Nachfolgend ein Beitrag vom 15.8.2017 von Götsche, jurisPR-FamR 16/2017 Anm. 5

Leitsatz

Allein der Umstand, dass das unterhaltsberechtigte Kind während eines von der Unterhaltsvorschusskasse betriebenen vereinfachten Verfahrens in den Haushalt des Unterhaltspflichtigen wechselt, lässt die Zulässigkeit dieses Verfahrens für Unterhaltsansprüche aus der Zeit bis zum Obhutswechsel unberührt (Fortführung von BGH, Beschl. v. 21.12.2005 – XII ZB 258/03 – FamRZ 2006, 402).

A. Problemstellung

Wie wirkt sich der Wechsel des Kindes in die Obhut des Unterhaltsverpflichteten während der Anhängigkeit eines vereinfachten Unterhaltsverfahrens aus?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Nach Trennung ihrer Eltern verblieb die Tochter im Haushalt ihrer Mutter. Der Antragsteller zahlte nachfolgend für die Tochter Unterhaltvorschuss und hat daher sowohl rückständigen als auch laufenden Unterhalt im vereinfachten Verfahren gegen den Antragsgegner geltend gemacht. Während des laufenden Verfahrens versöhnten sich die Eltern und zogen wieder zusammen.
Nach Auffassung des BGH lässt der Aufenthaltswechsel des Kindes die Verfahrensführungsbefugnis des Antragstellers und daher die Zulässigkeit des Verfahrens insgesamt fortgelten. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Elternteil, bei dem das Kind zu Beginn des vereinfachten Verfahrens gelebt habe, Inhaber der alleinigen Sorge war oder wenn – wie hier – ein Dritter die Unterhaltsansprüche aus übergegangenem Recht geltend macht. § 249 Abs. 1 FamFG normiere keine allgemeine Verfahrensvoraussetzung, sondern knüpfe die Frage der Statthaftigkeit des vereinfachten Verfahrens an materiell-rechtliche, die Barunterhaltsverpflichtung regelnde Normen an. Jedoch sei ab dem Zeitpunkt des Obhutswechsels der Antrag im vereinfachten Verfahren unzulässig.

C. Kontext der Entscheidung

Gemäß § 249 Abs. 1 FamFG wird der Unterhalt eines minderjährigen Kindes, das mit dem in Anspruch genommenen Elternteil nicht in einem Haushalt lebt, auf Antrag im vereinfachten Verfahren festgesetzt. Wie sich der Obhutswechsel während der Anhängigkeit eines vereinfachten Unterhaltsverfahrens auswirkt, war bislang recht umstritten. Teilweise wurde die Unzulässigkeit des Verfahrens mit Wirkung ab dem Einzug des Kindes in den Haushalt des Antragsgegners angenommen, nicht aber die Unzulässigkeit des vereinfachten Verfahrens insgesamt (OLG Köln, Beschl. v. 23.01.2015 – 4 UF 142/14 – FamRZ 2015, 1748). Teilweise wurde das Verfahren insgesamt als unzulässig angesehen, weil das vereinfachte Verfahren, das dem Mahnverfahren ähnelt, nicht mit schwierigen Rechts- oder Tatsachenfragen für die Festsetzung des Unterhalts belastet werden dürfe (OLG Celle, Beschl. v. 11.02.2003 – 15 WF 20/03 – FamRZ 2003, 1475).
Der BGH klärt diese Streitfrage zugunsten der erstgenannten Ansicht. Dies steht im Einklang mit einem Obhutswechsel in einer streitigen Unterhaltssache, der nach der §§ 112 Nr. 1, 231 Abs. 1 Nr. 1 FamFG die Zulässigkeit des Antrages bei fortbestehender Verfahrensführungs- bzw. Vertretungsbefugnis unberührt lässt und der Unterhaltsantrag lediglich für die Zeit ab dem Aufenthaltswechsel unbegründet wird, wie der BGH ausdrücklich ausführt.

D. Auswirkungen für die Praxis

Man muss streng danach differenzieren, ob das Kind selbst oder ein Dritter den Unterhalt geltend macht.
I. Kind macht Unterhalt geltend
1. Gemeinsame elterliche Sorge
Bei gemeinsamer elterlicher Sorge ist der Elternteil, der die Obhut über das Kind innehat, zur Vertretung berechtigt (§ 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB). Wechselt das Kind während des Streitverfahrens über seinen Unterhalt in die Obhut des Unterhaltsverpflichteten, endet die Vertretungsbefugnis des bisher die Obhut ausübenden Elternteils rückwirkend. Läuft aktuell ein gerichtliches Verfahren, wird der Antrag unzulässig.
Der bisher vertretungsbefugte Elternteil kann der Kostentragungspflicht durch eine Erledigungserklärung entgehen (OLG Köln, Beschl. v. 04.12.2012 – 4 UF 158/12 – FamFR 2013, 92). Eine Umstellung auf einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch stellt einen Beteiligtenwechsel auf Antragstellerseite dar, der wie eine Klageänderung zu behandeln ist, d.h. nach § 263 ZPO ist die Einwilligung des Antragsgegners oder eine Sachdienlichkeit erforderlich (OLG Hamm, Beschl. v. 14.04.2016 – 6 UF 54/15 – NJW 2016, 2277). Hingegen ist ein Beteiligtenwechsel in der Beschwerdeinstanz nicht mehr zulässig (OLG Hamm, Beschl. v. 14.04.2016 – 6 UF 54/15 – NJW 2016, 2277).
2. Alleinige elterliche Sorge des ursprünglich obhutsberechtigten Elternteils
Der Obhutswechsel lässt die Zulässigkeit des Verfahrens für Unterhaltsansprüche aus der Zeit bis zum Obhutswechsel unberührt (jedoch liegt m.E. Unbegründetheit vor; zur Umstellung auf einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch vgl. zuvor). Ab dem Obhutswechsel besteht Unzulässigkeit.
II. Dritter macht Unterhalt (aus übergegangenem Recht) geltend
Der Obhutswechsel lässt die Zulässigkeit dieses Verfahrens für Unterhaltsansprüche aus der Zeit bis zum Obhutswechsel unberührt. Ab dem Obhutswechsel besteht Unzulässigkeit.