Nachfolgend ein Beitrag vom 8.7.2016 von Geisler, jurisPR-BGHZivilR 12/2016 Anm. 2

Leitsätze

1. Nutzt ein Rechtsanwalt seine Kontakte zu Medien, um über eine Berichterstattung zu aktuellen Rechtsstreitigkeiten vorrangig potentielle Mandanten auf seine anwaltlichen Dienstleistungen aufmerksam zu machen, liegt eine geschäftliche Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vor.
2. Zwischen einem Rechtsanwalt und einem Anwaltsnotar, die beide am selben Ort im Bereich des Immobilienrechts tätig sind, besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, wenn abträgliche Äußerungen des Rechtsanwalts über die Notartätigkeit sich nachteilhaft auch im Bereich der anwaltlichen Tätigkeit des Anwaltsnotars auswirken können.
3. Eine Tatsachenbehauptung i.S.d. § 4 Nr. 8 UWG 2008 kann ausscheiden und ein Werturteil vorliegen, wenn ein strafrechtlich relevanter Vorwurf erhoben wird, der eine komplexe rechtliche Würdigung erfordert und bei dem der wertende Gehalt der Äußerung einen etwaigen Tatsachenkern überlagert (hier: „Ich halte das für organisierte Wirtschaftskriminalität, bei der gezielt Anleger ruiniert werden“).
4. § 4 Nr. 7 UWG 2008 ist inhaltsgleich in die Neufassung des § 4 Nr. 1 UWG übernommen worden, so dass ein Verstoß gegen § 4 Nr. 7 UWG 2008 zugleich die Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 UWG erfüllt.
5. Der gegenüber einem Rechtsanwalt und Notar in einem Zeitungsartikel von einem Rechtsanwalt erhobene Vorwurf kriminellen Handelns und einer gezielten Ruinierung von Anlegern kann besonders schwer wiegen und auch in Abwägung mit der Meinungsfreiheit einen Unterlassungsanspruch wegen Herabwürdigung eines Mitbewerbers begründen, wenn dieser Bewertung im Kontext der Äußerung eine sachliche Grundlage fehlt.

A. Problemstellung

Die Gerichte müssen sich immer mehr mit nachteiligen Äußerungen über andere Personen befassen. Dabei geht es überwiegend um die schwierige Abgrenzungsfrage, ob eine unzulässige Tatsachenbehauptung oder eine von der Meinungsfreiheit gerechtfertigte Meinungsäußerung vorliegt. Vorliegend hatte der Senat über die Zulässigkeit einer nachteiligen Äußerung eines Rechtsanwalts über einen Anwalt und Notar zu entscheiden. Es ging dabei auch um die Frage, ob zwischen einem Rechtsanwalt und einem Anwaltsnotar, die beide am selben Ort im Bereich des Immobilienrechts tätig sind, ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht, wenn sich abträgliche Äußerungen des Rechtsanwalts über die Notartätigkeit nachteilig auch im Bereich der anwaltlichen Tätigkeit des Anwaltsnotars auswirken können.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger ist ein mit dem Immobilienrecht befasster Rechtsanwalt und Notar. Der Beklagte, der sich als Rechtsanwalt mit dem Kapitalanlagerecht beschäftigt, hält dem Kläger vor, dass er Unterschriften unter Immobilienkaufverträge beglaubigt hat, die von den Käufern angefochten worden seien. Der Beklagte hat sich in einem Zeitungsartikel über den Kläger u.a. wie folgt geäußert:
„Ich halte das für organisierte Wirtschaftskriminalität, bei der gezielt Anleger ruiniert werden“.
Der Kläger hat daraufhin auf Unterlassung geklagt. Das Landgericht hat dem Klageantrag stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Der BGH hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen.
Dem Kläger stehe der begehrte Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG zu, weil die angegriffene Äußerung des Beklagten unlauter sei gemäß § 4 Nr. 7 UWG a.F. und § 4 Nr. 1 UWG n.F.
Die beanstandete Äußerung des Beklagten stelle eine geschäftliche Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Von einer geschäftlichen Handlung im Sinne dieses Gesetzes sei auszugehen, wenn die Handlung bei der gebotenen objektiven Betrachtung dem Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen diene, aber nicht vorrangig andere Ziele als der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung von Verbrauchern in Bezug auf Produkte verfolge und sich lediglich reflexartig auf die Absatz- oder Bezugsförderung auswirke. Somit unterfallen dem UWG nicht weltanschauliche, wissenschaftliche, redaktionelle oder verbraucherpolitische Äußerungen von Unternehmen oder anderen Personen, die nicht in funktionalem Zusammenhang mit der Absatz- oder Bezugsförderung stehen.
Da der Beklagte seine Kontakte zu den Medien nutzte, um durch die mediale Berichterstattung potenzielle Mandanten auf seine anwaltlichen Dienstleistungen aufmerksam zu machen, liege bei objektiver Betrachtung der notwendige funktionale Zusammenhang mit der Förderung des Bezugs von Dienstleistungen vor. Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass der beanstandete Zeitungsbeitrag auch der öffentlichen Meinungsbildung über einen Vorgang von allgemeiner Bedeutung dienen könnte. Die Verfolgung weltanschaulicher oder verbraucherpolitischer Zwecke stünde der Einordnung als geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG nur entgegen, sofern das beanstandete Verhalten vorrangig diesem Ziel dient. Die Mitverfolgung solcher ideeller Zwecke hindere die Einordnung als geschäftliche Handlung hingegen nicht, wenn nach den Umständen des Einzelfalls die gleichzeitige Verfolgung des Ziels vorrangig erscheint, den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen zu fördern. Unerheblich sei bloße Namensnennung ohne Kanzleisitz, da mit vielfältigen Möglichkeiten, etwa durch eine Internetrecherche oder die Inanspruchnahme von Auskunftsdiensten, die Adresse herausgefunden werden könne.
Die Parteien seien Mitbewerber i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Mitbewerber sei jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis liege vor, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers den anderen beeinträchtigen könne. Dies sei der Fall bei einem Rechtsanwalt und einem Anwaltsnotar, die beide am selben Ort im selben Rechtsgebiet tätig sind, wenn abträgliche Äußerungen des Rechtsanwalts über die Notartätigkeit sich auch im Bereich der anwaltlichen Tätigkeit nachteilig auswirken können.
Die beanstandete Äußerung des Beklagten sei nicht unlauter wegen geschäftsschädigender unwahrer Tatsachenbehauptung gemäß § 4 Nr. 8 UWG (a.F.). Die beanstandete Äußerung des Beklagten sei nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Werturteil anzusehen. Tatsachen seien Vorgänge oder Zustände, deren Vorliegen dem Wahrheitsbeweis zugänglich ist. Werturteile seien hingegen durch das Element des Wertens, Meinens und Dafürhaltens gekennzeichnet. Die Einstufung einer Äußerung bestimme sich danach, wie der angesprochene Verkehr sie nach Form und Inhalt in ihrem Gesamtzusammenhang versteht. Vermenge eine Äußerung Tatsachen und Meinungen, so komme es für die Anwendung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG darauf an, ob sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werde. Dabei dürfe ein tatsächliches Element nicht aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet oder durch die Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung ihr Sinn verfälscht werden. Nur die ganz überwiegend auf Wertung beruhende subjektive Beurteilung des Äußernden sei zu beanstanden. Als Tatsachenbehauptung sei eine solche Äußerung nur zu qualifizieren, wenn sie nicht als Rechtsmeinung kenntlich gemacht werde, sondern bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorrufe, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sein müsse. Ein tatsächlicher Gehalt trete hinter die Bewertung zurück, wenn er sich als nicht konkretisiert, pauschal und gänzlich substanzarm darstelle.
Hier wurde die angegriffene Äußerung durch die einleitende Formulierung „Ich halte das für“ als wertende Angabe kenntlich gemacht, die einen etwaigen Tatsachenkern überlagere. Der pauschale Vorwurf „organisierter Wirtschaftskriminalität, bei der Anlieger gezielt ruiniert werden“, nenne keine tatsächlichen Umstände, deren Beweis auf einen Vorsatz des Klägers zu einem Betrug zulasten der Anleger schließen ließe, und auch die Bezeichnung als „zielgerichtetes“ Handeln sei eine subjektive Bewertung des Beklagten.
Die beanstandete Äußerung stelle jedoch eine unlautere wettbewerbswidrige Herabsetzung eines Mitbewerbers i.S.d. § 4 Nr. 7 UWG a.F. und § 4 Nr. 1 UWG n.F. dar. § 4 Nr. 7 UWG a.F. und § 4 Nr. 1 UWG n.F. würden nicht durch die vorrangig anzuwendende Bestimmung des § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG ausgeschlossen, da mangels Bezugnahme auf die eigenen Dienstleistungen des Beklagten keine vergleichende Werbung gemäß § 6 Abs. 1 und 2 Nr. 5 UWG vorliege. „Herabsetzung“ sei die sachlich nicht gerechtfertigte Verringerung der Wertschätzung des Mitbewerbers durch ein abträgliches Werturteil oder eine abträgliche wahre oder unwahre Tatsachenbehauptung; „Verunglimpfung“ sei eine gesteigerte Form der Herabsetzung, die darin bestehe, den Mitbewerber ohne sachliche Grundlage verächtlich zu machen. Die Beurteilung der Frage, ob eine Werbeaussage eines Wettbewerbers einen Mitbewerber herabsetzt, erfordere eine Gesamtwürdigung, die die Umstände des Einzelfalls, wie insbesondere den Inhalt und die Form der Äußerung, ihren Anlass, den Zusammenhang, in dem sie erfolgt ist, sowie die Verständnismöglichkeit des angesprochenen Verkehrs berücksichtigt. Für die Bewertung maßgeblich sei daher der Sinngehalt der Äußerung, wie sie vom angesprochenen Verkehr verstanden wird. In die Gesamtwürdigung seien betroffene Grundrechtspositionen einzubeziehen. Die im streitgegenständlichen Zeitungsartikel enthaltene Äußerung „Ich halte das für organisierte Wirtschaftskriminalität, bei der gezielt Anleger ruiniert werden“, stelle eine Meinungsäußerung dar, deren wertender Gehalt ihren Tatsachenkern überlagere. Diese nach dem inhaltlichen Kontext des Zeitungsartikels auch auf den Kläger bezogene Äußerung sei geeignet, das persönliche Ansehen und die berufliche Wertschätzung des Klägers erheblich zu beeinträchtigen. Der gegenüber einem Rechtsanwalt und Notar erhobene Vorwurf kriminellen Handelns wiege besonders schwer, weil die Öffentlichkeit mit seiner in § 1 BRAO festgelegten Stellung als Organ der Rechtspflege und als Träger eines öffentlichen Amtes nach § 1 BNotO besonderes Vertrauen und die Erwartung von Integrität und Rechtstreue verbinde. Werde dem Anwaltsnotar in einer öffentlichen Äußerung im Zusammenhang mit seiner Amtsführung die Beteiligung an organisierter, gezielt Anleger ruinierender Wirtschaftskriminalität vorgeworfen, so sei dies geeignet, das für eine Beauftragung unabdingbare Vertrauen potenzieller Mandanten in eine untadelige Berufsausübung empfindlich zu schädigen.
Der Beklagte werde nicht in seiner Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Diese finde gemäß Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranke in den allgemeinen Gesetzen, wie die Frage der Lauterkeit oder der durch Art. 12 und Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Schutz des geschäftlichen Rufs. Es bedürfe einer Abwägung der widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls. Im Falle von herabsetzenden Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellten, trete die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurück. Von einer Schmähkritik sei nicht auszugehen. Diese liege erst vor, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die persönliche Diffamierung der Person im Vordergrund stehe. Der Beklagte verfolge zwar vorrangig erwerbswirtschaftliche Zwecke, informiere aber zugleich die Öffentlichkeit über die Umstände einer Vielzahl von Immobiliengeschäften zum Nachteil von Verbrauchern. Das damit berührte öffentliche Interesse stehe der Annahme einer Schmähkritik entgegen.
Auch wenn eine Schmähkritik zu verneinen sei, ergebe sich die lauterkeitsrechtliche Unzulässigkeit der Äußerung über den klagenden Mitbewerber aufgrund einer im Rahmen des § 4 Nr. 7 UWG a.F. vorzunehmenden umfassenden Interessenabwägung bei Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls. Die Interessen der Parteien und der Allgemeinheit seien im Licht der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegeneinander abzuwägen. Dabei könne ein beeinträchtigendes Werturteil umso eher zulässig sein, je nützlicher die Information für die Adressaten sei und je sachlicher die Kritik präsentiert werde. Weiterhin von Bedeutung sei das Maß an Herabsetzung, das mit der Äußerung einhergehe oder ob überwiegend Eigeninteressen verfolgt werden. Je mehr das Interesse des sich Äußernden auf politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange der Allgemeinheit gerichtet sei, desto eher sei seine Äußerung in Abwägung mit anderen Belangen gerechtfertigt. An der Erörterung der vom Beklagten thematisierten Vorgänge mag zwar erhebliches öffentliches Interesse bestehen. Für den Vorwurf kriminellen Handelns und einer gezielten Ruinierung von Anlegern fehle auch in Abwägung mit der Meinungsfreiheit wegen Herabwürdigung eines Mitbewerbers mangels Mitteilung tatsächlicher Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten eine sachliche Grundlage. Die Bewertung des Klägers sei grob unsachlich und mangels tatsächlicher Anhaltspunkte für ein kriminelles Verhalten des Klägers nicht geeignet, das im vorliegenden Zusammenhang bestehende öffentliche Informationsinteresse zu befriedigen. Zugleich schädige die Äußerung das geschäftliche Ansehen des Klägers erheblich und beeinträchtige das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb, weil sie die Qualität des Dienstleistungsangebots des Klägers in ungerechtfertigter Weise in Zweifel ziehe. Auch in Ansehung des bestehenden öffentlichen Interesses an der Erörterung der vom Beklagten thematisierten Vorgänge halte sich seine Kritik damit nicht mehr im Rahmen des Erforderlichen oder sachlich Gebotenen, sondern stelle eine von dem Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit nicht mehr gerechtfertigte unlautere Herabsetzung eines Mitbewerbers dar.

C. Kontext der Entscheidung

Der Entscheidung des Senats ist im Ergebnis zuzustimmen. Er hat bestätigt, dass § 4 Nr. 7 UWG a.F. unverändert in die Neufassung des § 4 Nr. 1 UWG übernommen worden ist. Deshalb gelten die von der Rechtsprechung zu § 4 Nr. 7 UWG a.F. entwickelten Grundsätze fort.
Es wäre jedoch zu begrüßen gewesen, wenn der Senat bei seiner Gesamtwürdigung aller Umstände die angegriffene Äußerung nicht erst als unzulässige wettbewerbswidrige Herabsetzung eines Mitbewerbers beurteilt hätte, sondern – in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht – bereits als unlautere Tatsachenbehauptung gemäß § 4 Nr. 8 UWG (a.F.). Der Senat geht zwar davon aus, dass die Äußerung des Klägers grob unsachlich war und eine von dem Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) nicht mehr gerechtfertigte unlautere Herabsetzung eines Mitbewerbers darstellt. Er verkennt jedoch, dass der Beklagte tatsächlich behauptet hat, der Kläger arbeite planmäßig in Absprache mit Dritten, nämlich „organisiert“ unter vorsätzlichem Verstoß gegen Strafgesetze, nämlich § 263 StGB, wobei er gezielt Käufer in den Ruin treibe. Der Schwerpunkt des Vorwurfs liegt damit in der subjektiven Komponente, also dem vorsätzlichen, organisierten und gezielten Handeln. Dies ist auch unter Berücksichtigung der einleitenden Formulierung „Ich halte das für“ keine Meinungsäußerung, sondern die Behauptung einer inneren Tatsache.

D. Auswirkungen für die Praxis

Diese Entscheidung zeigt erneut auf, wie schwierig die Abgrenzung zwischen unzulässiger Tatsachenbehauptung und gestatteter Meinungsäußerung ist. Für denjenigen, der sich gegen eine beanstandete Äußerung zur Wehr setzen will, lassen sich die Erfolgsaussichten seiner Unterlassungsklage in „Grenzfällen“ nie sicher beurteilen. Maßgeblich ist, wie der angesprochene Verkehr die Äußerung nach Form und Inhalt in ihrem Gesamtzusammenhang versteht. Vermengt eine Äußerung Tatsachen und Meinungen, so kommt es für die Rechtfertigung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG darauf an, ob sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt wird. Im Falle einer engen Verknüpfung von Tatsachenbehauptung und Bewertung darf der Grundrechtsschutz nicht dadurch verkürzt werden, dass ein tatsächliches Element aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet oder durch die Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung ihr Sinn verfälscht wird (BVerfG, Beschl. v. 09.10.1991 – 1 BvR 1555/88 – BVerfGE 85, 1, 15 f.; BVerfG, Beschl. v. 01.12.2005 – 1 BvR 2/01 – BVerfGK 7, 1 Rn. 28; BVerfG, Beschl. v. 24.07.2013 – 1 BvR 444/13, 1 BvR 527/13 Rn. 18; BGH, Urt. v. 28.06.1994 – VI ZR 252/93).
Trotz Bindung des Revisionsgerichts an die tatsächlichen Feststellungen des Tatrichters (§ 559 Abs. 2 ZPO) darf der BGH dennoch überprüfen, ob der Tatrichter den Aussagegehalt einer beanstandeten Äußerung zutreffend erfasst und rechtlich einwandfrei zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteilen unterschieden hat.
Der Senat hält an seiner Linie fest, dass der Schutz gegen unlauteren Wettbewerb in § 4 Nr. 7 UWG a.F. (§ 4 Nr. 1 UWG n.F.) nicht dem Schutz der Verbraucher, sondern dem Schutz des Mitbewerbers dient, zugleich aber auch das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb schützt.


Anmerkung: Das durch den Autor Dr. Herbert Geisler, RA am BGH, besprochene Urteil „bedient“ eine Schnittstelle u.a. auch des anwaltlichen Berufsrechts. Wann ist die Grenze zur Schmähkritik eines Berufskollegen überschritten? Interessanterweise und doch nicht überraschend ist auch und gerade der Bereich des Wettbewerbsrechts betroffen. Ebenso wenig überrascht der Umstand, dass Auslöser des Rechtsstreits öffentliche Bekundungen eines im Kapitalanlagerechts tätigen Rechtsanwalt waren. Denn diese überschreiten mit der Art und Weise ihrer auf die Erteilung von Mandatsverhältnissen im Einzelfall gerichtete öffentlichkeitswirksame Heruasstellung eigener vermeintlicher Erfolge oder eben – wie hier – der Herabsetzung anderer in dem Segment tätiger Beteiligter sehr häufig alle Grenzen. Zu diesen sog. Anlegeranwälten hatten wir ja bereits deutliche Ausführungen getätigt.

Vorliegend hat der beklagte Anlegeranwalt dem klagenden Anwaltsnotar die Beteiligung an organisierter, gezielt Anleger ruinierender Wirtschaftskriminalität vorgeworfen, ohne dies auch nur ansatzweise zu unterlegen, das Ganze jedoch als Meinungsäußerung eingekleidet, um Unterlassungsansprüchen wegen falscher Tatsachenbehauptungen zu entgehen. Entweder man gelangt dazu, der Äußerung gleichwohl die Qualifikation als Tatsachenbehauptung zuzugestehen, so das Berufungsgericht und wohl auch Geisler, oder aber man gelangt zur Annahme einer Schmähkritik, also zur Überschreitung einer von der Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckten Meinungsäußerung, die dann in jedem Falle auch wettbewerbswidrig ist, weil die Streitparteien eben im Wettbewerb zueinander stehen und der schmähende Anteil der Äußerung eindeutig im Vordergrund stand. Der BGH hat nun einen dritten Weg gefunden, nämlich durch das vermeintlich berührte öffentliche Interesse sei nicht von der Annahme einer Schmähkritik auszugehen. Andererseits handele es sich auch nicht um eine Tatsachenbehauptung, geht aber dennoch davon aus, dass die Äußerung des Klägers grob unsachlich war und eine von dem Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) nicht mehr gerechtfertigte unlautere Herabsetzung eines Mitbewerbers darstelle, begründet also den Unterlassungsanspruch im Grunde rein wettbewerbsrechtlich. Diese Begründung erachte ich als nicht tragfähig, denn diese berücksichtigt nicht die Vorgehensweise zahlreicher Anlegeranwälte, letztlich Werbung über sog. (selbst ins Leben gerufene) Verbraucherschutzvereine zu betreiben. Ein solcher Verein dürfte – da nicht im Wettbewerb mit dem betroffenen Anwaltsnotar stehend – also die inkriminierte Äußerung ungestraft tätigen? Wohl kaum.

Auch die Aussage des BGH, wonach ein Rechtsanwalt, der seine Kontakte zu Medien nutze, um über eine Berichterstattung zu aktuellen Rechtsstreitigkeiten vorrangig potentielle Mandanten auf seine anwaltlichen Dienstleistungen aufmerksam zu machen, eine geschäftliche Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vornehme, überzeugt in dieser Allgemeinheit in keiner Weise und ist noch von dem längst auch von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überholten Bild des Rechtsanwaltes als umfassenden Werbeverboten unterliegendem Organ der Rechtspflege geprägt und eben nicht von dem Bild des modernen Dienstleisters, der in seinen Werbemaßnahmen ausschließlich noch den sehr hoch liegenden Grenzen der in jederlei Hinsicht unsachlichen Werbung unterliegt. Ist ein (sogar von dem Rechtsanwalt selbst initiiertes) Interview zu aktuellen Rechtsstreitigkeiten per se geschäftliche Handlung? Wohl kaum.

Hier zeigt sich viel eher der Neid (und das Unvermögen) von Berufskollegen, die nicht über Kontakte zu Medien verfügen, um etwa im Rahmen von Interviews oder Beiträgen den Weg in die Öffentlichkeit finden.