Mühlhausen. Der Streit um eine Kirchenglocke und Holzgemälde beschäftigte das Landgericht Mühlhausen. Klägerin war „Die Kilianikirche“ – Stiftung für Kunst und Kultur in Mühlhausen, die vor mehr als 10 Jahren die massiv Einsturz gefährdete Kilianikirche von einer Immobiliengesellschaft käuflich erworben und umfänglich saniert hatte. Seit dieser Zeit ist die 3K-Theaterwerkstatt unentgeltlicher Nutzer eben dieser zu einer Theaterspielstätte umgebauten Kirche. Zuvor stand die Kirche im Eigentum der ehemaligen PGH Autoflott, die das Areal einschließlich Kirche als Autowerkstatt, Ersatzteillager und zu Bürozwecken genutzt hatte.

Gegenstand des Rechtsstreites waren die teilweise Jahrzehnte zurück liegenden Verkaufsvorgänge, insbesondere derjenige noch zu DDR-Zeiten, innerhalb dessen nach Aufgabe der kirchlichen Nutzung die Kirche an die PGH Autoflott übertragen worden ist. Der Kaufvertrag war zunächst nicht auffindbar. Im Rahmen dessen hatte sich die evangelische Kirche als Voreigentümerin in einem nicht beurkundeten Zusatzprotokoll die Rechte an der Kirchenglocke und an den Holzgemälden vorbehalten und jüngst völlig überraschend die heutige Eigentümerin darauf hingewiesen. Diese, vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden RA Carsten Oehlmann, wollte sich das nicht gefallen lassen und erhob daraufhin negative Feststellungsklage, innerhalb derer durchaus interessante Rechtsfragen einer Klärung zugeführt werden mussten.

Die Klägerin vertrat hierbei die Auffassung: Wenn die PGH Autoflott das in Rede stehende Objekt vor dem 01.01.1976 gekauft hätte, hätte zu dieser Zeit noch das BGB und insbesondere dessen Formvorschrift des § 313 BGB gegolten. In diesem Falle hätte das Zusatzprotokoll der notariellen Beurkundung bedurft. Zudem teilen wesentliche Bestandteile des Grundstückes eben auch das Schicksal des Grundstückes (§§ 93, 94 BGB 1954), wenn und soweit die in Rede stehenden Gegenstände als wesentliche Bestandteile anzusehen gewesen wären. In diesem Falle wäre trotz des Zusatzprotokolls gleichwohl ein Eigentumserwerb durch die PGH „Autoflott“ erfolgt. Ungeachtet dessen wäre es jedoch bei der Formunwirksamkeit des so genannten Zusatzprotokolls verblieben, so dass auch aus diesen Gründen ein Herausgabeanspruch der Beklagten vollständig scheitern würde.

Wenn die PGH „Autoflott“ das Grundstück nach dem 01.01.1976 unter Geltung des Zivilgesetzbuches der DDR erworben hätte, hätte auch hier gemäß § 297 I 2 ZGB das Protokoll der notariellen Beurkundung bedurft. Auch nach ZGB sind nämlich wesentliche Bestandteile eines Grundstückes ausdrücklich nicht sonderrechtsfähig, vgl. hierzu § 467 III ZGB. Das Protokoll wurde nicht beurkundet, daher sei es formunwirksam. Ein Anspruch auf Herausgabe der in Rede stehenden Gegenstände bestehe also auch dann nicht, wenn der Grundstückserwerb nach dem 01.01.1976 erfolgt ist.

Sollten die in Rede stehende Glocke und die Bilder wiederum nicht als wesentliche Bestandteile des Grundstücks anzusehen sein, so wären diese Zubehör. Dann wären diese sonderrechtsfähig sowohl nach § 97 BGB, als auch nach § 468 ZGB, so dass es einer notariellen Beurkundung der Zusatzvereinbarungen nicht bedurft hätte.

Gegen die PGH „Autoflott“ wäre ein etwaiger Herausgabeanspruch jedoch spätestens Ende 1989 verjährt gewesen. Die Immobiliengesellschaft wäre sodann sog. Besitznachfolger der PGH „Autoflott“ geworden. Aber selbst wenn man unter der Geltung des BGB eine Verjährungszeit von 30 Jahren annehmen wollte, wäre die Zeit, in der ein möglicher in Rede stehender Anspruch bereits zu Zeiten der Eigentümerstellung der PGH „Autoflott“ verjährt war, dem Nachfolger anzurechnen, vgl. insoweit §§ 221 a.F., 198 n.F. BGB. In diesem Fall wäre jeglicher Herausgabeanspruch  gegenüber der Immobiliengesellschaft spätestens Ende 2009 verjährt gewesen, sollte er denn jemals bestanden haben. Erst Recht gelte dies dann natürlich für die heutige Eigentümerin.

Die Klägerin hatte die vor dem Einsturz bedrohte Kilianikirche käuflich von der Immobiliengesellschaft erworben und damit nach Auffassung der Klägerin auch die dort enthaltene Glocke sowie die von der Beklagten so genannten „Holzbilder“ der Emporenbrüstung. Gerade Letztere waren wesentlicher (auch konstruktiver) Bestandteil der gesamten Emporenbrüstung. Diese stellten zudem hinsichtlich der Thematik eine künstlerische Einheit mit der bemalten Barock-Holzdecke des Tonnengewölbes im Inneren der Kilianikirche dar. Durch die „Die Kilianikirche“ – Stiftung für Kunst und Kultur wurden erhebliche finanzielle Mittel in die Konservierung und Restaurierung des Gesamtensembles aus Bildern und Deckengemälde getätigt. Selbst wenn also – wie nicht – ein solcher Herausgabeanspruch der Beklagten bestehen würde, bestünde ein Zurückbehaltungsrecht jedenfalls so lange, wie die Beklagte einen entsprechenden Aufwendungsersatz geleistet hätte. Das jedenfalls sollte die beklagte evangelische Kirche ein wenig abschrecken, denn ohne einige tausend Euro auf den Tisch zu legen, wäre im Ernstfall des Herausgabeverlangens dieses nicht erfüllt worden. Und was will man schon mit einer Kirchenglocke oder mit Holzgemälden, die genau passend für die Kilianikirche hergestellt worden sind, in einer anderen Einrichtung?

Zu dem Gerichtstermin erschienen neben Vertretern der Klägerin auch solche der beklagten evangelischen Kirche, die sogar einen sog. Glockensachverständigen mitbrachten. Dieser sollte Ausführungen dazu tätigen, dass die Glocke ohne Beschädigung des als Einzeldenkmal geschützten Kirchengebäudes herausnehmbar sei und damit kein wesentlicher Bestandteil. Auch sei ein etwaiger Herausgabeanspruch nicht verjährt, denn die Verjährung dieses Herausgabeanspruches begänne erst mit der Geltendmachung eben dieses Anspruches. Dem wurde naturgemäß seitens der Klägerin vehement widersprochen.

Nachdem das zu einer Entscheidung berufene Gericht seine Rechtsauffassung zum Ausdruck gebracht hatte, die in wesentlichen Teilen die Auffassung der Klägerin bestätigte, signalisierte diese insbesondere aus Gründen einer Befriedung des Streitverhältnisses Einigungsbereitschaft, wenn und soweit ein Anerkenntnis hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse zugunsten der „Die Kilianikirche“ – Stiftung für Kunst und Kultur erfolge. Auch die beklagte evangelische Kirche ließ Einigungsbereitschaft in diesem Sinne erkennen, Geld wollte man ja auch nicht in die Hand nehmen müssen. Letztlich konnte auf dieser Basis dann ein Vergleich erzielt werden, die Stiftung zahlte noch einen Anerkennungsbetrag in Höhe von 1.000 € an die evangelische Kirche als Spende und die Kosten des Rechtsstreites und des Vergleichs wurden gegeneinander aufgehoben. Damit konnte insbesondere für die Stiftung als Eigentümerin dauerhafte Rechtssicherheit erlangt werden.

Streit um eine Kirchenglocke
Carsten OehlmannRechtsanwalt
  • Fachanwalt für Steuerrecht
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Fachanwalt für Erbrecht
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