Mühlhausen. Mit Spannung wurden am heutigen Tage nach dem Schluss der Beweisaufnahme die Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung erwartet und natürlich das anschließende Urteil gegen den wegen Betruges angeklagten 37-jährigen Mühlhäuser Rechtsanwalt. Ergebnis: Der Angeklagte wurde freigesprochen.

Der Tatnachweis war nach der übereinstimmenden Auffassung sowohl der Staatsanwaltschaft als auch der Verteidigung nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit zu führen. Es blieb jedoch insgesamt ein außerordentlich fader Beigeschmack, der offenbar auch den Strafrichter zu der Aussage gegenüber dem Angeklagten veranlasst hat, dass dieser Prozess ganz sicher „keine Werbeveranstaltung für seine Kanzlei“ gewesen sei, nachdem die von dem Angeklagten und seinem Kollegen geführte Kanzlei bislang insbesondere durch Werbung in Discountern und auf Einkaufswagen in Mühhausen in Erscheinung getreten war. Wenn es hilft …

Hintergrund des heute zum Abschluss gekommenen Verfahrens war eine in einer Erbschaftsangelegenheit angeblich getroffene Gebührenvereinbarung mit zwei verschwisterten Mandantinnen, die etwa 20-mal höher war, insgesamt über 80.000 €, als die gesetzlichen Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Beide Mandantinnen behaupteten, diese Gebührenvereinbarung nie zuvor gesehen zu haben, der Anwalt hätte ihnen offenkundig diese im Zuge der Unterschrift unter ein anderes Schriftstück untergeschoben. Pikanterweise hat der Anwalt sich tatsächlich zeitgleich eine sog. Geldempfangsvollmacht unterzeichnen lassen, aufgrund derer das gesamte Erbe an ihn überwiesen wurde. Angeblich hätte er den Mandantinnen bedeutet, dass es allgemein so üblich sei, dass das Erbe zunächst auf ein Konto des Anwaltes überwiesen werde, davon dann die Anwaltsgebühren und die Erbschaftsteuer gezahlt würden und dann der „Rest“ zur Auszahlung käme. Nachdem den Mandantinnen dann klar wurde, dass es sich tatsächlich nur um einen „Rest“ handelte, der Anwalt also in etwa wie ein pflichtteilsberechtigter Ehegatte an dem Erbe partizipiert hatte, kam das große Erwachen – und die Wut … auf den Anwalt und auf sich selbst.

Die Mandantinnen haben daraufhin beide das dem angeklagten Anwalt erteilte Mandat gekündigt und einen Erfurter Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt. Dieser erstattete daraufhin Strafanzeige und erhob Rückforderungsklage vor dem Landgericht in Mühlhausen. Nachdem das Ermittlungsverfahren durch die Mühlhäuser Staatsanwaltschaft zunächst eingestellt worden ist, erfolgte eine Beauftragung unserer Kanzlei durch eine der Betroffenen mit der weiteren Wahrnehmung der Interessen. Wir erhoben Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluss bei der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft, woraufhin das Verfahren durch den Leitenden Oberstaatsanwalt in Mühlhausen wieder aufgenommen worden ist und das Verfahren zur Anklage gebracht worden ist. Die strafrechtliche Komponente ist mit dem heutigen Freispruch zugunsten des früheren Rechtsanwaltes der Mandantinnen entschieden, auch wenn dieses den Betroffenen nur sehr schwer vermittelbar sein dürfte. Der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ ist keine Beweisregel, sondern eine Entscheidungsregel. Der Satz sagt dem Gericht nicht, wann es Zweifel haben muss, sondern nur, wie es zu entscheiden hat, wenn es Zweifel hat. Dieser Grundsatz hat – obwohl im Gesetz nicht geregelt – in Deutschland Verfassungsrang und folgt schlichtweg aus Art. 103 Abs.2 GG – keine Strafe ohne Gesetz.

Gleichwohl bedeutet dies nicht, dass die Betroffenen ihr Geld nicht wieder bekommen, denn die Zivilverfahren laufen noch. Es bleibt weiter spannend.