Nachfolgend ein Beitrag vom 20.6.2017 von Nieding, jurisPR-BKR 6/2017 Anm. 4
Orientierungssatz zur Anmerkung
Durch einen rechtsmissbräuchlichen Güteantrag wird die Verjährung nicht gehemmt.
A. Problemstellung
Oftmals ist die Einreichung eines Güteantrages das letzte Mittel, um die Verjährung zu hemmen. Güteanträge nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB können grundsätzlich den Lauf der Verjährung von Schadensersatzansprüchen hemmen. Die Anrufung einer Gütestelle zum Zwecke der Verjährungshemmung kann jedoch rechtsmissbräuchlich sein, wenn schon vor der Einreichung des Güteantrags feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, an einem Güteverfahren mitzuwirken und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen, und er dies dem Antragsteller schon im Vorfeld in eindeutiger Weise mitgeteilt hat. Dies wurde bereits vom BGH entschieden (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.2015 – IV ZR 526/14). Mit einem solchen Problemfall befasst sich das hier besprochene Urteil des OLG Düsseldorf.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung hinsichtlich der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds. Der Beitritt erfolgte am 12.11.2003 nach einem Gespräch zwischen einem Mitarbeiter der Beklagten, an dem der Kläger mit seiner Ehefrau teilnahm. Der Kläger verfügte über solide Anlagekenntnisse und war wirtschaftlich sehr gut situiert. Nach dem Gespräch unterzeichnete der Kläger eine „Erklärung zum Verkaufsgespräch“, die u.a. zum Inhalt hatte, dass die Wertentwicklung in der Vergangenheit keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zulasse; ferner handele es sich bei Fondsanlagen weder um Bankeinlagen noch um Schuldverschreibungen. Entsprechend würden Fondsanlagen nicht von der Fondsgesellschaft oder Tochtergesellschaften garantiert. Gegebenenfalls könnte der Anleger den ursprünglich angelegten Betrag nicht zurückerhalten. Der Kläger erhielt mit Schreiben der Treuhandgesellschaft des Fonds vom 19.09.2007 eine Information über die Umstrukturierung und Umfinanzierung des Fonds. Der Kläger nahm dies hin, ohne Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Erst mit Schreiben vom 04.11.2013 forderte der Kläger die Beklagte zur Leistung von Schadensersatz auf. Mit Schreiben vom selben Tag wurde ein Güteantrag eingereicht. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 27.11.2013 die Schadensregulierung ab und verweigerte mit Schreiben vom 04.12.2013 die Teilnahme am Güteverfahren. Die Gütestelle stellte mit Schreiben vom 12.03.2014 das Scheitern des Güteverfahrens fest. Daher wurde Klage erhoben. Die Beklagte berief sich dabei auf Verjährung sowie darauf, dass der Kläger eine hohe Risikobereitschaft hatte.
Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Landgerichts waren die Ansprüche bereits verjährt. Vor allem könne der Güteantrag den Lauf der Verjährung der klägerischen Ansprüche nicht hemmen, da dieser als rechtsmissbräuchlich anzusehen sei. Dem Kläger sei aus der mit der Beklagten geführten Korrespondenz bekannt gewesen, dass diese die Durchführung eines Güteverfahrens ablehnte. Entsprechend war der Güteantrag als rein rechtsmissbräuchlich anzusehen. Ferner sei eine anlage- und objektgerechte Beratung gegeben gewesen. Etwaige Ansprüche seien auch spätestens seit 31.12.2010 verjährt gewesen. Mit der eingelegten Berufung hiergegen verfolgte der Kläger seine Ansprüche weiter.
Das OLG Düsseldorf hat die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt und die Berufung zurückgewiesen.
Besonderes Augenmerk legte das OLG Düsseldorf dabei auf den Güteantrag. Dieser sei zum einen nicht hinreichend individualisiert und offensichtlich rechtsmissbräuchlich gewesen, insbesondere wegen der Einreichung des Antrages in der Kenntnis, dass der Verfahrensdurchführung widersprochen wurde. Ferner habe der Kläger spätestens durch das Schreiben der Treuhandgesellschaft Kenntnis von der Schieflage des Fonds und von dem drohenden Totalverlust des Investments gehabt. Die Verjährung der Ansprüche sei daher spätestens mit Ablauf des 31.12.2010 eingetreten. Anderer Anknüpfungszeitpunkt wäre die Unterzeichnung der „Erklärung zum Verkaufsgespräch“ gewesen. Da bereits hierin deutlich über die Risiken aufgeklärt worden sei, sei mit Ablauf des Jahres 2006 für etwaige Aufklärungsfehler die Verjährung von Schadensersatzansprüchen eingetreten. Der Kläger habe – wie das Landgericht ausgeführt hatte – bereits bei Zeichnung der Anlage im Jahr 2003 nach Unterzeichnung der „Erklärung zum Verkaufsgespräch“ am 12.11.2003, spätestens jedoch nach Erhalt des Schreibens der Treuhandgesellschaft vom 19.09.2007, ausreichende Kenntnis, jedenfalls jedoch grob fahrlässige Unkenntnis über das Risiko des Totalverlustes gehabt, so dass der Anspruch mit Ablauf des Jahres 2006, spätestens jedoch mit Ablauf des Jahres 2010 verjährt gewesen sei und durch die Klageerhebung im Jahr 2014 nicht mehr gehemmt werden konnte. Entsprechend war die Berufung des Klägers ohne Erfolg.
C. Kontext der Entscheidung
Das Urteil behandelt zwar einen typischen Fall einer Klage auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung. Es sticht jedoch aus der Masse an Fällen hervor wegen der fundierten Ausführungen des OLG Düsseldorf zur Rechtsmissbräuchlichkeit von Güteanträgen, die lediglich zur Verjährungshemmung eingereicht werden.
Bereits die Entscheidungen des BGH vom 16.07.2015 (III ZR 238/14), vom 20.08.2015 (III ZR 373/14) und vom 28.10.2015 (IV ZR 526/14) haben wichtige Feststellungen zu den Anforderungen an eine wirksame Verjährungshemmung durch Einreichung von Güteanträgen getroffen. Das OLG Düsseldorf setzt die Vorgaben des BGH hier konsequent um:
Damit die Verjährung eines Anspruchs durch einen Güteantrag gehemmt werden kann, muss dieser Anspruch in dem Antrag ausreichend individualisiert sein. Ohne diese Individualisierung tritt eine Hemmung der Verjährung nicht ein; sie kann nach Ablauf der Verjährungsfrist auch nicht mehr verjährungshemmend nachgeholt werden. Deshalb ist grundsätzlich erforderlich, dass ein Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt wird, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen möchte. Wann diese Anforderungen erfüllt sind, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von den zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnissen und der Art der Ansprüche ab.
Für eine Verjährungshemmung durch Bekanntgabe des Güteantrags ist insoweit nach der Rechtsprechung des III. und IV. Zivilsenats des BGH zunächst erforderlich, dass der Güteantrag die formalen Anforderungen erfüllt, die von den für die Tätigkeit der jeweiligen Gütestelle maßgeblichen Verfahrensvorschriften gefordert werden. Zum anderen muss der Güteantrag für den Schuldner erkennen lassen, welche Ansprüche gegen ihn geltend gemacht werden sollen, damit er prüfen kann, ob eine Verteidigung erfolgversprechend ist, und ob er in das Güteverfahren eintreten möchte.
Es ist zwar grundsätzlich legitim und begründet im Regelfall keinen Rechtsmissbrauch, wenn ein Antragsteller eine Gütestelle ausschließlich zum Zwecke der Verjährungshemmung anruft. Hiervon ist aber dann eine Ausnahme zu machen, wenn schon vor der Einreichung des Güteantrags feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, an einem Güteverfahren mitzuwirken und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen, und er dies dem Antragsteller schon im Vorfeld in eindeutiger Weise mitgeteilt hat. In einem solchen Fall ist von vornherein sicher, dass der Zweck des außergerichtlichen Güteverfahrens – die Entlastung der Justiz und ein dauerhafter Rechtsfrieden durch konsensuale Lösungen (BT-Drs. 14/980, S. 1 und 5) – nicht erreicht werden kann, weshalb sich eine gleichwohl erfolgte Inanspruchnahme der Gütestelle als rechtsmissbräuchlich erweist. Als Rechtsfolge einer derartigen missbräuchlichen Inanspruchnahme des Verfahrens ist es dem Gläubiger gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf eine Hemmung der Verjährung durch Bekanntgabe des Güteantrags zu berufen.
D. Auswirkungen für die Praxis
Der Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB durch das Mittel der Einreichung eines Güteantrages werden weiterhin enge Grenzen gesetzt. Die Rechtsanwender können sich nicht darauf zurückziehen, vorformulierte Musterschreiben an die zuständigen Gütestellen zu senden und lediglich in den Anlagen zum Güteantrag auf den zu Grunde liegenden Sachverhalt zu verweisen. Dies genügt der Individualisierung nicht. Es muss daher dezidierter zum Sachverhalt vorgetragen werden.
Ferner ist besonderes Augenmerk darauf zu legen, dass vor Einreichung des Güteantrages geklärt ist, ob die Gegenseite überhaupt die Durchführung eines Güteverfahrens akzeptieren würde. Wenn – wie im vorliegenden Fall – klar und deutlich vorab von der Gegenseite die Ablehnung jeglicher Schlichtungsversuche kommuniziert wurde, hat dementsprechend ein Güteantrag zu unterbleiben und direkt die Klageerhebung oder – soweit möglich – ein Mahnbescheidsantrag zu erfolgen. Die Einreichung eines Güteantrages zur Hemmung der Verjährung in Kenntnis der ablehnenden Haltung der Gegenseite birgt somit das große Risiko eines Haftungsfalles für die Rechtsanwender, sofern die genannten Punkte nicht beachtet werden.