Nachfolgend ein Beitrag vom 6.2.2019 von Nugel, jurisPR-VerkR 3/2019 Anm. 1

Orientierungssatz zur Anmerkung

(1) Für den Nachweis der Herbeiführung eines Verkehrsunfalls mit der Einwilligung des Anspruchsstellers genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit mit einer Wahrscheinlichkeit, die Zweifeln Schweigen gebietet, indem eine Häufung der für eine Manipulation sprechenden Beweisanzeichen vorliegt.
(2) Eine solche Häufung von Indizien ist zu bejahen, wenn ein älteres, aber durchaus noch hochwertiges Luxusfahrzeug durch einen älteren Kleinwagen ohne wirtschaftlichen Eigenschaden bei einem Abkommen von der Fahrbahn mit einer geringen Geschwindigkeit von maximal 10 km/h ohne jegliches Ausweichverhalten an der Seite mit 2,5 m beschädigt wird, der geschilderte Grund für das Ausweichen nicht plausibel ist und bei wirtschaftlich schwachen Verhältnisses eine gewinnbringende fiktive Abrechnung unter Verschweigen von Vorschäden bei einer vermeintlich klaren Haftungslage verfolgt wird.
(3) Der Anspruchssteller und Eigentümer muss sich dabei eine Einwilligung desjenigen zurechnen lassen, dem er das Fahrzeug für mehrere Monate überlassen haben will und der daher eine vergleichbare Stellung mit demjenigen hat, der ansonsten als Repräsentant bzw. Wissenserklärungsvertreter i.S.d. Versicherungsvertragsrechts zu bejahen wäre.

A. Problemstellung

Das OLG Hamm hatte über die Anforderungen zum Nachweis einer Einwilligung des Anspruchsstellers bzw. des Nutzers an seiner Stelle in die Beschädigung des eigenen Kfz zu entscheiden.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger verfolgte einen Schadensersatzanspruch für seinen bei einem Verkehrsunfall beschädigten Maserati, der durch ein Abkommen von der Fahrbahn des bei der Beklagtenseite versicherten Fahrzeugführers mit dessen altem Fahrzeug vom Typ Honda Civic an der Fahrzeugseite im erheblichen Umfang beschädigt worden sein soll. Der Beklagte zu 1) hatte diesbezüglich im Prozess als Fahrzeugführer angegeben, er habe vor einem plötzlich in seinem Scheinwerferlicht auftauchenden Radfahrer zur Vermeidung einer Kollision nach rechts ausweichen müssen und sei dann im fließenden Verkehr gegen das am Fahrbahn abgestellte Fahrzeug der Klägerseite gefahren. Der Kläger begehrte hierauf aufbauend im Rahmen einer fiktiven Abrechnung Reparaturkosten für einen mehr als 2,5 m langen Seitenschaden an seinem Fahrzeug, wobei sich im Prozess herausgestellt hat, dass er dabei einen unreparierten Altschaden vorne links an seinem Fahrzeug gegenüber dem eigenen Sachverständigen verschwiegen, diesen Schaden aber dennoch zum Gegenstand der Forderung im Prozess gemacht hat. Im Prozess stellte sich auch heraus, dass der Kläger das Fahrzeug seinem Onkel für mehrere Monate zur freien Verfügung zum Unfallzeitpunkt übergeben haben will und er sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden hat.
Im Prozess konnte durch ein im Auftrag des Gerichts eingeholtes Gutachten der Unfallablauf weiter rekonstruiert werden. Danach erfolgte die Kollision bei einem nahezu achsparallelen Anstoß mit einer auffallend geringen Geschwindigkeit von maximal 10 km/h und erfasste ein Großteil der linken Fahrzeugseite des klägerischen Fahrzeuges. Die geltend gemachten Schäden im vorderen Bereich des Fahrzeuges konnten dabei dem Unfallereignis nicht zugeordnet werden und die angegebene Ausgangsgeschwindigkeit von 30 bis 35 km/h ließ sich mit den festgestellten Schäden selbst bei einem unterstellten Abbremsen unmittelbar vor der Kollision aus technischer Sicht nicht bestätigen.
Vor diesem Hintergrund hat das LG Dortmund in der ersten Instanz eine Einwilligung des Klägers in die Beschädigung seines Fahrzeuges im Rahmen der sogenannten Indizienrechtsprechung bejaht. Diese Entscheidung wurde durch den 26. Zivilsenat des OLG Hamm entsprechend gehalten, der im Berufungsverfahren einen entsprechenden Hinweisbeschluss für ein Verfahren nach § 522 ZPO erteilt hat. Dabei wies der Senat insbesondere darauf hin, dass bereits die beteiligten Fahrzeuge in dieser Konstellation typisch für ein manipuliertes Unfallereignis seien, bei welchem der Geschädigten in die Beschädigung seines Fahrzeuges eingewilligt habe. Das klägerische Fahrzeug vom Typ Maserati sei trotz des Fahrzeugalters immer noch ein hochwertiges Luxusfahrzeug, bei dem ein lukrativ abzurechnender Seitenschaden ohne Gefahr eines Totalschadens bejaht werden könne, während der Unfallverursacher keinen erheblichen Eigenschaden bei dem bei ihm betroffenen alten Fahrzeug erlitten habe. Gerade der hier eingetretene langgezogene Fahrzeugschaden würde einen lukrativen Seitenschaden darstellen, der im Rahmen einer fiktiven Abrechnung gewinnbringend mit einem Schadensersatzanspruch durchgesetzt, sodann aber in Eigenregie günstig repariert werden könne. Dabei sei auch zu beachten, dass nach Untersuchung des Fahrzeuges der entstandene Schaden lediglich optisch wieder instand gesetzt worden ist, wobei erhebliche Abweichungen zu dem vom Gutachten vorgesehenen Reparaturweg erfolgt sind.
Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass hier auch unfallfremde Vorschäden mit geltend gemacht worden sind. Auch wenn der vom Gericht eingeschaltete Sachverständige eine rechnerische Abgrenzung zwischen Vorschaden und Altschaden vorgenommen hat, sei bei der gebotenen juristischen Würdigung zu beachten, dass hier der Anspruchsteller wegen seines Verschweigens des Vorschadens einen entsprechenden Schadensersatzanspruch im Rahmen des von ihm behaupteten gesetzlichen Schuldverhältnisses schon ohnehin verwirkt haben dürfte. Letztendlich bedürfe dies aber keiner Entscheidung, da im Rahmen der getroffenen Vielzahl an Indizien ohnehin schon im Einklang mit der Entscheidung des Landgerichts von einer Einwilligung in die Beschädigung des Fahrzeuges ausgegangen werden könne.
Über die oben genannten Indizien sei darüber hinaus noch zu berücksichtigen, dass es sich um eine vermeintlich klare Haftungslage handelt, bei der ohne Eigenrisiko der entsprechende Schaden mit geringer Geschwindigkeit durch einen bewussten Anstoß an dem klägerischen Fahrzeug ohne Abwehrbewegung herbeigeführt wurde. Das geschilderte Unfallgeschehen des Beklagten zu 1) sei dabei aus technischer Sicht überhaupt nicht plausibel und gerade dies würde ein gewichtiges Indiz für ein abgesprochenes Unfallereignis darstellen, denn der Unfall habe sich nicht mit 30 bis 35 km/h im fließenden Verkehr bei einer Ausweichbewegung ereignet, sondern im Rahmen eines kontrollierten achsparallelen Anstoßes mit weniger als 10 km/h ohne erkennbares Ausweichverhalten, bei dem ein lukrativ abzurechnender Seitenschaden über mehrere Meter an der linken Fahrzeugseite herbeigeführt wurde.
Unbeachtlich sei auch, dass sich gar nicht mehr sicher feststellen lassen würde, ob der Kläger nun persönlich oder aber sein Onkel in die Beschädigung des Fahrzeuges eingewilligt habe, der über das Fahrzeug nach Angaben des Klägers seit mehreren Monaten frei verfügen konnte. Denn bei unterstellter Richtigkeit der klägerischen Angaben müsste er sich das Fehlverhalten dieses Fahrzeugbenutzers wie ein eigenes zurechnen lassen, da dieser im Hinblick auf den Maserati eine Stellung gehabt habe, die derjenige als Repräsentant i.S.d. Versicherungsvertragsrechtes vergleichbar sei.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Hamm legt anschaulich eine Vielzahl an Kriterien dar, die von der Rechtsprechung im Rahmen einer Bewertung aller entscheidenden Indizien für die Annahme eines abgesprochenen Unfallereignisses und damit einer Einwilligung des Anspruchsstellers in die Beschädigung seines Fahrzeuges entwickelt worden sind. Der Beweis für eine Einwilligung des Geschädigten ist jedenfalls dann geführt, wenn sich – wie hier – eine Häufung von Umständen und Beweiszeichen findet, die in ihrer Gesamtschau hierauf hindeutet (OLG Hamm, Beschl. v. 21.12.2018 – 26 U 172/18; OLG Hamm, Urt. v. 17.11.2011 – 6 U 108/11; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.03.2013 – I-1 U 99/12). Ausschlaggebend ist dabei eine Gesamtwürdigung, bei der aus einer Indizienkette auf eine planmäßige Vorbereitung und Herbeiführung des vermeintlichen Unfalls geschlossen werden kann (vgl. statt vieler: OLG Hamm, Urt. v. 11.03.2013 – I-6 U 167/12; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.06.2014 – I-1 U 122/13).
Der hier betroffene Verkehrsunfall erstellt geradezu eine klassische Variante des bewusst herbeigeführten Schadensereignisses dar. Hier kann der betroffene Fahrzeugführer mit einer geringen Geschwindigkeit ohne erhebliches Eigenrisikos den vom OLG Hamm dargelegten lukrativen Seitenschaden verursachen. Von entscheidender Bedeutung für die Aufklärung dieser Verkehrsunfälle sind dabei in Abgrenzung zu einem realen Unfallereignis, welches sich unfreiwillig ereignet hat, auch die gewonnen technischen Erkenntnisse. Bei einem Ausweichmanöver im fließenden Verkehr erfolgt die Kollision üblicherweise mit deutlich höherer Geschwindigkeit als die hier betroffenen 10 km/h und zudem mit einem starken Lenkeinschlag, während ein bewusst herbeigeführtes Schadensereignis im niedrigen Geschwindigkeitsbereich mit einem nahezu achsparallelen Anstoß und der dabei gesicherten Kontrolle vorgenommen wird. Verbleibt ausreichend Zeit für den Fahrzeugführer, ist festzustellen, dass dieser zumindest bremst und versucht, von der drohenden Gefahr bzw. nach dem Anstoß von dem beschädigten Fahrzeug weg zu lenken, wenn er denn die Kollision vermeiden möchte. Derjenige, der den Schaden bewusst herbeiführt, verhält sich hier genau andersrum und steuert auch weiter gegen das geparkte Fahrzeug – dies selbst bei einer erfolgten Trennung nach einem ersten Anstoß.
Eine vorsätzliche Schadensherbeiführung liegt jedenfalls nahe, wenn der vermeintlich Geschädigte durchaus hätte reagieren können, jedoch augenscheinlich ungebremst und ohne Ausweichmanöver die Kollision quasi „gesucht“ hat (OLG Hamm, Beschl. v. 23.03.2015 – 6 U 21/15). Dies gilt insbesondere, wenn ein Kontakt über mehrere Sekunden aufrechterhalten wird, obwohl üblicherweise gleich nach dem Anstoß mit einer Abwehrreaktion und einem Lenken von der Gefahr zu rechnen gewesen wäre (OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.06.2014 – I-1 U 122/13). Wird darüber hinaus zusätzlich ein erstes Abbremsen vor der Kollision mit dem Fahrzeug des vermeintlich Geschädigten wieder aufgegeben, legt dies eine bewusste Schadensherbeiführung nahe (LG Dortmund, Urt. v. 07.01.2015 – 21 O 342/13).
Neben der technischen Aufklärung des Verkehrsunfalls mit den daraus abzuleitenden Wertungen ist auch immer eine Überprüfung der wirtschaftlichen Motivation und der weiteren Begleitumstände geboten. Auch hier sind geradezu typische Kriterien für eine lukrative Abrechnung bei vermeintlich klarer Haftungslage gegeben. Das Fahrzeug wurde selber günstig instandgesetzt, während der Seitenschaden fiktiv mit einer deutlich höheren Summe verfolgt wurde und es wurde sogar versucht, erhebliche Altschäden mit abzurechnen. Dies alles bei einer vermeintlich klaren Haftungslage und wirtschaftlichen nicht geordneten Verhältnissen der beteiligten Personen, wodurch sich das Bild eines abgesprochenen Unfallereignisses weiter manifestiert.
Bei dem „Entlangrutschen“ an der Fahrzeugseite eines abgestellten PKW handelt es sich um einen Geschehensablauf, der für einen manipulierten Verkehrsunfall einfach zu kontrollieren und daher typisch ist, zumal die Gefahr einer Verletzung für den Schädiger hierbei ausgeschlossen werden kann (OLG Celle, Beschl. v. 20.03.2017 – 14 U 38/17; OLG Schleswig, Urt. v. 24.06.2010 – 7 U 102/09). Jedenfalls sind derartige Streifanstöße recht einfach zu inszenieren und kommen entsprechend häufig bei manipulierten Unfällen vor, zumal bei diesen Abläufen erhebliche Schäden verursacht werden können, die zugleich einfach und günstig zu reparieren sind (LG Essen, Urt. v. 22.06.2015 – 17 O 182/12; LG Mönchengladbach, Urt. v. 04.05.2015 – 1 O 289/13).

D. Auswirkungen für die Praxis

Das OLG Hamm spricht darüber hinaus noch zwei weitere für die Praxis bei diesen Fällen bedeutenden Umstände an: Zum einen geht es um eine Zurechnung, wenn der Anspruchssteller selber nicht unmittelbar am Unfallort anwesend gewesen ist bzw. behauptet, jemand anderes sei für das Fahrzeug verantwortlich gewesen. Auch dies ist in der Regel kein Hindernis, um bei einer derartigen Vielzahl von Indizien ein abgesprochenes Unfallereignis, bei dem der Anspruchssteller eingewilligt hat, gerade nicht zu bejahen. Vielmehr ist im Rahmen der Erkenntnisse zu derartigen Unfallereignissen insoweit auch unter Berücksichtigung der Einbindung weiterer Personen durchaus von einem abgesprochenen Unfallereignis auszugehen.
Überlässt der Eigentümer seinen PKW jemand anderem zum weitgehend selbstständigen Gebrauch, kommt dem Fahrer eine repräsentantenähnliche Stellung zu, die dazu führt, dass der Eigentümer sich dessen Fehlverhalten und damit auch eine Einwilligung bzw. Absprache zurechnen lassen muss (OLG Celle, Urt. v. 26.07.1990 – 5 U 119/89; LG Essen, Urt. v. 08.10.2015 – 3 O 37/14). Unabhängig davon wird i.d.R. von einer Unfallmanipulation im Auftrag der Klagpartei auszugehen sein, wenn diese vor Ort (angeblich) nicht anwesend gewesen ist, aber als einzige von dem erwiesenermaßen manipulierten Unfallereignis profitiert (OLG Hamm, Urt. v. 17.11.2011 – 6 U 108/11; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.05.2013 – I-1 U 132/12 – Schaden-Praxis 2013, 351).
Zum anderen ist vorliegend auch eine Ablehnung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs unter dem Gesichtspunkt der Vorschadenproblematiken ohne weiteres denkbar. Zwar hat der vom Gericht beauftragte Sachverständige eine technische Abgrenzung zwischen Altschaden und Neuschaden vorgenommen. Selbst wenn frei von Zweifeln also der neu eingetretene Schaden als Vorschaden identifiziert wird, ist zu beachten, dass der Anspruchssteller einer derartigen Konstellation im Regelfall den Ersatz eines verbleibenden, ggf. technisch und rechnerisch abgrenzbaren Vorschadens im Rahmen des bestehenden Schuldverhältnisses aufgrund seines arglistigen Fehlverhaltens verwirkt hat (LG Münster, Urt. v. 08.08.2014 – 11 O 279/11 – NJW-Spezial 2014, 618; LG Münster, Urt. v. 23.04.2014 – 2 O 462/11 – NJW-RR 2014, 1498 sowie AG Düsseldorf, Urt. v. 22.05.2018 – 55 C 240/16; vgl. auch Böhm/Nugel, VRR 2017, Nr 6, 4).

Nachweis eines abgesprochenen Unfallereignisses
Danuta EisenhardtRechtsanwältin
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Andrea KahleRechtsanwältin
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