Nachfolgend ein Beitrag vom 22.5.2018 von Schürmann, jurisPR-FamR 10/2018 Anm. 6

Leitsätze

1. Gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG kann im Beschwerdeverfahren auch gegen den Willen eines Beteiligten ohne erneuten Erörterungstermin entschieden werden.
2. Der Umgang der Großeltern mit dem Kind dient regelmäßig nicht seinem Wohl, wenn die – einen solchen Umgang ablehnenden – Eltern und die Großeltern so zerstritten sind, dass das Kind bei einem Umgang in einen Loyalitätskonflikt geriete.
3. Der Erziehungsvorrang ist von Verfassungs wegen den Eltern zugewiesen. Missachten die Großeltern diesen, lässt dies ein Umgangsrecht nach § 1685 Abs. 1 BGB als nicht kindeswohldienlich erscheinen.
4. Das Familiengericht kann einen „Antrag“ der Großeltern auf Umgang bei fehlender Kindeswohldienlichkeit schlicht zurückweisen, weil es – anders als beim Umgangsrecht der Eltern – nicht um die Ausgestaltung eines bestehenden Umgangsrechts geht, sondern bereits die Voraussetzungen für ein Umgangsrecht fehlen.

A. Problemstellung

Unter welchen Voraussetzungen können Großeltern ein Umgangsrecht mit ihren Enkeln durchsetzen?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Antragsteller sind die mütterlichen Großeltern ihrer seinerzeit zehn und acht Jahre alten Enkel. Die Kinder leben bei ihren Eltern, den Antragsgegnern. Nachdem anfänglich regelmäßige Kontakte zu den Enkeln bestanden, wurden diese etwa ein Jahr nach der Geburt des jüngsten Kindes unterbrochen. Zwei Jahre später kam es vor dem Hintergrund zu erneuten Kontakten, dass die Großeltern den Eltern ein zinsloses Darlehen von 100.000 Euro gewährt hatten, welches bei einem nicht mehr gewährten Umgang mit den Enkeln sofort zurückzuzahlen sei. Drei Jahre später lehnten die Eltern den Umgang ihrer Kinder mit den Großeltern erneut ab, nachdem diese sich mit einem Schreiben an das zuständige Jugendamt gewandt hatten, das mit den Worten „Vorfälle von seelischer Misshandlung der Enkelkinder …“, überschrieben war und in dem sie diverse Vorwürfe und Bedenken bezüglich der Erziehung der Kinder durch die leiblichen Eltern vorbringen.
Das Amtsgericht hatte den Antrag der Großeltern auf Einräumung eines Umgangs zurückgewiesen. Beschwerde und die zugelassene Rechtsbeschwerde blieben erfolglos.
Der BGH hat die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.
Nach den vom Oberlandesgericht verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen entspreche der Umgang der Kinder mit den Großeltern nicht ihrem Wohl.

C. Kontext der Entscheidung

Vorliegend handelt es sich um die erste Entscheidung des BGH, in der dieser sich mit dem Umgangsrecht der Großeltern befasst hat. Das Umgangsrecht von Großeltern und Geschwistern ist durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz von 1998 in das BGB aufgenommen worden (§ 1685 Abs. 1 BGB). Zuvor gab es nur vereinzelte Entscheidungen zum Umgang der Großeltern, die sich auf eine missbräuchliche Ausübung des Sorgerechts gestützt hatten, wenn Eltern Kontakte zwischen Großeltern und Enkel verweigerten (instruktiv OLG Köln, Beschl. v. 28.07.1961 – 8 W 189/60 – NJW 1961, 2163).
In diesem Sinn ist auch die jetzige Rechtslage zu verstehen. Das Gesetz will in erster Linie einem Abbruch der Kontakte zu den Enkeln in Trennungsfamilien entgegenwirken. § 1685 Abs. 1 BGB ist zwar als ein Recht der Großeltern formuliert. Damit wollte der Gesetzgeber jedoch nur den Kreis der Berechtigten von vornherein begrenzen (BT-Drs. 13/4899, S. 68). In der Sache handelt es sich ebenso wie beim Umgang der Eltern um ein dienendes Recht, das den Großeltern letztlich im Interesse ihrer Enkelkinder zugestanden wird (Peschel-Gutzeit: AnwK-BGB, § 1685 Rn. 5). Denn nur unter dieser Prämisse lässt sich die damit verbundene Einschränkung des elterlichen Erziehungsrechts begründen (M. Lipp, FamRZ 1998, 65, 75).
Dementsprechend zurückhaltend reagiert die Rechtsprechung, wenn Großeltern ein Umgangsrecht gerichtlich einfordern. Der Umgang muss für das Kindeswohl förderlich sein. Die verwandtschaftliche Beziehung zu den Enkeln begründet für sich genommen eine solche Annahme noch nicht. Vielmehr werden bereits bestehende Bindungen zwischen Großeltern und Enkeln oder aber zumindest ein Interesse der Kinder an ihren Großeltern vorausgesetzt (OLG Koblenz, Beschl. v. 17.08.2015 – 7 WF 770/15 – FamRZ 2016, 391). Von einem dem Kindeswohl dienenden Umgang sei insbesondere dann nicht auszugehen, wenn es zwischen Großeltern und den Eltern (die eigenen Kinder bzw. Schwiegerkinder) erhebliche Spannungen gibt, die Eltern sich gegen einen Kontakt zu den Großeltern aussprechen und deshalb ein Loyalitätskonflikt für das Kind drohe.
Die jetzt vorliegende Entscheidung des BGH stützt die bisherige Rechtsprechung. Der BGH hat insbesondere auf die absehbaren Loyalitätskonflikte abgestellt, wenn es zwischen den Erwachsenen erhebliche Zerwürfnisse gibt und die Großeltern nicht bereit sind, das Erziehungsprimat der Eltern zu akzeptieren.
Weiterhin bringt die Entscheidung Klarheit bei der in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstrittenen Frage, ob bei einer Versagung des Umgangs dieser ausdrücklich ausgeschlossen werden müsse (so zuletzt noch OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.06.2017 – 3 UF 278/16; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 21.04.2017 – 6 UF 20/17). Nach Auffassung des BGH ist der Antrag einfach zurückzuweisen, weil es bei einer fehlenden Kindeswohldienlichkeit schon an einer Tatbestandsvoraussetzung für den Umgang fehle. Eines zusätzlichen Ausschlusses des Rechts bedürfe es daher nicht. Es fehle schon an einer eigenen grundgesetzlich geschützten Rechtsposition der Großeltern. Zwar erstreckt sich nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG der Schutz des Art. 6 GG über die Kernfamilie hinaus generationenübergreifend auf weitere Verwandte – speziell auf Großeltern und Enkel. Jedoch erwächst allein daraus noch kein unmittelbarer Anspruch auf persönliche Kontakte. Der Schutz bezieht sich vielmehr auf die bestehenden familiären Beziehungen und Bindungen (BVerfG, Beschl. v. 24.06.2014 – 1 BvR 2926/13 – FamRZ 2014, 1435; Britz, NZFam 2018, 289, 293).

D. Auswirkungen für die Praxis

Nach dem Ergebnis zahlreicher Untersuchungen können regelmäßige Kontakte zwischen Großeltern und Enkeln die kindliche Entwicklung sehr positiv beeinflussen. Wie weit diese Grundannahme trägt, wird wesentlich von den Beziehungen der Erwachsenen untereinander bestimmt. Großeltern erhalten den Zugang zu ihren Enkeln über deren Eltern. Daher ist das Verhältnis zu den eigenen Kindern und Schwiegerkindern (bzw. Pflegeeltern/Vormündern) von großer Bedeutung. In einem von gegenseitigem Respekt und Verständnis geprägten Umfeld besteht regelmäßig keine Notwendigkeit für gerichtliche Entscheidungen. Hingegen wirken innerfamiliäre Konflikte immer auch auf das Verhältnis zwischen Großeltern und Enkeln zurück. In jedem Fall müssen Großeltern respektieren, dass ihnen kein Erziehungsrecht zusteht und der Umgang nicht dazu dient, ihre eigenen Erwartungen und Ideale umzusetzen oder ihnen Gewissheit vom Wohlergehen ihrer Enkel zu verschaffen. Viele Gerichtsverfahren sind erst daraus entstanden, dass Großeltern den Vorrang des elterlichen Erziehungsrechts nicht akzeptieren wollen oder können und heftige Vorwürfe gegen die Eltern vorbringen. Die Erfolglosigkeit solcher Verfahren ist vorprogrammiert, wie neben dem vorliegenden Beschluss auch zahlreiche weitere Beschwerdeentscheidungen verdeutlichen (vgl. u.a. OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.06.2017 – 3 UF 278/16; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 21.04.2017 – 6 UF 20/17; OLG München, Beschl. v. 12.07.2011 – 12 UF 600/11; OLG Hamm, Beschl. v. 15.09.2009 – II-11 UF 108/09). Die Zurückweisung des Antrages erfordert dabei nicht die Feststellung, dass der Umgang das Kindeswohl gefährde (OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.06.2017 – 3 UF 278/16).
Während für den Umgang der Eltern die gesetzliche Vermutung der Kindeswohldienlichkeit streitet (§ 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB), muss der Umgang mit anderen Bezugspersonen dem Wohl des Kindes dienen, ihm also förderlich sein (§ 1626 Abs. 3 Satz 2 BGB). Es bedarf einer positiven Kindeswohlprüfung. Dabei gehen die gesetzlichen Anforderungen über eine bloße Vereinbarkeit des Umgangs mit dem Kindeswohl noch hinaus, weil als Prüfmaßstab § 1626 Abs. 3 Satz 2 BGB heranzuziehen ist, der eine Förderung der kindlichen Entwicklung verlangt.
Wollen Großeltern ihr Besuchsrecht gegen den Widerstand eines Sorgeberechtigten durchsetzen, muss das Gericht prüfen, ob eine solche Regelung mit dem so konkretisierten Kindeswohl in Einklang steht. Dies setzt in der Regel voraus, dass es in der Vergangenheit gute und intensive Beziehungen zwischen den Großeltern und dem Enkel gegeben hat, eine feste Bindung besteht und die Kinder den Kontakten gegenüber aufgeschlossen sind. Der Wunsch der Enkel hat dabei ein erhebliches Gewicht; lehnen diese Besuche bei den Großeltern ab, spricht dies gegen eine Kindeswohldienlichkeit (OLG Hamm, Beschl. v. 15.09.2009 – 11 UF 108/09; Peschel-Gutzeit in: AnwK-BGB, § 1685 Rn. 12). Die Großeltern tragen die Feststellungslast für einen dem Kindeswohl förderlichen Umgang. Die zugrunde liegenden Tatsachen sind daher möglichst detailliert darzulegen – Allgemeinplätze genügen nicht.
Gibt es Streit über Erziehungsfragen oder verhalten sich Großeltern nach der Wahrnehmung der Eltern in anderer Weise unangemessen, so dass diese einen negativen Einfluss befürchten, liegt es nahe, wenn die Gerichte die Kindeswohldienlichkeit bereits aufgrund eines drohenden Loyalitätskonfliktes verneinen. Selbst anderslautende Wünsche des Kindes müssen dann ggf. zurücktreten. Denn das gerichtliche Umgangsverfahren ist nicht geeignet, familiäre Konflikte zu lösen.
Ohne eine weitgehende Kooperationsbereitschaft der Großeltern wird sich gegen den Willen der Eltern und/oder Enkelkinder ein Umgang kaum gerichtlich durchsetzen lassen.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Ist der Sachverhalt erstinstanzlich umfassend geklärt, bedarf es im Beschwerdeverfahren keiner erneuten mündlichen Verhandlung. Das Beschwerdegericht kann auch in kindschaftsrechtlichen Angelegenheiten über die Beschwerde ohne eine erneute persönliche Anhörung der Beteiligten entscheiden, wenn von einer erneuten Anhörung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kann nur hinsichtlich tatsächlich und rechtlich selbstständiger Einzelfragen beschränkt werden, nicht jedoch auf einzelne Verfahrensfragen. Bei einer unzulässigen Beschränkung ist die Rechtsbeschwerde insgesamt zulässig.

Umgang mit den Enkeln - ein Großelternrecht?
Denise HübenthalRechtsanwältin
  • Fachanwältin für Familienrecht
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