Nachfolgend ein Beitrag vom 9.6.2017 von Lorz, jurisPR-BGHZivilR 11/2017 Anm. 2
Leitsatz
Eine Verbindung nur zu einem vorübergehenden Zweck i.S.d. § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Sache für ihre gesamte (wirtschaftliche) Lebensdauer auf dem Grundstück verbleiben soll.
A. Problemstellung
Das Eigentum an einem Grundstück erstreckt sich nach § 946 BGB auf die beweglichen Sachen, die mit ihm zu wesentlichen Bestandteilen verbunden worden sind. Hierzu gehören nach § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB die mit Grund und Boden fest verbundenen Sachen, es sei denn, die Verbindung ist nach § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zu einem vorübergehenden Zweck erfolgt. Bislang war umstritten, ob eine Sache auch dann ein sonderrechtsfähiger Scheinbestandteil sein kann, wenn sie für ihre gesamte wirtschaftliche Lebensdauer auf dem Grundstück verbleiben soll. Diese Frage hat der BGH nunmehr für Windkraftanlagen höchstrichterlich geklärt.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die ursprüngliche Eigentümerin eines Grundstücks verpachtete eine Teilfläche an ihren Ehemann, der darauf Mitte der 1990er Jahre eine Windkraftanlage errichten ließ. Er veräußerte 2006 die Anlage an die Beklagte, die mit seiner Ehefrau ebenfalls einen Pachtvertrag schloss. 2014 erwarb der Kläger das Grundstück. Er klagte auf Feststellung, dass er Eigentümer der Windkraftanlage sei. Seine Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos, woraufhin er Revision zum BGH erhob.
Der BGH hat die Revision zurückgewiesen, da die Windkraftanlage kein wesentlicher Bestandteil des vom Kläger erworbenen Grundstücks, sondern nur ein Scheinbestandteil i.S.d. § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB sei. Hierzu verwies er zunächst auf seine ständige Rechtsprechung, nach der eine Sache zu einem nur vorübergehenden Zweck mit Grund und Boden verbunden sei, wenn ihre spätere Aufhebung von Anfang an beabsichtigt sei. Entscheidend sei der innere Wille des Einfügenden im Zeitpunkt der Verbindung, sofern er mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt in Einklang zu bringen sei. Erfolge die Verbindung durch einen Mieter, Pächter oder sonst schuldrechtlich Berechtigten, so spreche eine tatsächliche Vermutung für einen vorübergehenden Zweck.
Unter Anwendung dieser Grundsätze habe das Berufungsgericht die Windkraftanlage zutreffend als Scheinbestandteil qualifiziert. Der Ehemann der Voreigentümerin habe die Anlage nach Ablauf der Nutzungsdauer wieder abbauen und damit nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück verbinden wollen. Dieser Wille werde durch den Pachtvertrag nach außen hin dokumentiert. Dabei stehe der Qualifizierung als Scheinbestandteil nicht entgegen, dass die Windkraftanlage während ihrer gesamten von den Eheleuten prognostizierten Lebensdauer von 20 Jahren auf dem Grundstück habe verbleiben sollen. Dies folge sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Sinn und Zweck des § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB.
So beziehe sich die Formulierung „zu einem vorübergehenden Zweck“ nicht auf die wirtschaftliche Lebensdauer der Sache, sondern auf deren Verbindung mit dem Grundstück. Ihr komme keine weitergehende Bedeutung zu, als dass die Absicht des Einfügenden bei der Herstellung maßgeblich sei. Die Vorschrift verlange keine inhaltliche Verknüpfung zwischen der Lebensdauer einer Sache und ihrer eigentumsrechtlichen Zuordnung, zumal es keinen sachlichen Grund gebe, kurzlebige Sachen den wesentlichen Bestandteilen und langlebige Sachen den Scheinbestandteilen zuzurechnen.
Auch der Sinn und Zweck des § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB erfordere keine solche Verknüpfung. Die darin geregelte Ausnahme vom Grundsatz des Verlusts der Sonderrechtsfähigkeit diene dem Schutz des Interesses des Einfügenden an der Verfügbarkeit über die eingefügte Sache. Dem Errichter einer Windkraftanlage sei daran gelegen, sie als Kreditunterlage zu verwenden und sie im Wege des Repowerings auf dem Zweitmarkt für gebrauchte Anlagen zu veräußern, so dass sie sich nicht auf dem Fremdgrundstück verbrauche. Dieses Interesse genieße Vorrang vor dem in § 94 Abs. 1 BGB geschützten Interesse des Grundstücksverkehrs an Klarheit und Publizität der Rechtsverhältnisse. Dabei werde das Interesse des Einfügenden an der Sonderrechtsfähigkeit unabhängig davon geschützt, ob die Sache kurzfristig oder voraussichtlich für ihre gesamte wirtschaftliche Lebensdauer mit dem Grundstück verbunden werde.
Schließlich hätte es der Rechtssicherheit abträgliche Abgrenzungsschwierigkeiten zur Folge, würde der Verbrauch der verbundenen Sache während der Grundstücksnutzung das Vorliegen eines Scheinbestandteils ausschließen. So lasse sich die Lebensdauer von Windkraftanlagen nicht exakt bestimmen. Zudem gebe es unterschiedliche Auffassungen, unter welchen Voraussetzungen – Mietdauer 10 Prozent hinter der prognostizierten Lebensdauer, Weiterbenutzung nach Trennung vom Grundstück wirtschaftlich sinnvoll, gänzliche Wertlosigkeit – von einem Verbrauch auszugehen sei.
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung des BGH sorgt nicht nur für Windkraftanlagen, sondern auch für vergleichbare, im Rahmen von Contracting-Verträgen betriebene technische Anlagen wie Blockheizkraftwerke und Photovoltaikanlagen für Rechtsklarheit.
Um bei den Windkraftanlagen zu bleiben: Enthält der mit dem Grundstückseigentümer geschlossene Nutzungsvertrag eine Rückbauverpflichtung, so ist eine Windkraftanlage nur zu einem vorübergehenden Zweck errichtet und behält als Scheinbestandteil ihre Sonderrechtsfähigkeit. Damit bleibt sie auch in rechtlicher Hinsicht demjenigen zugeordnet, der sie in wirtschaftlicher Hinsicht aufstellt, betreibt und unterhält (OLG Schleswig, Urt. v. 26.08.2005 – 14 U 9/05; Peters, WM 2007, 2003, 2006). Dagegen hängt die eigentumsrechtliche Zuordnung einer Windkraftanlage nicht von ihrer zu erwartenden Lebensdauer ab, die sich nur schwerlich genau prognostizieren lässt. Zu Recht erteilte der BGH einem solch unscharfen Kriterium für die Bestimmung der Eigentumslage eine Absage. Da das Eigentum als absolutes Recht Wirkung gegenüber jedermann entfaltet, bedarf es eines klaren Zuordnungskriteriums.
Die Qualifikation einer Windkraftanlage als sonderrechtsfähigen Scheinbestandteils entspricht dem berechtigten Interesse des Anlagenbetreibers. Zwar stünde ihm prinzipiell auch aus dem Pachtvertrag nach den §§ 581 Abs. 2 i.V.m. 539 Abs. 2 BGB das Recht zu, die Windkraftanlage abzubauen, um sie auf dem Zweitmarkt zu veräußern und durch eine leistungsstärkere Anlage zu ersetzen. Bei einer Fremdfinanzierung kann er sie aber nur dann an seinen Kreditgeber gemäß den §§ 929 Satz 1, 930 BGB sicherungsübereignen, wenn er deren Eigentümer ist.
Demgegenüber hat der Grundstückseigentümer kein berechtigtes Interesse an einem gesetzlichen Eigentumserwerb nach § 946 BGB, wenn in der Nutzungsvereinbarung der Betreiber ohnehin zum Abbau und zur Entfernung der Windkraftanlage mit Vertragsbeendigung verpflichtet ist. Darüber hinaus wäre der Grundstückseigentümer dem Anlagenbetreiber nach den §§ 951 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB zur Entschädigung für den Eigentumsverlust verpflichtet. Schließlich besteht, da Windkraftanlagen in der Praxis häufig auf fremdem Grund und Boden betrieben werden, auch kein schützenswertes Vertrauen des Rechtsverkehrs, die Windkraftanlage gehöre dem Grundstückseigentümer (Peters, WM 2002, 110, 112).
D. Auswirkungen für die Praxis
Windkraftanlagen sind nicht automatisch Scheinbestandteile. Vielmehr entscheidet die konkrete Ausgestaltung des obligatorischen Nutzungsvertrags über die Eigentumslage. Soll eine Windkraftanlage – wie häufig der Fall – spätestens mit Vertragsbeendigung durch den Anlagenbetreiber abgebaut werden, so ist sie nur ein Scheinbestandteil und damit weiterhin sonderrechtsfähig. Wird dagegen dem Grundstückseigentümer das Recht eingeräumt, mit Ablauf des Nutzungsverhältnisses die Windkraftanlage zu übernehmen, so ist die Vermutung eines nur vorübergehenden Zwecks i.S.d. § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB widerlegt. In diesem Fall ist die Anlage nach § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (OLG Koblenz, Beschl. v. 21.09.2006 – 5 U 738/06; Peters, WM 2002, 110, 115 f.).
Für den Anlagenbetreiber sorgt die zusätzliche Bestellung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit gemäß § 1090 Abs. 1 BGB für Rechtssicherheit (Fedke, WM 2011, 1932, 1936 ff.). Bei Einräumung dieses dinglichen Nutzungsrechts ist die Windkraftanlage stets nach § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB Scheinbestandteil. Zugleich ist der Betreiber auch im Fall der Zwangsversteigerung des Grundstücks oder der Insolvenz des Grundstückseigentümers geschützt. Die Dienstbarkeit berechtigt ihn auch gegenüber einem neuen Grundstückseigentümer zur Nutzung und gewährt ihm nach § 47 InsO ein Aussonderungsrecht, während bei einem obligatorischen Nutzungsrecht der Grundstückserwerber von seinem Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG bzw. § 111 InsO Gebrauch machen kann.