Nachfolgend ein Beitrag vom 9.8.2017 von Bissels, jurisPR-ArbR 32/2017 Anm. 6

Leitsätze

1. Hinsichtlich der Frage einer rechtsmissbräuchlichen sachgrundlosen Befristung gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG ist die Konstellation, in der der Arbeitnehmer zunächst sachgrundlos befristet bei einem Unternehmen als Leiharbeitnehmer eingestellt war und sodann sachgrundlos befristet bei dem Unternehmen eingestellt wird, an dass er zuvor verliehen worden war, grundsätzlich anders zu werten, als im spiegelbildlichen Fall (Arbeitnehmer ist zunächst bei dem späteren Entleiher sachgrundlos befristet eingestellt und wird sodann von dem Verleihunternehmen sachgrundlos befristet eingestellt, um an den Vorarbeitgeber verliehen und dort auf dem ursprünglichen Arbeitsplatz eingesetzt zu werden).
2. Zwar ist Rechtsmissbrauch auch hier denkbar, da jedoch die vertragliche Übernahme des Arbeitnehmers in das Entleihunternehmen gerade der durch das AÜG gewünschte Effekt ist, indiziert nicht bereits die tatsächliche und rechtliche Verbundenheit von Verleih- und Entleihunternehmen und die nahtlose Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers eine rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung.

A. Problemstellung

Der Abschluss von befristeten Arbeitsverhältnissen wird von der Rechtsprechung unter Berücksichtigung der Grundsätze des Rechtsmissbrauchs kritisch gesehen, wenn ein Arbeitnehmer zunächst von einem Arbeitgeber sachgrundlos befristet eingestellt wird und nach Ablauf der zulässigen Höchstbefristungsdauer bei einem Personaldienstleister – wiederum sachgrundlos befristet – beschäftigt wird, um wiederrum an den vorherigen Arbeitgeber überlassen zu werden, bei dem er ursprünglich tätig war (vgl. BAG, Urt. v. 15.05.2013 – 7 AZR 525/11).
Das LArbG Frankfurt musste sich nun mit einer „spiegelbildlichen“ Fallkonstellation befassen, in der nach einer befristeten Tätigkeit als Zeitarbeitnehmer eine befristete Übernahme durch den Kunden erfolgte (vgl. die Parallelentscheidungen: LArbG Frankfurt, Urt. v. 28.04.2017 – 14 Sa 810/16, 14 Sa 813/16; in diesem Sinne auch: LArbG Frankfurt, Urt. v. 22.01.2016 – 14 Sa 966/15). Im Ergebnis wurde ein Rechtsmissbrauch mit einer überzeugenden Begründung abgelehnt und die Wirksamkeit der Befristung in dem zwischen dem übernehmenden Arbeitgeber und dem vormals an diesen überlassenen Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrag bestätigt.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die A und die Beklagte gehören der B-Gruppe an. Die A fungiert dabei innerhalb des Konzerns als „Personalgestellungsgesellschaft“. Sie besitzt eine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 AÜG und stellt – nicht nur für Entleiher der Gruppe – Mitarbeiter u.a. für den Bereich der Flugzeuginnenreinigung im Wege der Arbeitnehmerüberlassung zur Verfügung. Der Kläger wurde als „operativer Mitarbeiter“ eingestellt und während seiner Beschäftigung bei der A aufgrund entsprechend befristeter Arbeitsverträge überwiegend an die Beklagte zur Arbeitsleistung überlassen und dort als Flugzeuginnenreiniger eingesetzt. Schließlich wurde der Kläger von der Beklagten sachgrundlos befristet eingestellt. Der entsprechende Arbeitsvertrag wurde nochmals verlängert und endete sodann mit Ablauf der vereinbarten Befristung. Der Kläger hält diese für unwirksam, weil diese rechtsmissbräuchlich im Zusammenwirken mit der A erfolgt sei, um das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zu umgehen.
Die von dem Kläger gegen das erstinstanzliche, klageabweisende Urteil eingelegte Berufung hatte vor dem LArbG Frankfurt keinen Erfolg.
Die sachgrundlos vereinbarte Befristung verletzt nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht das Vorbeschäftigungsverbot nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Diese sei vorliegend auch nicht aufgrund eines Rechtsmissbrauchs unwirksam. Zwar sei höchstrichterlich entschieden, dass die Ausnutzung der durch das TzBfG vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten gegen § 242 BGB verstoßen könnte, wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Arbeitgeber im bewussten und gewollten Zusammenwirken aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge mit einem Arbeitnehmer ausschließlich deshalb abschlössen, um auf diese Art und Weise über die nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgesehene Befristungsmöglichkeit hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können (vgl. BAG, Urt. v. 24.06.2015 – 7 AZR 452/13; BAG, Urt. v. 04.12.2013 – 7 AZR 290/12; BAG, Urt. v. 19.03.2014 – 7 AZR 527/12). Bestehe der Zweck des Arbeitgeberwechsels allein darin, dass die verbundenen Arbeitgeber eine nach § 14 Abs. 2 TzBfG nicht mehr zulässige sachgrundlose Befristung mit demselben Arbeitnehmer erreichen wollten, könne sich der unredliche Vertragspartner auf eine solche Befristung nicht berufen. Der Arbeitnehmer genüge seiner diesbezüglichen Darlegungslast zunächst, wenn er einen Sachverhalt vortrage, der die Rechtsmissbräuchlichkeit der Befristung nach § 242 BGB indiziere.
Mit dem ArbG Frankfurt sei aber davon auszugehen, dass bei Anwendung dieser Grundsätze der Kläger vorliegend keine hinreichenden Indizien für eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung durch die Beklagte und den Vorarbeitgeber dargelegt habe. Es seien keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Zweck des Arbeitgeberwechsels allein darin bestanden habe, dass die Beklagte oder die A eine nach § 14 Abs. 2 TzBfG an sich nicht mehr zulässige sachgrundlose Befristung mit dem Kläger hätten erreichen wollen.
Ein Indiz für eine Rechtsmissbräuchlichkeit sei insbesondere nicht schon in seiner nahtlosen Weiterbeschäftigung durch die Beklagte zu sehen. Zwar könne dies generell ein solches für einen Missbrauch der Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung darstellen. Bei der hier in Frage stehenden Konstellation – Übernahme eines Zeitarbeitnehmers in ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis mit dem Kunden – fehle es aber grundsätzlich an einem Umgehungscharakter. Der Kläger sei gerade nicht ursprünglich als Flugzeugreiniger, sondern als „operativer Arbeitnehmer“ zur Überlassung an andere Unternehmen eingestellt worden. Hinzu komme, dass davon auszugehen sei, dass der Kläger gerade nicht nahtlos auf demselben Arbeitsplatz weiterbeschäftigt worden sei, nachdem er einen Arbeitsvertrag mit der Beklagten abgeschlossen habe. Er sei zumindest in den ersten Monaten ausschließlich im Kantinenspüldienst beschäftigt worden. Weiterhin spreche gegen eine rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung, dass die Arbeitsbedingungen bei der A und der Beklagten nicht im Wesentlichen gleich gewesen seien, sondern der Kläger bei der Beklagten u.a. einen nicht unwesentlich höheren Stundenlohn erhalten habe. Dem Fehlen eines Bewerbungsgesprächs mit der Beklagten könne kein Indiz auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten entnommen werden, weil diese den Kläger aus der Tätigkeit als Zeitarbeitnehmer schon gekannt habe.
Im Übrigen könne offenbleiben, ob bei einer sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen zunächst mit dem Personaldienstleister und später mit dem Kunden bei einem „strategischen Einsatz“ dieser Vertragsgestaltung ein Rechtsmissbrauch denkbar sei, so dass dem ursprünglichen Kunden und neuen Vertragsarbeitgeber die Berufung auf die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG verwehrt sei. Jedenfalls könne die häufige oder sogar regelmäßige Verwendung dieser Vertragsgestaltung durch den Kunden allein kein Indiz für einen solchen Rechtsmissbrauch begründen; die Häufigkeit der Nutzung einer Gestaltungsmöglichkeit stelle noch keine Strategie dar und vermöge den Vorwurf des Missbrauchs nicht zu rechtfertigen. Rechtsmissbrauch setze nämlich stets voraus, dass eine formal bestehende gesetzliche Möglichkeit entgegen Treu und Glauben genutzt werde. Entscheidend sei im Rahmen des § 14 Abs. 2 TzBfG, ob der Arbeitgeber sich durch die Befristungsabrede Vorteile verschaffe, die durch den Zweck der Vorschrift nicht vorgesehen seien. Mache ein Unternehmen – wie die Beklagte – nur regelmäßig von der Möglichkeit Gebrauch, einen Arbeitnehmer, der zu anderen Bedingungen zuvor bei einem anderen Arbeitgeber als Zeitarbeitnehmer tätig gewesen und (auch) bei dem Folgearbeitgeber eingesetzt worden sei, nun seinerseits ebenfalls befristet einzustellen, verschaffe dieser sich durch die Befristungsabrede keine Vorteile, die durch den Zweck der Vorschrift nicht vorgesehen seien. Insoweit sei zu beachten, dass der Gesetzgeber sich im Rahmen der sachgrundlosen Befristung in § 14 Abs. 2 TzBfG gerade dafür entschieden habe, für die Frage der Vorbeschäftigung auf den rechtlichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit dem Vertragsarbeitgeber abzustellen und nicht auf eine Tätigkeit für den Betriebsinhaber oder -träger. Diese Grundentscheidung des Gesetzgebers könne nicht dadurch konterkariert werden, dass ein Verstoß gegen § 242 BGB schon dann angenommen werde, wenn der Arbeitgeber regelmäßig von der Möglichkeit Gebrauch mache, Arbeitnehmer im Rahmen sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge auf einem Arbeitsplatz zu beschäftigen, auf dem diese schon im Rahmen befristeter Arbeitsverträge mit anderen Vertragsarbeitgebern tätig gewesen seien (hier: als Zeitarbeitnehmer). Dies gelte zumindest, solange keine anderen Rechtsmissbrauchselemente hinzukämen.
Einen nicht in § 14 Abs. 2 TzBfG vorgesehen Vorteil, nämlich im Ergebnis eine von ihm gesteuerte sachgrundlose Befristungsdauer von mehr als zwei Jahren auf einem in seinem Unternehmen befindlichen Arbeitsplatz, könne sich der übernehmende Arbeitnehmer höchstens dann verschaffen, wenn dieser bereits für den Abschluss des ersten befristeten Vertrags bei dem Personaldienstleister und damit eben für die Aneinanderreihung von Befristungen kausal werde. Hierfür müsse dieser mit dem Vorarbeitgeber zusammenwirken, um zum Nachteil des Arbeitnehmers eine längere als die vorgesehene sachgrundlose Befristungsmöglichkeit auf dem gleichen Arbeitsplatz zu erreichen. Außerdem dürfe der Arbeitgeberwechsel keine Vorteile für den Arbeitnehmer mit sich bringen. Ansonsten erfolge dieser nämlich nicht, wie für die Annahme von Rechtsmissbrauch erforderlich, ausschließlich, um über die gesetzlich vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus eine sachgrundlose Befristung vereinbaren zu können. Ein Indiz für das Zusammenwirken von Personaldienstleister und Kunden könne in der vorliegenden Konstellation etwa sein, dass der Zeitarbeitnehmer vor seiner Einstellung bei dem Personaldienstleister ein Bewerbungsgespräch mit dem Kunden habe oder bereits im Arbeitsvertrag mit dem Zeitarbeitsunternehmen ein Einsatz bei dem Kunden festgelegt worden sei oder jedenfalls die übrigen Vertragsbedingungen, wie etwa Tätigkeit, Arbeitszeit und Arbeitsentgelt, identisch seien. Ebenfalls könnte der Arbeitnehmer darlegen, wenn der Arbeitgeberwechsel für ihn keine Vorteile gebracht hätte. All dies habe der Kläger allerdings nicht behauptet bzw. sei unstreitig nicht der Fall. Insbesondere dessen Stundenlohn habe sich infolge des Arbeitgeberwechsels erhöht. Gleiches gelte für die Arbeitszeit, so dass dieser insgesamt eine deutlich höhere Vergütung habe erzielen können.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung des LArbG Frankfurt ist richtig. Die ggf. auch nur befristete Übernahme des Zeitarbeitnehmers durch den Kunden ist im Sinne des sog. „Klebeeffekts“ vom Gesetzgeber gerade gewollt. Wird ein von dem Personaldienstleiter befristet beschäftigter Zeitarbeitnehmer wiederum befristet von dem Kundenunternehmen übernommen, fehlt es schlichtweg an einem Umgehungsaspekt, wenn nicht besondere Umstände einen solchen und damit einen Rechtsmissbrauch indizieren.
Die der Entscheidung des LArbG Frankfurt zugrunde liegende Ausgangsituation unterscheidet sich damit deutlich von der des umgekehrten Falls (sachgrundlose Beschäftigung bei einem Arbeitgeber und sodann Einsatz auf diesem Arbeitsplatz als Zeitarbeitnehmer), weil sich der durch die Arbeitnehmerüberlassung idealtypisch angestrebte „Klebeeffekt“ gerade realisiert und aus einem „doppelt prekären“ sachgrundlos befristeten Zeitarbeitsverhältnis ein nur noch „einfach prekäres“ sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis mit einem Kundenunternehmen wird. Dabei kann grundsätzlich auch die nahtlose Weiterbeschäftigung bei dem Kunden kein Indiz für eine rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung sein, weil diese für die Übernahme eines Zeitarbeitnehmers durch den Kunden gerade typisch und erwünscht ist.

D. Auswirkungen für die Praxis

Ohne besondere Umstände, die für eine rechtsmissbräuchliche Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverhältnissen bei dem Personaldienstleister und dem Kunden sprechen, um die gesetzlich vorgesehene Höchstbefristungsdauer zu umgehen bzw. künstlich zeitlich zu strecken, ist eine befristete Anstellung bei einem Einsatzunternehmen – auch im Konzern – nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für den Fall, dass der übernommene Zeitarbeitnehmer bei dem Dienstleister nur in einem befristeten Arbeitsverhältnis stand und an den neuen Vertragsarbeitgeber vorher überlassen wurde.
Ein Indiz für einen Rechtsmissbrauch können entsprechende Abreden zwischen dem Zeitarbeitsunternehmen und dem Kunden darstellen, aufgrund derer der Mitarbeiter bis zur Höchstbefristungsdauer an den Kunden überlassen wird, um diesen dann – wiederum nur befristet – einzustellen. Diese Fälle dürften aber eine seltene Ausnahme sein. Abgesehen davon dürfte der für einen Rechtsmissbrauch darlegungs- und beweisbelastete Zeitarbeitnehmer regelmäßig nicht über das Hintergrundwissen über derartige Abreden verfügen, das es ihm ermöglichen würde, überhaupt entsprechende Indizien substantiiert vortragen zu können.
Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass es sich vorliegend um einen „netten Versuch“ des Zeitarbeitnehmers gehandelt hat, sich in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bei dem Kunden einzuklagen, der aber auf Grundlage der vom LArbG Frankfurt angeführten Erwägungen zu Recht gescheitert ist.