Nachfolgend ein Beitrag vom 21.6.2016 von Schnauder, jurisPR-BKR 6/2016 Anm. 3

Leitsatz

Sieht sich eine Bank dem Bereicherungsanspruch eines Darlehensnehmers aus einem nichtigen Darlehensvertrag ausgesetzt und besteht zugleich ein Bereicherungsanspruch der Bank gegen einen Dritten als Zahlungsempfänger der Darlehensvaluta, ist der Bank die Erhebung einer auf die Rückzahlung der Darlehensvaluta gerichteten Klage gegen den Zahlungsempfänger aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB erst dann zumutbar, wenn ihre Rückzahlungsverpflichtung gegenüber dem Darlehensnehmer feststeht (Fortführung von BGH, Urt. v. 06.05.1993 – III ZR 2/92 – BGHZ 122, 317).

A. Problemstellung

Erst am 28.10.2014 hat der XI. Zivilsenat des BGH sich zum Verjährungsbeginn von Bereicherungsansprüchen der Kreditnehmer bei unwirksamen Bearbeitungsentgeltklauseln geäußert und entschieden, dass dem Bereicherungsgläubiger eine Klage nicht zugemutet werden konnte, bevor sich eine gefestigte Rechtsprechung der Oberlandesgerichte herausgebildet hatte (BGH, Urt. v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13 – WM 2014, 2261, m. Anm. Müller-Christmann, jurisPR-BKR 2/2015 Anm. 2). In der vorliegenden Entscheidung vom 13.01.2015 nimmt der Senat erneut Stellung zum zumutbaren Zeitpunkt einer Bereicherungsklage, nunmehr allerdings einer kreditgebenden Bank, die einen Dritten (Zuwendungsempfänger) nach Auszahlung der Darlehensvaluta aufgrund unwirksamer Auszahlungsanweisung in Anspruch nimmt.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die (Rechtsvorgängerin der klagenden) Bank gewährte dem Anleger (Streithelfer) am 21.12.1990 ein Zwischenfinanzierungs- und am 17.12.1993 ein Endfinanzierungsdarlehen für die treuhänderische Beteiligung an der beklagten Fondsgesellschaft in Höhe von 46.052,01 Euro. Die Darlehensverträge waren unwirksam, weil sie namens des Streithelfers von einem Untervertreter des Treuhänders abgeschlossen wurden, der ebenso wenig wie der Treuhänder selbst über eine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz verfügte. Der Streithelfer löste das Darlehen am 30.12.2003 ab.
Im Jahr 2004 kamen Zweifel an der Wirksamkeit der Darlehensverträge auf, als ein anderer Anleger die Nichtigkeit der dem Treuhänder erteilten Vollmacht geltend machte. Der Streithelfer nahm mit der im Jahr 2008 erhobenen Klage die hiesige Klägerin auf Rückzahlung seiner Zins- und Tilgungsleistungen in Anspruch. Der Rechtsstreit, in dem die Bank der hiesigen Beklagten den Streit verkündet hatte, wurde durch Urteil des OLG Frankfurt am Main am 15.07.2010 zugunsten des Streithelfers entschieden.
Nunmehr begehrt die Klägerin die von ihrer Rechtsvorgängerin auf der Grundlage der unwirksamen Zahlungsanweisung der Vertreter des Streithelfers ausgezahlte Darlehensvaluta von der beklagten Fondsgesellschaft im Wege der Nichtleistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB zurück. Die am 30.05.2011 bei Gericht eingegangene Klage hatte in den Vorinstanzen (LG und OLG Stuttgart) keinen Erfolg. Auf die zugelassene Revision hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Rechtsache an das Berufungsgericht zurück.
Der Senat lehnt die Rechtsansicht des Oberlandesgerichts ab und hält die Verjährungseinrede der Beklagten für unbegründet. Der Beklagten falle im Jahre 2004 weder Kenntnis noch grobfahrlässige Unkenntnis aller anspruchsbegründenden Tatsachen zur Last. Denn neben dem Umstand, dass den bestellten Vertretern die Erlaubnis zur Rechtsberatung gefehlt habe, sei dafür auch das Fehlen von Umständen erheblich, die eine Rechtsscheinvollmacht begründen. Die hierauf bezogenen subjektiven Voraussetzungen lägen nicht vor. Das Institut der Wissenszurechnung bei juristischen Personen komme nicht zur Anwendung; auch habe die Klägerin keine Nachforschungspflicht bezüglich sämtlicher Kreditakten getroffen. Erst als der Streithelfer selbst im Jahre 2008 die Wirksamkeit der Darlehensverträge in Zweifel gezogen und mit eigenen Ansprüchen hervorgetreten sei, habe die Klägerin Anlass gehabt, der Sache nachzugehen. Dennoch habe seinerzeit die Verjährungsfrist für den Kondiktionsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte noch nicht zu laufen begonnen, weil der Klägerin eine den Verjährungslauf hemmende Klage gegen die Fondsgesellschaft erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des vom Streithelfer angestrengten Vorverfahrens habe zugemutet werden können. In diesem Zeitpunkt sei die Rechtslage definitiv geklärt gewesen und habe festgestanden, dass die Klägerin zur Rückzahlung der erbrachten Tilgungsleistungen verpflichtet sei. So lange habe es der möglichen Bereicherungsgläubigerin unbenommen bleiben müssen, mit ihrer Klage zuzuwarten. Die dreijährige Regelverjährung beginne daher erst mit der Rechtskraft der Vorentscheidung.

C. Kontext der Entscheidung

Der Senat sieht sein Urteil in der Kontinuität mit BGHZ 122, 317. In jenem Fall hat der III. Zivilsenat des BGH am 06.05.1993 sich mit der Frage des Verjährungsbeginns im Zusammenhang mit der zumutbaren Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs wegen rechtswidrigen (positiven) Bauvorbescheids auseinandergesetzt. Zugunsten der Klägerin war im Jahre 1979 ein Bauvorbescheid ergangen, der Bauantrag der Klägerin wurde jedoch im April 1983 abgelehnt. Mit der im Juli 1990 anhängig gewordenen Klage nahm die Klägerin den beklagten Landkreis auf Schadensersatz wegen Erteilung des Bauvorbescheids in Anspruch, nachdem sie zuvor ohne Erfolg gegen die Versagung der Baugenehmigung vorgegangen war. Die Verjährungseinrede gem. § 852 Abs. 1 BGB a.F. hielt der BGH für unbegründet, weil der Klägerin eine frühere Klage nicht habe zugemutet werden können. Vielmehr habe sie mit der Haftungsklage zuwarten dürfen, bis durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren die Grundlage für die Beurteilung der Frage geschaffen war, ob die Versagung der Baugenehmigung rechtmäßig war. Die Verjährungsfrist des § 852 BGB a.F. habe daher erst mit Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Urteils (im August 1987) begonnen.
An dieser verjährungsrechtlichen Vorgabe orientiert sich der Bankrechtssenat in der vorliegenden Rechtssache, die indessen einen anders gelagerten Interessenkonflikt mit anderer Wertungsprävalenz aufweist. Im Vergleichsfall leuchtet unmittelbar ein, dass die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns gem. § 852 Abs. 1 BGB a.F. von der Zumutbarkeit der Klageerhebung abhängen sollen. Im Unterschied dazu steht dem Anspruchsteller hier keine präjudizielle Rechtsschutzmöglichkeit gegen seinen Schuldner zu, die er vor Klageerhebung wahrnehmen können muss, ohne verjährungsrechtliche Nachteile zu erleiden. Gleichwohl bemüht der XI. Zivilsenat auch hier die Kategorie der Zumutbarkeit der Klage im Zusammenhang mit dem Beginn der Verjährungsfrist. Das ist nicht frei von Bedenken.
Der Senat hat schon in dem eingangs zitierten Urteil vom 28.10.2014 unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeitsschranke stark in das verjährungsrechtliche Regime eingegriffen, um zu dem in casu gewünschten Ergebnis zu gelangen. Danach soll es für den Beginn der Verjährungsfrist darauf ankommen, ob eine Rechtslage unsicher und zweifelhaft oder zumindest durch die obergerichtliche Rechtsprechung geklärt ist. Das hier vom Senat in den Mittelpunkt seiner Entscheidung gestellte ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifende Voraussetzung des Verjährungsbeginns schafft nicht Klarheit, sondern im Gegenteil Rechtsunsicherheit (Müller-Christmann, jurisPR-BKR 2/2015 Anm. 2; Bitter, JZ 2015, 170). Diese Rechtsprechungslinie verläuft ultra legem; das Gesetz macht in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB die subjektive Komponente der Kenntnis gerade nicht von der Klärung einer streitigen Rechtsfrage abhängig. Vielmehr weist das Gesetz dieses Risiko typischerweise dem Gläubiger zu.
Mit dem allgemeinen Rechtsbegriff der Zumutbarkeit der Klageerhebung wird der Verjährungseintritt unberechenbar, weil man damit beinahe jedes gewünschte Ergebnis rechtfertigen kann. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen über bereicherungsrechtliche Fragen in Mehrpersonenverhältnissen zu entscheiden ist, was allgemein als schwierig empfunden wird. Nach den gem. den §§ 68, 74 Abs. 3 ZPO zugunsten der Klägerin wirkenden Feststellungen im Vorprozess handelt es sich bei den Valutierungen um anweisungslose Zahlungen der (Rechtsvorgängerin der) Klägerin. Die den Zahlungsvorgängen zugrunde liegenden Anweisungen des Untervertreters des Treuhänders waren unwirksam, weil weder die erteilte Vollmacht wirksam noch eine Rechtscheinvollmacht gegeben war. In solchen Fällen einer fehlenden Anweisung kommt es im Deckungsverhältnis regelmäßig nur zu einem Leistungsversuch (BGH, Urt. v. 31.05.1994 – VI ZR 12/94 – WM 1994, 1420 = ZIP 1994, 1098, unter III 1 a bb der Gründe; BGH, Urt. v. 29.04.2008 – XI ZR 371/07 – BGHZ 176, 234 Rn. 10; BGH, Urt. v. 01.06.2010 – XI ZR 389/09 – NJW 2011, 66 Rn. 32; Schnauder in: Soergel, BGB,13. Aufl. 2012, § 783 Rn. 20), so dass der Bereicherungsausgleich im Wege der Direktkondiktion im Zuwendungsverhältnis vorzunehmen ist. Der „Bereicherungsanspruch entstand im Zeitpunkt der rechtsgrundlosen Zuwendung und damit in Fällen der vorliegenden Art zum Zeitpunkt der Auszahlung der (sc. unwirksam) angewiesenen Beträge“ (so das Besprechungsurteil Rn. 16). Zugleich sah sich die Klägerin hier wegen der Unwirksamkeit der Darlehensverträge mit der Leistungskondiktion des Streithelfers konfrontiert, der inzwischen das gesamte Darlehenskapital zurückgeführt hatte. Von einer unsicheren Rechtslage, die bei Rechtsunkenntnis der Gläubigerin den Verjährungsbeginn hinauszuschieben vermocht hätte, kann jedenfalls im Jahr 2008 nicht mehr die Rede sein.
Das Problem des Streitfalles ist nicht auf der Ebene des Verjährungsrechts zu verorten und mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der Zumutbarkeit zu lösen. Vielmehr führt bereits eine differenzierte Betrachtung der Vermögensverschiebungen unter den Beteiligten auf der Ebene des bereicherungsrechtlichen Tatbestandes zu einer Auflösung des Interessenkonflikts. Entgegen der Annahme des Senats war die Erfolgsaussicht einer früheren Bereicherungsklage der Klägerin gegen die Beklagte weder unsicher noch zweifelhaft, sie war von vornherein ausgeschlossen, was der Klägerin wegen der im Jahr 2003 erfolgten Darlehenstilgung auch bewusst war. Mit der Rückzahlung des Darlehenskapitals entfiel die ursprünglich mit der Valutierung entstandene Nichtleistungskondiktion gegenüber dem Zahlungsempfänger. Denn die Kondiktionslage bestand nicht länger, nachdem die vermögensrelevante Beeinträchtigung der Entreicherten kompensiert war und dem Vermögensvorteil der Beklagten nicht mehr ein Nachteil der Klägerin gegenüberstand. Tatsächlich war die Vermögensbilanz der Klägerin mit der Rückführung der Valuta ausgeglichen und die Beklagte daher nicht länger „auf Kosten“ der Klägerin bereichert. Eine im Wege des Bereicherungsausgleichs abzuschöpfende Vermögensverschiebung bestand nicht mehr. Daher hätte eine Bereicherungsklage gegen die Beklagte keinen Erfolg gehabt. Die Klägerin musste und durfte vielmehr abwarten, ob das inzwischen erreichte vermögensrechtliche Gleichgewicht im Verhältnis der Beteiligten durch den Streithelfer aufgestört werden würde.
Erst mit rechtskräftiger Feststellung der Rückgewährpflicht der Klägerin im Deckungsverhältnis tritt der ursprüngliche Vermögensnachteil wieder ein, aus welchem die Beklagte ihren Vorteil erlangt hat, so dass die Einheitlichkeit des Bereicherungsvorgangs erneut hergestellt und die Nichtleistungskondiktion wieder eröffnet ist. Vorher kann der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB) nicht beginnen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Aus der Rechtspraxis sind zwar Fälle bekannt, in denen der Kreditgeber die Valuta aufgrund unwirksamer (vgl. auch BGH, Urt. v. 12.05.2009 – XI ZR 586/07 – WM 2009, 1274) oder fehlender (vorgetäuschter) Anweisung (BGH, Urt. v. 05.11.2002 – XI ZR 381/01 – BGHZ 152, 307) auszahlte. Der vom Senat behandelte Bereicherungsrechtsfall liegt freilich besonders, weil hier der Darlehensnehmer den Kredit vollständig zurückzahlte. In diesem Fall sind die durch die anweisungslose Vermögensverschiebung zugunsten des Dritten (Empfänger der Valuta) entstandene Entreicherung des Kreditgebers und der Anspruch auf Direktkondiktion wieder entfallen. Der Kreditgeber darf daher davon ausgehen, dass die bereicherungsrechtlichen Forderungen auf sich beruhen bleiben. Das gilt aber nur bis der vermeintlich Anweisende (Darlehensnehmer) mit seinem Anspruch auf Leistungskondiktion hervortritt. Wird dieser Anspruch rechtskräftig festgestellt, ist die zwischenzeitlich eingetretene vermögensrechtliche Gleichgewichtslage wieder beseitigt. Dem Darlehensgeber steht der ursprüngliche Anspruch auf Nichtleistungskondiktion gegenüber dem Empfänger der Darlehensvaluta dann wieder zu, so dass der vermögensrechtliche Status quo ex ante wiederhergestellt ist.
Die Richtigkeit dieses bereicherungsrechtlichen Ergebnisses erweist die folgende Kontrollüberlegung. Zahlt der Darlehensgeber im Deckungsverhältnis aufgrund eines Vergleichs mit dem Darlehensnehmer nur die Hälfte der Darlehenssumme an diesen zurück, so steht ihm selbstverständlich gegenüber dem Empfänger der Valuta auch nur ein hälftiger Rückzahlungsanspruch zu. Dabei handelt es sich um die wiederaufgelebte Direktkondiktion.
Verjährungsrechtlich sind diese Vorgänge allerdings so zu behandeln, als ob der (zwischenzeitlich erloschene) Bereicherungsanspruch des Kreditgebers neu i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB „entstanden“ ist. Der Kreditgeber braucht daher nicht aktiv zu werden, er kann abwarten, was der Darlehensnehmer innerhalb der für ihn im Deckungsverhältnis laufenden Verjährungsfrist unternimmt.