Nachfolgend ein Beitrag vom 23.5.2018 von Busch, jurisPR-ArbR 21/2018 Anm. 2
Leitsatz
Veröffentlicht ein Arbeitnehmer auf einer rechtsradikalen Facebook-Seite unter seinem Namen und in Straßenbahnuniform ein Foto mit einer meckernden Ziege mit der Sprechblase „Achmed, ich bin schwanger“, so kann dies eine fristlose Kündigung der im Eigentum einer Stadt stehenden Straßenbahngesellschaft rechtfertigen.
A. Problemstellung
Rassistische öffentliche Äußerungen von Beschäftigten werfen immer wieder die Frage auf, ob und wie der Arbeitgeber hierauf reagieren kann. Insbesondere ist problematisch, inwieweit ein Bezug der Äußerung zum Betrieb vorhanden sein muss, um arbeitsrechtliche Sanktionen zu ermöglichen.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Beklagte hatte den Kläger fristlos und hilfsweise ordentlich gekündigt. Der Kläger war seit 1992 beschäftigt; die Beklagte ist ein Tochterunternehmen der Stadt. Der Kläger arbeitete erst als Straßenbahnfahrer und später als Gleisbauarbeiter.
Auf dem Facebook-Account des Klägers gab dieser die Beklagte als Arbeitgeber an und veröffentlichte ein Bild von sich in Dienstkleidung. Ende 2016 verfasste der Kläger einen Kommentar auf der Facebook-Seite der Neonazipartei „Der III. Weg“; hierbei war neben seinem Kommentar sein Foto in Dienstkleidung eines Straßenbahnfahrers sichtbar. Hier veröffentlichte er u.a. einen Wahlzettel, auf dem sich als Alternative ein Stinkefinger und die „Merkelraute“ befanden. Unter denselben Umständen, ebenfalls mit Bild als Straßenbahnfahrer der Beklagten, veröffentlichte der Kläger auf dieser Seite das Bild einer meckernden Ziege mit einer Sprechblase mit den Worten „Achmed, ich bin schwanger“. Die Beklagte erhielt hiervon am 20.12.2016 Kenntnis. Am selben Tag wurde in der Presse unter dem Titel „Straßenbahnfahrer ein Rassist?“ über die Vorfälle berichtet. Die Partei „III. Weg“ wird auch von den Verfassungsschutzbehörden als rechtsextremistisch und gewaltorientiert eingestuft.
Am 21.12. hörte die Beklagte den Betriebsrat zur Kündigung an, dieser stimmte der fristlosen und hilfsweisen ordentlichen Kündigung zu. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 28.12. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und meinte, seine Äußerungen seien vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Er sei auch nicht Mitglied beim „III. Weg“ und habe seinen eigenen Facebook-Account am 22.12. gelöscht. Mit der Ziege und dem Text habe er sich satirisch auf das Erdogan-Gedicht von Böhmermann beziehen wollen. Diese Veröffentlichung sei auch weder verfassungsfeindlich noch volksverhetzend. Auch sei die Betriebsratsanhörung unwirksam, u.a. hätte die Beklagte den Betriebsrat nachträglich von der Löschung des Facebook-Accounts informieren müssen. Die Beklagte erwiderte, das Bild mit der Ziege sei volksverhetzend, der Kläger habe sich in menschenfeindlicher Weise über eine Ausländergruppe geäußert. Als öffentliches Unternehmen sei sie hierdurch in der Öffentlichkeit diskreditiert worden, zumal der Kläger mit der Äußerung sein Foto in Dienstkleidung veröffentlicht habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger legte Berufung ein und meinte u.a., fälschlich habe das Arbeitsgericht die Veröffentlichung auf einer nationalsozialistischen Seite an sich als Kündigungsgrund gewertet, obwohl der Betriebsrat zum Kündigungsgrund „Ziegen-Äußerung“ auf einer nationalsozialistischen Seite mit Bezug durch das Bild zur Beklagten angehört worden sei. Eine Anhörung allein zum Veröffentlichen auf der Nazi-Seite liege nicht vor. Für die Interessenabwägung sei entscheidend, dass der Kläger seinen Facebook-Account gelöscht habe; hiervon sei der Betriebsrat nicht unterrichtet worden. Die Beklagte entgegnete ergänzend, die Information über die Löschung des Facebook-Accounts habe sie erst am 27.12. erhalten.
Das LArbG Chemnitz hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die fristlose Kündigung wirksam. Der Beklagten stehe ein wichtiger Grund zur Seite, der ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar mache. Rassistische Veröffentlichungen seien ebenso wie Formalbeleidigungen und Schmähkritiken an sich geeignet, einen Kündigungsgrund i.S.d. § 626 BGB darzustellen. Sofern es sich um außerdienstliches Verhalten handele, gelte dies jedenfalls dann, wenn die Taten berechtigte Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigten. Dies sei dann gegeben, wenn negative Auswirkungen auf den Betrieb eintreten oder das Verhalten Bezug zum Arbeitsverhältnis habe.
Das vom Kläger veröffentlichte Foto zusammen mit dem Text sei eine menschenverachtende Schmähung und Geringschätzung der türkischstämmigen Bevölkerung. Mit dem Namen Achmed würden insbesondere Männer mit türkischem Hintergrund assoziiert; diesen würde hier Sex mit Ziegen unterstellt. Die Ziege stehe hierbei auch als Platzhalter für die türkische Frau. Dies stelle die Würde des Menschen in Frage und stehe nicht unter dem Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG. Zwar sei auch eine überzogene oder ausfallende Kritik noch von der Meinungsfreiheit gedeckt, dies gelte aber nicht mehr, wenn nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund stehe.
Die Veröffentlichung des Klägers könne auch nicht als Satire aufgefasst werden, sondern habe eine ausschließlich „menschenverachtende und menschenherabwürdigende“ Botschaft. Es sei auch davon auszugehen, dass der Kläger dies genau so gemeint habe und seine Botschaft auch bewusst in diese menschenverachtende Richtung aussenden wollte. Dies ergebe sich aus der Veröffentlichung auf einer rechtsextremistischen Seite; der Kläger habe auch die hinter dieser Seite stehende Ideologie genau gekannt und u.a. an Versammlungen der Partei „III. Weg“ teilgenommen.
Das Verhalten des Klägers stelle nach allem einen schweren Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht des § 241 Abs. 2 BGB dar. Der Kläger sei verpflichtet gewesen, auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Dies habe er nicht getan und stattdessen die Interessen der Beklagten beeinträchtigt. Das Verhalten des Klägers habe auch einen Bezug zum Arbeitsverhältnis, was sich vor allem aus der Verwendung des Fotos mit Dienstuniform bei der Tat ergebe. Der Kläger selbst habe öffentlich deutlich gemacht, Arbeitnehmer der Beklagten zu sein. Damit würde der Kläger die Beklagte in die Nähe rassistischer Veröffentlichungen bringen. Als öffentliches Unternehmen habe die Beklagte ein erhebliches Interesse daran, nicht mit menschenverachtenden Positionen in Verbindung gebracht zu werden.
Vorliegend sei auch keine vorherige Abmahnung als milderes Mittel zu fordern. Die Pflichtverletzung sei derart schwerwiegend, dass für den Kläger erkennbar war, dass die Beklagte diese offenkundig nicht hinnehmen würde. Auch die Interessenabwägung gehe zulasten des Klägers aus. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte als Kunden etliche türkischstämmige Bürger befördere.
Die Kündigung scheitere auch nicht an einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats. Dem Betriebsrat müssten nicht alle erheblichen Tatsachen, sondern nur die vom Arbeitgeber als ausschlaggebend angesehenen Tatsachen mitgeteilt werden. Die Beklagte habe dem Betriebsrat in diesem Sinne den aus ihrer Sicht gegebenen Grund für die Kündigung beschrieben. Über die erst nach den Presseveröffentlichungen erfolgte Löschung des Facebook-Accounts habe die Beklagte den Betriebsrat nicht informieren müssen. Hierdurch habe sich der Sachverhalt nicht wesentlich zugunsten des Klägers geändert.
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung ist zu begrüßen. Immer wieder wird versucht, Konsequenzen für rassistische Äußerungen unter Bezug auf die Meinungsfreiheit für rechtswidrig zu erklären, so als wäre Rassismus eine Ansicht wie andere Ansichten auch.
Tatsächlich ist die Bundesrepublik schon nach dem internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form rassistischer Diskriminierung (ICERD) verpflichtet, gegen Rassismus nicht nur vorzugehen, sondern rassistische Äußerungen auch unter Strafe zu stellen (Art. 4a ICERD). Eine derartige Schutzpflicht ergibt sich auch aus dem Grundgesetz. Sofern man Rassismus überhaupt als „Meinung“ verstehen wollte, muss diese jedenfalls zum Schutz der von derartigen Äußerungen Betroffenen regelmäßig zurücktreten (vgl. Cremer, Verbreitung rassistischen Gedankenguts – Die Meinungsfreiheit hat Grenzen; erschienen in: Grenzen im politischen Meinungskampf. Zum Verbot rassistisch-diskriminierender Wahlkampagnen, Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, Schriftenreihe Band 11, 2017, S. 89-107)
Entsprechend hat das BAG bereits 1996 entschieden, dass jedenfalls im öffentlichen Dienst die Verbreitung ausländerfeindlicher Pamphlete grundsätzlich geeignet ist, einen Kündigungsgrund i.S.d. § 626 BGB darzustellen (BAG, Urt. v. 14.02.1996 – 2 AZR 274/95). Das LArbG Stuttgart hat eine Kündigung wegen übelster volksverhetzender Schmierereien im Betrieb für rechtmäßig erklärt (LArbG Stuttgart, Urt. v. 25.03.2009 – 2 Sa 94/08). Für die Leugnung des Holocausts gegenüber Arbeitskollegen im Betrieb entschied das ArbG Hamburg, dies stelle auch ohne Abmahnung einen Grund für die fristlose Kündigung dar (ArbG Hamburg, Urt. v. 18.10.2017 – 16 Ca 23/17). Dies deckt sich mit der Rechtsprechung des BVerfG, der zufolge eine Äußerung dann den Schutz der Meinungsfreiheit verliert, wenn sie jenseits von überspitzter oder überzogener Kritik vorwiegend der Diffamierung dient (BVerfG, Beschl. v. 08.02.2017 – 1 BvR 2973/14).
Auch der Gesetzgeber wertet mit Bezug auf das Arbeitsverhältnis Rassismus nicht als eine Meinung unter vielen, sondern als einen Umstand, der im Betrieb zu bekämpfen ist (vgl. etwa §§ 80 Abs. 1 Nr. 7, 88 Nr. 4, 99 Abs. 2 Nr. 6 BetrVG).
Vorliegend waren die Äußerungen nicht im Betrieb, sondern – öffentlich einsehbar – auf Facebook getätigt worden. Jedenfalls dann, wenn – wie hier – durch den Beschäftigten selbst durch Nennung des Arbeitgebers ein Bezug zum öffentlichen Arbeitgeber hergestellt wird, können solche Äußerungen dem Arbeitgeber zugerechnet werden und berechtigen diesen zur Kündigung (vgl. ArbG Gelsenkirchen, Urt. v. 24.11.2015 – 5 Ca 1444/15; ArbG Herne, Urt. v. 22.03.2016 – 5 Ca 2806/15). Dies steht im Spannungsfeld der Frage, inwieweit Äußerungen oder Verhaltensweisen von Arbeitnehmern, die an sich mit dem Arbeitsverhältnis nichts zu tun haben, als Kündigungsgrund herangezogen werden können. Mit dem Internet sind Veröffentlichungen sehr viel einfacher geworden und der Öffentlichkeit und dem Arbeitgeber werden auf diese Weise Positionen der Beschäftigten bekannt, die anderenfalls privat geblieben wären. Da das Kündigungsrecht nicht der Sanktionierung privaten Fehlverhaltens dient, ist jeweils im Einzelfall abzuwägen, ob tatsächlich auch die betrieblichen Interessen in einer Weise verletzt sind, die eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar machen (dazu Fischer, jurisPR-ArbR 19/2016 Anm. 2).
Zu der Frage, ob vorliegend eine Abmahnung erforderlich gewesen wäre, lassen sich sicherlich unterschiedliche Auffassungen vertreten. Jedenfalls vertretbar geht das LArbG Chemnitz hier davon aus, es handele sich bei den öffentlichen ausländerfeindlichen Ausfällen in Dienstuniform um eine derart schwere Pflichtverletzung, dass eine Hinnahme durch den öffentlichen Arbeitgeber offenkundig ausgeschlossen war (vgl. BAG, Urt. v. 10.06.2010 – 2 AZR 541/09). Demgegenüber hat das LArbG Nürnberg (Urt. v. 11.08.2017 – 6 Sa 76/17) eine Kündigung wegen des Tragens eines Dienstausweises auf einer rechtsextremistischen Demonstration daran scheitern lassen, dass es davon ausging, eine Abmahnung sei als milderes Mittel erfolgversprechend.
D. Auswirkungen für die Praxis
Das Urteil verdeutlicht, dass Arbeitgebern nicht die Hände gebunden sind, wenn Arbeitnehmer öffentlich oder im Betrieb rassistische Äußerungen tätigen. Bei öffentlichen Äußerungen ist aber entscheidend, ob ein Bezug zum Betrieb vorhanden ist. Es empfiehlt sich, das Verbot rassistischer Äußerungen und Verhaltensweisen präventiv auch in (mitbestimmten) Leitlinien wie etwa Codes of Conduct zu verankern.
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