Nachfolgend ein Beitrag vom 17.11.2016 von Beyer, jurisPR-MietR 23/2016 Anm. 3

Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Bei einer vom Verwender vorgegebenen Klausel mit einer ausfüllungsbedürftigen Leerstelle handelt es sich nur dann nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, wenn die Ergänzung von den Parteien individuell ausgehandelt oder vom Vertragspartner nach seiner freien Entscheidung vorgenommen worden ist.
2. Zur Berechnung und Höchstdauer der Bindungsfrist.

A. Problemstellung

Nach der grundsätzlichen Bejahung der Zulässigkeit eines Kündigungsverzichts durch das Urteil vom 22.12.2003 (VIII ZR 81/03 – NJW 2004, 1448) hat der VIII. Senat des BGH in einer Vielzahl von Entscheidungen die rechtlichen Details einer solchen Vereinbarung geklärt. An sich könnte man deshalb meinen, dass alles Wichtige zum Kündigungsverzicht in einem Wohnraummietvertrag gesagt ist. Davon ist auch der BGH in dem Beschluss vom 23.08.2016 ausgegangen und hat deshalb die Parteien darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die vom Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss, d.h. in dem vereinfachten Verfahren nach § 552a ZPO, zurückzuweisen, weil ein Grund für die Zulassung der Revision nicht gegeben sei und das Rechtsmittel auch keine Aussicht auf Erfolg habe. Daraufhin haben die Mieter ihre Revision zurückgenommen. Der Beschluss enthält mehrere für die Rechtsprechung und die Praxis der Wohnungswirtschaft wichtige Aussagen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der zugrundeliegende Mietvertrag (über eine Doppelhaushälfte) wurde von einer Partei am 30.03.2012, von der anderen Seite am 09.04.2012 unterzeichnet, was die Parteien jedoch nicht daran hinderte, als Mietbeginn den 01.04.2012 zu vereinbaren. Die Klausel, die allein noch Gegenstand des Revisionsverfahrens war, lautete folgendermaßen:

„Die Parteien verzichten wechselseitig auf die Dauer von 4 (in Worten: vier) Jahren auf ihr Recht zur ordentlichen Kündigung des Mietvertrags. Sie ist erstmals zum Ablauf dieses Zeitraums mit der gesetzlichen Frist zulässig.“

Im Februar 2015 kündigten die Mieter das Mietverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich zum 01.05.2015. Im anschließenden Verfahren über die Klage des Vermieters auf Zahlung rückständiger und künftiger Miete ging es zuletzt – im Revisionsverfahren – nur noch um die Frage, ob die vom Berufungsgericht festgestellte ordentliche Kündigung der Mieter vom 16.02.2015 wirksam war oder ob ihr die Klausel über den beiderseitigen Kündigungsverzicht entgegenstand. Das Berufungsgericht hat die Klausel für wirksam erachtet, die Kündigung zum 01.05.2015 daher für unwirksam gehalten und der Klage des Vermieters auf Zahlung der Miete ab Februar 2015 stattgegeben. Es hat jedoch eine höchstrichterliche Entscheidung zur Wirksamkeit der streitgegenständlichen Klausel vermisst und deshalb die Revision zugelassen.
Der BGH hat zunächst geprüft, ob ein Grund für die Zulassung der Revision – insbesondere zur Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) – vorliegt und sodann, ob die Revision, unabhängig von einem Zulassungsgrund, Aussicht auf Erfolg bietet. Alle diese Fragen hat er zum Teil mit eingehender Begründung verneint.
1. Formularmäßiger Kündigungsausschluss ist höchstrichterlich hinreichend geklärt
Mit der konkreten Ausschlussklausel hat sich der VIII. Senat des BGH zwar noch nicht befasst. Durch seine bisherige Rechtsprechung ist jedoch geklärt, dass ein formularmäßiger Kündigungsausschluss in einem Wohnraummietvertrag, der sich an der gesetzlichen Regelung des bei einer Staffelmietvereinbarung zulässigen Kündigungsausschlusses (§ 557a Abs. 3 BGB) orientiert, nicht wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam ist (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB; st. Rspr.; BGH, Urt. v. 08.12.2010 – VIII ZR 86/10 Rn. 13 ff. – NJW 2012, 597 – bei der im Beschluss Rn. 13 genannten Jahreszahl „2011“ handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen; zuletzt BGH, Urt. v. 02.03.2011 – VIII ZR 163/10 Rn. 11 – WuM 2011, 294). Die Formulierung, die Kündigung sei erstmals „zum Ablauf dieses Zeitraumes“ zulässig, orientiere sich eng am Wortlaut des § 557a Abs. 3 BGB, den der BGH in seiner ersten Grundsatzentscheidung zu einer ähnlichen Formularklausel als Maßstab für die zulässige Höchstdauer von vier Jahren für einen Kündigungsverzicht herangezogen habe (BGH, Urt. v. 06.04.2005 – VIII ZR 27/04 Rn. 19 – NJW 2005, 1574). Damit sei auch die Wirksamkeit der hier zu prüfenden Klausel jedenfalls im Grundsatz geklärt.
2. Die Prüfung der konkreten Kündigungsausschlussklausel
a) Allgemeine Geschäftsbedingung (Formularklausel)
Der Vermieter hatte in der Revisionserwiderung eingewandt, bei der Klausel handele es sich nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (sondern, so wäre zu ergänzen: um eine Individualvereinbarung), weil „ihr wesentlicher Kern“ erst durch die handschriftliche Eintragung der Mindestlaufzeit in den entsprechenden Leerstellen bestimmt werde. Dies treffe nicht zu: Diese Ergänzung ändere nichts an dem Charakter der Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung; die gewählte Schriftart ist ohnehin ohne Bedeutung (§ 305 Abs. 1 Satz 2 BGB). Allerdings hat der BGH zur Klarstellung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Allgemeine Geschäftsbedingung dann nicht gegeben wäre, wenn die Ergänzung (der Mindestlaufzeit) von den Parteien individuell ausgehandelt worden wäre oder sogar vom Vertragspartner des Verwenders, also dem Mieter, nach seiner freien Entscheidung vorgenommen worden wäre – was der Vermieter jedoch nicht geltend gemacht hatte.
Und schließlich komme es auch nicht darauf an, ob der Vermieter den betreffenden Formularvertrag nur dieses eine Mal oder mehrfach verwenden wollte. Denn der Vertrag sei vom Ersteller für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert gewesen, und zwar – wie sich aus dem Hinweis auf die zulässige Höchstdauer der Ausschlussfrist ergebe – auch hinsichtlich der vom Verwender (Vermieter) tatsächlich eingesetzten Frist; in einem solchen Fall bestehe, wie der BGH hinzufügt, „kein geringeres Schutzbedürfnis“ als wenn die Höchstfrist bereits vorformuliert gewesen wäre.
b) Die Dauer der vereinbarten Ausschlussfrist
Durch die eindeutige und unbedenkliche Formulierung „erstmals zum Ablauf dieses Zeitraums“ unterscheide sich die vorliegende Klausel von dem Sachverhalt, den der BGH in dem Urteil vom 08.12.2010 (VIII ZR 86/10) zu entscheiden hatte. Nach der dort zu prüfenden Klausel sollte die Kündigung erstmals „nach Ablauf des bezeichneten Zeitraums“ zulässig sein. Infolgedessen war die nach der st. Rspr. des BGH zulässige Höchstfrist überschritten, weil die Bindungsfrist vier Jahre zuzüglich der für den Mieter maßgebenden dreimonatigen Kündigungsfrist des § 573c Abs. 1 Satz 1 BGB betrug. Dadurch war der Mieter unangemessen benachteiligt mit der Folge der Unwirksamkeit der (gesamten) Klausel (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dieses Problem habe sich im vorliegenden Fall jedoch nicht gestellt.
c) Die Beginn der vereinbarten Ausschlussfrist – eine Auslegungsfrage
Eine gewisse Unklarheit hinsichtlich des Beginns der vereinbarten Ausschlussfrist habe sich durch die ungewöhnliche Reihenfolge des Abschlusses des die Klausel enthaltenden Mietvertrages mit der Unterzeichnung durch eine der Parteien am 09.04.2012 und den vereinbarten Mietbeginn bereits am 01.04.2012 ergeben; die Klausel selbst enthalte keine Angaben zum Fristbeginn. Normalerweise wäre das Datum der Vereinbarung maßgebend für den Beginn der Frist (arg. § 557a Abs. 3 Satz 1 BGB). Die Vorinstanzen haben aufgrund des unmittelbaren Zusammenhanges des Datums des Mietbeginns mit der Ausschlussklausel im Vertragstext die Klausel aber dahin ausgelegt, dass der 01.04.2012 als Fristbeginn vereinbart war. Diese rechtsfehlerfreie Auslegung hat der BGH ohne weiteres akzeptiert. Sie sei auch unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten unbedenklich, weil sie im Ergebnis die für den Mieter günstigere Alternative darstelle und deshalb eine unangemessene Benachteiligung des Mieters allein aufgrund dieser Unklarheit (§ 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB) nicht in Betracht komme.

C. Kontext der Entscheidung

Der Beschluss liegt bei den Aussagen sowohl zur Abgrenzung Allgemeine Geschäftsbedingung – Individualvereinbarung als auch zu rechtlichen Einzelheiten des Kündigungsverzichts auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung des VIII. Senats des BGH.
1. Zur rechtlichen Einordnung der Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung
Einer Anmerkung bedarf lediglich der Passus zur Einordnung der verfahrensgegenständlichen Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung und zwar im Zusammenhang mit der in der Entscheidung (Rn. 10) indirekt angesprochenen Frage, von welcher Seite die Initiative zur Festlegung der Dauer der Ausschlussfrist in der dafür vorgesehenen Leerstelle des Vertragsformulars ausgegangen ist. Ohne die betreffende Partei ausdrücklich zu nennen, geht der BGH davon aus, dass die Frist vom Vermieter (als Verwender des Formularvertrages) vorgegeben war; ein individuelles Aushandeln oder sogar eine freie Entscheidung des Mieters hat er aufgrund der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen und des Schweigens der Revisionserwiderung verneint. Wäre dies allerdings der Fall gewesen, hätte es sich um nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung gehandelt.
Entscheidend ist insoweit, ob es sich beim Ausfüllen einer ausfüllungsbedürftigen Leerstelle in einem Vertragsformular um eine unselbstständige Ergänzung, etwa die Einfügung eines Namens handelt, oder ob die betreffende Angabe den Regelungsgehalt mitbestimmt, wie beispielsweise die Festlegung einer Laufzeit, um die es gerade im entschiedenen Fall ging (BGH, Urt. v. 13.11.1997 – X ZR 135/95 – NJW 1998, 1066; BGH, Urt. v. 23.06.2010 – VIII ZR 230/09 Rn. 15, 16 – NJW 2010, 3431; Grüneberg in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 305 Rn. 8; ähnlich Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl., Rn. 40 vor § 535 BGB).
2. Grundsätze der BGH-Rechtsprechung zum Kündigungsverzicht (Zusammenfassung)
• Ein individuell vereinbarter – auch einseitiger – Kündigungsverzicht des Mieters ist auch für einen längeren Zeitraum als vier Jahre möglich;
• ein formularmäßiger Kündigungsverzicht kann – in Anlehnung an die Regelung für die Staffelmiete (§ 557a Abs. 3 BGB) – bis zu höchstens vier Jahren ab dem Datum der Verzichtsvereinbarung vereinbart werden; Voraussetzung ist außerdem, dass der Verzicht gleichermaßen für beide Seiten – Mieter und Vermieter – gilt;
• wird die Höchstfrist überschritten, ist eine formularmäßige Vereinbarung insgesamt – und nicht nur hinsichtlich des vier Jahre überschreitenden Zeitraums – unwirksam;
• bei vereinbarter Staffelmiete ist nach der eindeutigen Bestimmung des § 557a Abs. 3 Satz 1 BGB auch ein formularmäßiger einseitiger Kündigungsverzicht für einen Zeitraum bis zu vier Jahren zulässig; handelt es sich bei dem Kündigungsverzicht um eine Individualvereinbarung für einen Zeitraum von mehr als vier Jahren, so ist der Verzicht wegen der zwingenden Vierjahres-Grenze des § 557a Abs. 3 Satz 1 BGB (nicht insgesamt wie bei einer Formularklausel, sondern nur) hinsichtlich der „Überlänge“ unwirksam (§ 557a Abs. 5 BGB).
• Unwirksam ist dagegen der in einer Formularklausel vereinbarte einseitige Kündigungsverzicht des Mieters im „Normalfall“, also ohne Staffelmiete, wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters (§ 307 BGB). Unangemessen ist die Benachteiligung des Mieters in einem solchen Fall deshalb, weil die Einschränkung seiner gesetzlichen Rechte (Möglichkeit der jederzeitigen ordentlichen Kündigung) weder durch den mit einer Staffelmiete verbundenen Vorteil der langen Kalkulationssicherheit noch durch die allgemeine Vertragssicherheit, die der Mieter bei einem gleichzeitigen Kündigungsverzicht des Vermieters erlangt, ausgeglichen wird.
• Sämtliche Fristen sind taggenau ab dem Datum des Mietvertrages bzw. der konkreten Vereinbarung zu berechnen. Wird beispielsweise am 20.10.2016 ein Kündigungsverzicht für die Dauer von vier Jahren vereinbart, so läuft die Frist am 20.10.2020 ab, die Kündigung ist somit erstmals zu diesem Termin möglich. Aus praktischen Gründen kann es sich jedoch empfehlen, die Vierjahresfrist nicht voll auszunutzen, sondern entsprechend der allgemeinen Regel des § 573c Abs. 1 Satz 1 BGB die erstmalige Kündigungsmöglichkeit zum Ende des vorletzten Monats der Bindungsfrist (hier: 30.09.2020) zu vereinbaren.
• Der Kündigungsverzicht betrifft im Zweifel nur das Recht zur ordentlichen Kündigung.

D. Auswirkungen für die Praxis

Auch nach der BGH-Entscheidung vom 23.08.2016 empfiehlt sich die folgende Formulierung einer Kündigungsverzichtsklausel (einschließlich des vorsorglichen Hinweises auf den Ausschluss einer stillschweigenden Verlängerung des Mietverhältnisses

[§ 545 BGB] nach einer Kündigung):
㤠2 Mietzeit
(1) Das Mietverhältnis beginnt am ……………….; es endet durch Kündigung nach den gesetzlichen Bestimmungen.
(2) Die Parteien verzichten beiderseits für die Dauer von … Jahren ab dem Datum des Abschlusses dieses Mietvertrages auf das Recht zur ordentlichen Kündigung. Das Mietverhältnis kann frühestens zum Ablauf dieser Frist, d.h. zum ………… ordentlich gekündigt werden.*
(3) Setzt der Mieter nach Ablauf der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache fort, so gilt das Mietverhältnis nicht als stillschweigend verlängert. § 545 BGB findet keine Anwendung.“
* Anmerkung zu Abs. 2: Wird der Kündigungsverzicht unabhängig vom Abschluss des Mietvertrages vereinbart, so muss es in Satz 1 heißen „ab dem Datum dieser Vereinbarung“. Soll die Kündigung aus praktischen Gründen entsprechend der Regelung des § 573c Abs. 1 Satz 1 BGB nur zum Monatsende zulässig sein, muss es in Satz 2 heißen: „zum Ablauf des vorletzten Monats dieser Frist, d.h. zum …“.