Nachfolgend ein Beitrag von Chab, AnwBl 2013, 822-824

Das neue Verjährungsrecht beim Anwaltsregress kommt in der Praxis an

Wann liegt für den Verjährungsbeginn hinreichende Kenntnis vor?
Bertin Chab, München
Der Autor ist Rechtsanwalt und bei der Allianz Versicherung München tätig. Der Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.

Knapp neun Jahre nach Wegfall des § 51 b BRAO hat auch die obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung vermehrt über die Verjährung von Regressansprüchen nach den §§ 195, 199 BGB zu entscheiden. Voraussetzung für den Beginn der Verjährung nach neuem Recht ist nicht mehr allein die Entstehung des Anspruchs. Der Gläubiger muss außerdem „von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt“ haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Dieses subjektive Moment wird zukünftig für die Regressverjährung entscheidende Bedeutung haben. Bei der Anspruchsentstehung können die Gerichte auf eine jahrzehntelang gefestigte und für viele Einzelfälle geklärte Rechtsprechung zurückgreifen (siehe zuletzt BGH v. 26. Januar 2012 – IX ZR 69/11 mit Anmerkung Chab, BRAK-Mitt 2012, 122). Was aber muss der Gläubiger nun wissen, damit die Verjährungsfrist zu laufen beginnt?

I. Rückgriff auf § 852 Abs. 1 BGB a. F.

Auch das frühere Recht kannte einen kenntnisabhängigen Verjährungsbeginn, nämlich für Schadenersatzansprüche aus Delikt gemäß § 852 BGB a. F. Dort war allein die positive Kenntnis des Gläubigers normiert. Der BGH setzte dem die Fälle gleich, in denen der Geschädigte die notwendige Kenntnis zwar tatsächlich nicht besaß, aber sie sich in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe hätte beschaffen können. Der Verletzte dürfe es nicht in der Hand haben, einseitig den Verjährungsbeginn hinauszuschieben, indem er die Augen vor einer sich ihm aufdrängenden Kenntnis verschließt (BGH, NJW 1985, 2022). § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB knüpft an diese Rechtsprechung an und führt die grob fahrlässige Unkenntnis schon im Gesetz mit auf (BT-Drucksache 14/6040 v. 14. Mai 2001, S. 108).

Die Rechtsprechung zu § 852 Abs. 1 BGB a. F. ging von hinreichender Kenntnis des Geschädigten aus, wenn dieser aufgrund ihm bekannter Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Leistungs- oder wenigsten eine Feststellungsklage schlüssig begründen konnte. Das Gesetz spricht von Kenntnis der „Umstände“. Daraus wird geschlossen, dass es ausreicht, wenn der Betreffende die dem Anspruch zugrundeliegenden Tatsachen kennt. Auch die Person des Schädigers und dessen Adresse müssen dem Gläubiger bekannt sein. Ob er diese bekannten Umstände rechtlich richtig würdigt, ist normalerweise ohne Belang (zum Beispiel BGH, NJW 2008, 1729). Eine Ausnahme von dieser Regel soll dann gelten, wenn die Rechtslage für den Anspruchsgläubiger unübersichtlich oder zweifelhaft ist und selbst von einem rechtskundigen Dritten nicht zuverlässig eingeschätzt werden kann (BGH, NJW 2009, 984). Bitter/Alles (Verjährung bei unklarer Rechtslage, NJW 2011, 2081, 2083) zeigen auf, dass der BGH diese Ausnahme – wenn auch nicht ausdrücklich – bisher auf den Sonderfall der Amts- und Notarhaftung beschränkte. Sie führen das darauf zurück, dass diese Ansprüche nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB bzw. § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO subsidiär sind, also nur dann durchsetzbar, wenn nicht auf andere Weise Ersatz erlangt werden kann. Die unklaren rechtlichen Fragen würden hier aus einem anderen Rechtsverhältnis stammen und ihrerseits die Voraussetzung für die Anspruchsbegründung im Verhältnis zur Amtsperson darstellen. Hieraus ergebe sich die spezifische Besonderheit, die ausnahmsweise auch die Kenntnis der rechtlichen Zusammenhänge voraussetze, um die Verjährung anlaufen zu lassen. Darauf wird noch zurückzukommen sein.

II. Bisherige Rechtsprechung zur Kenntnis in Anwaltshaftungsfällen

OLG Stuttgart, Urteil vom 13. April 2010 (Az. 12 U 189/09), NJW-RR 2010, 1645: Die Klägerin verfolgte ursprünglich Schadenersatzansprüche wegen der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds. Sie ließ sich im Herbst 2004 durch einen Anwalt beraten. Dieser empfahl, gegen die finanzierende Bank noch rechtzeitig vor dem 31. Dezember 2004 Klage zu erheben. Der Prozess war allerdings nicht erfolgreich; die Chancen eines Verfahrens gegen den Anlageberater wären höher einzuschätzen gewesen. Diese Ansprüche konnten aber dann wegen Verjährung nicht mehr durchgesetzt werden, so dass es zum Anwaltsregress und zur entsprechenden Klage Ende 2008 kam. Das OLG Stuttgart war der Auffassung, dass der Schaden noch im Jahr 2004 entstanden sei, weil die Verjährung mit Ablauf dieses Jahres eintrat. Dann wäre die Verjährung von Regressansprüchen Ende 2007 eingetreten, wenn die relevante Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bei Verjährungsbeginn am 1. Januar 2005 schon vorhanden war. Davon ging der Senat aus und kam so zur Klageabweisung. Unstreitig sei der Klägerin schon vor dem 31. Dezember 2004 bekannt gewesen, dass ihre Schadenersatzansprüche mit Ablauf des Jahres 2004 verjährten. Auch war ihr bekannt, wie sie beraten worden ist. Bei Schadenersatzansprüchen sei Voraussetzung für den Verjährungsbeginn die Kenntnis von der Pflichtverletzung, vom Eintritt des Schadens sowie die Kenntnis von der eigenen Schadenbetroffenheit. Das Wissen darum, dass die Beratung nicht korrekt war, weil es leichter gewesen wäre, den Anlageberater in Anspruch zu nehmen, sei unerheblich, weil es sich dabei um eine rechtliche Würdigung handele, die für die Kenntnis der Umstände außer Betracht bleiben müsse. Der BGH (NJW-RR 2012, 673) hob dieses Urteil auf, weil das OLG schon die Frage der Schadenentstehung falsch beurteilt hatte. Richtig wäre es gewesen, hier vom 1. Januar 2005, nicht vom 31. Dezember 2004 auszugehen Die Frage der Kenntnis war daher nicht mehr entscheidungserheblich und wurde auch vom BGH nicht weiter beantwortet.

OLG Hamm, Urteil vom 24. April 2012 (Az. I-28 U 152/11), BRAK-Mitt 2012, 210: Die beklagte Kanzlei hatte die Kläger zunächst im Zusammenhang mit der Vertragsgestaltung über eine Zufahrt zu einem Grundstück beraten. Als die Kläger zu einem späteren Zeitpunkt bestimmte Positionen aus dem Vertrag gerichtlich durchsetzen wollten, wandte der Gegner mit Erfolg ein, dass der Vertrag wegen Ausnutzung einer Drucksituation nichtig sei. Auch in diesem Verfahren wurden sie von den Beklagten vertreten. Der Vorwurf im anschließend angestrengten Haftpflichtprozess ging zum einen dahin, dass schon bei der ursprünglichen Vertragsgestaltung mit mehr Augenmaß eine rechtlich haltbare Regelung hätte erreicht werden können. Jedenfalls aber hätten die beklagten Anwälte nicht noch eine Klageerweiterung auf Basis des Vertrages einreichen dürfen. Damit seien unnötige Kosten verursacht worden. Der Senat wies Ansprüche wegen der ersten Pflichtverletzung schon wegen Verjährung nach altem Recht ab. Wegen der unnötigen Kosten aufgrund der Klageerweiterung fand § 199 BGB Anwendung. Der Kostenschaden war mit Einreichen des entsprechenden Schriftsatzes bei Gericht entstanden. Gleichzeitig sei auch die relevante Kenntnis auf Klägerseite vorhanden gewesen, da man über den Inhalt der anwaltlichen Beratung Bescheid wusste, bei der die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung unerörtert geblieben sei. Unerheblich sei es, dass der Klägerin nicht klar gewesen sein mag, dass aus diesen Tatsachen ein Schadenersatzanspruch gegen die Beklagten resultiere. Es habe sich hier nicht um eine komplizierte und zweifelhafte Rechtslage gehandelt; § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB verlange nur Kenntnis der relevanten Umstände, nicht Kenntnis des Anspruchs selbst und setze auch keine Parallelwertung in der Laiensphäre voraus.

LG Koblenz, Urteil vom 8. August 2012 (Az. 15 O 510/11 – n.v.): Der Kläger war im Jahr 2001 angefahren worden, als er einen Transportvorgang am Fahrbahnrand kontrollierte. Wegen seiner unfallbedingten Verletzungen ließ er zunächst Klage vor dem Sozialgericht gegen die Berufsgenossenschaft erheben. Diese Klage wurde mit Urteil vom 8.3.2006 abgewiesen, die dagegen eingelegte Berufung am 4.3.2008 zurückgenommen. Parallel hierzu machten die beklagten Anwälte für den Kläger auch Ansprüche gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer geltend. Auch dieser wies schon 2002 jegliche Ansprüche zurück und erhob mit Schreiben vom 23.3.2006 die Einrede der Verjährung. Da im Frühjahr 2006 noch das sozialgerichtliche Verfahren anhängig war, stand seinerzeit für den Kläger noch nicht sicher fest, ob und ggf. in welchem Umfang er mit seinen Schadenersatzansprüchen gegen die Berufsgenossenschaft durchdringen würde. Darauf kam es aber dem LG im Regressverfahren nicht an. Ausreichende Kenntnis über die Verjährung seiner Ansprüche gegen die Kfz-Haftpflicht-Versicherung habe er durch das zweite Ablehnungsschreiben im Jahr 2006 gehabt. Damit waren die erst Ende 2011 eingeklagten Schadenersatzansprüche gegen die Anwälte verjährt.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 28. Februar 2012 (Az. I-24 U 77/11): Der verklagte Anwalt hatte die Verjährung mehrerer Forderungen der Mandantin zu verantworten, weil Mahnbescheide nicht ausreichend individualisiert waren. Der Senat wies die Regressklage wiederum wegen Verjährung ab. Die Kenntnis, die die Verjährung nach § 199 BGB in Lauf gesetzt habe, sei bereits vorhanden gewesen als der Gegner die Einrede der Verjährung erhob. Als Unternehmerin habe der Mandantin klar sein müssen, was dies bedeute und dass die Verjährung zum Verlust des Anspruchs führen kann. Selbst wenn man von einer unübersichtlichen und verwickelten Rechtslage ausgehe und der Mandantin aufgrund der Ausnahme, die die Rechtsprechung hier mache, ein weiteres Zuwarten bis zur Klärung konzediere, müsse man spätestens mit dem seinerzeitigen amtsgerichtlichen Urteil von dieser Klärung und damit von hinreichender Kenntnis ausgehen.

III Folgerungen

1. Abhängigkeit des Regresses von einem anderen Rechtsverhältnis

Der Wegfall etlicher spezieller Verjährungsvorschriften macht es erforderlich, mit der Beraterhaftung im weiteren Sinne eine neue Fallgruppe in die bestehende Rechtsprechung zur Kenntniserlangung im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu integrieren. Solche Haftungsansprüche sind für die Geschädigten in aller Regel nicht offenkundig. Bei Primärforderungen aus einem Kauf- oder Mietvertrag kennt man den Anspruch und den Anspruchsgegner meistens mit seiner Entstehung. Bei deliktischen Ansprüchen wegen Sach- und Personenschäden mag man nicht immer gleich den Anspruchsgegner mit Adresse kennen, aber im Normalfall kennt man die Umstände, also den Vorfall, der den Anspruch begründet. Bei der Beraterhaftung geht es im Schwerpunkt um die Schädigung des Vermögens. Pflichtverletzung und Schaden sind überhaupt nur im juristischen und wirtschaftlichen Kontext zu erfassen. Gerade in der Anwaltshaftung hängt der Regressanspruch üblicherweise davon ab, wie das Rechtsverhältnis des Geschädigten zu einem Dritten zu beurteilen ist. Zwar besteht – anders als bei der Amts- und Notarhaftung – keine gesetzliche Subsidiarität, die den Anspruchsteller zunächst auch dann an Dritte verweist, wenn alle sonstigen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Dennoch hängt der Anspruch selbst regelmäßig davon ab, wie ein Rechtsverhältnis zu einem Dritten gestaltet wurde oder zu beurteilen ist, z. B. ob ein Anspruch verjährt ist, ob eine Abgeltungsklausel „hält“ oder ob ein Vertrag in der einen oder anderen Version zustande gekommen ist oder nicht. Wenn Bitter/Alles (aaO) also hierin den Grund dafür ausmachen, dass die Fälle „unklarer Rechtslage“ bislang auf die Amts- und Notarhaftung beschränkt waren, dann gilt das nun mit gleichem Argument auch für die Haftung der Rechtsanwälte. Der geschädigte Mandant wird sich auch hier häufig mit Erfolg darauf berufen können, keine ausreichende Kenntnis vom Anspruch zu haben, solange nicht das „Vorverhältnis“ ausreichend geklärt ist, so dass der Beginn der Verjährungsfrist hinausgezögert wird.

2. Kenntnis von der Beratungssituation

Ein typischer Anwendungsfall hierfür könnte die Verjährung eines Anspruchs sein, dessen Sicherung gerade Aufgabe des Anwalts war. Der Schaden tritt unwiederbringlich mit Verjährungseintritt ein. Aber wann hat der Mandant genügend Kenntnisse von den den Anspruch begründenden Umständen? Auf keinen Fall kann die Kenntnis von der Beratungssituation selbst ausreichen, wenn eine fehlerhafte Beratung über Verjährungsfragen und falsche Empfehlungen zum weiteren Vorgehen zum Eintritt der Verjährung geführt haben. Schon rein logisch ist es schwer zu begründen, dass jemand Kenntnis von Umständen haben kann, bevor sich der Schaden und damit der Anspruch überhaupt verwirklicht hat. Wer weiß, dass ihn sein Anwalt falsch beraten hat, aber noch gegensteuern und den Schaden damit verhindern kann, mag Kenntnis von einer – dann folgenlosen – Pflichtverletzung haben, nicht aber von den Umständen, die seinen Anspruch begründen, denn dazu würde auch die Kenntnis vom Schaden selbst, von der eigenen „Schadenbetroffenheit“, gehören. Die Kenntnis der Beratungssituation selbst ist auch deshalb nicht ausreichend, weil der Geschädigte bis dahin lediglich weiß, dass die Primärleistung erbracht ist. Beim Beraterregress geht es aber um Schadenersatzansprüche, die auf Mängel der Beratung gestützt werden. Also müssen dem Geschädigten auch die Mängel bekannt sein. Dabei muss er nicht in allen juristischen Einzelheiten erklären können, wieso es sich um eine Fehlberatung handelt. Er muss insbesondere nicht um die Kausalität bestimmter Schadenpositionen wissen. Das bliebe der rechtlichen Würdigung vorbehalten, die für die Kenntnis unerheblich ist. Er muss aber für sich erkennen, dass „etwas falsch gelaufen“ ist und Schadenersatzansprüche gegen den Berater auf der Hand liegen (insoweit anders als OLG Stuttgart NJW-RR 2010, 1645 das OLG Bremen, Beschl. v. 17. Otober 2012, MDR 2012, 1439).

Der geschädigte Mandant benötigt also Anhaltspunkte außerhalb der eigentlichen Beratung, die ihn zumindest zu der Annahme führen können, dass diese Beratung fehlerhaft war. Welcher Art müssen diese Anhaltspunkte sein? – Auch wenn letztlich eine Einzelfallbetrachtung notwendig ist, lassen sich typische Fallkonstellationen herausarbeiten, die immer wieder vorkommen.

3. Reichen Einwendungen des Gegners für die Kenntnis aus?

Bleiben wir beim Beispiel, dass ein Anwalt mit einer Klage für den Mandanten zu lange gewartet hat, so dass sich der Gegner auf den Eintritt der Verjährung beruft.

Ist die Verjährungsfrage auch für den Anwalt so eindeutig, dass dieser gerade wegen der Verjährung dem Mandanten abrät, die Ansprüche weiter zu verfolgen, wird man beim Mandanten ausreichende Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vom Regressanspruch unterstellen dürfen. So lag in etwa der Fall des OLG Koblenz, allerdings mit der Besonderheit, dass die Ansprüche noch gegen einen anderen Gegner und vor dem Sozialgericht anhängig waren, wo aber andere rechtliche Voraussetzungen eine Rolle spielen. Dem Mandanten stand zumindest vor Augen, dass jedenfalls gegen den Haftpflichtversicherer keine Ansprüche mehr durchsetzbar sind, es sei denn, dessen Einrede ist unbegründet. Der Mandant kann aber die Begründetheit der gegnerischen Argumentation kaum selbst beurteilen und ist hier auf das Urteil seines juristischen Beraters angewiesen. Solange daher der Mandant seinem Anwalt vertraut und mangels anderweitiger Anhaltspunkte auch vertrauen darf, kommt es für die Kenntnisse des Mandanten vom eigenen Schadenersatzanspruch maßgeblich auf dessen Empfehlungen an.

4. Welche Rolle spielt ein Urteil?

Ob der Mandant erst durch ein Urteil ausreichende Kenntnisse erlangt, um vom Verjährungsbeginn auszugehen, konnte das OLG Düsseldorf (oben II. 5.) noch offen lassen. Jedenfalls mit Lektüre des erstinstanzlichen Urteils habe der Mandant aber ausreichend Kenntnisse, um von einem eigenen Schaden und einem entsprechenden Regressanspruch auszugehen.

Sofern der Mandant nicht eindeutig anders beraten ist, bleibt die Rechtslage während des Prozesses für ihn unklar. Er hofft mit seinem Anwalt darauf, dass die Argumentation der Gegenseite beim Richter kein Gehör findet und hat dafür möglicherweise auch gute Gründe. Etwaige Schadenersatzansprüche gegen den eigenen Anwalt hängen davon ab, wie das Gericht entscheiden wird. Ebenso wie bei subsidiären Amts- oder Notarhaftungsfällen kommt es hier auf ein anderes, vorgreifliches Rechtsverhältnis an, so dass man ohne Weiteres die Rechtsprechung zum Sonderfall der „unübersichtlichen und zweifelhaften Rechtslage“ auf diese Fälle des Anwaltsregresses übertragen kann.

Umgekehrt wird aber die erstinstanzliche Entscheidung regelmäßig die Kenntnis des Mandanten vermitteln, wenn und soweit sich aus ihr Anhaltspunkte für einen Regressanspruch ergeben. Die Begründung dafür liegt nicht etwa darin, dass ein Richter die besseren juristischen oder tatsächlichen Erkenntnismöglichkeiten als der beratende Anwalt hätte. Das Urteil mag sogar falsch sein und in nächster Instanz aufgehoben werden. Dennoch stellt es für den Mandanten eine wichtige Zäsur dar. Zum einen ist aus dem Streit um die Verjährungsfrage, aus dem „Kampf ums Recht“, eine staatliche Entscheidung geworden, die grundsätzlich zu respektieren ist. Eine Anfechtung durch Rechtsmittel ist oft nur noch eingeschränkt möglich und erfordert eine neue eigenständige Entscheidung des Mandanten. Zum anderen ist das Mandat mit Abschluss der Instanz beendet. Der Mandant hat es also nun auch wesentlich leichter, den Prozess mit neuen Bevollmächtigten fortzusetzen und seine Rechte zum Beispiel durch eine Streitverkündung zu wahren. Das ist ihm zumutbar.

Der hier beispielhaft beschriebene Fall lässt sich auf viele Haftungsfälle von Rechtsanwälten übertragen. Beratungsfehler, ungünstige Verträge, prozessuale Unzulänglichkeiten wie unsubstantiierter oder verspäteter Vortrag, all diese denkbaren Pflichtverletzungen sind letztlich nur in Zusammenhang mit einem Rechtsverhältnis zu einem Dritten denkbar. Von der Gestaltung und der Entscheidung über dieses Rechtsverhältnis hängt der Regress gegen den Berater ab. Allgemein lässt sich also formulieren, dass die die Regressverjährungsfrist auslösende Kenntnis des Mandanten von der Pflichtverletzung und vom Schaden in der Regel erst dann vorliegt, wenn sich dies aus einem Urteil oder einer sonstigen Entscheidung ergibt, die das Rechtsverhältnis zum eigentlichen Gegner zumindest vorläufig klärt. Bis dahin wird man dem Mandanten zugute halten müssen, dass zumindest aus seiner Sicht eine unklare und verwickelte rechtliche Situation besteht, die gegen diese Kenntnis spricht. Damit wäre eine Typisierung erreicht, die auf die Darlegungslast im Haftpflichtprozess Einfluss haben könnte. Der Mandant hätte dementsprechend zu begründen, warum er seine Kenntnisse im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ausnahmsweise nicht durch die Lektüre des erstinstanzlichen Urteils erlangte; der in Anspruch genommene Rechtsanwalt müsste darlegen, warum die Kenntnis schon früher vorlag und daher die Verjährungsfrist auch schon früher zu laufen begann.