Nachfolgend ein Beitrag vom 22.8.2017 von Hippeli, jurisPR-HaGesR 8/2017 Anm. 1

A. Hintergrund

Für Personen aus anderen Rechtsordnungen ist es oftmals überraschend, dass Deutschland vor allem mit Blick auf öffentliche Übernahmen keine übernahmerechtlich unterschiedlichen Regularien für in- und ausländische Bieter bereithält. Denn Deutschland mit seinem starken Maschinenbau- und Technologiesektor sowie einer Vielzahl an Weltmarktführern ist naturgemäß ein Land mit vielen Übernahmekandidaten. Potenzielle Bieter wiederum sitzen vor allem dort, wo große Vermögensmassen gebündelt sind, somit also vor allem in den Golfstaaten und ostasiatischen Ländern, wo große Staatsfonds/Staatsunternehmen auf den Plan treten (vgl. Mausch-Liotta in: Hocke/Sachs/Pelz, Außenwirtschaftsrecht, 2017, § 55 AWV Rn. 2; Weller, ZIP 2008, 857).

Die Regeln für Investitionsprüfverfahren nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) unterscheiden zwar nicht nach privaten und öffentlichen Übernahmen. Dennoch sind faktisch vor allem öffentliche Übernahmen nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) bzw. der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004 betreffend Übernahmeangebote (Übernahmerichtlinie) betroffen. Ein Auslandsbezug einer öffentlichen Übernahme in Deutschland wird dabei v.a. durch das beim Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) gesondert geführte Investitionsprüfverfahren erfasst, was dann typischerweise als Angebotsbedingung i.S.d. § 18 WpÜG in das Übernahmeverfahren verzahnt wird (vgl. etwa Merkner/Sustmann in: Paschos/Fleischer, Handbuch des Übernahmerechts, 2017, § 16 Rn. 62 ff.). Mit einer solchen Angebotsbedingung werden das Angebot und die zustande kommenden Kauf- oder Tauschverträge davon abhängig gemacht, dass das BMWi den geplanten Erwerb von Aktien einer Zielgesellschaft nicht untersagt. Solche Übernahmeverfahren mit außenwirtschaftsrechtlicher Komponente lösen dabei oftmals einschneidende politische Diskussionen um staatliche Interventionsmöglichkeiten aus (vgl. Hasselbach/Peters, BB 2017, 1347, 1348 ff.).

Die großen Übernahmeverfahren betreffend die Zielgesellschaften AIXTRON SE und KUKA AG im Jahre 2016, die beide von chinesischen Bietern übernommen werden sollten/wurden, haben in der Folge den deutschen Gesetz- bzw. Verordnungsgeber auf den Plan gerufen. Die Bundesregierung hat insoweit am 12.07.2017 – allerdings ohne explizite Bezugnahme auf die vorgenannten Fälle – eine Novelle der AWV beschlossen, die mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 17.07.2017 in Kraft getreten ist (AWV-Novelle 2017).

B. Historische Entwicklung und Ausgestaltung der AWV im Zusammenhang mit Unternehmensübernahmen bis 2017

Lohnenswert erscheint zunächst ein Blick in die Historie: Bis zum Jahr 2009 beschränkte sich die außenwirtschaftliche Erwerbs- und Beteiligungskontrolle auf besonders sicherheitsrelevante Industrien (vgl. Schulze/Schroer, jurisPR-HaGesR 7/2008 Anm. 5; Krause, BB 2009, 1082), fortan wurden die Befugnisse des BMWi zur Kontrolle ausländischer Investitionen durch das 13. Gesetz zur Änderung des AWG und der AWV (AWG/AWV-Novelle 2009) auf alle Industriebranchen erweitert und blieben nach einem Round-Up der gesamten außenwirtschaftlichen Materie im Jahr 2013 (vgl. dazu Niestedt/Trennt, BB 2013, 2115) in einer bis 2017 nahezu unverändert gebliebenen Form bestehen.

Bereits bislang konnte das BMWi im Rahmen eines Investitionsprüfverfahrens auf Antrag des Erwerbers oder von sich aus den Erwerb von deutschen Unternehmen bzw. Beteiligungen hieran durch Unionsfremde bzw. Ausländer prüfen und in der Folge ggf. untersagen oder mit Auflagen versehen. Insbesondere in Bezug auf öffentliche Übernahmen waren diese Investitionsprüfverfahren – sofern nicht auf Antrag des Erwerbers/Bieters initiiert – allerdings lange Jahre nahezu totes Recht.

An Verfahrensarten existieren sektorübergreifende und sektorspezifische Investitionsprüfverfahren. Bei beiden Verfahren muss der Schwellenwert des Erwerbs von 25% Stimmrechten an einem inländischen Unternehmen in Rede stehen. Die sektorübergreifenden Investitionsprüfverfahren i.S.d. § 5 Abs. 2 AWG, §§ 55 bis 59 AWV betreffen dabei grundsätzlich nur Erwerber aus dem Nicht-EU-Ausland. Dagegen sind von sektorspezifischen Investitionsprüfverfahren i.S.d. § 5 Abs. 3 AWG, §§ 60 bis 62 AWV auch ausländische Erwerber aus der EU erfasst, da besonders sicherheitssensible Sektoren auch im Hinblick auf EU-Ausländer relevant sein können. Prüfungsmaßstab ist gleichermaßen, ob durch den Unternehmens- bzw. Beteiligungserwerb die öffentliche Ordnung oder Sicherheit Deutschlands als gefährdet erscheint. In der Praxis ging es bislang bei Investitionsprüfverfahren nahezu immer um Unternehmen im Zusammenhang mit Versorgungssicherheit auf den Gebieten Telekommunikation und Stromversorgung sowie im Zusammenhang mit Rüstungsgütern oder jedenfalls auch zu militärischen Zwecken nutzbaren Gütern.

Bei den sektorübergreifenden Investitionsprüfverfahren können in Umgehungs- und Missbrauchsfällen ausnahmsweise auch EU/EFTA-Ausländer in das Verfahren einbezogen werden. Das BMWi konnte bislang bis zu drei Monate nach der Publizität i.S.d. §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG bzw. dem Abschluss des schuldrechtlichen Erwerbsvertrags ein Verfahren einleiten, oder aber der Erwerber beantragte im Vorfeld eine Unbedenklichkeitsbescheinigung, die als erteilt galt, sofern das BMWi nicht binnen eines Monats ein Investitionsprüfverfahren eröffnete. Bei Verfahrenseröffnung muss der Erwerber hieran mitwirken. Innerhalb von zwei Monaten konnte dann noch eine Untersagung oder eine Auflagenerteilung erfolgen. Ein Vollzugsverbot während des Investitionsprüfverfahrens bestand und besteht nicht.

Bei den sektorspezifischen Investitionsprüfverfahren geht es um nach § 60 Abs. 1 AWV fest definierte sicherheitssensible Branchen (Herstellung oder Entwicklung von Kriegswaffen, Motoren/Getrieben für Panzer oder IT-Sicherheitslösungen im staatlichen Bereich). Derartige Erwerbsvorhaben mit einem Schwellenwert von 25% Stimmrechten an einem inländischen Unternehmen waren bislang schon meldepflichtig. Das Verfahren läuft weitestgehend wie dasjenige im Rahmen des sektorübergreifenden Investitionsprüfverfahrens ab. Allerdings konnte das Vorhaben nur binnen eines Monats ab Eröffnung beschränkt oder untersagt werden. Auch die Beteiligung anderer Exekutivteile war und ist leicht unterschiedlich (bestimmte Ministerien anstatt gesamte Bundesregierung). Das zugrunde liegende Rechtsgeschäft war und ist bis zur Freigabe durch das BMWi schwebend unwirksam.

C. Die Änderungen durch die AWV-Novelle 2017

Die AWV-Novelle 2017 weist eingangs auf gestiegene ausländische Investitionen in Deutschland und die stetig wachsende Bedeutung versorgungsrelevanter Schlüsselinfrastrukturen sowie die rüstungstechnologische Entwicklung und einen dementsprechend vorhandenen Konkretisierungsbedarf in der AWV hin. Im Zusammenhang mit versorgungsrelevanter Schlüsselinfrastruktur und dementsprechender Güter wird der neue Begriff der „Kritischen Infrastruktur“ eingeführt. In Bezug auf Rüstungstechnologie wird nun insbesondere auf Güter der „Elektronischen Kriegsführung“ abgestellt, wo der bisherige Verweis auf die Kriegswaffenliste im sektorspezifischen Investitionsprüfverfahren mittlerweile nicht mehr adäquat greife.

Im Detail gibt es insbesondere die folgenden Änderungen:

Sektorübergreifende Investitionsprüfverfahren

• In § 55 Abs. 1 AWV werden als neuer Satz 2 mehrere Regelbeispiele für das Vorliegen einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit geschaffen. Davon sind Unternehmen betroffen, die Kritische Infrastrukturen betreiben, die branchenspezifische Software zum Betrieb von Kritischen Infrastrukturen entwickeln, die mit Überwachungsmaßnahmen nach § 110 Telekommunikationsgesetz (TKG) beauftragt sind, die Cloud-Computing-Dienste erbringen oder die Schlüsselunternehmen für Produkte der Telematikinfrastruktur sind. Der Schwerpunkt liegt dabei auf branchenspezifischer Software, die ihrerseits durch sieben Aufzählungspunkte in einem neuen Satz 3 näher konkretisiert wird und dabei die Sektoren Energieversorgung, Wasserversorgung und Abfallentsorgung, IT- und Telekommunikationstechnik, Finanzdienstleistungen, Gesundheit, Transport und Verkehr sowie Ernährung im Blick hat.

• In § 55 Abs. 2 AWV wird die Systematik von missbräuchlicher Gestaltung und Umgehungsgeschäften klarer strukturiert. Die missbräuchliche Gestaltung erhält in einem neuen Satz 2 zudem ein Regelbeispiel.

• In § 55 Abs. 3 AWV werden die Verfahrensvorschriften zur Mitteilung über die Ausübung des Prüfrechts angepasst und konkretisiert. Außerdem wird eine Höchstfrist für die Eröffnung des Prüfverfahrens eingeführt (bis spätestens fünf Jahre seit Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags).

• Im neuen § 55 Abs. 4 AWV werden Meldepflichten für den Abschluss schuldrechtlicher Verträge und Beteiligungen i.S.d. § 56 durch Unionsfremde eingeführt.

• § 57 Satz 3 AWV wird insoweit neugefasst, als dass die Mitwirkungs- und Informationspflichten des unmittelbaren Erwerbers nun auch auf den mittelbaren Erwerber erstreckt werden.

• Die Fiktionswirkung der Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung in § 58 Abs. 2 AWV tritt nun erst nach zwei Monaten (anstatt nach einem Monat) ein.

• Auch wird die Untersagungs-/Anordnungsfrist in § 59 Abs. 1 AWV von zwei auf vier Monate verlängert.

• In einem neuen § 59 Abs. 2 AWV wird eine Hemmung der Untersagungsfrist durch laufende Vertragsverhandlungen zur Gewährleistung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit fixiert.

• Im umnummerierten § 59 Abs. 3 AWV wird klargestellt, dass die Kosten des ggf. zur Durchsetzung der Untersagung bestellten Treuhänders zulasten des Erwerbers gehen.

Sektorspezifische Investitionsprüfverfahren

• § 60 Abs. 1 Satz 1 AWV erhält zwei neue Nummern zu sicherheitsrelevanten Gütern aus Teil I Anhang A der Ausfuhrliste angefügt. Ähnlich zu § 55 Abs. 2 AWV wird durch die neuen Sätze 2 und 3 nun auch bei dieser Verfahrensart die Prüfung im Falle von Umgehung/Missbrauch auf einen zusätzlichen Personenkreis ausgeweitet (hier: Inländer).

• § 60 Abs. 3 Satz 2 AWV wird in der Weise neu gefasst, dass nun auch der genaue Inhalt der Erwerbsmeldung fixiert ist.

• Auch im Rahmen dieser Verfahrensart wird die zeitliche Komponente der Fiktionswirkung verändert. Die Fiktion der Freigabeerteilung i.S.d. § 61 Satz 2 AWV tritt nun erst nach drei Monaten ein (zuvor: ein Monat).

• Die Untersagungs-/Anordnungsfrist in § 62 AWV wird von einem Monat auf drei Monate verlängert.

• Analog zum neuen § 59 Abs. 2 AWV gibt es nun auch hier eine Hemmungsregelung im neuen § 62 Abs. 2 AWV.

D. Stellungnahme und Auswirkungen für die Praxis

I. Bereits die Begründung der die AWG-Novelle 2017 herbeiführenden Verordnung spricht davon, dass den EU-Mitgliedstaaten bei der Ausfüllung der Begriffe öffentliche Ordnung oder Sicherheit ein Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. zur europarechtlichen Verzahnung etwa Göthel in: Merkt/Göthel, Internationaler Unternehmenskauf, 3. Aufl. 2011, S. 73 f.). Ausdrücklich zu begrüßen ist, dass in § 55 Abs. 1 AWV nun (allerdings in nicht abschließender Weise) Regelbeispiele eingeführt wurden, die im Vorfeld einer M&A-Transaktion für ein stärkeres Maß an Planbarkeit und Vorhersehbarkeit sorgen dürften. Zuletzt hatte etwa im Juni 2017 die aus der diesbezüglichen Angebotsunterlage ersichtliche Einleitung eines Investitionsprüfverfahrens seitens des BMWi im Falle der Übernahme der Stada Arzneimittel AG durch zwei Private Equity-Fonds auf Basis der alten Rechtslage überrascht. Schließlich war nicht ohne weiteres erkennbar, wie hinsichtlich eines Pharmaherstellers die öffentliche Ordnung oder Sicherheit Deutschlands betroffen sein kann. Dies zeigt, dass eine möglichst valide Konkretisierung der Begriffe öffentliche Ordnung oder Sicherheit hilfreich ist.

II. Auch erscheint die Einführung der außenwirtschaftsrechtlich neuen Begrifflichkeit der Kritischen Infrastruktur (aus dem Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik herrührend) durchaus als sinnvoll. Spätestens seit der Jahrtausendwende wird neben der allgemeinen Zunahme der Terrorbedrohung deutlich, dass Konflikte zwischen Staaten oder Bündnissen nicht mehr unbedingt durch Militäreinsätze, sondern verstärkt asymmetrisch ausgetragen werden. Dabei geht es um Drohneneinsatz, Hackerangriffe (Cyberwar) zur Erlangung von Informationen oder zum Zwecke der Desinformation (so etwa die Angriffe auf estnische Behörden 2007 oder den Server des Deutschen Bundestags 2015) sowie eben auch um Hackerangriffe auf die zivile Infrastruktur eines Landes (so etwa in Bezug auf Banken und Fernsehsender in Südkorea 2013 oder die Stromversorgung in der Ukraine 2015). Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass Nationalstaaten hiergegen präventiv tätig werden und Unternehmen in nationaler Hand behalten wollen, welche die entsprechenden Technologien entwickeln und vertreiben.

III. Zwar ist global betrachtet eine Verstärkung des Trends festzustellen, Nationalökonomien stärker abzuschirmen. Allerdings ist in Deutschland (anders als etwa derzeit in den USA) keine Absicht auszumachen, Handelsbarrieren zu errichten oder den Unternehmenserwerb in Deutschland für Ausländer signifikant zu erschweren. Vielmehr geht es bei der AWG-Novelle 2017 neben einer allgemeinen Modernisierung des Rechts darum, den Sinn und Zweck der Investitionsprüfverfahren stärker sichtbarer zu machen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass das Investment ausländischer Anleger in Deutschland weiterhin begrüßt wird. Dagegen sollen in Deutschland ansässige Unternehmen durch den Erwerb aus dem Ausland nur nicht für strategische Zwecke des Heimatstaats missbraucht werden können (so bereits Weller, ZIP 2008, 857, 858; Nettesheim, ZHR 172, 729, 733 (2008); Roth, ZBB 2009, 257, 259). Die Investitionsfreiheit stößt also dort an ihre Grenzen, wo die ausländische Investition missbrauchsbedingt zu schweren Nachteilen in Deutschland führen kann. Dies betrifft naturgemäß Direktinvestitionen mit einem gestalterischen Einfluss des ausländischen Investors auf das jeweilige Unternehmen, nicht aber reine Portfolio-Investitionen mit dem Zweck der Erzielung einer Kapitalrendite und ohne bestimmenden Einfluss auf die Unternehmensführung (vgl. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 10. Aufl. 2013, S. 320 f.).

IV. Jüngst wieder in den Fokus geraten ist – flankierend zur AWV-Novelle 2017 – nach einer negativen Entscheidung zur Übernahme des US-Geschäfts im Fall AIXTRON und damit (im Verbund mit dem kurz zuvor ergangenen Widerruf der außenwirtschaftsrechtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung durch das BMWi) auch dem Scheitern des entsprechenden Übernahmeangebots in Deutschland im Jahr 2016 die Praxis des bereits seit 1975 existierenden Committee on Foreign Investment of the United States (CFIUS). CFIUS als regierungsübergreifende Institution in den Vereinigten Staaten von Amerika kann grundsätzlich – ähnlich dem materiellen Radius des BMWi – die Untersagung der Übernahme eines US-Unternehmens oder Teilen hiervon durch den US-Präsidenten vorbereiten, sofern die Investitionen aus dem Ausland zu einer ausländischen Kontrolle am jeweiligen Unternehmen führen und damit die nationale Sicherheit gefährden. Beklagt wird seit jeher, dass wenig Rechtssicherheit besteht, da CFIUS ein breites Ermessen eingeräumt ist und Investitionen auch noch weit im Nachhinein untersagt werden können (vgl. Spies, MMR 2006, XII; Krause, BB 2009, 1082; Hasselbach/Peters, BB 2017, 1347, 1349). Ein strukturelles Problem ist dabei auch, dass das die Fachaufsicht über CFIUS ausübende US-Treasury Department fortwährend neue Leitlinien für die Überprüfung von ausländischen Investitionen in den USA herausgibt. Jedenfalls besitzt CFIUS einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auch auf Übernahmeaktivitäten in Deutschland, da in den Anwendungsbereich der CFIUS-Entscheidungen – wie etwa der Fall AIXTRON zeigt – schon Fälle ohne direkten US-Bezug gelangen können (vgl. Seibt/Kulenkamp, ZIP 2017, 1345; Traugott, Börsen-Zeitung v. 15.07.2017, S. 13). Für potenzielle Bieter in Bezug auf deutsche Zielgesellschaften ist es bis dato kaum vorhersehbar, ob (unabhängig von US-Tochterunternehmen) alleine schon das US-Geschäft der jeweiligen Zielgesellschaft von einer derartigen Größe und Tragweite ist, dass mit einer Untersagung seitens CFIUS zu rechnen ist.

E. Ausblick

Für die Transaktionspraxis gilt wie bereits bei der AWG/AWV-Novelle 2009, dass sich die AWV-Novelle 2017 auf die internationale Transaktionspraxis auswirken wird. Wie 2009 auch dürften die Auswirkungen vor allem „fusionskontrollpflichtige Erwerbe von großen Unternehmen“ (BT-Drs. 16/10730 v. 30.10.2008, S. 11 f.), also öffentliche Übernahme- und Pflichtangebote, betreffen. Die entsprechende Verordnungsbegründung rechnet aufgrund der neuen Meldepflicht i.S.d. § 55 Abs. 4 AWV mit jährlich zehn zusätzlichen Meldungen im Bereich der sektorübergreifenden Investitionsprüfung, wobei innerhalb der Aufgreiffrist voraussichtlich in der Hälfte der Fälle umfassend in das Prüfverfahren eingestiegen wird. Zudem soll es zu drei zusätzlichen sektorspezifischen Investitionsprüfverfahren kommen.

Potenzielle Erwerber/Bieter werden künftig – auch im Lichte etwaigen US-Bezugs – im Vorfeld der Transaktion noch genauer zu untersuchen haben, in welcher Branche das Target tätig ist und dessen Marktumfeld/Marktstellung exakt beleuchten müssen. Dies wird insbesondere das sektorübergreifende Investitionsprüfverfahren betreffen. Die hochsensiblen Übernahmefälle im Sinne des sektorspezifischen Investitionsprüfverfahrens sind ohnehin äußerst selten. Ein Augenmerk ist dann darauf zu legen, dass der Vollzug womöglich unter die Bedingung der Nichtuntersagung bzw. des Erhalts der Unbedenklichkeitsbescheinigung/des Eintritts der entsprechenden Fiktion gestellt wird und diese Bedingung passend zum Wortlaut der §§ 58 f. AWV formuliert wird. Zudem gilt es gerade im Falle des sektorübergreifenden Investitionsprüfverfahrens noch mehr als früher abzuwägen, ob nicht bereits vorab ein Antrag auf Prüfung gestellt wird, so dass bereits frühzeitig eine hinreichend belastbare Transaktionssicherheit besteht und sich das Risiko der auflösenden Bedingung i.S.d. § 15 Abs. 2 AWG (Rückabwicklung) nicht verwirklicht (vgl. im Übrigen zur Verschränkung der auflösenden Bedingung i.S.d. § 15 Abs. 2 AWG mit einer aufschiebenden Bedingung i.S.d. § 18 WpÜG Seibt/Wollenschläger, ZIP 2009, 833, 841).

Voraussichtlich wird die AWV-Novelle 2017 wie seinerzeit die AWG/AWV-Novelle 2009 zum „Investorenschreck“ ausgerufen werden (vgl. Marquardt/Pluskat, DStR 2009, 1314 m.w.N.; nunmehr im Ansatz bereits Traugott, Börsen-Zeitung v. 15.07.2017, S. 14). Der Realitätscheck spricht allerdings dagegen, dass sich dies bewahrheitet. Seit 2014 gab es alleine schon zahlreiche öffentliche Übernahmeangebote chinesischer Bieter, die sich durch das bisherige Außenwirtschaftsrecht nicht abschrecken ließen. Insgesamt wird der materielle Prüfgehalt in den Investitionsprüfverfahren wohl kaum zunehmen, aufgrund der verstärkten Meldepflichten der Erwerber wohl aber die formelle Kontrolldichte. Im Rahmen der AWG/AWV-Novelle 2009 hatte der Gesetzgeber noch zum Ausdruck gebracht, dass „keine routinemäßige staatliche Prüfung ausländischer Erwerbe“ stattfindet (BT-Drs. 16/10370 v. 30.10.2008, S. 13). Diese Aussage kann nun nicht mehr aufrechterhalten werden, das Investitionsprüfverfahren wird mit der AWV-Novelle 2017 nun tatsächlich „scharfgeschaltet“ (so bereits Flaßhoff/Glasmacher, NZG 2017, 489). Dieser nun auch rechtlich fixierte Trend wurde allerdings schon seit Ende 2015 im Zusammenhang mit der faktischen Betreibung der Investitionsprüfverfahren seitens des BMWi ausgemacht (vgl. die Auswertung von Sachs/Schäffer in: Legal Tribune Online v. 09.12.2006 unter http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/reform-aussenwirtschaftsrecht-verschaerft-awg-awv-usa-china-deutsch-land/, zuletzt abgerufen am 06.08.2017).