Orientierungssatz zur AnmerkungDie Weiterleitung von Betriebsgeheimnissen auf ein privates E-Mails-Konto mit dem Ziel von Wettbewerbstätigkeiten ermächtigt den Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
A. Problemstellung
Das Sich-Verschaffen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch Mitarbeiter wird oftmals noch als Kavaliersdelikt angesehen. E-Mail, Internet und USB-Sticks machen es heutzutage einfach, umfassende Datenbestände eines Unternehmens zu entwenden. Im Zusammenhang mit dem Wechsel des Arbeitgebers kommt es dadurch immer wieder zum Verlust wichtiger Unternehmensinformationen. Oftmals kann der Arbeitgeber die Mitnahme von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen gar nicht oder erst durch Einsatz von IT-Forensikern nachweisen. Zum Teil versuchen ausscheidende Mitarbeiter jedoch, sich Geschäftsgeheimnisse durch bloßes Weiterleiten betrieblicher E-Mails auf private E-Mail-Konten zu verschaffen. Dies kann meist unschwer nachgewiesen werden und, wie das Urteil des ArbG Düsseldorf zeigt, zu einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der klagende Arbeitnehmer war seit Januar 2011 bei der Beklagten als Sales Consultant beschäftigt. Seine Aufgabe bestand darin, Kunden telefonisch zu akquirieren und zu betreuen. Die Beklagte erteilte dem Kläger zwei Abmahnungen. Sie rügte hierin einen Verstoß gegen die geltenden Kommunikationsregeln und die Verletzung der Pflicht, bei Preisverhandlungen die Interessen des Unternehmens zu wahren. Außerdem verweigerte die Beklagte die Zahlung der Provision für einen Kunden, der ihm im Nachgang zur Erteilung der Abmahnungen entzogen wurde. Die Provision stehe ihm nicht zu, weil sich der Kunde beschwert habe und nur aufgrund telefonischer und E-Mail-Intervention eines Zeugen zur Platzierung des Auftrages bereit gewesen sei.
Im Anschluss kam es zu einem Streit zwischen dem Kläger, seinem Vorgesetzten und weiteren Personen. Inhalt und Ablauf des „eskalierten“ Streites sind zwischen den Parteien streitig. Der Kläger kam jedoch unstreitig auf eine mögliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu sprechen und stellte zudem „dreckige“ Rechtsstreitigkeiten in Aussicht. Die Beklagte kündigte dem Kläger daraufhin fristlos, hilfsweise ordentlich.
Am Folgetag äußerten zwei Kollegen des Klägers gegenüber der Beklagten die Absicht, ihr Arbeitsverhältnis zu kündigen. Aufgrund dieses Verhaltens hatte die Beklagte den Verdacht des Wettbewerbs und entschied sich aufgrund dieses Verdachts, Einsicht in die E-Mails des Klägers zu nehmen. Sie stellte daraufhin fest, dass der Kläger in den letzten zwei Wochen vor Ausspruch der fristlosen Kündigung diverse dienstliche E-Mails an seine private Adresse weitergeleitet hatte, darunter insbesondere sogenannte Inventar- und Potenziallisten mit mehreren tausend Datensätzen mit Kontaktdaten von Bestands- bzw. Zielkunden der Beklagten. Diese enthielten genaue Angaben zu der Firmierung des Kunden, den Kontaktdaten, des Ansprechpartners, der Branche sowie zu der Anzahl der bislang platzierten Aufträge. Darüber hinaus enthielten die E-Mails vertrauliche Vertriebs- und Marketingkonzepte. Die Potenziallisten enthielten Daten über Unternehmen, die in der Vergangenheit bei anderen Portalen oder in anderen Medien Anzeigen schalteten.
Die Beklagte forderte den Kläger auf, eine Verpflichtungs- und Unterlassungserklärung abzugeben. Der Kläger kam der Aufforderung nach. Er griff die fristlose Kündigung an, verlangte die Entfernung zweier Abmahnungen aus seiner Personalakte, forderte die Zahlung weiterer Provisionen und verlangte darüber hinaus Auskunft über bestimmte erzielte Umsätze. Das Arbeitsgericht bejahte lediglich die geltend gemachten Zahlungsansprüche, wies die Kündigungsschutzklage, den Anspruch auf Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte und den Auskunftsanspruch jedoch ab.
Die fristlose Kündigung sei jedenfalls als verhaltensbedingte Verdachtskündigung wirksam. Aus der unstreitig erfolgten Weiterleitung der E-Mails an den privaten Account und deren Inhalt habe die Beklagte zu Recht den dringenden Tatverdacht herleiten können, dass er in Wettbewerb zu der Beklagten treten möchte. Der Vortrag des Klägers, er habe sich die E-Mails zur Vorbereitung eines möglichen Rechtsstreites gegen die Beklagte weitergeleitet, überzeuge nicht. Dem Arbeitnehmer sei während des rechtlichen Bestehens des Arbeitsverhältnisses jegliche Konkurrenztätigkeit untersagt.
Die Beklagte habe diese Gründe auch nachschieben können, da sie hiervon erst nach Ausspruch der Kündigung erfahren habe. Eine Anhörung in Bezug auf die nachgeschobenen Kündigungsgründe sei nicht erforderlich gewesen, da eine Kündigung ohnehin nicht mehr habe vermieden werden können, da sie bereits ausgesprochen worden sei.In Bezug auf die Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte stellte das Arbeitsgericht darauf ab, dass nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Regel kein Anspruch auf Entfernung von Abmahnungen aus dem Arbeitsverhältnis bestehe. Es fehle insoweit an einem schützenswerten Interesse des Arbeitnehmers.
C. Kontext der Entscheidung
Der Entscheidung ist ohne Einschränkungen zuzustimmen. Das Sich-Verschaffen von Geschäftsgeheimnissen in Form von Datensätzen zu Bestands- und Zielkunden aus Wettbewerbsgründen stellt einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB dar. Zunächst verweist das Arbeitsgericht zutreffend darauf, dass die Beklagte, die erst nach Ausspruch der Kündigung Kenntnis von den weitergeleiteten E-Mails erlangte, diesen Sachverhalt als Kündigungsgrund nachschieben konnte. Dabei ist zu beachten, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis als außerordentliche Verdachtskündigung beendet hat. Die außerordentliche Verdachtskündigung erfordert, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung im Rahmen einer Anhörung Gelegenheit gibt, den Verdacht auszuräumen.Ist die außerordentliche Kündigung jedoch bereits ausgesprochen, sieht das BAG hinsichtlich der nachgeschobenen Gründe für eine Verdachtskündigung kein Anhörungserfordernis (BAG, Urt. v. 23.05.2013 – 2 AZR 102/12). Dementsprechend hat das Arbeitsgericht die Wirksamkeit der Kündigung folgerichtig nicht an der fehlenden Anhörung des Arbeitnehmers scheitern lassen. Zu bemerken ist an dieser Stelle, dass im Falle des Bestehens eines Betriebsrates eine erneute Anhörung nach § 102 BetrVG hinsichtlich des nachzuschiebenden Kündigungssachverhaltes durchgeführt werden sollte.
Hinsichtlich der Qualität der weitergeleiteten Daten hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass die vom Kläger an sein privates E-Mail-Konto versendeten Kundendaten geeignet sind, die Ausübung von Wettbewerbshandlungen gegenüber der Beklagten zu ermöglichen. Auch bejaht das Arbeitsgericht den dringenden Tatverdacht hinsichtlich einer zumindest geplanten Nutzung dieser Daten zu Wettbewerbszwecken. Der Einlassung des Klägers, er habe die Daten zur späteren Rechtsverteidigung gegenüber der Beklagten benötigt, schenkt das Gericht keinen Glauben. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, wie Informationen zu potentiellen Kunden der Beklagten dem Kläger in möglichen rechtlichen Auseinandersetzungen mit der Beklagten helfen sollen. Überzeugend stellt das Arbeitsgericht dar, dass der Kläger durch sein Verhalten die Absicht, Wettbewerbsaktivitäten zu entfalten, zum Ausdruck gebracht habe. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber unmittelbar vor Ausspruch der Kündigung sei ein solches Ansinnen offenbar geworden. Zutreffend bejaht das Arbeitsgericht daher das Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.v. § 626 BGB.
Der Kläger hat nicht etwa ausnahmsweise E-Mails an seinen privaten E-Mail-Account weitergeleitet, etwa um diese zu Hause weiterzubearbeiten. In solchen Bagatellfällen ist die Rechtsprechung geneigt, eine Kündigung wegen Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflichten zu verneinen (vgl. z.B. LArbG Hamm (Westfalen), Urt. v. 16.01.2012 – 7 Sa 1201/11: „Die einmalige Weitergabe einer dienstlich erhaltenen E-Mail an das eigene private E-Mail-Fach eines Arbeitnehmers stellt für sich gesehen keinen Grund für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung dar.“). Der Kläger hat sich vielmehr Kundeninformationen in erheblichem Umfang verschafft und seine Absicht zur Entfaltung von Wettbewerbstätigkeiten manifestiert, sodass eine schwerwiegende Pflichtverletzung vorliegt. Die dementsprechende Bejahung der Wirksamkeit der Kündigung durch das Arbeitsgericht wird auch durch § 17 UWG gestützt.
Der mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegende Verstoß gegen § 17 UWG belegt die Schwere der Pflichtverletzung. § 17 UWG stellt das Entwenden von Geschäftsgeheimnissen zu Zwecken des Wettbewerbs unter Strafe. Sofern man das Vorliegen eines wettbewerbsbezogenen Handelns bejaht, sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 17 UWG, der auch den bloßen Versuch unter Strafe stellt, erfüllt. Kundenlisten unterfallen regelmäßig dem Begriff der Geschäftsgeheimnisse (BAG, Urt. v. 30.09.2014 – 3 AZR 613/12), sodass auch die streitgegenständlichen Daten unter den Schutzbereich des § 17 UWG fallen. Der Kläger hat sich diese Geschäftsgeheimnisse i.S.v. § 17 Abs. 2 Nr. 1 lit. a UWG auch durch Anwendung technischer Mittel verschafft, da er die in Dateien verkörperten Geschäftsgeheimnisse per E-Mail auf ein privates E-Mail-Konto versendete. Das Handeln des Klägers hat daher bei – naheliegender – Bejahung eines Wettbewerbszwecks sogar strafrechtliche Relevanz. Die Bejahung einer wirksamen außerordentlichen Kündigung ist daher gerechtfertigt.
D. Auswirkungen für die Praxis
Wie das Urteil belegt, ist in der Rechtsprechung eine steigende Sensibilität für Fragen des Geheimnisschutzes im Arbeitsverhältnis zu beobachten. Das vor allem im Rahmen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen weit verbreitete unreflektierte „Mitnehmen“ von Daten durch Arbeitnehmer kann schwere wirtschaftliche Konsequenzen für die betroffenen Unternehmen haben und bedarf daher entsprechender arbeitsrechtlicher Sanktionierung. Vertrauliche Dateien, die per E-Mail den Herrschaftsbereich eines Unternehmens verlassen haben, können leicht in falsche Hände geraten und die Position eines Unternehmens im Markt empfindlich beeinträchtigen. Das vorliegende Urteil belegt, dass Arbeitgeber wachsam bleiben sollten. Es ist zu empfehlen, die rechtlichen Voraussetzungen für einen Zugriff auf die E-Mails der Mitarbeiter in Zweifelsfällen zu schaffen. Idealerweise sollte die private Nutzung des betrieblichen E-Mail-Kontos untersagt werden oder eine sonstige wirksame einzelvertragliche oder kollektivarbeitsrechtliche Grundlage für die Prüfung des E-Mail-Verhaltens geschaffen werden.