Nachfolgend ein Beitrag vom 9.3.2017 von Börstinghaus, jurisPR-MietR 5/2017 Anm. 4

Leitsätze

1. Eine Modernisierungsmaßnahme nach § 559 Abs. 1 BGB muss, wenn sie nicht in Teilabschnitte aufgegliedert ist, komplett abgeschlossen sein. Ein entsprechendes Mieterhöhungsverlangen gemäß §§ 559 Abs. 1, 559b Abs. 1 BGB ist dann unwirksam, wenn die Modernisierungsmaßnahme z.B. auch durch unzureichende Bauausführung – selbst in geringem Umfang (hier: 5-8%) – noch nicht gänzlich abgeschlossen ist.
2. Rest- oder Gewährleistungsarbeiten von parallel durchgeführten Instandsetzungsmaßnahmen stehen dem Abschluss der Modernisierungsmaßnahme nicht entgegen.

A. Problemstellung

Modernisierungsmieterhöhungen machen auf vielerlei Ebenen Probleme. Dabei geht es meistens um die Fragen, ob das Mieterhöhungsverlangen formell in Ordnung oder ob der Anspruch auf Mieterhöhung materiell berechtigt ist, insbesondere ob es sich um Instandsetzungsarbeiten handelt oder wie die Modernisierungskosten auf die verschiedenen Wohnungen umzulegen sind.
Eher seltener sind Auseinandersetzungen wie hier über die Frage, wann die Modernisierungsmieterhöhung möglich und wann fällig ist. Im vorliegenden Fall haben sich die Parteien darüber gestritten, ob die Baumaßnahmen überhaupt abgeschlossen waren.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die vormalige Vermieterin hatte dem Mieter im Januar 2012 eine Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahme angekündigt. In der Folge fanden umfangreiche Baumaßnahmen statt. Die – neue – Vermieterin teilte dem Mieter im Februar 2013 mit, dass die Modernisierungsmaßnahme abgeschlossen ist und die ursprünglich vereinbarte Miete aufgrund der Modernisierungsmaßnahme um 283,12 Euro ab 01.05.2013 erhöht werde.
Das AG Nördlingen hat die Klage abgewiesen.
Es hatte durch Sachverständigengutachten klären lassen, ob die Baumaßnahme abgeschlossen ist. Nach Ansicht des Amtsgerichts ist das Mieterhöhungsverlangen unwirksam, weil es vor Fertigstellung abgegeben worden ist.
Dabei hat sich das Gericht zunächst mit der Frage beschäftigt, ob es sich um eine einheitliche Modernisierungsmaßnahme oder um mehrere selbstständige Teil-Modernisierungen handelt. Im letzten Fall wäre nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 17.12.2014 – VIII ZR 88/13 – NJW 2015, 934 mit Anm. Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR 5/2015 Anm. 2; Eisenschmid, jurisPR-MietR 7/2015 Anm. 1) nach Abschluss jedes selbstständigen und trennbaren Abschnitts eine Mieterhöhungserklärung zulässig.
Vorliegend handele es sich um eine einheitliche Modernisierungsmaßnahme. Eine solche liege dann vor, wenn die Modernisierungsmaßnahme nach Art, Umfang und Willen des Vermieters/Bauherrn in einem einheitlich-abgrenzbaren und ggf. zeitlichen Zusammenhang erfolge. Für die Beurteilung sei vor allem der Inhalt der Modernisierungsankündigung bedeutsam. Dort sei terminologisch stets nur von einer Maßnahme gesprochen worden, die dem Ziel dienen sollte, eine deutliche Ersparnis von Heizenergie zu erzielen. Außerdem sei im Ankündigungsschreiben eine Gesamtdauer für alle Maßnahmen angegeben gewesen. Maßgeblich sei zudem, dass der Vermieter in sämtlichen Bereichen der Immobilie parallel Modernisierungen habe ausführen lassen.
Und diese einheitliche Maßnahme ist nach Ansicht des Amtsgerichts gerade noch nicht abgeschlossen. Dabei sei danach zu unterscheiden, ob an der Immobilie noch Rest- oder Mängelbeseitigungsarbeiten erforderlich waren, oder ob die Modernisierung schlicht nicht zu Ende durchgeführt wurde. Restarbeiten stehen einem Abschluss der Modernisierungsarbeiten und damit der Wirksamkeit eines Mieterhöhungsverlangens gemäß § 559 Abs. 1 BGB nicht entgegen. Nach Auffassung des Gerichts ist für den Abschluss der Modernisierungsmaßnahme i.S.d. § 559 Abs. 1 BGB entscheidend die (Wieder-)Nutzbarkeit der Wohnung durch den Mieter sowie die tatsächliche (energetische) Verbesserung aufgrund der Modernisierung, wobei es auf den konkreten Vorteil bzw. eine Erhöhung des Wohnwerts des einzelnen Mieters nicht ankommt. Vielmehr müsse die ökologische Zielsetzung der Modernisierungsmaßnahme (nachhaltige Einsparung von Energie) erreicht worden sein. Hier hatte das Gericht einen Sachverständigen beauftragt, der zu dem Ergebnis gekommen war, dass die Modernisierungsmaßnahme im Umfang von 5 bis 8% noch nicht abgeschlossen war. Insbesondere die neun neuen Fenster wiesen wegen Fehlens der Anschlussfugen weder die erforderliche Dichtigkeit hinsichtlich einer Energieersparnis noch die zu beabsichtigte Lärmreduzierung auf. Dabei sei auch ungeeigneter Bauschaum bzw. eine unzureichende Fugenabdichtung benutzt worden. Zudem fehlten an der Kellerdecke Wärmedämmungen im Umfang von mehr als einem halben Quadratmeter.
Von dem Erfordernis einer komplett abgeschlossenen Modernisierungsmaßnahme vor Erklärung des Mieterhöhungsverlangens nach § 559b Abs. 1 BGB könne schon aus Mieterschutzgesichtspunkten abgesehen werden. Würde man, auch bei geringen Nacharbeiten bezogen auf die Modernisierungsmaßnahme – anders bei Rest- bzw. Gewährleistungsarbeiten bei Instandsetzungsmaßnahmen – dem Vermieter dennoch die Möglichkeit zur Mieterhöhung zubilligen, müsste der Mieter durch die erhöhten Mietzahlungen in Vorleistung treten, ohne dass der eigentlich beabsichtigte energetische Vorteil und damit die Grundlage für die Mieterhöhung eintrete. Hierfür gebe es keinen Anlass, zumal das Gesetz auch einen Schutz des Mieters durch „Minderung der Mieterhöhung“ nicht vorsehe.

C. Kontext der Entscheidung

Es entspricht ganz herrschender Auffassung, dass die Modernisierungsmieterhöhung nicht vor Abschluss der Arbeiten abgegeben werden kann (BGH, Urt. v. 17.12.2014 – VIII ZR 88/13 – NJW 2015, 934 mit Anm. Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR 5/2015 Anm. 2; Eisenschmid, jurisPR-MietR 7/2015 Anm. 1; OLG Hamburg, RE v. 06.10.1982 – 4 U 133/82 – WuM 1983, 13; LG Berlin, Urt. v. 10.03.2015 – 63 S 330/14 – Grundeigentum 2015, 513; LG Berlin, Urt. v. 15.02.1990 – 61 S 385/89 – ZMR 1990, 422; AG Hamburg, Urt. v. 19.11.2009 – 44 C 68/09 m. Anm. Börstinghaus, jurisPR-MietR 12/2010 Anm. 5; Kossmann/Meyer-Abich, Hdb. d. Wohnraummiete, § 159 Rn. 7; Emmerich in: Staudinger, BGB, § 559b Rn. 4; Emmerich in: Emmerich/Sonnenschein, Miete, § 559b BGB Rn. 1; Lammel, AnwaltKommentar Wohnraummietrecht, § 559b BGB Rn. 8; Artz in: MünchKomm BGB, § 559b Rn. 9; Schach in: Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, § 559b BGB Rn. 3; Schultz in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, Kap. III. A Rn. 1485; Mersson, DWW 2009, 206, 211). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 559 Abs. 1 BGB: „Hat der Vermieter bauliche Maßnahmen durchgeführt“, bedeutet sprachlich, dass diese Arbeiten ausgeführt worden sind und nicht erst noch bevorstehen oder noch andauern. Eine vor Abschluss der Arbeiten abgegebene Erklärung ist unwirksam (OLG Hamburg, RE v. 06.10.1982 – 4 U 133/82 – WuM 1983, 13; 14; LG Berlin, Urt. v. 15.02.1990 – 61 S 385/89 – WuM 1990, 311; KreisG Görlitz, Urt. v. 21.08.1992 – 7 C 314/92 – WuM 1992, 589). Dies gilt selbst dann, wenn absehbar ist, dass die Arbeiten bis zum Monatsende abgeschlossen sein werden. Die Erklärung kann deshalb auch nicht für einen nach Fertigstellung der Modernisierungsmaßnahme liegenden Zeitpunkt abgegeben werden.
Die Arbeiten sind abgeschlossen, wenn die bauliche Maßnahme fertiggestellt ist. Insofern kann auf die Definition in § 13 Abs. 4 WoBindG Bezug genommen werden (Sternel, PiG 41, 45, 63). Gemäß § 13 Abs. 4 WoBindG gilt eine Wohnung als bezugsfertig, wenn sie soweit fertiggestellt ist, dass den zukünftigen Bewohnern zugemutet werden kann, sie zu beziehen; die Genehmigung der Bauaufsichtsbehörde zum Beziehen oder eine Bauabnahme und die Übergabe des Schlussabnahmescheins sind nicht entscheidend. Unerheblich ist auch, ob der Mieter die Modernisierung schon nutzt. Die Arbeiten sind deshalb i.S.d. § 559 BGB auch dann fertiggestellt, wenn noch Außen- oder Gemeinschaftsflächen fertiggestellt werden müssen. Auch die Durchführung von Mängelbeseitigungsmaßnahmen steht einer Fertigstellung nicht entgegen.
Insofern ist es eine Frage des Einzelfalls, ob die fehlenden Arbeiten als Mängelbeseitigung bewertet werden oder als Restarbeiten, die schlicht noch nicht durchgeführt wurden. Fehlende Versiegelungen der Fugen wären wohl Restarbeiten, der Austausch ungeeigneten Bauschaums eher Mangelbeseitigung. Das teilweise Fehlen der Kellerisolierung sind fehlende Restarbeiten.

D. Auswirkungen für die Praxis

Für die Praxis bedeutet dies, dass sehr genau zu untersuchen ist, ob es sich um Restarbeiten handelt oder um Mangelbeseitigungsarbeiten. Unter dem Gesichtspunkt des sichersten Weges kann der Vermieter oder sein Vertreter nach Erledigung jeder Rest- oder Mangelbeseitigungsarbeit ein neues Mieterhöhungsverlangen an den Mieter richten, so dass das Gericht dann entscheiden kann und muss, welches Erhöhungsverlangen nicht mehr vorfristig erfolgte und deshalb wirksam ist.