vorgetragen habe.
Die Zulassung der Revision bindet der Senat zutreffend an § 135 InsO, da das OLG Koblenz vertreten hatte, die Ausschüttung von Gewinnvorträgen sei die Befriedigung einer dem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechenden Forderung und daher der Anfechtbarkeit nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO unterworfen (OLG Koblenz, Urt. v. 15.10.2013 – 3 U 635/13 Rn. 21 – ZInsO 2013, 2168). Damit ist jedenfalls der Revisionsgrund des § 542 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO in Gestalt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu bejahen. Das OLG Koblenz hatte ebenfalls die Revision zugelassen, die der IX. Zivilsenat indes verworfen hat (Az. des BGH: IX ZR 252/13).

C. Kontext der Entscheidung

I. Die Besprechungsentscheidung zeigt eine besondere Konstellation, dass nämlich der Gesellschafter, der nahezu alle vermögensrechtlichen und mitgliedschaftsrechtlichen Positionen an der KG und ihrer Komplementär-GmbH hält, in der Krise der Gesellschaft über einen längeren Zeitraum hinweg erhebliche Beträge aus dem Gesellschaftsvermögen erhalten hat und dies nun in keiner Weise angreifbar sein soll. Wäre die Beklagte allerdings wie sonst üblich Geschäftsführerin gewesen, so hätte die Klage sicher unter dem Aspekt des § 133 InsO oder der Deckungsanfechtung Erfolg gehabt. Die Klägerin konnte angesichts dieser besonderen Konstellation offenbar nichts zur Kenntnis der Beklagten vortragen und musste sich daher rechtlich auf die Anwendbarkeit des § 135 InsO bzw. des § 134 InsO verlassen. Sicherlich war die Sachlage auch so, dass das Rechnungswesen der KG ebenso wenig wie die Auskünfte des Geschäftsführers der Komplementärin (vgl. die §§ 97 ff., 101 InsO), des Lebensgefährten der Beklagten, Sachverhalte zur subjektiven Kenntnis der Beklagten im Sinne der hier einschlägigen Anfechtungstatbestände zu enthüllen vermocht hätten. Damit fokussiert sich die Entscheidung auf zwei Fragen: Ist § 134 InsO anwendbar oder § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, nachdem mangels der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen neben § 133 InsO auch die Deckungsanfechtung des § 130 InsO teilweise an dem Anfechtungszeitraum, insgesamt aber jedenfalls an den subjektiven Voraussetzungen scheitern musste?
II. Die Heranziehung des § 134 InsO auf den vorliegenden Fall war nach der Aufhebung des Eigenkapitalersatzes durch das MoMiG ausgeschlossen, denn im Zweipersonenverhältnis wie hier kommt es nach zutreffender Ansicht auf die Kausalbeziehung der Parteien an und somit darauf, ob der Schuldner für seine Leistung eine Gegenleistung von entsprechendem Wert erhält (so Ganter/Weinland, in: K. Schmidt, InsO, § 134 Rn. 22-25). Der BGH hat in dem aktuellen Urteil vom 13.10.2016 (IX ZR 184/14 – ZIP 2016, 2483) festgehalten, die frühere Subsumtion des Stehenlassens einer Gesellschafterforderung unter § 134 InsO (BGH, Urt. v. 02.04.2009 – IX ZR 236/07 – ZIP 2009, 1080) sei angesichts der neuen Rechtslage nach dem MoMiG nicht mehr möglich. Vorliegend hatte die Beklagte einen fälligen Leistungsanspruch gegen die Schuldnerin, die im Gegenzug, wie das OLG Schleswig herausarbeitet, in entsprechender Höhe von ihrer Schuld befreit wurde, die damit erlosch. Ohne Belang ist in solchen Fällen, ob der Anspruch des Anfechtungsgegners gegen den Schuldner noch werthaltig ist. Häufig wird er es angesichts der Zahlungskrise des Schuldners gerade nicht mehr sein. Dadurch wird aber die entgeltliche Leistung nicht zur unentgeltlichen, denn ansonsten würde man § 134 InsO über den gesetzgeberischen Ansatz hinaus zum Auffangtatbestand aufwerten. Leistungen aus – bei rechtlicher Betrachtung – entgeltlichen Geschäften im Zweipersonenverhältnis sind insolvenzanfechtungsrechtlich ggf. unter dem Aspekt anderer Anfechtungstatbestände angreifbar, nicht indes nach § 134 InsO.
III. Der Fokus des vorliegenden Falles liegt daher in der Frage der Anwendung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, und dort ist die Frage entscheidend, ob auf eine Forderung oder auf Eigenkapital ausbezahlt worden war, wenn man mit dem OLG Schleswig zutreffend annimmt, die Auszahlung von Eigenkapitalbeträgen liege außerhalb der Reichweite der Anfechtbarkeit von Gesellschafterdarlehen bzw. gleichgestellten Leistungen. Die Antwort auf diese Frage hängt von der gesellschaftsrechtlichen Gestaltung der Gesellschafterkonten ab.
Setzt der Gesellschaftsvertrag die gesetzlichen Strukturen der §§ 167, 169 HGB um, so gilt Folgendes: Für den Kommanditisten ist ein variables Kapitalkonto (I) nach den §§ 167 Abs. 1, 120 HGB zu führen, auf dem der Kapitalanteil des Gesellschafters (als Kapitalziffer) geführt wird. Dort werden unterschiedslos die Einlagen, die Gewinne und Verluste gebucht, ebenso Entnahmen, so dass mit anderen Worten insoweit wie beim Komplementär (vgl. § 120 HGB) ein einziges variables Eigenkapitalkonto geführt wird. Dies gilt bezüglich der Gewinne – anders als beim persönlich unbeschränkt haftenden Gesellschafter – beim Kommanditisten freilich nur bis zur Höhe der Einlage (bei der über dem Betrag der Hafteinlage liegenden Pflichteinlage bis zu deren Höhe), wie aus § 167 Abs. 2 HGB als Ausnahme zu § 120 Abs. 2 HGB bzw. § 167 Abs. 1 HGB hervorgeht. Darüber hinaus gehende Gewinne, die nicht mehr am Verlust teilnehmen (§ 167 Abs. 3 HGB), werden auf einem gesonderten zweiten Kapitalkonto (II) gebucht. Beim Kapitalkonto I handelt es sich damit um ein Eigenkapitalkonto, beim Kapitalkonto II um ein Forderungskonto, das Ansprüche des Gesellschafters aufweist, die „unentziehbar“ sind und daher unter § 135 InsO subsumiert werden können. Spätere Verluste werden im Kapitalkonto I eingestellt, so dass trotz solcher Verluste im Kapitalkonto II gebuchte Gewinne entnommen werden können. Der Kommanditist wird insoweit lediglich durch § 169 Abs. 1 HGB beschränkt. Auf ein „Stehenlassen“ oder ähnliche Kriterien kommt es nicht an.
Dieses gesetzliche Modell der Kontenführung für das Verhältnis der KG zu ihren Kommanditisten weicht aber regelmäßig schon aus steuerlichen Gründen gesellschaftsvertraglichen „Kontenmodellen“, die von der gesetzlichen Regelung nach Maßgabe des § 163 HGB (für die OHG vgl. § 109 HGB) abweichen. Das sind die gesellschaftsvertraglichen Mehrkontenmodelle (Zwei-, Drei-, Vierkontenmodell, vgl. zu den Gesellschafterkonten insgesamt den Überblick bei Roth in: Baumbach/Hopt, HGB, § 120, insb. Rn. 12 ff., 18 ff. zum „Privatkonto“; vgl. zu den verschiedenen Kontenmodellen im Einzelnen auch die eingehende Darstellung in dem Urteil des BFH vom 16.10.2008 (IV R 98/06 Rn. 36 ff., 40 ff. – BStBl II 2009, 272), wie sie der BFH in dem zitierten Urteil dargestellt und gegenüber dem gesetzlichen Modell des HGB abgegrenzt hat. Vorliegend wurde das verbreitete gesellschaftsvertragliche Zweikontoverfahren angewandt. Bei diesem System ist das Kapitalkonto I nicht mehr variabel, sondern fest mit der Folge, dass die Beteiligungsverhältnisse und damit die Ausübung von Vermögens- und Mitgliedschaftsrechten in der Gesellschaft sich nicht mehr ändern, wie dies sonst aus der Systematik des § 120 HGB bzw. des § 167 HGB folgt. Damit ändert sich die Qualität des Kapitalkontos (II). Da dort Verluste, Gewinne, weitere Einlagen, Entnahmen usw. unterschiedslos gebucht werden, kann streitig sein, ob Entnahmen bei positivem Saldo, die hier zudem durch monatliche Höchstbeträge begrenzt waren, nun aus Eigenkapital oder von einem – aus der Sicht der Gesellschaft – Fremdkapitalkonto ausbezahlt wurden. Bei Einstellung von Verlusten wird man mit dem OLG Schleswig aber regelmäßig von einem Eigenkapitalkonto ausgehen. Dies entspricht auch dem Gesellschafterwillen, die durch das feste Kapitalkonto I die Kapitalziffer zu verschiedenen Zwecken (z.B. Gewinnermittlung, Stimmrechte usw.) fixieren wollten, ohne den auf dem Kapitalkonto II gebuchten Beträgen ohne weiteres und uneingeschränkt den Charakter von Forderungsrechten einzuräumen.
Daher ist dem OLG Schleswig zuzustimmen, das im Ergebnis die Auslegung des Gesellschaftsvertrags (vgl. die §§ 133, 157 BGB) für erforderlich hält, um aus den dortigen Bestimmungen zu folgern, ob nun das Kapitalkonto II tatsächlich ein Eigenkapitalkonto oder doch ein Forderungskonto des Gesellschafters darstellt, das in diesem Falle Gesellschafterforderungen ausweisen würde. Vorliegend spricht Entscheidendes dafür, dass ein Eigenkapitalkonto vorliegt und damit § 135 InsO nicht anzuwenden ist.
IV. Aufgrund der Konkurrenzverhältnisse der Anfechtungstatbestände untereinander schließt die Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit des § 135 InsO andere Anfechtungstatbestände nicht aus. Ferner wird das Kommanditkapital der KG durch die §§ 171 ff. HGB geschützt, das Kapital der Komplementär-GmbH bei der GmbH & Co. KG zudem durch § 30 GmbHG, so dass kein Anlass besteht, den Anwendungsbereich des § 135 InsO oder des § 134 InsO entgegen den Wertungen des Gesetzgebers des MoMiG auszudehnen, um einen vermeintlich verbesserungswürdigen Eigenkapitalschutz herbeizuführen, womit das MoMiG teilweise egalisiert würde. Dass es auf der Ebene der Auslegung des Gesellschaftsvertrags zu Abgrenzungsproblemen kommt, liegt in der Natur der Sache, zumal neben der gesellschaftsvertraglichen Regelung zu prüfen ist, ob sich die Beteiligten daran gehalten haben bzw. wie welcher Betrag auf welchem Konto gebucht und wie man ihn dadurch ggf. qualifiziert hat. Weitgehend sind das aber Wertungen des Tatsachenrichters, die das Revisionsgericht hinnimmt (vgl. § 559 ZPO). Es spricht daher viel dafür, dass die etwaige Revision der unterlegenen Klägerin ohne Erfolg bleiben wird.

D. Auswirkungen für die Praxis

I. Die Entscheidung ist erneut Anlass für Gesellschafter, klare Regelungen dahingehend zu schaffen, wie sie gesellschaftsrechtlich ebenso wie steuerrechtlich ordnungsgemäß und unmissverständlich die Gesellschafterkonten strukturieren und dann auch tatsächlich führen. Das Gesellschaftsrecht ist hinreichend flexibel, um den individuellen Anliegen der Beteiligten zu entsprechen, ohne Gläubigerpositionen angreifbar zu beeinträchtigen.
II. Die Insolvenzverwalter werden die gesellschaftsvertraglichen Absprachen und deren Einhaltung in den Blick nehmen und danach entscheiden, inwieweit nach § 135 InsO angefochten werden kann. Erfolgversprechender werden in Fällen wie hier eher die Deckungsanfechtung bzw. die Anfechtung nach § 133 InsO sein. § 134 InsO ist heute nicht mehr relevant.
III. Gleichwohl bleibt eine Entscheidung des BGH zur Behandlung der Kapitalkonten nach dem MoMiG wünschenswert, um daraus dann die Handlungsmaßstäbe der Beteiligten abzuleiten.