Nachfolgend ein Beitrag vom 26.6.2018 von Podewils, jurisPR-HaGesR 6/2018 Anm. 2
Leitsatz
Wird eine Publikumsgesellschaft bürgerlichen Rechts nach einer Kündigung vor Eintritt der Kündigungswirkung aufgelöst, scheidet der kündigende Gesellschafter, sofern dem Gesellschaftsvertrag nichts anderes entnommen werden kann, nicht aus, sondern verbleibt in der Liquidationsgesellschaft.
A. Problemstellung
Der BGH hatte sich mit dem Verhältnis der Kündigung eines BGB-Gesellschafters zu einem späteren Gesellschafterbeschluss über die Liquidation zu befassen.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Kläger hatten sich an einer Publikumsgesellschaft in Gestalt einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) beteiligt. Im Frühjahr 2013 kündigten die Kläger ihre Beteiligung mit Wirkung zum 31.12.2013. Für den Fall der Kündigung eines Gesellschafters sollte die Gesellschaft nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrags nicht aufgelöst, sondern mit den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt werden, wobei der ausscheidende Gesellschafter ein dort näher konkretisiertes Abfindungsguthaben erhalten sollte.
Zwischenzeitlich, nämlich im September 2013, beschloss die Gesellschafterversammlung die Liquidation der GbR. Ungeachtet dieses Beschlusses verlangten die Kläger die sofortige Auszahlung ihres Abfindungsguthabens.
Der BGH hat die entsprechende Klage wie bereits die Vorinstanzen abgewiesen. Unzweifelhaft war die Kündigung bei Fassung des Liquidationsbeschlusses zwar bereits ausgesprochen, aber noch nicht wirksam geworden, so dass die Kläger noch nicht aus der Gesellschaft ausgeschieden waren. Folglich war der Anspruch auf das Abfindungsguthaben noch nicht entstanden (vgl. BGH, Urt. v. 14.07.1997 – II ZR 122/96 – ZIP 1997, 1589, 1590).
Nach dem BGH hatte der zwischenzeitlich gefasste Liquidationsbeschluss der erklärten Kündigung die rechtliche Grundlage entzogen. Denn das Interesse an der reibungslosen und zügigen Liquidation verbiete es, einem einzelnen Gesellschafter ein gesondertes Ausscheiden noch während des Auseinandersetzungsverfahrens zu gestatten.
Jedenfalls bei einer Publikumsgesellschaft – wie vorliegend – seien im Lichte von Liquidationszweck einerseits und Anknüpfung des Abfindungsanspruchs an ein fiktives Liquidationsergebnis gemäß § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB andererseits ein Ausscheiden des kündigenden Gesellschafters und seine gesonderte Abfindung grundsätzlich ausgeschlossen – sofern dem Gesellschaftsvertrag im Einzelfall nichts anderes zu entnehmen sei.
Dass der Liquidationsbeschluss erst während der Kündigungsfrist gefasst und wirksam geworden war, war nach dem BGH unerheblich, da eben der Ausspruch der Kündigung als solches noch keine gesicherte Rechtsposition begründe. Für einen Verstoß des Liquidationsbeschlusses gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht erblickte der BGH keine Anhaltspunkte – selbst dann, wenn sich die Gesellschafter hierbei davon haben leiten lassen, dass dies zum Verbleib der kündigenden Gesellschafter in der Liquidationsgesellschaft führe.
C. Kontext der Entscheidung
Die Vorinstanz (OLG Dresden, Urt. v. 23.12.2015 – 13 U 845/15) kam zu demselben Ergebnis, allerdings durch eine analoge Anwendung von § 65 Abs. 4 GenG. Nach § 65 Abs. 4 Satz 1 GenG endet die Mitgliedschaft nicht, wenn die Genossenschaft vor dem Zeitpunkt, zu dem die Kündigung wirksam geworden wäre, aufgelöst wird. Der BGH hat diesen Lösungsweg ausdrücklich verworfen, da § 65 Abs. 4 GenG Bestandteil einer Gesamtregelung des Verhältnisses von Kündigung und Auflösung im Genossenschaftsrecht sei. Das für Genossenschaften geltende detaillierte und weitgehend unabdingbare Regelwerk sei auf andere, stärker durch den Grundsatz der Vertragsfreiheit geprägte Gesellschaftsformen grundsätzlich nicht übertragbar.
Für Publikums-Kommanditgesellschaften hatte der BGH im Übrigen bereits mehrfach entschieden, dass selbst eine Kündigung aus wichtigem Grund in der Liquidation der Gesellschaft ausgeschlossen ist (grundlegend BGH, Urt. v. 11.12.1978 – II ZR 41/78 – WM 1979, 160, 161; bestätigt durch BGH, Urt. v. 06.10.1980 – II ZR 60/80 – BGHZ 79, 337, 347, sowie BGH, Urt. v. 28.06.2004 – II ZR 373/00 – ZIP 2004, 1543, 1544).
D. Auswirkungen für die Praxis
Die wesentliche Neuerung der Entscheidung besteht somit in der Klarstellung, dass ein Liquidationsbeschluss auch einer bereits zuvor erklärten, aber noch nicht wirksam gewordenen Kündigung den Boden entzieht.
Dogmatisch ist es richtig, auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung abzustellen. Wenn die fragliche Gesellschaft ohnehin liquidiert wird, erscheint es zudem sachgerecht, dass alle Gesellschafter den ihnen jeweils nach Maßgabe des Auseinandersetzungsverfahrens zustehenden Betrag erhalten. Hingegen sehen die üblicherweise für das vorzeitige Ausscheiden verwendeten gesellschaftsvertraglichen Abfindungsklauseln regelmäßig eine vereinfachte Berechnung des Abfindungsguthabens vor, was sich je nach den konkreten Umständen (mehr oder minder zufällig) zulasten oder zugunsten des kündigenden Gesellschafters auswirken kann.
Anders läge es zum einen, wenn der Liquidationsbeschluss erst nach Wirksamwerden der Kündigung gefasst worden wäre. Zum anderen wäre es unzulässig, wenn nach Erklärung der Kündigung die übrigen Gesellschafter gegen den Willen des Kündigenden Änderungen der Rechtsfolgen der Kündigung beschließen (vgl. K. Schmidt in: MünchKomm HGB, 4. Aufl. 2016, § 132 Rn. 19). So etwa, wenn (nachträglich) eine Fortsetzungsklausel beschlossen werden soll (hierzu BGH, Urt. v. 13.07.1967 – II ZR 72/67 – BGHZ 48, 251, 254 f.).
Im Einzelfall können sich Folgeprobleme ergeben, etwa wenn die Liquidation trotz des Liquidationsbeschlusses nicht oder nicht mehr ernsthaft betrieben wird. Der BGH sprach insoweit an, dass in einem solchen Fall ein Wiederaufleben der durch die Auflösung gehinderten Ausscheidenswirkung oder auch ein außerordentliches Kündigungsrecht der betroffenen Gesellschafter in Betracht zu ziehen sein könnte – freilich ohne sich diesbezüglich näher festzulegen.
Auch an anderer Stelle hat sich der BGH nicht abschließend positioniert, indem er nämlich seine Ausführungen als „jedenfalls für Publikumsgesellschaften“ geltend bezeichnet. Meines Erachtens wäre nicht nachvollziehbar, sonstige Personengesellschaften, beispielsweise Zusammenschlüsse von Freiberuflern in einer GbR, anders zu behandeln.
Generell empfiehlt es sich im Sinne der Rechtssicherheit, in den jeweiligen Gesellschaftsverträgen eine klare Regelung zu treffen, die beispielsweise die vom BGH aufgestellten Grundsätze ausdrücklich niederlegen könnte. Ebenso denkbar wäre aber auch eine Klausel des Inhalts, dass bereits ausgesprochene Kündigungen von einem später gefassten Liquidationsbeschluss unberührt bleiben sollen.
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