Nachfolgend ein Beitrag vom 15.8.2017 von Buck-Heeb, jurisPR-BKR 8/2017 Anm. 3

Orientierungssatz

Rät eine Bank, die zugleich Darlehensgeberin der Kunden ist, zum Abschluss eines Zinssatz-Swap-Vertrag mit ihr, muss sie über den in der Einpreisung des anfänglichen negativen Marktwerts liegenden schwerwiegenden Interessenkonflikt ausnahmsweise dann nicht aufzuklären, wenn es bei wirtschaftlicher Betrachtung ausschließlich darum geht, die Parameter eines konkreten Kreditverhältnisses abzuändern. Ausgangs- und Bezugspunkt müssen ein bei der beratenden Bank unterhaltener, bestehender oder zeitgleich abgeschlossener Darlehensvertrag und dessen Bedingungen sein. Der Bezugsbetrag des Zinssatz-Swap-Vertrags muss der zur Rückzahlung ausstehenden Valuta dieses Darlehensvertrags als konnexem Grundgeschäft entsprechen oder darf sie jedenfalls nicht übersteigen. Bei variabel verzinslichen Darlehen muss die Laufzeit des Zinssatz-Swap-Vertrags der des Darlehensvertrags und bei Festzinsdarlehen die Laufzeit des Zinssatz-Swap-Vertrags der der Zinsbindung gleichstehen oder darf sie jedenfalls nicht überschreiten. Die Zahlungspflichten der Bank aus dem Zinssatz-Swap-Vertrag müssen sich mit dem vom Kunden in dem zugeordneten Darlehensvertrag übernommenen variablen oder festen Zins mindestens im Sinne einer partiellen Absicherung gegenläufiger Zinsrisiken decken.

A. Problemstellung

Wieder einmal hatte der BGH zur Schadensersatzpflicht einer Bank wegen mangelhafter Beratung eines Kunden zu entscheiden. Vorliegend handelt es sich um das vierte sog. Swap-Urteil des XI. Zivilsenats des BGH (neben BGH, Urt. v. 22.03.2011 – XI ZR 33/10 – BGHZ 189, 13; BGH, Urt. v. 20.01.2015 – XI ZR 316/13 – BKR 2015, 208; BGH, Urt. v. 28.04.2015 – XI ZR 378/13 – BGHZ 205, 117 m. Anm. Buck-Heeb, jurisPR-BKR 6/2016 Anm. 2). Die Entscheidung bestätigt die bisherigen Urteile und schreibt diese fort. Sie steht auch im Kontext mit einer weiteren – fünften – Swap-Entscheidung, die der BGH am 12.06.2016 traf (BGH, Urt. v. 12.07.2016 – XI ZR 150/15).

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Im konkreten Fall hatte eine Gemeinde drei Zinssatz-Swap-Verträge mit der beklagten Bank geschlossen, die allesamt der Zinsoptimierung bestehender Kreditverbindlichkeiten dienen sollten. In diese Verträge hatte die Bank eine Bruttomarge eingepreist, d.h. der Marktwert war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aus Sicht der Gemeinde negativ. Über die Höhe des anfänglichen negativen Marktwerts war nicht aufgeklärt worden.
Der BGH hat hier im Ergebnis – ebenso wie schon das Berufungsgericht (OLG Köln, Urt. v. 13.08.2014 – I-13 U 128/13) – eine Verletzung der Aufklärungspflicht der Bank bejaht.
Allerdings weicht die Begründung von der des Berufungsgerichts ab. Der XI. Zivilsenat des BGH befand, dass über das Einpreisen einer Bruttomarge bei einer objektgerechten Beratung grundsätzlich nicht aufgeklärt werden müsse. Anders sei das aber, wenn – wie hier – kein konnexes Grundgeschäft vorliege. In einem solchen Fall müsse über den anfänglichen negativen Marktwert aufgeklärt werden. Der BGH stellte zudem fest, dass sich die Gemeinde die Befreiung vom negativen Ablösungswert des früheren Zinssatz-Swap-Geschäfts grundsätzlich als Vorteil anrechnen lassen müsse. Daher wurde das der Klage stattgebende Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

C. Kontext der Entscheidung

I. Ausgangspunkt der Entscheidung ist die sog. Marktwert-Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH. Danach müssen Banken im Rahmen ihrer Anlageberatung den Kunden grundsätzlich nicht über den anfänglichen negativen Marktwert eines Swap-Geschäfts aufklären. Das stellte der BGH auch im vorliegenden Urteil nochmals ausdrücklich klar.
II. Anders sieht das der BGH in seiner bisherigen Rechtsprechung dann, wenn bei der Bank ein schwerwiegender Interessenkonflikt vorliegt. Ein solcher Interessenkonflikt und damit eine Aufklärungspflicht werden bejaht, wenn die Bank selbst Vertragspartnerin ist und daher ein Zweipersonenverhältnis vorliegt. Begründet wird das damit, dass der Kunde hier die Einstrukturierung der Bruttomarge nicht erkennen könne. Umgekehrt scheidet ein schwerwiegender Interessenkonflikt aus, wenn die Bank nicht selbst Vertragspartnerin des Swap-Geschäfts ist, sondern das Geschäft lediglich vermittelt (BGH, Urt. v. 22.03.2011 – XI ZR 33/10 Rn. 26 – BGHZ 189, 13, 24 = BKR 2011, 293).
III. 1. Ein schwerwiegender Interessenkonflikt wird dann selbst in einem Zweipersonenverhältnis verneint, wenn ein konnexes Geschäft vorliegt, d.h. wenn der Swap-Vertrag zur Absicherung gegenläufiger Zins- oder Währungsrisiken aus konnexen Grundgeschäften dient (BGH, Urt. v. 28.04.2015 – XI ZR 378/13 Rn. 42 – BGHZ 205, 117, 133 = BKR 2015, 371; BGH, Urt. v. 22.03.2011 – XI ZR 33/10 Rn. 26 – BGHZ 189, 13, 24 = BKR 2011, 293). Begründet wird das damit, dass Bank und Kunde durch den Zinssatz-Swap-Vertrag in wirtschaftlicher Hinsicht nur die Konditionen des Darlehensvertrags verändern, d.h. lediglich ein bereits bestehendes Risiko des Kunden abgesichert wird. Hier dient der Swap-Vertrag nicht der Spekulation durch Übernahme einer offenen Risikoposition. Daher muss der Kunde damit rechnen, dass die Bank sowohl mit dem Darlehensgeschäft als auch mit dem Zinssatz-Swap-Geschäft eigennützige Interessen verfolgt. Zudem soll ausnahmsweise nicht über den schwerwiegenden Interessenkonflikt aufzuklären sein, weil es bei wirtschaftlicher Betrachtung ausschließlich um die Änderung eines konkreten Kreditverhältnisses geht.
2. In der Rechtsprechung konnte bislang offenbleiben, wann genau eine Konnexität zwischen dem Swap-Vertrag und dem zugrunde liegenden Darlehensvertrag vorliegt und daher eine Aufklärungspflicht abzulehnen ist. In der vorliegenden Entscheidung wird nun dargetan, in welchen konkreten Fällen es an einer Konnexität mangelt und deshalb eine Aufklärungspflicht bezüglich des anfänglichen negativen Marktwerts zu bejahen ist. Das ist nicht nur bei vollständig nicht konnexen Geschäften der Fall. Vielmehr gilt das u.a. auch dann, wenn die rückzuzahlende Valuta des Darlehensvertrags durch den Betrag des Zinssatz-Swap-Vertrags überstiegen wird (vgl. Besprechungsurteil Rn. 28, näher dazu unten bei D.II.). Präzisiert wird das dahingehend, dass die Parteien wirtschaftlich zumindest teilweise entweder ein variabel verzinsliches Darlehen in ein synthetisches Festzinsdarlehen oder ein Festzinsdarlehen in ein synthetisch variabel verzinsliches Darlehen umwandeln. Hiermit hat der BGH dem im Schrifttum teilweise vertretenen weiteren Verständnis des Begriffs „Konnexität“ eine Absage erteilt.
3. Damit ist Bedingung für die Bejahung einer Konnexität die Tatsache, dass Ausgangspunkt für das Beratungsgespräch ein konkretes Kreditgeschäft ist. Dabei muss es um dessen Anpassung an wirtschaftliche Veränderungen gehen. Da Voraussetzung also die Identität von Swap-Vertragspartner und Darlehensgeber ist (kritisch hierzu Bausch, BKR 2016, 296, 297), scheidet zwangsläufig die Bezugnahme auf einen Darlehensvertrag mit einem dritten Darlehensgeber aus. Ist die Bank nicht selbst Vertragspartnerin, muss sie schon grundsätzlich nicht über den negativen Marktwert aufklären (BGH, Urt. v. 20.01.2015 – XI ZR 316/13 Rn. 31 – BKR 2015, 208).
IV. Unklar ist noch, ob der Kunde oder die Bank die Beweislast für das Vorliegen der Konnexität trägt. Das konkrete Urteil konnte diesen Punkt offenlassen, da selbst die beklagte Volksbank nicht behauptet hatte, dass dem Beratungsgespräch bezüglich des Swap-Geschäfts ein konkretes Kreditgeschäft zugrunde lag.

D. Auswirkungen für die Praxis

I. Die Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH zur Aufklärung über den negativen Marktwert wird im Schrifttum heftig kritisiert. Als ein Argument gegen diese Judikatur wird angeführt, dass auch das Vorliegen eines konnexen Grundgeschäfts den Interessenkonflikt zwischen Bank und Kunde nicht beseitigt (vgl. Bausch, WM 2016, 247, 252 f.). Außerdem wird bemängelt, dass schon die normativ-objektive Betrachtungsweise des BGH unklar sei, da der Kunde doch dann auch ohne Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert einen schwerwiegenden Interessenkonflikt der Bank annehmen müsse (Bausch, BKR 2016, 296, 297). Selbst wenn man die Bedenken für überzeugend ansieht, wird man sich auf die Sichtweise des Senats einstellen müssen. Dieser geht nämlich auf diese Kritikpunkte nicht ein, sondern präzisiert konsequent seine Rechtsprechung.
II. Auswirkungen für die Praxis hat diese Entscheidung dahingehend, dass die Bank dann, wenn sie einem Kunden den Abschluss eines Swapgeschäfts empfiehlt, zugleich Darlehensgeberin sein muss, wenn die Aufklärungspflicht über den anfänglichen negativen Marktwert unter dem Gesichtspunkt der Konnexität entfallen soll. Eine weitere elementare Aussage des besprochenen Urteils ist, dass das konnexe Grundgeschäft bereits vorher oder zumindest zeitgleich mit dem Swap-Geschäft bei der den Swap-Vertrag abschließenden Bank geschlossen worden sein muss. Zudem darf der Bezugsbetrag des Zinssatz-Swap-Vertrags die Valuta des Darlehensvertrags (als konnexem Grundgeschäft) nicht übersteigen. Des Weiteren muss die Laufzeit des Swap-Vertrags derjenigen des Darlehensvertrags gleichstehen bzw. darf sie nicht übersteigen. Insgesamt müssen sich die Zahlungspflichten der Bank aus dem Swap-Vertrag mit dem Zins aus dem Darlehensvertrag decken (Besprechungsurteil Rn. 28). Die Voraussetzungen, die der XI. Zivilsenat des BGH hier nennt, werden von den Banken zumindest für künftige Fälle, bei denen diese selbst Vertragspartnerinnen sind, zu beachten sein.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

I. Klargestellt wird im Urteil zudem, wie die Bank bei Swap-Fällen die sog. Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens widerlegen kann. Bewiesen werden muss, dass der Kunde den Vertrag auch dann geschlossen hätte, wenn er über die Bruttomarge sowie deren Höhe informiert worden wäre.
Die Darlegung des klagenden Kunden ist auch dann erfolgreich widerlegt, wenn die Bank dartut und beweist, dass das Zinssatz-Swap-Geschäft nur deshalb geschlossen worden ist, weil der Vertreter des Kunden (im konkreten Fall: Bürgermeister und Kämmerer einer Gemeinde) die Verluste aus früheren Geschäften nicht publik machen wollten. Dann nämlich liegt darin das Motiv für die Eingehung des Vertrags, so dass auch eine Aufklärung über die o.g. Punkte für deren Willensentschließung unerheblich gewesen wäre.
II. Ein weiterer Themenschwerpunkt des Urteils sind die Ausführungen zur Vorteilsausgleichung. Für die Swap-Fälle gilt – wie auch sonst – die allgemeine Regel, dass dem Kunden neben seinem Schadensersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind (BGH, Urt. v. 28.04.2015 – XI ZR 378/13 Rn. 85 – BGHZ 205, 117 = BKR 2015, 371 m. Anm. Buck-Heeb, jurisPR-BKR 6/2016 Anm. 2). Das bezieht sich jedenfalls auf diejenigen Vorteile, die in adäquat-kausalem Zusammenhang mit dem Schadensereignis stehen.
Zudem muss die Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen und es darf weder der Geschädigte unzumutbar belastet noch der Schädiger unbillig entlastet werden. Insofern entschied der XI. Zivilsenat des BGH, dass dann, wenn der Kunde kausal mit der Pflichtverletzung (Aufklärungs-/Beratungsfehler) einen für ihn günstigen Vertrag abschließt, sich ein auf den Schadensumfang anrechenbarer Vorteil für den Kunden ergeben kann. Dies hat jedoch der Schädiger darzulegen und zu beweisen. Dagegen ist eine Vorteilsanrechnung bezüglich anderer, mit derselben Bank abgeschlossener Swap-Verträge grundsätzlich ausgeschlossen.