Nachfolgend ein Beitrag vom 14.09.2016 von Göhle-Sander, jurisPR-ArbR 37/2016 Anm. 1

Orientierungssatz zur Anmerkung

Ein Elternzeitverlangen per Telefax oder E-Mail wahrt nicht die von § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG vorgeschriebene Schriftlichkeit der Erklärung. Die nicht formgerechte Inanspruchnahme der Elternzeit hindert das Eingreifen des Kündigungsverbots nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG. Das Berufen des Arbeitgebers auf den Schriftformmangel kann rechtsmissbräuchlich sein.

A. Problemstellung

Ist die wirksame Inanspruchnahme von Elternzeit nach § 16 Abs. 1 BEEG an die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform i.S.v. § 126 Abs. 1 BGB gebunden?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Entscheidung befasst sich mit dem auf das Kündigungsverbot des § 18 Abs. 1 BEEG gestützten Kündigungsschutzbegehren einer in der Anwaltskanzlei des Beklagten seit Januar 2012 beschäftigten RA-Fachangestellten.
Die Klägerin, die wegen einer Ende April 2013 vor dem Arbeitsgericht gütlich beigelegten Auseinandersetzung seit Ende August 2012 nicht mehr für den Beklagten tätig geworden war, befand sich seit dem 05.04.2013 in Mutterschutz. Als voraussichtlicher Entbindungstermin war der 17.05.2013 bescheinigt worden. Am 26.05.2013 wurde ihre Tochter geboren. Am 10.06.2013 übersandte sie dem Beklagten ein Telefax mit dem Betreff „Elternzeit“ und folgendem Inhalt:
„…hiermit teile ich ihnen meine Elternzeit wie folgt mit. Ich werde meine Elternzeit (Mutterschutz) 2 Jahre in Anspruch nehmen! Bitte veranlassen sie alles Notwendige!“
Mit Schreiben vom 15.11.2013 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 15.12.2013, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.
Mit ihrer beim ArbG Frankfurt/Main anhängig gemachten Kündigungsschutzklage machte die Klägerin die Nichtigkeit der Kündigung nach § 18 Abs. 1 BEEG i.V.m. § 134 BGB geltend. Das per Fax übersandte Elternzeitverlangen hielt sie für ausreichend, die Berufung des Beklagten auf die Formunwirksamkeit des Elternzeitverlangens jedenfalls für treuwidrig. Zudem habe ihr Ehemann, so ihre Behauptung, das von ihr unterzeichnete Originalschreiben an den Beklagten adressiert und in einen Postbriefkasten geworfen.
Die Vorinstanzen haben die Klage für begründet erachtet, weil sich die Klägerin im Kündigungszeitpunkt wirksam in Elternzeit befunden habe. Insbesondere sei das in Textform verfasste Elternzeitverlangen formgerecht und inhaltlich bestimmt genug erklärt worden.
Das BAG ist dem nicht gefolgt. Unter Heranziehung des Wortlauts des § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG in der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung – die auf den Streitfall gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BEEG zur Anwendung kommt – sowie der Gesetzeshistorie und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vorschrift gelangt das BAG zu dem Schluss, dass die wirksame Inanspruchnahme von Elternzeit an die strenge Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB gebunden ist, so dass eine Elternzeitanzeige per Telefax oder E-Mail nicht zum Eingreifen des Kündigungsverbots ab dem Zeitpunkt führt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist (§ 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG). Dass das Originalschreiben vom 10.06.2013 dem Beklagten zugegangen war, hält das BAG nach den konkreten Umständen des Falles nicht für genügend dargelegt. Ebenso wenig ließen sich Umstände feststellen, wonach das Berufen des Beklagten auf die fehlende Schriftform des Elternzeitverlangens sich als rechtsmissbräuchlich darstellt. Die über Wochen fehlende Aufforderung des Beklagten zur Arbeitsaufnahme nach der Geburt des Kindes durfte die Klägerin nach Ansicht des BAG für sich allein nicht dahingehend verstehen, dass der Beklagte von einer wirksamen Inanspruchnahme von Elternzeit ausging, zumal ohne die Mitteilung des genauen Geburtstermins der Zeitpunkt des Auflebens der Arbeitspflicht der Klägerin nach dem mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbot (§ 6 MuSchG) für den Beklagten nicht festgestanden habe.

C. Kontext der Entscheidung

Die Auslösung des besonderen Kündigungsschutzes nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG für Arbeitnehmer, die Elternzeit verlangen, ist an die wirksame Inanspruchnahme der Elternzeit vor dem Zugang der Kündigungserklärung geknüpft. Das in § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG a.F. erwähnte Elternzeitverlangen meint die in § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG a.F. normierte Elternzeitinanspruchnahme, die schriftlich vom Arbeitgeber verlangt werden muss. Schon der Wortlaut spricht dafür, dass für diese rechtsgestaltende Willenserklärung (mit Beginn der Elternzeit ruht das Arbeitsverhältnis: BAG, Urt. v. 19.04.2005 – 9 AZR 233/04) die gesetzliche Schriftform des § 126 BGB einzuhalten ist. Diese setzt die eigenhändige Unterzeichnung der in einer Urkunde niedergelegten Erklärung durch Namensunterschrift des Ausstellers oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens voraus. Eine per Telefax übermittelte schriftliche Erklärung reicht nicht, da die beim Empfänger eingehende Telekopie lediglich die Ablichtung der Originalunterschrift wiedergibt (BAG, Urt. v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14). Das Schriftformerfordernis wurde erst mit Wirkung vom 01.01.2001 in § 16 Abs. 1 Satz 1 BErzGG aufgenommen, nachdem die Wahlmöglichkeiten für Eltern, Elternzeit gemeinsam, abwechselnd und auf verschiedene Zeiträume verteilt zu nehmen, erheblich erweitert worden waren. Die gesetzliche Formvorschrift der Textform (§ 126b BGB), wonach schriftliche Erklärungen u.a. per Telefax oder E-Mail (ohne qualifizierte elektronische Signatur) ermöglicht werden, existiert im BGB seit August 2001. Es gibt aber keine Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber, der das BEEG seit 2001 mehrfach geändert und neu gefasst hat, für die Schriftlichkeit des Elternzeitverlangens die Textform genügen lassen will, ohne dies – wie etwa in § 613a Abs. 5 BGB – ausdrücklich kenntlich zu machen (vgl. LArbG Stuttgart, Urt. v. 20.01.2015 – 6 Sa 49/14). Dies gilt umso mehr, als die Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 27.04.2004 – 9 AZR 21/04; Urt. v. 26.06.2008 – 2 AZR 23/07) weithin dahin verstanden wurde, dass § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG auf die Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB verweist (so etwa Bader in: KR, 11 Auflage, § 18 BEEG Rn.44; Tillmanns in: Tillmanns/Mutschler, BEEG/MuSchG, § 16 BEEG Rn. 5; LArbG Hamm, Urt. v. 25.07.2012 – 3 Sa 386/12; LArbG Mainz, Urt. v. 20.10.2014 – 2 Sa 114/14; LArbG Stuttgart, Urt. v. 20.01.2015 – 6 Sa 49/14; zu § 3 PflegeZG ebenso Gallner in: ErfKomm, 16. Aufl., § 3 PflegeZG Rn. 2). Beide Entscheidungen des BAG hatten sich allerdings nicht explizit mit einem Elternzeitverlangen per Telefax, sondern mit einem mündlichen Verlangen bzw. mit der Auslegung einer schriftlichen Erklärung auseinanderzusetzen, so dass das BAG jetzt Anlass hatte, seine Rechtsprechung weiter zu präzisieren.
Entscheidend für die Frage der Bedeutung des Schriftformerfordernisses (strenge gesetzliche Schriftform oder Textform) bzw. dessen Rechtsfolge (Nichtigkeit des in Rede stehenden Rechtsgeschäfts nach § 125 BGB oder nicht konstitutive Formvorschrift) ist der Normzweck der Vorschrift (Preis in: ErfKomm, §§ 125-127 BGB Rn. 13, 31; Junker in: jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 125 BGB Rn. 58). Aus der Gesetzesbegründung für die Einführung des Schriftformerfordernisses in § 16 Abs. 1 BErzGG, die auf die Verbesserung der Übersicht der Arbeitsvertragsparteien über Lage und Dauer der Elternzeit abstellt (BT-Drs. 14/3553, S. 22), und aus der vom BAG in seiner Entscheidung vom 26.06.2008 betonten Funktion der Klarstellung, ob Elternzeit oder eine andere Form der Arbeitsbefreiung geltend gemacht wird, wird zum Teil abgeleitet, dass eine schriftliche Mitteilung auch in Textform ausreicht (so die Vorinstanz LArbG Frankfurt, Urt. v. 08.01.2015 – 9 Sa 1079/14; Brors, RdA 2005, 51; Gaul in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, 7. Aufl., § 16 BEEG Rn. 1; Kohte/Müller, jurisPR-ArbR 41/2009 Anm. 4). Nunmehr hebt das BAG die Schutz- und Warnfunktion für den Arbeitnehmer hervor, der vor einem unüberlegten Elternzeitverlangen, das zum Wegfall der Vergütung führt, geschützt werden soll (so auch LArbG Mainz, Urt. v. 20.10.2014 – 2 Sa 114/14; LArbG Stuttgart, Urt. v. 20.01.2015 – 6 Sa 49/14). Die Einhaltung der strengen gesetzlichen Schriftform soll eine gewisse Hürde für die Willenserklärung schaffen und nicht deren vereinfachte und beschleunigte Abgabe ermöglichen (BAG, Urt. v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14). Die bloße Textform reicht demgegenüber nur aus, wenn die Warn- und Beweisfunktion keine wesentliche Rolle spielen (Preis in: ErfKomm, §§ 125-127 BGB Rn. 13). Gerade dies trifft auf das Elternzeitverlangen nicht zu.
Der Formmangel des Elternzeitverlangens kann nur ausnahmsweise nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) überwunden werden. Die Erfüllung der Voraussetzungen der Verwirkung reicht nicht aus, um die Formvorschrift nicht auszuhöhlen (BGH, Urt. v. 16.07.2004 – V ZR 222/03 – NJW 2004, 3330). Es müssen Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Arbeitgebers in hohem Maße als widersprüchlich erscheinen lassen (BAG, Urt. v. 17.12.2015 – 6 AZR 709/14). Dies ist z.B. der Fall, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durchgehend wie einen Elternzeitberechtigten behandelt hat (Bader in: KR, § 18 BEEG Rn. 44). Dies war im Streitfall nicht gegeben.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung klärt für § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG in der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung die Bedeutung des Schriftformerfordernisses für das Elternzeitverlangen. Die dazu angeführten Argumente gelten in gleicher Weise für die seit dem 01.01.2015 geltende Norm, die in ihrem Kern, soweit hier von Interesse, unverändert ist. Jeder Arbeitnehmer, der Elternzeit in Anspruch nehmen will, ist gehalten, sein Verlangen dem Arbeitgeber in der gesetzlichen Schriftform des § 126 BGB zugehen zu lassen. Dies mag umständlich und vielleicht sogar antiquiert erscheinen. Fax und E-Mail verführen aber – auch dies zeigt der Streitfall exemplarisch – zu nachlässig verfassten, oberflächlichen und unsorgfältigen Elternzeitmitteilungen. Die von Gesetzgebung und Rechtsprechung erzwungene „Entschleunigung“ kann daher durchaus ihr Gutes haben.