Nachfolgend ein Beitrag vom 11.12.2017 von Geserich, jurisPR-SteuerR 50/2017 Anm. 2

Leitsätze

1. Unverzinsliche (betriebliche) Verbindlichkeiten aus Darlehen, die ein Angehöriger einem Gewerbetreibenden, Selbstständigen oder Land- und Forstwirt gewährt, sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzuzinsen, wenn der Darlehensvertrag unter Heranziehung des Fremdvergleichs steuerrechtlich anzuerkennen ist.
2. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht.

A. Problemstellung

Streitig ist, ob Darlehen zwischen Ehegatten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG gewinnerhöhend abzuzinsen sind.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Kläger sind Eheleute. Der Kläger erzielte in den Streitjahren (2005 und 2006) u.a. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sowie aus Gewerbebetrieb. Im Januar 2006 gewährte die Klägerin dem Kläger ein unverzinsliches Darlehen zur Ablösung betrieblicher Schulden. Die Mittel hierfür hatte sie aus privaten Verkäufen erzielt. Die Darlehen waren am 31.12.2015 zur Rückzahlung fällig. Sicherheiten waren nicht vereinbart. Das Finanzamt erkannte die Darlehen steuerrechtlich an, zinste sie wegen der Unverzinslichkeit nach 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG mit einem Zinssatz von 5,5% ab und erhöhte den Gewinn des Klägers aus Gewerbebetrieb sowie aus Land- und Forstwirtschaft in den Streitjahren entsprechend. Die dagegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht ab (FG München, Urt. v. 26.06.2014 – 11 K 877/11 – EFG 2015, 1084).
Der BFH hat die Revision der Kläger als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht habe zu Recht entschieden, dass es sich bei den streitigen Darlehen um betriebliche Verbindlichkeiten handele, die nach Fremdvergleichsgrundsätzen steuerrechtlich anzuerkennen und daher gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzuzinsen seien.

C. Kontext der Entscheidung

I. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind (betriebliche) Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5% abzuzinsen. Ausgenommen von der Abzinsung sind Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorauszahlung beruhen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG). Die Verpflichtung zur Abzinsung gilt für Sachleistungsverpflichtungen ebenso wie bei Geldleistungsverpflichtungen (BFH, Urt. v. 05.05.2011 – IV R 32/07 – BStBl II 2012, 98; Anm. Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 37/2011 Anm. 1).
II. Auch unverzinsliche betriebliche Verbindlichkeiten aus Darlehen, die ein Angehöriger einem Gewerbetreibenden, Selbstständigen oder Land- und Forstwirt gewährt hat, sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzuzinsen. Weder lässt sich dem Gesetzeswortlaut eine Einschränkung im Hinblick auf Angehörigendarlehen entnehmen noch verlangt der Zweck der Vorschrift eine Sonderbehandlung solcher Darlehen. Die Abzinsung gründet auf der typisierenden Vorstellung, dass eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belastet als eine sofortige Leistungspflicht (BFH, Beschl. v. 06.10.2009 – I R 4/08 – BStBl II 2010, 177; Anm. Heger, jurisPR-SteuerR 5/2010 Anm. 2; BFH, Urt. v. 27.01.2010 – I R 35/09 – BStBl II 2010, 478; Anm. Heger, jurisPR-SteuerR 21/2010 Anm. 3; BFH, Urt. v. 08.11.2016 – I R 35/15 Rn. 28 f. – BStBl II 2017, 768; Anm. Märtens, jurisPR-SteuerR 24/2017 Anm. 2; vgl. auch BT-Drs. 14/23, S. 171). Sie beruht auf dem Faktor „Zeit“ und folgt demgemäß dem Grundsatz, dass erst in Zukunft zu erbringende Zahlungen gegenwärtig mit ihrem Barwert abzubilden sind (BFH, Urt. v. 08.11.2016 – I R 35/15 Rn. 28 f. – BStBl II 2017, 768; Anm. Märtens, jurisPR-SteuerR 24/2017 Anm. 2; BFH, Urt. v. 05.05.2011 – IV R 32/07 – BStBl II 2012, 98; Anm. Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 37/2011 Anm. 1). Diese Überlegung gilt für Angehörigendarlehen nicht anders als für sonstige Darlehensverhältnisse (Schmidt/Kulosa, EStG, 36. Aufl., § 6 Rn. 457; Kiesel in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn. 702).
Voraussetzung ist allerdings, dass das Angehörigendarlehen nicht nur zivilrechtlich, sondern auch unter Heranziehung des Fremdvergleichs steuerrechtlich anzuerkennen ist. Denn nur dann ist es dem Betriebs- und nicht dem Privatvermögen des Betriebsinhabers zuzuordnen und abzusinsen.
III. Streitig war die Frage der Fremdüblichkeit der Darlehensvereinbarung. Diese hat die Vorinstanz aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände bejaht. Revisionsrechtlich zu beanstanden war dies nicht. Denn das Finanzgericht hat alle für den Fremdvergleich maßgeblichen Indizien entsprechend ihrer Gewichtung in seine Würdigung einbezogen und dabei weder gegen Denkgesetze noch Erfahrungssätze verstoßen.
Es hat zunächst darauf abgestellt, dass in den mündlich vereinbarten, später auch schriftlich niedergelegten Darlehensvereinbarungen Hingabe, Rückzahlung der Darlehensvaluta und Zinssatz klar und eindeutig geregelt sind. Auch hat das Finanzgericht zur Kenntnis genommen, dass die Kläger keine verkehrsüblichen Sicherheiten vereinbart haben. Zutreffend weist die Revision in diesem Zusammenhang zwar darauf hin, dass ein fremder Dritter dem Kläger die Darlehensmittel ohne Sicherheiten und Ertragsaussichten nicht ausgereicht hätte. Gleichwohl hat das Finanzgericht hieraus nicht zwingend auf die Fremdunüblichkeit der (gesamten) Darlehensvereinbarung schließen müssen. Denn Darlehen unter nahen Angehörigen, die – wie vorliegend – nach ihrem Anlass wie von einem Fremden gewährt werden, sind trotz fehlender Sicherheiten steuerrechtlich anzuerkennen, wenn das Rechtsgeschäft – wie im Streitfall – von volljährigen und voneinander wirtschaftlich unabhängigen Angehörigen geschlossen und tatsächlich durchgeführt wurde (BFH, Urt. v. 25.01.2000 – VIII R 50/97 – BStBl II 2000, 393; BFH, Urt. v. 04.06.1991 – IX R 150/85 – BStBl II 1991, 838; BFH, Urt. v. 18.12.1990 – VIII R 1/88 – BStBl II 1991, 911, und BFH, Urt. v. 04.03.1993 – X R 70/91 – BFH/NV 1994, 156). Schließlich spricht auch die Ertraglosigkeit des Darlehens nicht gegen die Fremdüblichkeit der Darlehensverträge. Zutreffend weist die Vorinstanz in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch unter Fremden und im Verhältnis Gesellschafter/Gesellschaft die Hingabe eines zinslosen Darlehens denkbar und steuerrechtlich zu berücksichtigen ist. Denn dies bestätigt der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG und die hierzu ergangene Rechtsprechung.
IV. Die Darlehensverbindlichkeiten des Klägers waren in den Streitjahren daher gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG mit 5,5% abzuzinsen.
Der Abzinsungsbetrag konnte auch nicht durch Buchung einer Einlage neutralisiert werden. Zwar ist die Zinslosigkeit des Darlehens außerbetrieblich motiviert, bloße Nutzungsvorteile sind jedoch nicht einlagefähig (BFH, Beschl. v. 26.10.1987 – GrS 2/86 – BStBl II 1988, 348, und BFH, Beschl. v. 06.10.2009 – I R 4/08 – BStBl II 2010, 177; Heger, jurisPR-SteuerR 5/2010 Anm. 2; Groh, DB 2007, 2275, 2278; Stadler/Bindl, DB 2010, 862). Ebenso schied die Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens aus; denn der fiktive Zinsertrag stellt „kein vorab vereinnahmtes Entgelt“ i.S.d. § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG dar (Stadler/Bindl, DB 2010, 862, 863; Bareis, FR 2013, 170, 171; wohl a.A. Blümich/Ehmcke, EStG, § 6 Rn. 956).
Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht. Es ist von der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt, wenn dieser eine Regelung schafft, die im Fall der Gewährung eines unverzinslichen Darlehens zunächst zu einer – im weiteren Verlauf durch Aufzinsungen kompensierten – Erhöhung des Gewinns beim Darlehensnehmer führt. Die Abzinsung von Darlehen für Zwecke der Besteuerung ist als solche weder sachwidrig noch unverhältnismäßig; sie dient vielmehr der Verteilung des Zinsaufwands nach Maßgabe einer wirtschaftlichen Zuordnung (Groh, DB 2007, 2275, 2277). Zu einer Ausnahmeregelung in Bezug auf Angehörigendarlehen war der Gesetzgeber nicht verpflichtet, zumal der in diesem Fall eintretende vorzeitige Gewinnausweis durch die Vereinbarung einer – sehr geringen – Verzinsung vermieden werden kann (vgl. BFH, Beschl. v. 06.10.2009 – I R 4/08 – BStBl II 2010, 177, unter II.5. zu Gesellschafterdarlehen; Heger, jurisPR-SteuerR 5/2010 Anm. 2; Kiesel in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn. 700; Schindler in: Kirchhof, EStG, 16. Aufl., § 6 Rn. 149, 150; Blümich/Ehmcke, EStG, § 6 Rn. 956; Schmidt/Kulosa, EStG, § 6 Rn. 457).

D. Auswirkungen für die Praxis

Dass es sich bei den streitbefangenen Darlehen um betriebliche Verbindlichkeiten des Klägers (und nicht um steuerbare Schenkungen) handelte, stand zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit. Denn der Kläger hat die Darlehensvaluta vereinbarungsgemäß zur Ablösung betrieblicher Schulden verwandt. Da sich der betriebliche Charakter der Verbindlichkeit nach dem Entstehungsgrund der Verbindlichkeit beurteilt und durch einen Wechsel in der Person des Gläubigers nicht berührt wird (BFH, Urt. 12.07.2012 – I R 23/11 – BFHE 238, 344; Märtens, jurisPR-SteuerR 51/2012 Anm. 5 und BFH, Beschl. v. 04.07.1990 – GrS 2-3/88 – BStBl II 1990, 817), änderte sich an dem betrieblichen Charakter der Verbindlichkeiten durch die Darlehen der Klägerin nichts.

Abzinsung von Angehörigendarlehen
Thomas HansenRechtsanwalt
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