Die nicht enden wollende Flut von Gesetzesänderungen erschwert Steuerberatern zunehmend eine mandantenbezogene Aufklärung. Doch wer haftet für finanzielle Schäden und entgangene Steuervorteile?

Die Beratungspflicht eines Steuerberaters beschränkt sich nicht nur darauf, seinen Mandanten bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten zu helfen. Er hat sie auch vor finanziellem Schaden zu bewahren und ihnen sichere Möglichkeiten zu angestrebten Steueroptimierungen aufzuzeigen.

Im Rahmen eines Dauermandats muss er seine Auftraggeber bei Ungereimtheiten darüber hinaus auf nachteilige steuerliche Konsequenzen hinweisen und sogar bei geschäftserfahrenen Unternehmern ungefragt über aktuelle oder anstehende Änderungen der Steuergesetzgebung informieren.

Damit nicht genug ist der Steuerberater nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) verpflichtet, selbst auf außerhalb seines Beratungsauftrags liegende Risiken hinzuweisen, wenn er mit der Sach- und Rechtslage vertraut ist oder die drohenden Steuernachteile für einen durchschnittlichen Steuerberater auf den ersten Blick erkennbar sind.

Kommt der Berater seinen Verpflichtungen schuldhaft nicht nach, macht er sich seinem Mandanten gegenüber regelmäßig schadenersatzpflichtig – immerhin müssen Sie sich das Verschulden Ihres Beraters voll zurechnen lassen. So entzündet sich Streit häufig am nachträglichen Bekanntwerden steuermindernder Tatsachen wie beispielsweise angefallener Krankheitskosten, weil die rückwirkende Änderung längst ergangener Steuerbescheide bei den Finanzämtern wegen groben Verschuldens regelmäßig auf strikte Ablehnung stößt.

Finanzielles Druckmittel

Weitere Regressanforderungen könnte schon bald auch das neu geschaffene Verzögerungsgeld auslösen, mit dem die Finanzbehörden unter anderem eine unvollständige Bereitstellung steuerlich relevanter Unterlagen und Datenbestände im Prüfungsfall sanktionieren dürfen.

Weil prüfungsrelevante Datenbestände allzu oft nicht vollumfänglich aufbewahrt werden, könnte sich eine von der Bundessteuerberaterkammer formulierte Aufgabenzuweisung jetzt als Danaergeschenk erweisen.

Bereits unmittelbar nach Inkrafttreten des Datenzugriffsrechts der Finanzbehörden hatte die berufsständische Organisation die Qualifizierung steuerlich relevanter Daten den Angehörigen der steuerberatenden Berufe als Vorbehaltsaufgabe im Sinne des Steuerberatungsgesetzes (§ 33 StBerG) zugewiesen.

Infolge dessen hat der Steuerberater bei der Vorbereitung auf digitale Außenprüfungen die Aufgabe, steuerrelevante Daten möglichst vollständig zu identifizieren und seine Mandanten auf die geltenden Aufbewahrungspflichten der Datenbestände hinzuweisen – obwohl ihm die Vielfalt der betrieblich eingesetzten Datenverarbeitungssysteme im Regelfall unbekannt sein dürfte.

Selbstredend kann der Steuerberater die ihm auferlegten Pflichten nur bei zeitnaher Kenntnisnahme der aktuellen Gesetzgebung und höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung erfüllen.

In diesem Zusammenhang fordert der BGH, dass Hinweise, Belehrungen und Empfehlungen sich auch dann an der Rechtsprechung auszurichten haben, wenn der Berater diese selbst für unzutreffend oder gar verfassungswidrig hält. Für die Kenntnisnahme der Urteile haben die Richter eine Karenzzeit von üblicherweise vier bis sechs Wochen nach Veröffentlichung eingeräumt.

Diese Frist beginnt bereits dann zu laufen, wenn Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) in mehreren gängigen Fachzeitschriften oder Entscheidungssammlungen veröffentlicht sind und damit als in Fachkreisen allgemein bekannt gelten. Unmaßgeblich bleibt freilich, wann die betreffende Entscheidung in einer vom jeweiligen Steuerberater bezogenen Fachzeitschrift behandelt wird.

Zeitnahe Information

Innerhalb der Karenzfrist verneint der BGH dagegen regelmäßig ein Verschulden des Steuerberaters, da wegen des laufenden Tagesgeschäfts und der Flut steuerrechtlicher Entscheidungen eine sofortige Kenntnisnahme der neuen Rechtslage samt praktischer Umsetzung schier unmöglich sein dürfte. Doch auch hier keine Regel ohne Ausnahme: Sofern zur ordnungsgemäßen Erledigung eines spezifischen Mandats der Erwerb weiterer Rechtskenntnisse erforderlich wird, muss sich der Steuerberater zeitnah auch innerhalb der vier- bis sechswöchigen Karenzzeit über die aktuell gültige Rechtsprechung des BFH informieren. Diese Aufgabe hat der Berater vor allem dann wahrzunehmen, wenn nach Erlass eines Steuer- oder Einspruchsbescheids der Ablauf der einmonatigen Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelfrist droht.

(Quelle: Handelsblatt vom 24.08.2010 – Autor: Bernhard Lindgens)