Nachfolgend ein Beitrag vom 17.1.2018 von Ulrici, jurisPR-ArbR 3/2018 Anm. 3

Leitsatz

Die Klagefrist gemäß § 4 Satz 1 KSchG und die Fiktionswirkung des § 7 KSchG finden auf die Eigenkündigung eines Arbeitnehmers keine Anwendung.

A. Problemstellung

Anwendungsbereich der Klagefrist nach § 4 Satz 1 KSchG und Wirkbereich von § 7 KSchG wurden zum 01.01.2004 im Interesse der Rechtssicherheit reformiert (BT-Drs. 15/1204, 9 f., 13; dazu Bender/Schmidt, NZA 2004, 358; Fornasier/Werner, NJW 2007, 2729; Geneger, RdA 2010, 274; Nord/Linnert-Epple, Jura 2009, 801; Raab, RdA 2004, 321; Ulrici, DB 2004, 250). Ihre Reichweite ist in der Rechtsprechung bislang nicht abschließend, sondern nur punktuell geklärt (zu Vertretungsmängeln: BAG, Urt. v. 26.03.2009 – 2 AZR 403/07 m. Anm. Ulrici, jurisPR-ArbR 37/2009 Anm. 2; BAG, Urt. v. 06.09.2012 – 2 AZR 858/11 m. Anm. Ulrici, jurisPR-ArbR 17/2013 Anm. 1). Noch nicht höchstrichterlich entschieden war bislang die Frage, inwieweit beide Regelungen aufgrund ihres insoweit offenen Wortlauts auch (Eigen-)Kündigungen des Arbeitnehmers betreffen. Der nicht ganz alltägliche Fall einer durch eine im maßgeblichen Zeitpunkt möglicherweise sich im Zustand einer vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit (§ 105 Abs. 2 BGB) befindliche oder gar geschäftsunfähige (§ 105 Abs. 1 BGB) Arbeitnehmerin ausgesprochenen Kündigung gab dem BAG nunmehr Gelegenheit, die Klärung weiter voranzutreiben.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer (Eigen-)Kündigung der Klägerin und im Zusammenhang damit um das Eingreifen der Wirksamkeitsanordnung nach den §§ 4, 7 KSchG.
I. Die Klägerin war bei der Beklagten bereits über 20 Jahre beschäftigt, als sie im Jahr 2013 wegen einer paranoiden Schizophrenie stationär behandelt werden musste. Im Anschluss war sie wieder arbeitsfähig. Mit Schreiben vom 06.03.2015 kündigte sie dann ihr zur Beklagten bestehendes Arbeitsverhältnis. Die Beklagte bestätigte die fristgemäße Kündigung zum 30.09.2015 und stellte die Klägerin widerruflich bis zum Beendigungszeitpunkt frei. Im März und April 2015 richtete die Klägerin an die Beklagte zwei weitere Schreiben, welche das Berufungsgericht als „auffällig“ bezeichnet hat (ihr Inhalt wird im Berufungsurteil nur im Wege der Bezugnahme berichtet). Ab Ende Mai war die Klägerin erneut in stationärer Behandlung. Ende Juni wurde für die Klägerin eine Rechtsanwältin zur Betreuerin u.a. zur Vermögenssorge und Vertretung vor Behörden und Gerichten bestellt. Die Beklagte informierte die Betreuerin mit Schreiben vom 25.08.2015 von der Kündigung. Mit Schreiben vom 01.09.2015 teilte die Betreuerin mit, dass die Klägerin bei Abfassung des Schreibens nicht geschäftsfähig war und bat um Übersendung des Kündigungsschreibens. Nachdem die Klägerin am 06.09.2015 aus dem Krankenhaus entlassen wurde, übersandte die Betreuerin am 09.09.2015 eine ärztliche Stellungnahme des Krankenhauses, in welcher ausgeführt wird, man gehe „fest davon aus, dass zum Zeitpunkt der Kündigung krankheitsbedingt keine Geschäftsfähigkeit“ vorgelegen habe. Weiter wird mitgeteilt, inzwischen sei die Klägerin allerdings wieder geschäftsfähig und alsbald auch wieder arbeitsfähig. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 11.09.2015 eine Kopie des Kündigungsschreibens an die Betreuerin übersandt hatte, wies die spätere Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 105 Abs. 2 BGB hin und bat die Beklagte, zu erklären, dass sie die Kündigung als gegenstandslos betrachte, und zu bestätigen, dass das Arbeitsverhältnis fortbestehe. Die Beklagte teilte mit, sie sehe keine Veranlassung zu den gewünschten Erklärungen.
Mit ihrer im Dezember 2015 erhobenen Klage begehrt die Klägerin unter Verweis auf die zum maßgeblichen Zeitpunkt fehlende Geschäftsfähigkeit die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht durch die von ihr unter dem 06.03.2015 erklärte Kündigung beendet wurde. Ergänzend stellte sie einen sog. allgemeinen Feststellungsantrag. Die Beklagte tritt dem Klagebegehren entgegen und beruft sich darauf, dass die Klägerin die Klagefrist nach § 4 Satz 1 KSchG versäumt und jedenfalls das Recht, sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung zu berufen, verwirkt habe. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr unter Abweisung des sog. allgemeinen Feststellungsantrags stattgegeben (LArbG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 06.09.2016 – 19 Sa 953/16). Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
II. Das BAG hat auf die Revision der Beklagten das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und zurückverwiesen.
Nach Ansicht des BAG durfte das Landesarbeitsgericht der Klage nicht mit der gegebenen Begründung stattgeben. Vielmehr bedürfe es zur Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung weiterer Feststellungen zur Geschäftsunfähigkeit der Klägerin.
1. Der Feststellungsantrag der Klägerin sei zulässig. Er sei zwar in Anlehnung an § 4 Satz 1 KSchG punktuell auf die (Eigen-)Kündigung vom 06.03.2015 bezogen formuliert. Allerdings könne eine Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG nicht eine (Eigen-)Kündigung des Arbeitnehmers zum Gegenstand haben (vgl. unter a). Deshalb sei der Antrag als sog. allgemeiner Feststellungsantrag auszulegen (vgl. unter b). Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse sei gegeben, nachdem die Parteien unterschiedlicher Ansicht über das (Fort-)Bestehen eines Arbeitsverhältnisses seien. Die Klägerin habe ihr Klagerecht auch nicht verwirkt (vgl. unter c).
a) Zwar sei mit dem Wortlaut von § 4 Satz 1 KSchG auch ein Verständnis vereinbar, nach welchem die Klagefrist auch dann eingehalten werden müsse, wenn der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit einer von ihm selbst erklärten Kündigung geltend machen wolle. Allerdings sprächen hiergegen Gesetzessystematik sowie Telos von § 4 Satz 1 KSchG i.V.m. § 7 KSchG. Für eine analoge Anwendung fehle es an der erforderlichen, positiv festzustellenden planwidrigen Regelungslücke.
aa) Die Regelung sei in den Ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes unter der Überschrift Allgemeiner Kündigungsschutz eingeordnet. Dieser Abschnitt beziehe sich nach § 1 Abs. 1 KSchG ausschließlich auf Arbeitgeberkündigungen. Auch erwähne § 4 Satz 1 KSchG zuvorderst den Einwand mangelnder sozialer Rechtfertigung und nur Arbeitgeberkündigungen bedürften einer solchen Rechtfertigung.
bb) Weiter sei der systematische Zusammenhang mit § 7 KSchG zu beachten. Nach dieser Vorschrift gelte eine Kündigung von Anfang an als wirksam, wenn ihre Rechtswirksamkeit nicht rechtzeitig gemäß § 4 Satz 1 KSchG, §§ 5, 6 KSchG geltend gemacht werde. Diese Rechtsfolge entspreche aber nur dann dem mit ihr verfolgten Sinn und Zweck, wenn die Wirksamkeit einer dem Arbeitgeber zurechenbaren Kündigung bei nicht rechtzeitiger Klageerhebung fingiert werde.
(1) Die Wirksamkeitsanordnung solle dazu beitragen, dass für den Arbeitgeber alsbald nach Ausspruch einer Kündigung Gewissheit hinsichtlich des Bestandes der Kündigung eintrete. Diese Wirkung sei zum 01.01.2004 durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 auf grundsätzlich alle Rechtsunwirksamkeitsgründe erstreckt worden. Zu nicht sachwidrigen Ergebnissen führe diese Rechtsfolge aber nur, wenn mit der Klage ausschließlich die Unwirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung geltend gemacht werden soll. Fände § 4 Satz 1 KSchG dagegen auch auf die Eigenkündigung eines Arbeitnehmers Anwendung, hätte es dieser in der Hand, einer materiell unwirksamen Kündigung zur Wirksamkeit zu verhelfen, indem er nicht selbst gegen sie klage. Eine fristlose Eigenkündigung, für welche kein wichtiger Grund i.S.v. § 626 BGB bestehe, würde zulasten des Arbeitgebers wirksam, wenn der Arbeitnehmer nicht selbst rechtzeitig gegen sie Klage erhebe.
(2) Die Kündigung sei der Beklagten vorliegend auch nicht aus dem Grund zurechenbar, dass diese sie akzeptiert/bestätigt habe. Da die Klägerin die Kündigung nicht im Namen der Beklagten erklärt habe, scheide auch eine Genehmigung nach § 177 Abs. 1 BGB aus. Damit bleibe die Kündigung eine für die Beklagte fremde Willenserklärung.
cc) Das Interesse der Beklagten an einer schnellen Klärung auch der Wirksamkeit einer (Eigen-)Kündigung des Arbeitnehmers erlaube kein anderes Verständnis. Denn der Gesetzgeber habe Streitigkeiten über andere Beendigungstatbestände als (arbeitgeberseitige) Kündigungen ebenfalls nicht der Klagefrist in § 4 Satz 1 KSchG unterworfen, obwohl das Bedürfnis nach einer schnellen Klärung grundsätzlich ebenso bestünde. Eine Ausnahme sei allein die Befristungskontrollklage (§ 17 TzBfG).
b) Eine (punktuelle) Kündigungsschutzklage scheide somit zwar aus. Allerdings sei der Antrag sachgerecht als sog. allgemeiner Feststellungsantrag, bezogen auf das Fortbestehen eines Arbeitsverhältnisses über den 30.09.2015 hinaus, auszulegen. Dem stehe nicht entgegen, dass das Landesarbeitsgericht (inzwischen rechtskräftig) den ursprünglich kumulativ gestellten sog. allgemeinen Feststellungsantrag abgewiesen habe, weil allein eine Abweisung als unzulässig erfolgt sei. Auch bestehe seit Rechtskraft dieser Klageabweisung keine doppelte Rechtshängigkeit mehr.
c) Die Klägerin habe ihr Recht, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses klageweise geltend zu machen, nicht nach den für die Prozessverwirkung geltenden Grundsätzen verwirkt. Zwar könne das Recht, eine Klage zu erheben, verwirkt werden mit der Folge, dass eine dennoch erhobene Klage unzulässig sei. Dies komme jedoch nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht. Für diese seien im Streitfall, ein ausreichendes Zeitmoment der Untätigkeit der Klägerin unterstellt, tragfähige Umstände aber weder festgestellt noch ergeben sie sich aus dem Parteivorbringen.
2. Ob der Feststellungsantrag (un)begründet sei, stehe entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts noch nicht fest.
a) Die Klägerin habe zwar ihr Recht, sich auf die Nichtigkeit ihrer Eigenkündigung gemäß § 105 BGB zu berufen, nicht materiell-rechtlich verwirkt. Es sei der Beklagten nicht unzumutbar, für den Fall der Nichtigkeit der Kündigung den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gegen sich gelten zu lassen. Denn die Verwirkung sei ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und diene dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit. Sie habe nicht den Zweck, Gebundene, denen gegenüber Berechtigte ihre Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht hätten, vorzeitig von ihren Lasten zu befreien. Neben einem hinreichenden Zeitmoment müssten daher besondere Umstände im Verhalten des Berechtigten als auch des Gebundenen hinzutreten, die es rechtfertigten, die späte Geltendmachung als mit Treu und Glauben unvereinbar anzusehen. Das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Gebundenen müsse das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Bindung an das Recht nicht mehr zuzumuten sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall, wobei offenbleiben könne, ob ein hinreichendes Zeitmoment gegeben ist. Denn wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt habe, fehle es jedenfalls am Umstandsmoment. Weder sei festgestellt noch von der Beklagten behauptet, dass sie im Zeitraum bis zum ersten Hinweis der Betreuerin oder bis zur anwaltlichen Fristsetzung im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Kündigung Dispositionen (insbesondere eine Neueinstellung) vorgenommen habe.
b) Allerdings durfte das Landesarbeitsgericht aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht annehmen, die Kündigung sei gemäß § 105 Abs. 2 BGB wegen vorübergehender Störung der Geistestätigkeit der Klägerin nichtig. Zunächst finde sich eine hinreichende Grundlage hierfür nicht in der ärztlichen Stellungnahme vom 09.09.2015. Denn diese enthalte keinen medizinischen Befund, sondern bringe eine sich aus einem solchen möglicherweise ergebende Rechtsfolge zum Ausdruck, deren Voraussetzungen allerdings durch das Gericht festzustellen seien. Anders als bei der gemäß § 5 Abs. 1 EFZG vorgesehenen ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kenne das Gesetz keine ärztliche Geschäftsunfähigkeitsbescheinigung. Hinzu komme, dass sich nach dem Inhalt der Bescheinigung nicht ausschließen lasse, dass sich ihre Aussteller über die zutreffende Bedeutung des Rechtsbegriffs Geschäftsfähigkeit nicht hinreichend im Klaren waren. Obwohl Geschäftsunfähigkeit eine dauerhafte, die freie Willensbestimmung ausschließende Störung der Geistestätigkeit voraussetze, gaben die Aussteller an, die Geschäftsfähigkeit sei zwischenzeitlich wieder hergestellt. Überdies sei nach der Formulierung man gehe „fest davon aus“ unklar, ob die der Schlussfolgerung einer Geschäftsunfähigkeit zugrunde liegenden medizinischen Erkenntnisse bestätigt werden sollten oder möglicherweise nur eine hohe Wahrscheinlichkeit für diese bestehe. Eine hinreichende Grundlage fänden die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts aber auch nicht bei Berücksichtigung der Gesamtumstände. Ein Teil der vom Landesarbeitsgericht insoweit berücksichtigten Umstände seien ohne Aussagekraft oder sprächen eher gegen als für eine Geschäftsunfähigkeit (z.B. zunächst erfolgte Einstellung des Betreuungsverfahrens). Im Übrigen sei nicht erkennbar und wurde im Berufungsurteil auch nicht darlegt, aufgrund welcher eigenen medizinischen Sachkenntnis das Landesarbeitsgericht zur Würdigung der Gesamtumstände (insbesondere zur Würdigung der beiden weiteren an die Beklagte gerichteten Schreiben) in der Lage war.
c) Die Kündigung sei auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Insbesondere sei sie nicht zu unbestimmt. Es bestünden keine Zweifel daran, dass eine ordentliche und keine außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde, weil eine außerordentliche Kündigung – woran es vorliegend fehle – hinreichend deutlich hätte erklärt werden müssen. Auch fehle jeder Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte als Kündigungsempfängerin die maßgebliche Kündigungsfrist nicht zweifelsfrei habe bestimmen können. Vielmehr habe die Beklagte selbst der Klägerin den maßgeblichen Beendigungstermin mitgeteilt.
d) Umgekehrt stünde aber auch noch nicht nach den §§ 4 Satz 1, 7 KSchG die Wirksamkeit der Kündigung fest. Da eine (Eigen-)Kündigung – wie eingangs dargelegt – nicht Gegenstand einer Kündigungsschutzklage sein könne, greife auch § 7 KSchG nicht ein.

C. Kontext der Entscheidung

I. Der Entscheidung des BAG ist im Ergebnis und auch ganz überwiegend in der Begründung zuzustimmen. Gegenstand einer Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG können nur Arbeitgeberkündigungen und nicht auch (Eigen-)Kündigungen von Arbeitnehmern sein, weshalb auch die an das Unterlassen einer Kündigungsschutzklage anknüpfende Rechtsfolge von § 7 KSchG für Arbeitnehmerkündigungen nicht gelten kann (vgl. auch schon Ulrici in: Festschrift für von Hoyningen-Huene, 2014, S. 501, 512).
1. Zu Recht verweist das BAG zur Begründung zunächst auf die Gesetzessystematik. Neben dem auch vom BAG angesprochenen Standort der Norm im ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes lässt sich insoweit weiter anführen, dass § 4 KSchG in den Sätzen 2, 3 auf die §§ 2, 3 KSchG Bezug nimmt und sich beiden Regelungen sehr deutlich eine Ausrichtung auf Arbeitgeberkündigungen entnehmen lässt. Auch bezieht sich § 4 Satz 4 KSchG nur auf Arbeitgeberkündigungen, weil für (Eigen-)Kündigungen des Arbeitnehmers keine behördlichen Zustimmungserfordernisse im Sinne der Norm bestehen. Gleichermaßen betrifft die § 4 Satz 1 KSchG ergänzende Regelung in § 5 Abs. 1 KSchG ausweislich des dortigen Satzes 2 nur Arbeitgeberkündigungen, weil nur diese, nicht aber (Eigen-)Kündigungen des Arbeitnehmers nach § 9 MuSchG (§ 17 MuSchG-2018) unwirksam sein können.
2. Weiter verweist das BAG im Ergebnis zu Recht auf die Sachwidrigkeit der sich bei Anwendung von § 4 Satz 1 KSchG auf (Eigen-)Kündigungen des Arbeitnehmers ergebenden Ergebnisse. Entgegen der Annahme des BAG zeigen sich diese allerdings nicht im Beispiel des Wirksamwerdens der außerordentlichen Eigenkündigung des Arbeitnehmers bei Fehlen eines wichtigen Grundes (vgl. unter a.), wohl aber in anderen Zusammenhängen (vgl. unter b.).
a) Anders als das BAG meint, würde eine vom Arbeitnehmer ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes ausgesprochene außerordentliche (Eigen-)Kündigung nicht nach den §§ 4 Satz 1, 7 KSchG (zum Nachteil des Arbeitgebers) wirksam. Das BAG legt seinem Beispiel unausgesprochen zugrunde, dass die Rechtsfolge von § 7 KSchG umfassend/beidseitig eintritt. Dies ist nicht der Fall. Vielmehr tritt die Wirksamkeitsanordnung nur gegen diejenige Partei ein, welche keine ihr eröffnete Kündigungsschutzklage erhoben hat. Denn rechtfertigen lässt sich der Eintritt der Wirksamkeitsanordnung nur, wenn für den Belasteten die Möglichkeit zu ihrer Verhinderung bestand. Da Arbeitgeber keine Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG erheben können, wirkt die Wirksamkeitsanordnung nicht gegen sie (ausführlich Ulrici in: Festschrift für von Hoyningen-Huene, S. 501, 515 ff.).
b) Deutlich wird die Sachwidrigkeit der Anwendung von § 4 Satz 1 KSchG auf (Eigen-)Kündigungen des Arbeitnehmers allerdings zunächst bei Berücksichtigung von § 9 KSchG. Aus der Gesetzessystematik folgt, dass § 9 KSchG daran anknüpft, dass eine Kündigung auf eine Kündigungsschutzklage hin für unwirksam erklärt wird. Wäre dies auch anknüpfend an eine (Eigen-)Kündigung des Arbeitnehmers möglich, könnte der Arbeitnehmer durch eine von ihm unwirksam ausgesprochene Kündigung selbst die betreffende Voraussetzung für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung schaffen. Dies entspricht nicht den Vorstellungen des Gesetzgebers und steht überdies im Widerspruch dazu, dass in der Auflösungsabfindung ganz überwiegend auch eine Sanktion für den Ausspruch einer unwirksamen Kündigung gesehen wird (vgl. dazu BAG, Urt. v. 15.02.1973 – 2 AZR 16/72; Hergenröder in: MünchKomm BGB, 7. Aufl. 2016, § 10 KSchG Rn. 14; Kiel in: ErfKomm, 18. Aufl. 2018, § 10 KSchG Rn. 5, 9).
Noch klarer zeigt sich die Sachwidrigkeit der Anwendung von § 4 Satz 1 KSchG auf (Eigen-)Kündigungen des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit § 12 KSchG. Nach dieser Regelung kann sich ein Arbeitnehmer anknüpfend an die Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses (Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung) rückwirkend von seinem alten Arbeitsverhältnis lösen, wenn er zwischenzeitlich ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist. Aus der Gesetzessystematik wird wiederum deutlich, dass sich § 12 KSchG dabei auf eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage bezieht (vgl. Hergenröder in: MünchKomm BGB, § 12 KSchG Rn. 4; Eylert/Budroweit in: NK-Gesamtes Arbeitsrecht, 2016, § 12 KSchG Rn. 7: „Künd-Schutzprozess“; Kiel in: ErfKomm, § 12 KSchG Rn. 2). Käme diese auch im Anschluss an eine (Eigen-)Kündigung des Arbeitnehmers in Betracht, könnte der Arbeitnehmer die von ihm unwirksam ausgesprochene Kündigung gleichsam rückwirkend „heilen“. Die an den Zugang einer wirksamen Kündigungserklärung anknüpfenden Kündigungsfristen liefen leer. Im Sinne der vom BAG gebildeten Beispiels könnte der Arbeitnehmer nach § 13 Abs. 1 Satz 5 KSchG i.V.m. § 12 KSchG rückwirkend sogar eine fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses erreichen, ohne dass ein wichtiger Grund vorliegt.
3. Stützen lässt sich die Ansicht des BAG weiter dadurch, dass der von § 4 Satz 1 (§ 6 KSchG) in Bezug genommene Zeitpunkt (Zugang der schriftlichen Kündigungserklärung) ersichtlich nur Arbeitgeberkündigungen und nicht (Eigen-)Kündigungen des Arbeitnehmers betrifft, weil der Arbeitnehmer allenfalls den Zeitpunkt eines bei ihm erfolgten Zugangs, nicht aber den Zeitpunkt des Zugangs einer (Eigen-)Kündigung beim Arbeitgeber zuverlässig kennen kann.
4. Schließlich spricht für die Ansicht des BAG, dass die Ausweitung der §§ 4 Satz 1, 7 KSchG seitens des Gesetzgebers ausdrücklich (BT-Drs. 15/1204, S. 9) in Anlehnung an § 113 Abs. 2 InsO a.F. erfolgte und diese Regelung zweifelsfrei nur die Kündigung durch den Dienstberechtigten betraf („die Kündigung … durch den Insolvenzverwalter“ für ein Dienstverhältnis, „bei dem der Schuldner der Dienstberechtigte ist“).
II. Das vom BAG angeführte Beispiel der vom Arbeitnehmer ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes ausgesprochenen (Eigen-)Kündigung konnte wie aufgezeigt zwar nicht die Sachwidrigkeit der sich in der Folge ergebenden Konsequenzen belegen. Es ist allerdings Ausdruck des sicheren Judizes des Senats, welches sich durch den Gedanken stützen lässt, dass § 7 KSchG nur gegen denjenigen wirken kann, für den die fristwahrende Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG eröffnet war (Ulrici in: Festschrift für von Hoyningen-Huene, S. 501, 515 ff.). Diese Erkenntnis wiederum bereitet, wie sogleich aufzuzeigen ist, die Grundlage für eine umfassende Klärung der Reichweite der §§ 4, 7 KSchG. Es lässt sich über die durch das BAG bislang nur punktuell gegebene Antwort hinaus aufzeigen, aufgrund welches gemeinsamen Grundgedankens welche Unwirksamkeitsgründe mit Ablauf der Klagefrist (§ 4 Satz 1 KSchG) nach § 7 KSchG hinfällig werden.
1. In seiner Entscheidung führt das BAG zu diesem Fragenkreis zwar aus, dass die §§ 4 Satz 1, 7 KSchG zum 01.01.2004 reformiert wurden und nunmehr alle Unwirksamkeitsgründe betreffen. Aber schon nach dem Wortlaut von § 4 Satz 1 KSchG ist der Mangel der Schriftform ausgenommen. Überdies hat das BAG, was der Senat auch vorliegend anklingen lässt, die sich aus einer mangelnden Zurechnung zum Arbeitgeber ergebenden Unwirksamkeitsgründe der Wirksamkeitsanordnung entzogen (BAG, Urt. v. 26.03.2009 – 2 AZR 403/07 m. Anm. Ulrici, jurisPR-ArbR 37/2009 Anm. 2). Die hierfür gegebene Begründung kann allerdings nicht restlos überzeugen, weil dem benannten Kriterium „Zurechnung zum Arbeitgeber“ eine gesetzliche Verankerung fehlt. Ihm lassen sich ganz unterschiedliche Einzelfragen zuordnen, welche rechtlich auf verschiedenen Ebenen wirken und dogmatisch nicht im Zusammenhang stehen. So betrifft das Merkmal „Zurechnung“ in den Fällen fehlender Vertretungsmacht ebenso wie in Fällen der Erklärung durch einen beschränkt Geschäftsfähigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters eine außerhalb der Willenserklärung (Kündigung) als Tatbestand liegende Wirkungsvoraussetzung (vgl. Ulrici in: Festschrift für von Hoyningen-Huene, S. 501, 505 f.). Bezieht man es dagegen auf die Geschäftsunfähigkeit des Erklärenden, betrifft es eine Voraussetzung der Willenserklärung als Tatbestand (Ulrici in: Festschrift für von Hoyningen-Huene, S. 501, 505). Das Kriterium „Zurechnung“ erweist sich damit ein Stück weit als beliebig (Ulrici in: Festschrift für von Hoyningen-Huene, S. 501, 508 f., 513 f.).
2. Vorzugswürdig ist demgegenüber, den Anwendungsbereich der §§ 4 Satz 1, 7 KSchG systematisch-teleologisch zu bestimmen. Das Judiz des BAG liefert hierfür die Vorlage: Da die Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG nur für Arbeitnehmer und nicht auch für Arbeitgeber eröffnet ist, wirkt die Wirksamkeitsanordnung nach § 7 KSchG nur gegen den Arbeitnehmer (Ulrici in: Festschrift für von Hoyningen-Huene, S. 501, 515 ff.). Da das von § 7 KSchG in den Blick genommene Interesse an zeitnaher Rechtssicherheit auf Seiten des Arbeitnehmers nicht weniger schutzwürdig als auf Seiten des Arbeitgebers ist, darf infolge der Wirksamkeitsanordnung in Bezug auf ein und denselben Unwirksamkeitsgrund eine Kündigung nicht nur einseitig wirksam sein (Ulrici in: Festschrift für von Hoyningen-Huene, S. 501, 517 f.). Deshalb erfasst § 7 KSchG solche Unwirksamkeitsgründe nicht, welche nicht allein dem Schutz des Arbeitnehmers dienen und daher – liegen sie vor – jeweils nicht nur durch den Arbeitnehmer, sondern zumindest auch durch den Arbeitgeber geltend gemacht werden können. Die Anwendung der §§ 4 Satz 1, 7 KSchG erfordert mithin eine – bisher vernachlässigte – teleologische Bewertung der Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Kündigung (dazu Ulrici in: Festschrift für von Hoyningen-Huene, S. 501, 518 ff.).

D. Auswirkungen für die Praxis

Arbeitgeber können sich selbst nach Ablauf von drei Wochen nicht ohne weiteres auf die Wirksamkeit der von einem Arbeitnehmer ausgesprochenen (Eigen-)Kündigung verlassen. Dies gilt nicht nur für nicht formgerecht (§ 623 BGB) erklärte Kündigungen, sondern auch darüber hinaus. Rechtssicherheit können Arbeitgeber allenfalls dadurch erlangen, dass sie aus Anlass einer (Eigen-)Kündigung des Arbeitnehmers vorsorglich entweder unter Beachtung von § 623 BGB einen Aufhebungsvertrag schließen oder ihrerseits mit einer Arbeitgeberkündigung antworten. Zwar begründet eine (unwirksame) (Eigen-)Kündigung des Arbeitnehmers nicht ohne weiteres einen Kündigungsgrund i.S.v. § 1 Abs. 1 KSchG. Allerdings setzt der Zugang einer Arbeitgeberkündigung die Klagefrist nach § 4 Satz 1 KSchG in Gang, nach deren Ablauf das Vorliegen eines Kündigungsgrunds ohne Belang ist. Unterstellt, die Klägerin wäre tatsächlich geschäftsunfähig gewesen (und es läge nicht lediglich ein Fall von § 105 Abs. 2 BGB vor), hätten diese beiden Wege der Arbeitgeberin vorliegend aber nicht die erhoffte Rechtssicherheit beschert, was dem besonderen Schutz Geschäftsunfähiger geschuldet ist. Immerhin aber hätte der Zugang einer fristauslösenden Arbeitgeberkündigung bei der Betreuerin bewirkt werden können. Wäre in der Folge nicht innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage erhoben worden, hätte die Wirksamkeitsanordnung gegriffen.

Klagefrist bei Eigenkündigung des Arbeitnehmers
Thomas HansenRechtsanwalt
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