Nachfolgend ein Beitrag von Chab, AnwBl 2008, 290-291

Fallvarianten und Handlungsmöglichkeiten

Streitverkündung im Anwaltsregress
Bertin Chab, München
Der Autor ist Rechtsanwalt und bei der Allianz Versicherung München tätig. Der Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.

Schadenersatzansprüche gegen Rechtsanwälte hängen häufig vom Ausgang eines vorangehenden Prozesses ab. Dementsprechend oft kommt es vor, dass die Geltendmachung derartiger Regressansprüche durch eine Streitverkündung eingeleitet und vorbereitet wird. Es herrscht nicht selten erstaunliche Unsicherheit darüber, wie das richtige taktische Verhalten in dieser Situation aussehen kann. Aber auch die Streitverkündung selbst bietet Stolperfallen, wie ein neues BGH-Urteil deutlich aufzeigt. Der Beitrag stellt neben dieser Entscheidung einige Fallvarianten und Handlungsmöglichkeiten dar.

I. Zulässigkeit der Streitverkündung

1. Allgemeine Voraussetzungen

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Streitverkündung regelt § 72 ZPO, die Wirkungen bestimmen sich nach § 74 ZPO. Danach ist eine Streitverkündung immer dann möglich, wenn eine Partei glaubt, bei einem ungünstigen Ausgang des Rechtsstreits einen Anspruch gegen eine dritte Person erheben zu können oder befürchten muss, dass ein Dritter einen Anspruch geltend machen wird. Um für den Folgeprozess eine divergierende Entscheidung zu vermeiden, kann dem Dritten dann der Streit verkündet werden.

Eine Streitverkündung für den Fall einer günstigen Entscheidung ist unzulässig. Wenn also nur einer von mehreren Gesamtschuldnern verklagt wird und sich während eines Prozesses herausstellt, dass gerade gegen diesen Gesamtschuldner die Zwangsvollstreckung erfolglos sein wird, wäre eine Streitverkündung an die weiteren Gesamtschuldner unzulässig, weil eine Inanspruchnahme dieser weiteren Schuldner hier ja nur für den Fall des Obsiegens erfolgen würde.

Die Zulässigkeit der Streitverkündung wird erst im Folgeprozess geprüft. Nur für diesen hat sie letztlich Bedeutung, indem einerseits die Bindung an die tragenden Gründe des Vorprozesses herbeigeführt wird und zum anderen die Hemmung der Verjährung über § 204 I Nr. 6 BGB eine Rolle spielen kann (zu Verjährungsfragen im Zusammenhang mit der Streitverkündung detailliert Bräuer, Streitverkündung und Verjährung, AnwBl 2006, 350). Die Hemmung endet aber wieder sechs Monate nach rechtskräftiger Entscheidung im Vorprozess (§ 204 II 1 BGB). Diese Wirkungen treten nach zulässiger Streitverkündung unabhängig davon ein, ob der Streitverkündungsempfänger dem Streit beitritt oder nicht. Die Bindungswirkung des § 68 ZPO erfolgt allerdings erst ab dem Moment, in dem dem Streitverkündungsempfänger ein Beitritt möglich gewesen wäre (§ 74 III ZPO). Für den Beitritt selbst wird in § 74 I ZPO auf die Regeln der Nebenintervention verwiesen. Dem Streitverkündungsempfänger ist es freigestellt, dem Rechtsstreit beizutreten; er muss auch nicht auf Seiten des Streitverkündenden beitreten, sondern hat auch die Möglichkeit des Beitritts auf der Gegenseite.

2. Zulässigkeit der Streitverkündung während des Vorprozesses gegen einen Notar

Zur Zulässigkeit einer Streitverkündung hat der BGH zuletzt mit Urteil vom 6.12.2007 (– IX ZR 143/06 – NJW 2008, 519) Stellung genommen. Auch dort ging es bezeichnenderweise um Rechtsberaterhaftung. Beklagt war eine Steuerberater- und Wirtschaftsprüfergesellschaft. Diese hatte die Klägerin im Zusammenhang mit einem Ergebnisübernahmevertrag beraten. Zwar wurde der Vertrag notariell beurkundet, aber schließlich nicht ins Handelsregister eingetragen. Außerdem unterblieb auch die notarielle Beurkundung der Zustimmungserklärung durch die Gesellschafter, so dass das Finanzamt den Vertrag für ein Jahr nicht anerkannte, was zu steuerlichen Nachteilen für die Klägerin bzw. deren Gesellschafter führte. Im Vorprozess hatte die Klägerin zunächst den Notar in Anspruch genommen und der Steuerberater- und Wirtschaftsprüfergesellschaft den Streit verkündet; diese war auf Seiten der Klägerin beigetreten. Die Klage wurde als „derzeit unbegründet“ abgewiesen, weil das Gericht davon ausging, dass vorrangige Schadenersatzansprüche gegen die Steuerberatungsgesellschaft bestünden und der Notar nach § 19 I 2 BNotO lediglich subsidiär haftet. Bei Klageerhebung gegen die Steuerberater waren die Schadenersatzansprüche trotz der Streitverkündung bereits verjährt. Diese war nämlich gleich aus zwei Gründen unzulässig. Der Anspruch der Klägerin (genauer: der Anspruch der Gesellschafter, die diesen jeweils an die Klägerin abgetreten hatten) bestand unabhängig von der subsidiären Notarhaftung. Solche Fälle werden, so der BGH in den Gründen, nicht von § 72 ZPO erfasst. Lediglich der umgekehrte Fall sei denkbar. Wird im Vorprozess gegen den Dritten dem Notar der Streit verkündet, sei der Ausgang dieses Prozesses präjudiziell für die Frage der Haftung des Notars. Hier aber gebe es eine solche Abhängigkeit des Folgeanspruchs nicht, so dass sich die Streitverkündung als unzulässig erweise.

Außerdem führe es zur Unzulässigkeit, dass die Streitverkündungsschrift keinen Grund für die Streitverkündung angab. Konkret ging es darum, dass nicht klargestellt wurde, dass aus abgetretenem Recht vorgegangen wurde. Beide Unzulässigkeitsgründe führten dazu, dass die Streitverkündung keinen Einfluss auf den Lauf der Verjährungsfrist hatte und so Verjährung gegen die Steuerberater bei Klageerhebung bereits eingetreten war. Daran ändert sich nach Ansicht des IX. ZS des BGH auch dadurch nichts, dass – wie geschehen – der Streitverkündungsempfänger im Vorprozess beitritt.

II. Handlungsalternativen des Streitverkündungsempfängers

1. Informelle Unterstützung ohne Streitbeitritt

Eine Streitverkündung kann durch den Streitverkündungsempfänger also zunächst einmal in der Weise quittiert werden, dass dieser überhaupt nichts unternimmt. Er kann dann natürlich auch keinen Einfluss nehmen. Solange aber der Prozess durch die potentiell zu unterstützende Partei ordentlich geführt wird, wäre eine solche Einflussnahme weder notwendig noch sinnvoll. Der Streitverkündungsempfänger muss sich nicht einmischen und daher auch nicht vorzeitig auf bestimmte Einlassungen festlegen.

Insbesondere wäre es sinnlos, dem Streit beizutreten, um Fragen zu erörtern, die nur das Innenverhältnis zwischen der streitverkündenden Partei und dem Streitverkündungsempfänger betreffen. Erwähnt die Streitverkündungsschrift, dass ein Regressanspruch möglich ist, weil der Anwalt einen Beratungsfehler begangen habe, so hat es keinen Sinn, dem Streit beizutreten, um bereits hier vorzutragen, die Beratung sei korrekt erfolgt. Es wird immer wieder übersehen, dass derlei Fragen allein im Folgeprozess geklärt werden können.

Streitverkündungen gegen Anwälte kommen häufig vor, wenn die inzwischen anderweitig vertretene Partei einen Aktivprozess führt, in dessen Verlauf der Gegner die Einrede der Verjährung erhebt. Es liegt dann natürlich nahe, dem früher tätigen Anwalt vorzuwerfen, er habe bereits die Klage früher einreichen oder mindestens den Mandanten auf die drohende Verjährung hinweisen müssen. Um hier die Bindungswirkung des Vorprozesses insbesondere zur Verjährungsfrage für einen eventuellen Haftpflichtprozess zu erreichen, wird also der Streit durch den Kläger verkündet, in der Regel verbunden mit der Aufforderung, diesem im Prozess beizutreten.

Wenn der Kläger rechtlich und tatsächlich vollständig und fehlerlos zur Verjährungsfrage vorträgt, besteht für den in Regress genommenen Anwalt keine Veranlassung zu einem solchen Streitbeitritt, denn er kann hier nicht weiter unterstützend tätig werden. Dann wäre ein Beitritt allenfalls aus formellen Gründen sinnvoll, um über das Gericht von allen Vorgängen informiert zu bleiben und Schriftsätze zugestellt zu erhalten. Sind die Fronten noch nicht allzu verhärtet, ist das aber auch auf anderen informellen Wegen möglich. So sollte die Bitte unter Kollegen, vom Rechtsstreit jeweils zeitnah durch Übersendung der Schriftsätze, gerichtlichen Verfügungen und Entscheidungen notfalls gegen entsprechende Kopiekostenerstattung unterrichtet zu werden, Gehör finden. Auf dem gleichen – informellen Weg – kann die streitverkündende Partei auch unterstützt werden, indem man noch Ideen und Informationen austauscht, die dann durch diese Partei in den Prozess eingeführt werden können.

2. Beitritt auf Seiten des Anspruchstellers

Ist dieser Weg nicht gangbar und muss der Streitverkündungsempfänger fürchten, dass der Kläger den Prozess im Hinblick auf die Verjährungsfrage nachlässig führt, wird er auf dessen Seite beitreten, wenn begründete Aussichten bestehen, dass der Anspruch des ehemaligen Klägers tatsächlich nicht verjährt ist. So wird vielleicht gerade der vorgerichtlich tätige Anwalt zu Verhandlungen zwischen den Parteien und einer damit einhergehenden Verjährungshemmung dezidiert Stellung nehmen können. Darüber hinaus wird er sich aber zurückhalten (müssen). Würde er die Partei auch in den materiell-rechtlichen Fragen unterstützen, also zur Begründetheit des Anspruches selbst weiter vortragen, verstieße er gegen seine eigenen Interessen. Steht nämlich am Ende des Vorprozesses fest, dass die Ansprüche des Mandanten verjährt sind und ist dies dem Streitverkündungsempfänger zuzurechnen, hängt der Schadenersatzanspruch des ehemaligen Mandanten davon ab, ob dieser seine Forderung bei rechtzeitiger gerichtlicher Geltendmachung auch tatsächlich durchgesetzt hätte. Im möglicherweise sich anschließenden Haftpflichtprozess schlüpft der in Anspruch genommene Anwalt gleichsam in die Rolle des Gegners des Anspruchstellers aus dem Vorprozess.

3. Beitritt auf der Gegenseite

Das führt im Falle der Streitverkündung zu einer Option, die auch erfahrene Rechtsanwälte oft nicht berücksichtigen: der Streitverkündungsempfänger kann dem Streit auch wie oben bereits erwähnt auf der Seite der Partei beitreten, die den Streit gar nicht verkündet hat. Wenn man also im erwähnten Beispiel bleibt (Verjährungseinrede des Beklagten im Vorprozess und Streitverkündung gegenüber dem ehemals tätigen Anwalt durch den Kläger), könnte der Anwalt auch auf der Seite des Beklagten beitreten. Dies empfiehlt sich dann, wenn er die Verjährungseinrede für berechtigt hält, aber die Ansprüche des ehemaligen Mandanten für materiell-rechtlich eher aussichtslos. Indes: Greift die Verjährungseinrede, wird das Gericht über die materiell-rechtlichen Fragen nicht weiter entscheiden. Die Beurteilung würde sich ggf. ohnehin in den Haftpflichtprozess verlagern. Greift die Verjährungseinrede nicht, ist es letztlich gleichgültig, wie die Sache entschieden wird, weil es dann bereits an einer Pflichtverletzung, zumindest aber an einem Schaden für einen Regressanspruch fehlt. Insofern erscheint diese Option im Grunde genommen nur im Kosteninteresse interessant.

4. Weitere Beispiele für Streitverkündungen gegen Anwälte

Neben dem angeführten Beispiel der Verjährungseinrede im Vorprozess gibt es etliche Konstellationen, in denen eine Streitverkündung gegen Anwälte wegen eines möglichen Regressanspruches vorgenommen wird:

• ein vormals tätiger Anwalt hat eine Kündigung ausgesprochen, über deren Wirksamkeit nun Streit besteht,

• ein Schadenersatzanspruch soll möglicherweise deshalb nicht begründet sein, weil der vorher tätige Anwalt gar keine oder jedenfalls keine wirksame Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung vorgenommen hatte,

• ein Mieterhöhungsverlangen des zuvor tätigen Anwalts droht an formellen Voraussetzungen zu scheitern,

• der außergerichtlich tätige Anwalt hatte einen Vertrag entworfen, der sich wegen eines Formfehlers (z. B. notarielle Beurkundungspflicht) als unwirksam herausstellt,

• ein Anwalt hatte einen Vertrag entworfen oder an einem Vergleich mitgewirkt; nunmehr besteht Streit zwischen den Vertragsparteien um die Auslegung einer Klausel.

In allen diesen Fällen ist die Streitverkündung gegen den möglicherweise haftenden Anwalt absolut sinnvoll. Wer als Prozessbevollmächtigter den Prozess führt, sollte also darauf achten, die Rechte des Mandanten hier in geeigneter Form wahrzunehmen, auch wenn er den Folgeprozess gegen die Kollegin oder den Kollegen unter keinen Umständen führen würde. Der Streitverkündungsempfänger wiederum sollte das nicht Affront betrachten, sondern die Frage des Beitritts in Ruhe und in Abstimmung mit dem Haftpflichtversicherer durchdenken, dem die Angelegenheit ohnehin spätestens nach Zustellung einer Streitverkündung zu melden ist (vgl. BGH, NJW 2003, 2376).