Nachfolgend ein Beitrag vom 7.6.2017 von

Leitsätze

1. Die fehlerhafte Angabe im privaten XING-Profil eines Arbeitnehmers einer Steuerberaterkanzlei, dieser sei als „Freiberufler“ tätig, stellt ohne Hinzutreten weiterer Umstände noch keine aktive Werbung für eine Konkurrenztätigkeit und damit noch keinen Verstoß gegen das gesetzliche Verbot der Wettbewerbstätigkeit im bestehenden Arbeitsverhältnis dar.
2. Derartige weitere Umstände, die geeignet wären, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu begründen, könnten jedoch darin gesehen werden, wenn der Arbeitnehmer unter der XING-Rubrik „Ich suche“ aktiv im bestehenden Arbeitsverhältnis freiberufliche Mandate in Konkurrenz zu seinem Arbeitgeber akquiriert.
3. Ist der Name des derzeitigen Arbeitgebers und der – bereits vereinbarte – künftige Zeitpunkt der Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses im XING-Profil zutreffend unter der Rubrik „Berufserfahrung“ angegeben, spricht dies bei der gebotenen Gesamtschau dafür, dass auch die Angabe einer „freien Mitarbeit“ unter der Rubrik „Ich biete“ nicht zwingend nahelegt, dass eine solche auch schon für den Zeitraum vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses angeboten wird.
4. Weil die Abgrenzung zwischen erlaubter Vorbereitung einer späteren Selbstständigkeit und unerlaubter Konkurrenztätigkeit während des Arbeitsverhältnisses häufig fließend ist, kann bei Sachverhalten in diesem Grenzbereich regelmäßig auch nicht von der Entbehrlichkeit einer Abmahnung ausgegangen werden (insoweit Anschluss an BAG, Urt. v. 26.06.2008 – 2 AZR 190/07).

A. Problemstellung

Die Parteien stritten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung wegen eines behaupteten Wettbewerbsverstoßes des Klägers.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Beklagte betreibt eine Steuerberatungsgesellschaft, bei der der Kläger seit dem Januar 2014 als Sachbearbeiter im Bereich der Steuerberatung beschäftigt war. Am 30.09.2015 schlossen die Parteien auf Veranlassung des Arbeitgebers einen Aufhebungsvertrag, um eine betriebsbedingte Kündigung zu vermeiden. Das Arbeitsverhältnis sollte einvernehmlich zum 31.03.2016 enden.
Im Aufhebungsvertrag war ein Wettbewerbsverbot vereinbart, das bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wirksam sein sollte. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot war nicht vereinbart.
Die Parteien hatten vereinbart, dass der Kläger ein Ausbildungsdarlehen zurückzuzahlen hatte, sofern er Anlass für eine fristlose Kündigung geben sollte.
Der Kläger ist seit Jahren Mitglied in dem Netzwerk XING. Hierbei handelt es sich um ein Internet-Netzwerk zur Selbstvermarktung, das jedoch auch der privaten Vernetzung der Mitglieder dient. Der Arbeitgeber sah am 09.03.2016 – drei Wochen vor Ende des Arbeitsverhältnisses – Eintragungen im XING-Profil des Klägers. Diese veranlassten den Arbeitgeber dazu, noch am selben Tage die fristlose Kündigung auszusprechen. Der Arbeitgeber störte sich an Folgendem:
Als aktuelle Tätigkeit war dort „Steuerberatung“ angegeben. In der nächsten Zeile war die Beklagte als aktueller Arbeitgeber benannt. Als aktuellen beruflichen Status hatte der Kläger dort „Freiberufler“ angegeben.
Unter der Rubrik „Ich biete“ war aufgeführt: „Steuererklärungen/Buchhaltung/freie Mitarbeit/Bilanzbuchhaltung/Lohnbuchhaltung“.
Unter „Berufserfahrung“ hatte der Kläger die Angabe gemacht, er sei bis 03/2016 bei der Beklagten beschäftigt.
Die Kündigung begründete die Beklagte damit, vor allem der Hinweis auf eine freiberufliche Tätigkeit des Klägers im Bereich der Steuerberatung stelle einen Verstoß gegen das vereinbarte Wettbewerbsverbot dar.
Vor Gericht stritten die Parteien maßgeblich um diese Kündigung, zusätzlich auch um die Rückzahlung des Ausbildungsdarlehens.
Der Kläger machte geltend, er habe keine freiberufliche Tätigkeit ausgeführt und sei auch vor dem 01.04.2016 nicht von Interessenten kontaktiert worden. Er habe auch nicht vorgehabt, während des Laufs des Beschäftigungsverhältnisses eine freiberufliche Tätigkeit aufzunehmen. Weiterhin hätte er, sofern die Beklagte ihn darum gebeten hätte, den Eintrag „Freiberufler“ sofort wieder entfernt.
Die Beklagte meinte, bereits die Angabe der freiberuflichen Tätigkeit sei eine nach außen tretende Werbetätigkeit, weil sie dazu diene, Mandanten zu gewinnen. Sie gehe auch davon aus, dass der Kläger auch tatsächlich freiberuflich tätig gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hatte der gegen die Kündigung gerichteten Feststellungsklage stattgegeben und die Widerklage auf Rückzahlung der Ausbildungskosten abgewiesen. Es führte aus, für die fristlose Kündigung gebe es keinen wichtigen Grund, da der Kläger nicht gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen habe. Auch sei die Kündigung unverhältnismäßig, da es an einer vorherigen Abmahnung fehle.
Das LArbG Köln hat die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. Es führt hierzu aus:
Zunächst fehle es an einem wichtigen Grund i.S.d. § 626 BGB. Hiernach hätte es der Beklagten unzumutbar sein müssen, das Arbeitsverhältnis weitere drei Wochen bis Ende März fortzusetzen.
Auch ohne vertragliche Regelung bestehe gemäß § 60 HGB ein Wettbewerbsverbot im laufenden Arbeitsverhältnis. Dieses gelte aber nur bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ansonsten sei ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zwar möglich zu vereinbaren, bedürfe dann aber einer Karenzentschädigung. Unmittelbar nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses dürfe der Beschäftigte mithin in Konkurrenz zu seinem bisherigen Arbeitgeber treten. Zu diesem Zweck dürfe er auch Vorbereitungshandlungen treffen, die darauf zielen, ohne zeitliche Verluste im Anschluss an das Arbeitsverhältnis eine Tätigkeit aufzunehmen. Verboten sei während des Arbeitsverhältnisses nur eine aktiv werbende Tätigkeit.
Die Angabe des Klägers, er sei Freiberufler, stelle noch keine unzulässige Wettbewerbshandlung dar. Es handele sich lediglich um eine fehlerhafte Angabe, da der Kläger ja noch beschäftigt war und ab dem 01.04.2016 auch bei der Agentur arbeitssuchend gemeldet war. Dies sei jedoch keine Konkurrenztätigkeit. Im Gegenteil würden die Angaben des Klägers den Eindruck erwecken, er sei bis März 2016 als Freiberufler für die Beklagte tätig; dies würde noch dadurch verstärkt, dass sein Profil auf die Homepage der Beklagten verweise. Der Kläger würde mithin eher Werbung für die Beklagte betreiben als für eine eigene Tätigkeit.
Der Kläger habe auch in seinem Profil unter der Rubrik „Ich suche“ keinerlei Angaben gemacht, also auch nicht aktiv um Mandate oder ähnliches gebeten. Das LArbG Köln weist unter Hinweis auf das LG Kassel (Urt. v. 24.08.2011 – 9 O 983/11) darauf hin, dass die Mandantenakquise bei XING unter „Ich suche“ durchaus schon als ein Wettbewerbsverstoß zu qualifizieren sein kann.
Allerdings sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der Formulierung „Ich biete“ um eine von XING vorformulierte Wortwahl zur Selbstbeschreibung handele, die der Kläger nicht selbst gewählt hatte und die er auch nicht verändern konnte. Der Kläger musste mithin „Ich biete“ wählen, um überhaupt Angaben über sich machen zu können. Aus der Tatsache, dass der Kläger dort „freie Mitarbeit“ angegeben hatte, ergebe sich auch nicht zwingend, dass der Kläger auch bereits vor April 2016 eine solche anbieten wollte.
Bei der Gesamtwürdigung sei schließlich auch zu berücksichtigen, dass XING nicht nur rein beruflich genutzt werde, sondern auch insgesamt der Kontaktpflege diene. Dass der Kläger in diesem Rahmen sich – wenn auch fehlerhaft – als Freiberufler dargestellt habe, könne jedenfalls eine Kündigung nicht begründen.
Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger tatsächlich bereits vor dem April 2016 Konkurrenztätigkeiten aufgenommen habe. Die Beklagte habe dies nur pauschal behauptet; der Kläger habe dies jedoch bestritten, und die Beklagte sei darlegungs- und beweispflichtig.
Auch das Landesarbeitsgericht stellt klar, dass es so oder so jedenfalls an einer der Kündigung vorausgehenden Abmahnung fehle. Eine Kündigung sei deshalb jedenfalls unverhältnismäßig. Es lägen keine Umstände vor, die es i.S.d. § 314 Abs. 2 Satz 3 BGB ausnahmsweise zulässig machen könnten, das Arbeitsverhältnis ohne vorherige Abmahnung zu kündigen. Die Beklagte habe den Kläger auf den Eintrag in seinem Profil nicht angesprochen, und es sei nicht ersichtlich, dass eine Aufforderung zur Änderung dieses Eintrags erfolglos gewesen wäre.
Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Abgrenzung zwischen erlaubter Vorbereitungshandlung und verbotenem Wettbewerb im Einzelfall häufig schwierig sei, könne in Fällen wie dem vorliegenden regelmäßig nicht ohne vorherige Abmahnung gekündigt werden.

C. Kontext der Entscheidung

Das Urteil orientiert sich an der bisherigen Abgrenzung zwischen erlaubten Vorbereitungshandlungen und unzulässigem Wettbewerb (vgl. BAG, Urt. v. 23.10.2014 – 2 AZR 644/13; BAG, Urt. v. 26.06.2008 – 2 AZR 190/07).

D. Auswirkungen für die Praxis

Äußerungen bzw. Einträge auf Netzwerken wie XING oder Facebook beschäftigen zunehmend die Arbeitsgerichte, sowohl hinsichtlich von Wettbewerbsverstößen wie auch Kündigungen wegen Äußerungen im Internet. Angaben sind dort schneller gemacht – und häufig mit entsprechend weniger Gedanken verbunden – als auf herkömmlichen Wegen, so dass auch eine höhere Wahrscheinlichkeit für Fehler und Gedankenlosigkeit gegeben ist. Zutreffend streicht das Landesarbeitsgericht heraus, der Arbeitgeber müsse vor einer Kündigung andere Wege wie etwa die Abmahnung oder die einfache Ansprache wählen, wenn er sich über einen Eintrag im Internet ärgere.
Für Arbeitnehmer verdeutlicht die Fallgestaltung, dass auch nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags bis zum tatsächlichen Ende des Arbeitsverhältnisses Vorsicht geboten ist, wenn es um Äußerungen im Zusammenhang mit möglichen Konkurrenztätigkeiten geht.