Anwaltsgerichtshof Hamm, Urteil vom 07. März 2014 – 2 AGH 20/12 –, juris

Orientierungssatz

1. Wirbt ein Rechtsanwalt für sich mit der Bezeichnung „Spezialist“, muss er in der von ihm beworbenen beruflichen Tätigkeit qualitativ weit über den Mitbewerbern herausragen. Er muss auf seinem speziellen Rechtsgebiet über herausragende Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, welche ein Fachanwalt nicht bieten kann.

2. Das rechtsuchende Publikum kann von einem solchen Anwalt erwarten, dass er als „Spezialist“ derart auf dem entsprechenden Gebiet bewandert ist, dass selbst erfahrene Nicht-Spezialisten damit nicht mithalten können.

3. Betrachtet man den Umfang des gesamten Erbrechts, so erscheint es nahezu ausgeschlossen, dass ein Rechtsanwalt in sämtlichen Bereichen herausragende Kenntnisse aufweisen kann. Die hohen Anforderungen sind angesichts der Fülle der Rechtsgebiete, welche durch eine Fachanwaltschaft abgedeckt werden, aufgrund der erwarteten besonderen überdurchschnittlichen Kenntnisse, aus der Natur der Sache heraus nicht zu erfüllen.


Anmerkung: Das System der Fachanwaltschaften habe ich bereits kritisch beleuchtet. Tatsächlich sind diese in einigen Bereichen auch gerechtfertigt, damit Rechtsuchende anhand einigermaßen objektiver – weil überprüfbarer – Kriterien zwischen solchen Anwälten auswählen können, die sich tatsächlich einer Fachanwaltsausbildung unterzogen und auch die erforderlichen praktischen Nachweise erbracht haben, und solchen, die lediglich von sich behaupten, auf diesem oder jenem Gebiet selbstverständlich über die erforderlichen theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen zu verfügen. Der Bereich des Erbrechts gehört sicher dazu!

Nun gibt es wiederum Anwälte, die sich von der ohnehin sehr überschaubaren Anzahl von Fachanwälten auf dem Gebiet des Erbrechts noch weiter abheben wollen und von sich behaupten, sie seien Spezialisten. Sicherlich ist es möglich, sich auf einen wirklich kleinen Teilbereich des Erbrechts, zum Beispiel den eng umgrenzten und prinzipiell nicht schwierigen Bereich des „Erbschaftssteuerrechts“ zu spezialisieren. Genau diese Bezeichnung hat der Anwaltsgerichtshof Hamm dem klagenden Anwalt auch zuerkannt. Die generelle Behauptung eines Spezialistentums für den gesamten Bereich des Erbrechts wurde dem Anwalt jedoch untersagt – und dies meiner Ansicht nach völlig zu Recht. Selbst erfundene Titel haben mit seriöser Werbung in der Anwaltschaft nichts zu tun – im Übrigen ebenso wenig in der Steuerberaterschaft.