Nachfolgend ein Beitrag vom 24.4.2018 von Götsche, jurisPR-FamR 8/2018 Anm. 5
Leitsätze
1. Das Einvernehmen der Beteiligten über den Umgang mit einem Kind i.S.d. § 156 Abs. 2 FamFG muss im Zeitpunkt der Entscheidung des Familiengerichts über die Billigung des Vergleichs (noch) vorliegen. Eine zunächst erteilte Zustimmung eines Beteiligten ist bis zu der gerichtlichen Billigung grundsätzlich frei widerruflich. Der Widerruf des Beteiligten muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann sich auch aus den nach außen zutage getretenen Umständen ergeben.
2. Hat das Amtsgericht einen Umgangsvergleich gebilligt, obwohl ein Einvernehmen der Beteiligten i.S.d. § 156 Abs. 2 FamFG nicht (mehr) bestand, kann die Sache auf die hierauf gestützte Beschwerde unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG an das Ausgangsgericht zurückverwiesen werden, weil mit dem Wegfall eines verfahrensabschließenden gerichtlich gebilligten Vergleichs nach § 156 Abs. 2 FamFG noch „in der Sache“, also über das verfahrensgegenständliche Umgangsbegehren zu entscheiden ist.
A. Problemstellung
Die Eltern schließen eine gerichtlich protokollierte Umgangsvereinbarung. Darf das Gericht diese noch gemäß § 156 Abs. 2 FamFG billigen, sofern ein Elternteil noch vor der Billigung an der Vereinbarung nicht mehr festhalten will?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Seit der Trennung der miteinander verheirateten Beteiligten lebt ihre gemeinsame Tochter im Haushalt der Antragstellerin. Im Termin des Amtsgerichts vom 12.01.2016 schlossen die Kindeseltern eine Umgangsvereinbarung. Eine ausdrückliche Erklärung des Familiengerichts dazu, ob es die getroffene Vereinbarung billigt, enthält das Protokoll nicht.
Nachdem die Mutter an der Vereinbarung nicht mehr vollumfänglich festhalten wollte, hat der Vater in 2017 die Verhängung von Ordnungsmitteln beantragt. Das Amtsgericht hat nachfolgend durch Beschluss die „gerichtlich protokollierte Umgangsvereinbarung vom 12.01.2016 … familiengerichtlich genehmigt“. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Mutter, mit der sie näher ausführt, aus welchen Gründen die damals getroffene Umgangsvereinbarung nicht mehr dem Wohl des Kindes entspreche.
Das OLG Düsseldorf hat den Billigungsbeschluss aufgehoben und die Sache zur weiteren Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Die gerichtliche Billigung dürfe nicht mehr ausgesprochen werden, weil das Einvernehmen der Beteiligten im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über die Billigung gemäß § 156 Abs. 2 FamFG tatsächlich nicht mehr vorgelegen habe. Eine zuvor erteilte Zustimmung der Eltern sei bis zur Billigung widerruflich, was hier die Mutter wahrgenommen habe. Eine Bindung der Eltern an eine frühere Zustimmungserklärung sei abzulehnen, weil man damit ohne hinreichende sachliche Rechtfertigung in das pflichtgebundene Elternrecht, permanent – auch unter veränderten Umständen – für das Kindeswohl Sorge zu tragen, eingreifen würde.
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung entspricht der herrschenden Lehre. Das Einvernehmen der Beteiligten muss im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über die Billigung gemäß § 156 Abs. 2 FamFG tatsächlich vorliegen. Eine zuvor erteilte Zustimmung ist bis dahin widerruflich (vgl. Prütting/Helms/Hammer, FamFG, 3. Aufl., § 156 Rn. 55; Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 6. Aufl., § 1684 Rn. 12). Dafür spricht, dass nur das tatsächlich fortbestehende Einvernehmen die nach § 156 Abs. 2 Satz 2 FamFG gegenüber den §§ 1684, 1697a BGB beschränkte Kindeswohlprüfung des Gerichts rechtfertigt. Vergleichbare Erwägungen gelten im Falle des § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB für eine Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf einen Elternteil unter Zustimmung beider Eltern. Auch hier muss die Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten bei Erlass der gerichtlichen Billigungsentscheidung tatsächlich noch vorliegen, d.h. eine zuvor bereits erteilte Zustimmung ist bis dahin widerruflich (vgl. BGH, Beschl. v. 24.05.2000 – XII ZB 72/97 – DAVorm 2000, 704; OLG Hamm, Beschl. v. 21.05.2015 – 2 UF 3/15 – FamRZ 2015, 1988; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.03.2015 – 5 UF 51/15; Ernst, NZFam 2015, 804, 805; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 17.02.2011 – 6 UF 14/11 – FamRZ 2011, 992; Schlünder, FamRZ 2012, 9, 13).
Gegen den Billigungsbeschluss kann daher Beschwerde eingelegt werden, wenn geltend gemacht wird, zum Zeitpunkt der Billigung habe ein Einvernehmen der Beteiligten über den Umgang nicht mehr vorgelegen. Zu beachten ist, dass die frühere Vereinbarung trotz eines Widerrufs nicht bedeutungslos bleibt. Sie bildet jedenfalls ein wichtiges Indiz für die richterliche Kindeswohlentscheidung (vgl. BGH, Beschl. v. 16.03.2011 – XII ZB 407/10 – FamRZ 2011, 796, 801; OLG Köln, Beschl. v. 15.03.2012 – 4 UF 18/12 – FamRZ 2013, 49; Hammer, FamRZ 2005, 1209, 1214).
D. Auswirkungen für die Praxis
Die gerichtliche Billigung sollte möglichst klar und zügig nach der Einigung der Eltern herbeigeführt werden, um nachfolgende Unstimmigkeiten zu vermeiden. Zudem wird erst so ein vollstreckungsfähiger Inhalt der Vereinbarung hergestellt.
Zu beachten ist, dass die Rechtsprechung bei der Feststellung einer gerichtlichen Billigkeitsentscheidung eher großzügig ist. Ein ausdrücklicher gerichtlicher Billigungsbeschluss ist nicht zwingend geboten. Nach wohl überwiegender Ansicht genügt eine konkludente Billigung, z.B. durch nachfolgende Entscheidungen, die die Billigung erkennen lassen (z.B. OLG Koblenz, Beschl. v. 25.04.2016 – 13 UF 142/16 – FamRZ 2017, 42, wonach ein verfahrensbeendender Beschluss, in dem ein separater Verfahrenswert für die Umgangsvereinbarung festgesetzt wird, für die Billigung ausreicht). Leider konnte auch dies im vorliegenden Fall – schon da das Amtsgericht selbst vom Fehlen der Billigung ausging – nicht festgestellt werden.
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