1. Ein selbstständig tätiger Schuldner ist in der Wohlverhaltensperiode verpflichtet, auf Antrag des Treuhänders Auskunft über seine Erwerbstätigkeit zu erteilen.
2. Bei einem Verstoß kommt eine Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO in Betracht.
3. Für die Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung genügt es, dass die vom selbstständig tätigen Schuldner erzielten Einnahmen bei unterstellter abhängiger Tätigkeit einen pfändbaren Anteil ergeben hätten. Im Rahmen des (entsprechend anwendbaren) § 296 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz InsO ist es Aufgabe des Schuldners, weitere abzusetzende (z.B. betriebliche) Ausgaben darzulegen.
A. Problemstellung
- Einer der klassischen Fälle eines Antrages auf Versagung der Restschuldbefreiung ist durch das Verschweigen von Einkünften insbesondere bei selbstständigen Schuldnern geprägt. Es ist daran zu erinnern, dass der Selbstständige allerdings nicht grundsätzlich seine sämtlichen pfändbaren Einkünfte an den Treuhänder abzuführen hat, sondern nur einen fiktiven Betrag, der dem entspricht, den er dem Treuhänder überlassen müsste, würde er denn entsprechend seinen persönlichen und fachlichen Qualifikationen als Arbeitnehmer beschäftigt werden (§ 295 Abs. 2 InsO). Vorausgesetzt wird dabei, dass der Schuldner am Arbeitsmarkt eine Chance hat. Ob dies im Einzelfall zu bejahen ist, obliegt letzten Endes der Prüfung durch die Tatsacheninstanzen in der Restschuldbefreiung. Die tatsächlich höheren Einkünfte des Selbstständigen (nach Abzug der Kosten und Steuern) spielen im Grunde keine Rolle, ihr Verschweigen vermag generell die Restschuldbefreiung nicht zu gefährden, wenn der Schuldner am Arbeitsmarkt nicht nachgefragt wird. Dies, obwohl den Schuldner eine Erwerbsobliegenheit trifft (§§ 287b, 290 Abs. 1 Nr. 7, 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO) und der Maßstab streng ist (vgl. LG Essen, Beschl. v. 24.09.2013 – 7 T 71/13, dazu Cranshaw, jurisPR-InsR 9/2014 Anm. 4); zudem hat der Schuldner den Nachweis zu führen, sich um eine angemessene Tätigkeit bemüht zu haben, u.a. muss er sich bei der Bundesagentur für Arbeit als arbeitssuchend melden und fortlaufend mit den dortigen Mitarbeitern kooperieren (BGH, Beschl. v. 19.05.2011 – IX ZB 224/09 – ZInsO 2011, 1301).All diese Punkte berührt der Sachverhalt, der der Besprechungsentscheidung des AG Göttingen zugrunde lag. Der Schwerpunkt dieser Entscheidung liegt dennoch vielleicht weniger in den rechtlichen Details der hier einmal ausgesprochenen Versagung der Restschuldbefreiung, sondern in der besonderen sozialen Lage des Schuldners, die hier geschildert ist und Beispiel für nicht wenige Insolvenzfälle von natürlichen Personen sein mag, auch derjenigen, die sich als „Selbstständige“ über Wasser zu halten versuchen.
- B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
- I. Über das Vermögen des Schuldners, der eine selbstständige Tätigkeit als Landwirt und als Schrotthändler bis Januar 2011 ausgeübt hatte, wurde am 14.03.2012 unter Bewilligung der Stundung (§ 4a InsO) das Insolvenzverfahren eröffnet. Zu jenem Zeitpunkt lebte er bereits von Arbeitslosengeld II. Anlässlich der Verfahrenseröffnung wurde der Schuldner u.a. darüber belehrt, er habe über seine Erwerbstätigkeit sowohl dem Gericht als auch dem Treuhänder auf Anforderung die entsprechenden Auskünfte zu geben. Mit Beschluss vom 10.01.2013 erhielt der Schuldner nach dem damals noch geltendem Recht die Ankündigung der Restschuldbefreiung (§ 291 InsO a.F., aufgehoben zum 01.07.2014), das Insolvenzverfahren wurde aufgehoben.Ein Jahr später, im Januar 2014, berichtete der Treuhänder, die Einkünfte des Schuldners seien ihm nicht bekannt, da dieser keine Nachweise vorgelegt habe, obwohl er dazu aufgefordert worden sei. Am 03.02.2014 hob das Insolvenzgericht die Stundung auf. Daran schlossen sich Versagungsanträge des Treuhänders gemäß § 298 InsO an, die sich allerdings durch eine Zahlung des Schuldners von 119 Euro im April 2014 durch Antragsrücknahme und in einem weiteren Fall nach Versagung der Restschuldbefreiung durch einen Aufhebungsbeschluss des LG Göttingen auf Beschwerde des Schuldners hin im Februar 2015 erledigten.Monate später, im Juli 2015, wurde dem Treuhänder bekannt, der Schuldner habe nach Eröffnung sowie nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt. Diese Information entnahm der Treuhänder einem Bericht des Hauptzollamts Braunschweig. Daraufhin ordnete das Insolvenzgericht auf Antrag des Treuhänders die Nachtragsverteilung an, bezogen auf pfändbare Einkünfte des Schuldners während der Dauer des Insolvenzverfahrens; gleichzeitig wurden die Fortgeltung des Insolvenzbeschlags und die Fortdauer des Amtes des Insolvenzverwalters angeordnet. Der Schuldner wurde dazu angehört. Er gab zu, er habe in dem Zeitraum Juli 2013 bis November 2014 Einkünfte aus einem Schrotthandel in Höhe von ca. 58.000 Euro erzielt. Das Geld habe er vollständig für den Lebensunterhalt verbraucht. Sozialleistungen habe er seit Mitte 2013 nicht mehr erhalten.Daraufhin hat eine Insolvenzgläubigerin den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gestellt; der Schuldner wurde auch dazu angehört. Nach den Berechnungen des Gerichts beliefen sich die Einkünfte des Schuldners in dem fraglichen Zeitraum im Durchschnitt auf ca. 3.400 Euro monatlich. Über „aktuelle“ Unterhaltsverpflichtungen sei nichts bekannt. Allerdings ergab sich aus dem Insolvenzantrag, dass der Schuldner vier Kinder hatte, die in dem Zeitraum 2001 bis 2009 geboren wurden. Ein Kind erhalte „Naturalunterhalt“, eines befindet sich bei der „Kindesmutter“, und die „restlichen beiden“ lebten in Pflegefamilien. Das Gericht unterstellte daher, der Schuldner leiste keinen Unterhalt. Festzuhalten ist dabei, dass Unterhaltsverpflichtungen nach der Insolvenzordnung im Einklang mit den Pfändungsschutzvorschriften der ZPO (vgl. § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, §§ 850c Abs. 1 Satz 2, 850i ZPO) nur dann zu berücksichtigen sind, wenn tatsächlich gesetzlicher Unterhalt gezahlt wird bzw. vertraglicher Unterhalt im Rahmen der gesetzlichen Verpflichtungen.Der wiedergegebene Sachverhalt zeigt, dass der Schuldner in offensichtlich zerrütteten sozialen Verhältnissen lebte, die ihm weder ein kontinuierliches Einkommen ermöglichten noch die Leistung von Kindesunterhalt. Die Entscheidung lässt übrigens nicht erkennen, ob die zugrunde gelegten Einkünfte Brutto- oder Nettobeträge waren (nach Abzug der Kosten einschließlich sämtlicher Steuern), ob der Schuldner Beträge zur sozialen Sicherung abgeführt hat o.ä. Möglicherweise wurde hierzu nicht vorgetragen, oder der Schuldner vermochte nichts dazu zu sagen.II. Das AG Göttingen hat die Auffassung vertreten, der Gläubiger habe zu Recht seinen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gestellt und ihn auch ordnungsgemäß glaubhaft gemacht. Der Schuldner habe gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO Auskunft über seine Erwerbstätigkeit zu geben, eine Pflicht, die auch den selbstständigen Schuldner treffe. Die fehlende Beantwortung der Anfragen des Treuhänders zu seinem Einkommen sei daher eine Pflichtverletzung im Sinn dieser Norm. Beim Selbstständigen sei freilich ein Problem, wie denn die Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung gemäß § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO festgestellt werden könne. Während bei den abhängig Beschäftigten der pfändbare Anteil seiner Einkünfte maßgeblich ist, seien vorliegend die gesamten Einnahmen des Schuldners Massebestandteil gewesen, da er keinen Antrag gemäß § 850i ZPO gestellt habe. Beim selbstständigen Schuldner sei ein fiktives Einkommen aus abhängiger Tätigkeit festzustellen und danach gegen die Einkünfte abzugleichen. Das Prozedere, das bei § 295 Abs. 2 InsO anzuwenden sei, sei aber bei einem Antrag nach § 295 Abs. 1 InsO nicht heranzuziehen.Das AG Göttingen meint aber in einem ersten Schritt dennoch wie im Fall des § 295 Abs. 1 InsO vorgehen zu können und nach einem pfändbaren Betrag zu fragen. Das sei zunächst hinreichend, mehr könne von dem antragstellenden Gläubiger nicht gefordert werden. Der Schuldner könne dann in einem weiteren Schritt vortragen, er habe betriebsbedingt einen höheren Aufwand als ein abhängig beschäftigter Insolvenzschuldner. Diese Tatsachen müsse er analog § 296 Abs. 1 Satz 1 HS. 2 InsO darlegen. Vorliegend sei eine Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger zu bejahen. Dies leitet das Insolvenzgericht aus den angenommenen durchschnittlichen Einnahmen (vgl. oben) und der Folgerung ab, der Schuldner habe keinen Unterhalt an seine Kinder geleistet. Der Schuldner habe auch kein fehlendes Verschulden dargelegt. Rechtspolitisch meint das AG Göttingen am Ende der Entscheidung, der hier relevante Sachverhalt zeige, dass die Versagungsgründe zu vereinheitlichen seien, ohne Rücksicht auf den jeweiligen zeitlichen Verfahrensabschnitt.
- C. Kontext der Entscheidung
- I. Der Entscheidung des Amtsgerichts ist im Ergebnis zuzustimmen. In den Fällen der Pflichtverletzungen gemäß § 295 Abs. 1 InsO kann die nach § 296 Abs. 1 InsO notwendige Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger (die kausal auf die Obliegenheitsverletzung zurückzuführen sein muss) beim selbstständigen Schuldner nur dadurch dargelegt werden, wenn man ihm gem. § 295 Abs. 2 InsO vorwerfen kann, er habe kein angemessenes Dienstverhältnis angenommen, das ihn in die Lage versetzt hätte, an den Treuhänder und damit seine Gläubiger Zahlungen zu leisten. Daher ist es angesichts der Einkommensfiktion des § 295 Abs. 2 InsO richtig, wenn der Gläubiger aus den ihm zur Verfügung stehenden Informationen nur vortragen muss, der Schuldner habe Einkünfte gehabt, die es ihm erlaubten, Zahlungen an den Treuhänder zu leisten. Diese Voraussetzungen des § 296 Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO muss der Gläubiger glaubhaft machen. Der Ausschluss der Versagung der Restschuldbefreiung bei nichtschuldhaftem Handeln des Schuldners liegt in dessen Sphäre, so dass er hierzu vortragen muss. Mit anderen Worten indiziert die Beeinträchtigung der Gläubiger das Verschulden des zahlungs- bzw. auskunftspflichtigen Schuldners. Da der Schuldner angehört wird, ist es ihm auch möglich, mangelndes Verschulden darzutun; zu jenem Zeitpunkt kann er beispielsweise auch den Antrag gemäß § 850i ZPO stellen, der allein schon dazu führen kann, dass ein fiktiv pfändbarer Betrag überhaupt nicht mehr verbleibt. Die Norm schützt jedes Einkommen des selbstständigen Schuldners, das dazu bestimmt ist, den Lebensunterhalt des Schuldners und seiner Familie zu bestreiten (u.a. „sonstige Einkünfte“, vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 850i Rn. 1-4, m.w.N.). Allerdings muss der Schuldner einen Antrag beim Insolvenzgericht stellen, das nach den §§ 36 Abs. 4 i.V.m. 36 Abs. 1 Satz 2 InsO bzw. § 850i ZPO entscheidet. Man darf allerdings bei Zugrundelegung des mitgeteilten Sachverhalts fragen, ob nicht ggf. ein richterlicher Hinweis an den Schuldner nach § 4 InsO i.V.m. § 139 ZPO sachgerecht gewesen wäre, ob die mitgeteilten Einkünfte „brutto“ oder „netto“ waren.II. Weniger überzeugend erscheint die Argumentation des Gerichts, der selbstständige Schuldner könne „in einem zweiten Schritt“ die Möglichkeit erhalten, höhere Aufwendungen darzulegen als ein Schuldner, der Arbeitnehmer ist. Es kann nämlich nicht darum gehen, im Ergebnis den Nettobetrag aus der Lohn- bzw. Gehaltsabrechnung des Arbeitnehmers mit den Bruttoeinnahmen des Selbstständigen zu vergleichen. Ermittelt man als Vergleichsmaßstab nämlich zunächst diejenigen Einkünfte eines Selbstständigen, die denjenigen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind, so muss man zunächst nach Feststellung der Bruttoeinnahmen die Betriebskosten einschließlich der bezahlten Umsatzsteuer absetzen und in einem weiteren Schritt diejenigen Beträge, die bei dem Arbeitnehmer dem Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen. Nach dieser groben und nicht einfachen Betrachtung, deren Grundlagen der Schuldner nach Hinweis offenzulegen hat, bleibt ein Betrag übrig, der wiederum noch keineswegs mit dem Nettolohn eines Arbeitnehmers zu vergleichen ist, sondern nur mit dessen Bruttolohn, der nicht der Maßstab der für die Restschuldbefreiung relevanten Einkünfte ist. Hiervon sind wiederum die gesetzlichen Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung sowie die persönliche Einkommensteuer abzusetzen. Daraus folgt der Nettobetrag, auf den beim Arbeitnehmer wiederum die Pfändungsschutzvorschriften für Lohn und Gehalt anzuwenden sind. Im Wesentlichen ist dies beim Selbstständigen auf den Antrag nach § 850i ZPO hin nachzuvollziehen, wenn auch die dem Gericht obliegende „freie Schätzung“ nach dieser Norm diesem einen Beurteilungsspielraum eröffnet.III. Diese Vorgehensweise ist allerdings nur ein Hilfsmaßstab, um die Gläubigerbeeinträchtigung nach § 296 InsO festzustellen. Im Rahmen der Verletzung der Auskunftspflicht nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO spielen diese Angaben letzten Endes nur dann eine Rolle, wenn der Schuldner durch seine selbstständige Tätigkeit Einkünfte erzielt hat, die er auch als abhängig Beschäftigter hätte erzielen können und diese Einkünfte dazu geführt hätten, dass er an den Treuhänder hätte Zahlungen leisten können. Ob ein Gläubiger in der Lage ist, selbstständig darzulegen, welche Bezüge ein Schuldner als abhängig Beschäftigter erzielen könnte, erscheint fraglich. Zur Glaubhaftmachung muss es genügen, wenn der Gläubiger darlegt, in welcher Größenordnung der Schuldner mit seiner Berufsausbildung, seiner Berufserfahrung und ggf. seinem Alter Einkünfte aus abhängiger Beschäftigung bei abstrakter Betrachtung hätte erzielen können. Die tatsächlichen Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit sind im Ergebnis nicht maßgeblich und auch nicht Indiz für seine Pflicht, Beträge an den Treuhänder zu leisten. Der Gesetzgeber wollte vielmehr, dass die natürlichen Personen als Schuldner, sofern diese selbstständig sind, einen Anreiz bekommen, ihrer Berufstätigkeit nachzugehen und ihre Gläubiger möglichst optimiert zu befriedigen und dabei selbst auch eine deutliche Option haben, ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern (vgl. dazu die allerdings insoweit nicht wirklich konkrete Begründung des Regierungsentwurfs des § 244 Abs. 2 InsO-RegE = § 295 Abs. 2 InsO, BT-Drs. 12/2443 v. 15.04.1992, S. 192 f.; aus der Literatur siehe Streck in: Hamburger Komm. z. Insolvenzrecht, 5. Aufl. 2015, § 295 InsO Rn. 24 ff., m.w.N., sowie Ahrens in: FK-InsO, 8.Aufl. 2015, § 295 Rn. 147, 160 ff., 169, m.w.N.).Die gesetzgeberische Lösung führt im Ergebnis dazu, dass ein Schuldner im Einzelfall Gewinne aus selbstständiger Tätigkeit in sehr hohen Größenordnungen erzielen kann, ohne dass er an den Treuhänder überhaupt irgendeinen Betrag abführen muss, mögen solche Fälle auch weitgehend hypothetisch sein. Man denke etwa an den im Ruhestand befindlichen selbstständig/freiberuflich tätigen Schuldner mit sehr hohen Einkünften aus dieser Tätigkeit, der nicht erwarten kann, als abhängig Beschäftigter angestellt zu werden. Anders, wenn er etwa aus einem berufsständischen Versorgungswerk Altersversorgungseinkünfte erzielt; diese können im Rahmen der Pfändungsfreigrenzen der ZPO in vollem Umfang herangezogen werden. Die gesetzgeberische Lösung ist an dieser Stelle nicht vollends überzeugend, wenn auch die gesetzlichen Motive grundsätzlich richtig sind. In der Kommentarliteratur stellt Ahrens (in: FK-InsO, § 295 Rn. 169) u.a. zu Recht fest, dass die Insolvenzordnung keine Regelung darüber enthält, wie denn die von dem Selbstständigen zu erbringende Zahlung zu ermitteln sei, eine klare Schwäche des Gesetzes, wie die vorliegende Entscheidung belegt. Ahrens postuliert daher ebenfalls völlig zutreffend, angesichts der Erwerbsobliegenheit des Schuldners „müssen Instrumente entwickelt werden, welche die Erwerbsobliegenheit zu einer im Interesse aller Beteiligten beherrschbaren Anforderung machen.“ Hieran fehlt es, wie das Bemühen des AG Göttingen vorliegend zeigt. Daher ist hier wohl das gefundene Ergebnis richtig, methodisch aber Zweifeln ausgesetzt. Diese sind aber de lege lata kaum zu beherrschen, wenn man nicht dem Schuldner die Darlegungslast aufbürdet, er habe an die Gläubiger keine Zahlungen erbringen müssen, weil er als abhängig Beschäftigter keine Beschäftigung gefunden hätte, die ihm bei seinen persönlichen Verhältnissen Zahlungen erlaubt hätten und wenn man nicht Einnahmen als Selbstständiger in Größenordnungen wie hier hinreichen lässt, um eine Beeinträchtigung der Gläubiger anzunehmen, soweit der Schuldner nicht gegenteilig vorträgt.IV. Die vorliegende Entscheidung zeigt ferner, wie angedeutet, dass in einer Reihe von Fällen der Insolvenz natürlicher Personen sicher ein noch weitergehenderes soziales Gesamtkonzept sachgerecht wäre.Neben die Schuldbefreiung, die ein wichtiges sozialstaatliches Element ist, tritt in dergleichen Fällen das Erfordernis hinzu, dass dem Betroffenen geholfen wird, künftig ähnliche Notlagen zu vermeiden. Dies bedeutet, dass er angemessene Beratung erfährt, wie er seine berufliche Situation strukturiert, damit er künftig seinen eigenen Unterhalt und den Unterhalt seiner Familie, soweit er ihm obliegt, aufbringen kann. Dies gilt für den abhängig Beschäftigten, dessen Beratung insoweit im Wesentlichen dem Aufgabenbereich der Bundesagentur für Arbeit unterfällt, ebenso wie für den Selbstständigen. Ziel ist hier ggf. auch die Vermittlung der notwendigen Fach- und Handlungskompetenzen.Liegen zerrüttete soziale bzw. Familienverhältnisse vor, die durch die Schuldenkrise des Insolvenzschuldners generiert oder verschärft worden sein können, sind zudem nicht nur Rechts- bzw. Schuldnerberatung angezeigt, sondern ggf. auch Beratung und soziale Hilfe in Ehe und Partnerschaft bzw. Hilfen für die Kinder (vgl. oben zum vorliegenden Sachverhalt) durch Maßnahmen nach dem SGB VIII.All diese weitergehenden „ganzheitlichen“ und gesamtgesellschaftlichen Ziele können die Insolvenzordnung, das Insolvenzgericht und der Treuhänder natürlich nicht leisten, und es ist auch nicht ihre Aufgabe. Aber vielleicht besteht dennoch im Einzelfall die Möglichkeit, wenn entsprechende Erkenntnisse vorliegen, dass Schuldner Beratungen und Hilfen benötigen, dass Treuhänder oder auch Insolvenzgerichte entsprechende Hinweise geben.
- D. Auswirkungen für die Praxis
- Der Beschluss des AG Göttingen lehrt erneut, dass der Antrag des Gläubigers auf Versagung der Restschuldbefreiung ein dornenreicher Weg ist, der auch aus Gründen interner Kosten der Gläubiger für die Bearbeitung eines solchen Antrages kaum attraktiv ist. Er kann allenfalls dazu dienen, groben Missbräuchen der Schuldner entgegenzuwirken und auf andere Schuldner gegebenenfalls eine generalpräventive Wirkung ausüben, ihren „Pflichten“ bzw. Obliegenheiten in der Abtretungsfrist (§§ 287 Abs. 2, 287b, 290 Abs. 1 Nr. 7, 295 Abs. 1 Nr. 1, 3, Abs. 2 InsO) zu genügen. Der vorliegende Sachverhalt lässt es eher unwahrscheinlich erscheinen, dass der antragstellende Gläubiger überhaupt irgendwelche Zahlungen irgendwann einmal von dem Schuldner erwarten darf. Zwar war es in der Vergangenheit vor Inkrafttreten der Restschuldbefreiung durch die Insolvenzordnung im Jahr 1999 häufig so, dass Schuldner sich nach vielen Jahren wirtschaftlich gefangen hatten und dann bereit waren, wenn sie angesprochen wurden, an Gläubiger Zahlungen im Wege eines wirtschaftlich bedingten Vergleichs zu leisten, um letzten Endes in ihren späteren Lebensjahren, insbesondere nach Eintritt des Rentenalters, von Zahlungen an Gläubiger verschont zu bleiben. Dieser Umstand betrifft aber erfahrungsgemäß wohl eher Schuldner, die sich gerade nicht in einem Verbraucherinsolvenzverfahren bzw. in der Restschuldbefreiung befunden haben. Außerdem setzt gerade auch die Verfolgung von Forderungen gegen Schuldner, denen die Restschuldbefreiung versagt worden ist, voraus, dass diese titulierten Forderungen andauernd in Zeitabständen überwacht werden und Bemühungen zur Beitreibung unternommen werden, die freilich nicht immer durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfolgen müssen. Für institutionelle Gläubiger empfiehlt sich in diesen Fällen, die abgeschriebene Forderung zu einem meist sehr geringen Betrag im Rahmen eines Forderungsportfolios an einen Forderungskäufer, gegebenenfalls auch an ein Inkassounternehmen, abzugeben. Die meisten Gläubiger werden selbst nicht die notwendigen Fallzahlen haben, um solche abgeschriebenen Ansprüche, zu denen eben auch diejenigen aus der Versagung der Restschuldbefreiung gehören, kostendeckend oder gar profitabel zu bearbeiten.