Nachfolgend ein Beitrag vom 24.5.2017 von Klostermann-Schneider, jurisPR-ArbR 21/2017 Anm. 3
Leitsätze
1. § 174 Satz 2 BGB schränkt die Möglichkeit der Zurückweisung einer (rechtsgeschäftlichen) Erklärung mangels gleichzeitiger Vorlage einer Vollmachturkunde dahin gehend ein, dass die Zurückweisung dann ausgeschlossen ist wenn der Vertretene den Erklärungsgegner von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hat. Dabei genügt auch ein konkludentes in Kenntnis setzen. Die Kenntniserlangung auf sonstige Weise reicht dagegen nicht aus.
2. Bei einer von der Wohnungseigentümergemeinschaft beauftragten Hausverwaltungsgesellschaft kann ein solches Inkenntnissetzen i.S.d. § 174 BGB vom Bestehen einer Vollmacht, die auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Hausmeisterin/einem Hausmeister mit einschließt, in der Zusammenschau von einer ganzen Reihe von Fakten im Verlauf des gelebten Arbeitsverhältnisses liegen (z.B. angefangen von der Begründung des Arbeitsverhältnisses mit Vertretungszusatz; die Handhabung der Urlaubsgewährung etc.).
3. Die Übertragung von Befugnissen im Zusammenhang mit Begründung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen an eine Hausverwaltungsgesellschaft ist im konkreten Fall deshalb keine Aufgabe von Kernkompetenzen einer Wohnungseigentümergemeinschaft, weil die Einflussnahme der Wohnungseigentümer dadurch gesichert bleibt, dass Erklärungen nur in mehrheitlicher Abstimmung mit dem Verwaltungsbeirat der WEG erfolgen darf (§ 3 Ziff.3.3.5 des Hausverwaltungsvertrages).
4. Bei monatlich schwankender Anzahl anfallender Arbeitsstunden kann eine Darlegung von angefallenen Überstunden nicht allein dadurch als ordnungsgemäße Erfüllung der abgestuften Darlegungs- und Beweislastverteilung in der ersten Stufe liegen, dass ein Arbeitnehmer bezogen auf einige Monate die Stunden als zusätzlich zu vergütende Überstunden für sich reklamiert, die über einer angenommenen regelmäßigen monatlich zu leistenden Stundenanzahl angefallen sind. Dies gilt hier umso mehr, als im Arbeitsvertrag von „ca. 30 Std./mtl.“ gesprochen wird, und es viele Monate gibt, in welchen nicht einmal das Erreichen von 30 Arbeitsstunden im Monat dokumentiert ist.
Orientierungssätze zur Anmerkung
1. Die Zurückweisung eines vom Bevollmächtigten vorgenommenen einseitigen Rechtsgeschäfts, bei dem der Bevollmächtigte keine auf ihn lautende Vollmachtsurkunde vorgelegt hat, ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den Erklärungsempfänger von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.
2. Die Inkenntnissetzung kann auch konkludent erfolgen. Die zufällige Kenntniserlangung durch den Erklärungsempfänger genügt hingegen nicht.
3. Eine konkludente Inkenntnissetzung kann auch dadurch erfolgen, dass der Erklärungsempfänger im Verlauf der Vertragsdurchführung mit einer Vielzahl von Fakten konfrontiert wird, aus denen sich auf die Bevollmächtigung schließen lässt.
A. Problemstellung
Das LArbG Saarbrücken hatte sich u.a. mit der Frage auseinanderzusetzen, wann ein Arbeitnehmer von der Kündigungsbevollmächtigung eines Vertreters des Arbeitgebers i.S.v. § 174 Satz 2 BGB in Kenntnis gesetzt ist und wann die Kündigung mangels Vorlage einer entsprechenden Vollmachtsurkunde bei unverzüglicher Zurückweisung (§ 174 Satz 1 BGB) durch den Arbeitnehmer unwirksam ist. In Abgrenzung zu der Unwirksamkeit wegen fehlender Vorlage der Vollmachtsurkunde stellte sich am Rande auch die davon losgelöste Frage, ob die Kündigung in Ermangelung der Vertretungsberechtigung zur Kündigung an sich unwirksam ist. Diese Frage wäre dann über § 180 BGB zu lösen gewesen (vgl. BAG, Urt. v. 24.09.2015 – 6 AZR 492/14; Klostermann-Schneider, § 174 BGB: Zurückweisung der vom Bevollmächtigten vorgenommenen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses und ihre Grenzen, 2015, [künftig Klostermann-Schneider] S. 62 ff., 73 ff.). Letztlich hat sich das Fehlen der Vertretungsmacht nicht herausgestellt. Auf diese Frage kam es daher nicht mehr an.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien streiten vor allem über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung vom 26.05.2015. Auf die weiteren streitigen Fragen nach der Wirksamkeit einer weiteren Kündigung, der Urlaubsabgeltung und Überstundenvergütung wird im Folgenden nicht eingegangen.
Die Klägerin war seit dem 15.12.2010 als Hausmeisterin bei der Beklagten aufgrund eines „Hausbesorgungsvertrages“ beschäftigt. Am 14.02.2012 wurde aufgrund eines Verwalterwechsels ein „weiterer“ Hausbesorgervertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossen. Letztere wurde beim Vertragsschluss durch den neuen Verwalter, die H-GmbH, vertreten. So war es auch im Rubrum des Vertrags vermerkt. Die Beklagte schloss bereits zuvor mit der H-GmbH einen Hausverwaltungsvertrag. Nach dessen Ziffer 3.3.5 hatte die H-GmbH u.a. die Aufgabe und Befugnis, Bedienstete (etwa Hausmeister und Putzfrau) auszuwählen und mit ihnen namens der Beklagten einen Dienstvertrag abzuschließen bzw. zu kündigen.
Im Verlaufe der Hausmeistertätigkeit wandte sich die Klägerin wegen verschiedener Fragen des Arbeitsvertrages an die H-GmbH: Sie beschwerte sich bei dieser darüber, dass Wohnungseigentümer Leistungen einfordern, die nicht geschuldet sind. Die Klägerin teilte der H-GmbH auch mit, welche Leistungen sie ihrer Meinung nach künftig schulde. Auch ihre (feststehende) Urlaubsnahme teilte sie der H-GmbH mit. Die H-GmbH nahm ihrerseits wesentliche Funktionen der Beklagten wahr. So mahnte sie mit Schreiben vom 21.01.2015 die Klägerin ab. Auf diese Abmahnung reagierte die Klägerin schriftlich und bezeichnete die H-GmbH als Arbeitgeberin. Schließlich kündigte die H-GmbH mit Schreiben vom 26.05.2015 das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ordentlich, ohne eine entsprechende Vollmachtsurkunde beizufügen. Diese Kündigung wies die Klägerin unverzüglich und formgerecht mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde gemäß § 174 BGB zurück.
Die Klägerin sei nach ihrer Auffassung auch nicht von der Bevollmächtigung der H-GmbH in Kenntnis gesetzt worden. Allein aus der Tatsache, dass die H-GmbH den Anstellungsvertrag vom 14.02.2012 mit der Klägerin als Vertreter der Beklagten abgeschlossen hat, könne nicht geschlossen werden, dass diese auch zur Kündigung berechtigt sei. Auch dass die Klägerin regelmäßig in arbeitsvertraglichen Angelegenheiten mit der H-GmbH korrespondiert hat und diese dann auch in Schreiben als „Arbeitgeber“ bezeichnet hat, ändere daran nichts. Der Klägerin habe der Hausverwaltervertrag vom 17.01.2012 zum Zeitpunkt des Erhalts der Kündigung vom 26.05.2015 nicht vorgelegen. Daher habe sie keine Kenntnis davon haben können, dass die H-GmbH ihr gegenüber zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses bevollmächtigt gewesen sei. Auch bei Abschluss des Anstellungsvertrages habe eine Vollmacht für die H-GmbH nicht vorgelegen. Es sei daher auch nicht treuwidrig, dass sich die Klägerin der Beklagten gegenüber auf diese fehlende Kenntnis der Bevollmächtigung berufe.
Die Beklagte vertrat hingegen die Ansicht, dass der Klägerin die Bevollmächtigung der H-GmbH bekannt gewesen sei. Dies folge aus der ausdrücklichen Benennung der H-GmbH im Hausbesorgervertrag vom 14.02.2012. Abgesehen davon habe die Klägerin fortlaufenden Kontakt zur H-GmbH gehabt. Sie habe auch auf die Abmahnung hin die H-GmbH als Arbeitgeberin bezeichnet. Schließlich habe sie Kontakt hinsichtlich der von ihr genommenen Urlaubstage wie auch ihrer Gehaltsvorstellungen zur H-GmbH gehalten. In der Konsequenz verhalte sich die Klägerin mit ihrer Berufung auf eine angeblich nicht bestehende Vertretungsmacht treuwidrig. Das Zurückweisungsschreiben sei daher ohne Belang.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht erklärten die Kündigung für wirksam. Die Klägerin sei von dem Bestehen der Bevollmächtigung aufgrund verschiedener Umstände bereits in Kenntnis gesetzt worden. Einer Mitteilung über die Bevollmächtigung i.S.v. § 174 Satz 2 BGB könne es im Einzelfall gleichstehen, wenn der aufgetretene Vertreter von Seiten des Vertretenen erkennbar in eine Stellung berufen wurde, die üblicherweise mit einer Kündigungsvollmacht verbunden ist. Bei der Stellung der H-GmbH handele es sich um eine bei der Beklagten für arbeitsvertragliche Fragen verantwortliche Gesellschaft. Die Klägerin hätte dies daraus ableiten können, dass die H-GmbH bereits beim Abschluss ihres Arbeitsvertrages mitgewirkt hatte. Es sei insoweit unschädlich, dass die Beklagte dort als Arbeitgeberin bezeichnet wurde.
Dies allein genüge zwar noch nicht zur Annahme der Existenz einer Kündigungsvollmacht. Die Klägerin habe sich aber in der Vergangenheit mehrfach im Schriftverkehr ausschließlich mit der H-GmbH auseinandergesetzt, wenn es um Fragen des Arbeitsverhältnisses gegangen sei. Sie selbst habe die H-GmbH im Schreiben aus dem Januar 2015 als ihren Arbeitgeber bezeichnet. In ihrem Arbeitsvertrag vom 14.02.2012 sei ebenfalls die H-GmbH als Vertreterin der Beklagten im Rubrum ausdrücklich benannt. Hierin liege eine konkludente Mitteilung hinsichtlich der Bevollmächtigung der H-GmbH auch zur Kündigung. Die Klägerin habe bei Vertragsschluss und in der Folgezeit während des gesamten Verlaufs des Arbeitsverhältnisses stets das Handeln der H-GmbH ohne Vorlage einer Vollmachtsurkunde anerkannt, so dass die Berufung der Klägerin nunmehr auf eine fehlende Bevollmächtigung sich als treuwidrig erweise. Vor diesem Hintergrund sei für Klägerin bekannt gewesen, dass die H-GmbH von der Beklagten die Befugnis eingeräumt bekommen hat, in arbeitsvertraglichen Dingen auch hinsichtlich der grundlegenden Fragen der Begründung und Beendigung im Interesse der Beklagten gegenüber der Klägerin tätig zu werden. Die Klägerin sei daher aufgrund einer Vielzahl von Fakten i.S.v. § 174 Satz 2 BGB – konkludent – in Kenntnis über die Bevollmächtigung der H-GmbH gesetzt gewesen, auch soweit es um die Begründung und Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses gehe. Die H-GmbH habe erkennbar Arbeitgeberfunktionen wahrgenommen. Zur Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion gehöre dann aber auch der Ausspruch einer Kündigung. Wer Arbeitsverhältnisse begründen dürfe, könne sie in aller Regel auch durch seine Erklärung beenden.
C. Kontext der Entscheidung
Der Entscheidung kann nicht gefolgt werden. Nach § 174 Satz 1 BGB ist eine Kündigung unwirksam, wenn diese vom dazu Bevollmächtigten ohne Vorlage einer Vollmachtsurkunde vorgenommen wird und der Empfänger sie aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Der Tatbestand des § 174 Satz 1 BGB ist nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts erfüllt. Jedoch soll eine Ausnahme vom Erfordernis der Vorlage der Vollmachtsurkunde nach § 174 Satz 2 BGB gegeben sein. Nach dieser Norm sind das Zurückweisungsrecht und damit die Unwirksamkeit der Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte. Eine solche Inkenntnissetzung hat das Landesarbeitsgericht vorliegend zu Unrecht bejaht:
I. Richtig ist, dass eine Inkenntnissetzung auch konkludent erfolgen kann. Das Gesetz schreibt insoweit keine Form vor. Richtig ist auch, dass nach Rechtsprechung des BAG eine Inkenntnissetzung des Arbeitnehmers von der Kündigungsbevollmächtigung des Vertreters auch dadurch erfolgen kann, dass der Arbeitgeber den Vertreter in eine Stellung beruft, die üblicherweise zur Kündigung berechtigt (BAG, Urt. v. 30.05.1972 – 2 AZR 298/71; BAG, Urt. v. 11.07.1991 – 2 AZR 107/91; BAG, Urt. v. 14.04.2011 – 6 AZR 727/09; kritisch: Klostermann-Schneider, S. 228 ff.). Erforderlich ist jedoch, dass der Arbeitnehmer neben der Stellung auch von der Person des Stelleninhabers in Kenntnis gesetzt ist (BAG, Urt. v. 14.04.2011 – 6 AZR 727/09). Das Landesarbeitsgericht ist der Ansicht, dass die H-GmbH eine solche Stellung innehatte. Richtig ist daran, dass die Klägerin davon Kenntnis hatte, dass die H-GmbH in gewissen Fragen für die Beklagte handelt. Ob es sich bei der Stellung, die die H-GmbH ausübte, aber um eine Stellung handelt, mit der üblicherweise auch Kündigungsbevollmächtigung einhergeht, hat das Landesarbeitsgericht nicht herausgearbeitet.
Nach einer gesamtheitlichen Analyse der Rechtsprechung ergibt sich, dass die Annahme einer üblicherweise zur Kündigung berechtigenden Stellung voraussetzt, dass aus objektiver Sicht bei Berücksichtigung der Gesamtumstände eine Kündigungsbevollmächtigung üblicherweise mit der Stellung einhergeht und dass keine Zweifel an der Kündigungsberechtigung bestehen (Klostermann-Schneider, S. 242 ff. m.z.N.). Um rechtssicher eine solche Stellung bejahen zu können, muss hinzukommen, dass die Stellung nicht nur sachbearbeitend tätig sein darf und dass die Stellung die federführende Einrichtung für Personalangelegenheiten ist. Es muss sich im Ergebnis die Rechtsmacht zur Kündigung erkennen lassen (Klostermann-Schneider, S. 243 f.).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Aus der Stellung der H-GmbH lässt sich nicht schließen, dass diese üblicherweise zur Kündigung berechtigt. Das folgt zum einen daraus, dass die H-GmbH Kunde bzw. Vertragspartner der Beklagten ist. Es ist nicht üblich, dass der Vertragspartner oder Kunde des Arbeitgebers dessen Arbeitnehmern kündigen darf. Für die Annahme einer solchen Üblichkeit wäre zumindest vorausgesetzt, dass die Kunden der Beklagten üblicherweise die Verträge mit den Arbeitnehmern der Beklagten kündigen. Hierzu wurde gerichtlich nichts festgestellt. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass es hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses der Klägerin üblich war, dass die Kunden des Arbeitgebers dieses kündigen. Eine dahingehende Üblichkeit ist daher nicht erkennbar. Die vorstehenden Ausführungen lassen sich auch durch einen Vergleich zum Leiharbeitsverhältnis begründen. In diesem ist es anerkannt, dass der Entleiher, obwohl er umfassende Rechte gegenüber dem Leiharbeitnehmer hat, gerade keine Stellung innehat, die per se zur Kündigung des Leiharbeitnehmers berechtigt (Ulrici, AÜG, 1. Aufl. 2017, Schwerpunktbeitrag A, Rn. 35). Arbeitgeber ist und bleibt der Verleiher.
Zum anderen ist selbst bei Vorliegen einer Stellung mit umfassender Rechtsmacht nicht gesagt, dass diese auch die Kündigungsberechtigung mitumfasst. So ist in der Rechtsprechung verneint worden, dass aus der Einstellungs- auch eine Entlassungsbefugnis folgt (BAG, Urt. v. 30.05.1972 – 2 AZR 298/71; BAG, Urt. v. 14.04.2011 – 6 AZR 727/09; auch hierzu vertritt das LArbG Saarbrücken in Rn. 106 ohne nähere Begründung eine andere Ansicht) und dass die Unterzeichnung von Urlaubsanträgen (LArbG Berlin, Urt. v. 28.06.2006 – 15 Sa 632/06; LArbG Rostock, Urt. v. 05.10.2006 – 1 Sa 161/06) sowie die Erteilung einer Abmahnung für die Annahme einer solchen Stellung genügt (LArbG Mainz, Urt. v. 08.06.2011 – 8 Sa 612/10).
Dies hat das Landesarbeitsgericht verkannt. Eine Inkenntnissetzung durch Berufen der H-GmbH in eine üblicherweise zur Kündigung berechtigende Stellung ist nicht gegeben.
II. Eine konkludente Inkenntnissetzung über die Kündigungsberechtigung kann auch durch Mitteilung im Arbeitsvertrag erfolgen. Voraussetzung dafür ist, dass der Arbeitsvertrag eine Regelung/Mitteilung darüber enthält, dass der Vertreter kündigungsberechtigt ist (Klostermann-Schneider, S. 225 ff. m.N.). Im entschiedenen Fall ist zwar eine Mitteilung darüber erfolgt, dass die H-GmbH den Arbeitgeber vertritt („Bezeichnung als Vertreter im Rubrum“). Eine konkrete Mitteilung über die Kündigungsberechtigung oder aber die konkrete Vertretungsmacht wurde auch im „Arbeitsvertrag“ nicht gemacht. Aus dem pauschalen Hinweis auf die Vertretungsberechtigung lässt sich die Kündigungsberechtigung auch durch Auslegung nicht zweifelsfrei ermitteln. Sinn und Zweck des § 174 BGB ist es aber gerade, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts, Gewissheit darüber hat, dass der Handelnde dieses wirksam vornehmen darf (Schubert in: MünchKomm BGB, 7. Aufl. 2015, § 174 Rn. 1). Zweifel am Umfang der Vertretungsmacht gehen dabei zulasten der Gewissheit. Dies folgt aus der in § 174 BGB erkennbaren arbeitgeberseitigen Informationslastverteilung (vgl. Klostermann-Schneider, S. 211 f.). Nach alledem kann ein allgemeiner Hinweis auf die Vertreterstellung im Rubrum keine Inkenntnissetzung über die Kündigungsberechtigung sein. Andernfalls wäre die Norm des § 174 BGB sinnentleert, da jeder allgemeine Hinweis auf die Bevollmächtigung in Kenntnis setzende Wirkung hätte (vgl. Klostermann-Schneider, S. 211 f.).
III. Inkenntnissetzung durch eine Vielzahl von Fakten: Das Landesarbeitsgericht geht weiter davon aus, dass die Klägerin durch eine Vielzahl von Fakten konkludent von der Kündigungsberechtigung der H-GmbH in Kenntnis gesetzt war.
Eine Inkenntnissetzung kann nicht durch ein „Faktenbündel“ erfolgen. Soweit das Landesarbeitsgericht dies anders sieht, verkennt es den Schutzzweck des § 174 BGB (vgl. oben). Diese Figur („Inkenntnissetzung durch eine Vielzahl von Fakten“) scheint der Inkenntnissetzung durch die Berufung in eine üblicherweise zur Kündigung berechtigende Stellung nachempfunden zu sein (vgl. zu dieser unter: I.). Dogmatisch findet sich für eine Inkenntnissetzung durch eine Vielzahl von Fakten keine Stütze. Die Inkenntnissetzung ist als restriktiv zu handhabende Ausnahme zur Vollmachtsurkundsvorlage zu verstehen. Die Anerkennung der Inkenntnissetzung durch eine Vielzahl von Fakten würde die mit § 174 BGB bezweckte Gewissheit konterkarieren. Es wäre bei Akzeptanz einer solchen Inkenntnissetzungsmöglichkeit zunächst danach zu fragen, welche Fakten zwingend vorliegen müssen, wie sich verschiedene Fakten gegeneinander gewichten und vor allem wie eine rechtssichere Inkenntnissetzung durch Fakten erreicht werden soll. Das Gesetz fordert außerdem die Information durch den Arbeitgeber („Vollmachtgeber“). Eine rein zufällige Kenntniserlangung durch den Arbeitnehmer soll nicht zur Inkenntnissetzung genügen (Bickel, Anm. zu BAG, Urt. v. 30.05.1972 – 2 AZR 298/71 – SAE 1973, 116, 119; Schubert in: MünchKomm BGB, § 174 Rn. 22). Wo aber soll die Grenze zur Zufälligkeit verlaufen, wenn eine gewisse (?) Anzahl von Fakten zur Inkenntnissetzung ausreichen soll? Im Übrigen würde ein Teil dieser Fakten nicht arbeitgeberseitig vermittelt werden, sondern durch den Vertreter selbst. Die Inkenntnissetzung durch den Vertreter selbst ist jedoch im Gesetz nicht vorgesehen und kann nur ausnahmsweise zugelassen werden (vgl. Bickel, Anm. zu BAG, Urt. v. 30.05.1972 – 2 AZR 298/71 – SAE 1973, 116, 119; Klostermann-Schneider, S. 222 f.). Auch dies spricht gegen die vom Landesarbeitsgericht unterstellte Inkenntnissetzung.
Selbst wenn man aber akzeptieren wollte, dass eine Vielzahl von Fakten für eine konkludente Inkenntnissetzung genügen soll, müssten diese auch entsprechend gewichtet werden. Im zu entscheidenden Fall heißt das: Für eine weite Rechtsmacht – nicht zwangsläufig auch eine Kündigungsberechtigung – der H-GmbH spricht, dass sie den Arbeitsvertrag geschlossen hat, dass sie bei der Vertragsdurchführung als Vertreter aufgetreten ist, dass die Klägerin bis zur Kündigung das Handeln der H-GmbH unbeanstandet hinnahm und sie sogar selbst als Arbeitgeber bezeichnete, dass die H-GmbH eine Abmahnung erteilte und dass die Klägerin ihr gegenüber die Urlaubsnahme mitteilte.
Jedoch sprechen auch gehörige Fakten gegen die Kündigungsberechtigung der H-GmbH: Sie ist nicht der rechtliche Arbeitgeber. Sie ist auch nicht in den Betrieb der Beklagten eingegliedert. Offenbar hat die H-GmbH auch nicht über die Urlaubsnahme entschieden (es gab ja nur die Mitteilung über die Urlaubsnahme an die H-GmbH durch die Klägerin). Dass sie Ansprechpartner bei der Vertragsdurchführung war, sagt nichts darüber aus, dass sie auch Beendigungsbefugnisse hatte. Es liegt auf der Hand, dass die H-GmbH als Leistungsempfänger näher an der Vertragsdurchführung war als die Beklagte selbst. Auch dass die Abmahnung durch die H-GmbH erfolgte, sagt nichts über deren Kündigungsberechtigung. Die Erklärung der Abmahnung allein sagt nicht einmal etwas über die Abmahnberechtigung. Schließlich spielt auch die Bezeichnung als Arbeitgeberin durch die Klägerin keine Rolle, da in der Laiensphäre Begrifflichkeiten häufig vermischt, verwechselt oder unpräzise verwendet werden.
Schon die Gegenüberstellung der „Fakten“ zeigt daher kein eindeutiges Bild für die Bevollmächtigung zur Kündigung. Es verbleiben objektiv gesehen Zweifel an der Kündigungsberechtigung.
IV. Schließlich hat das Landesarbeitsgericht die Zurückweisung der Klägerin als treuwidrig erachtet.
Eine solche Treuwidrigkeit wird dann angenommen, wenn sich der Erklärungsempfänger auf seine Ungewissheit hinsichtlich der Vertretungsmacht beruft, obwohl er die Vertretungsmacht innerhalb der „Geschäftsbeziehung“ anerkannt hat (Klostermann-Schneider, S. 281 m.w.N.; Schubert in: MünchKomm BGB, § 174 Rn. 28 m.N.). Nimmt man diese Erkenntnis für den Teilbereich der Kündigungsbevollmächtigung ernst, kommt man zu dem Ergebnis, dass eine Treuwidrigkeit insoweit kaum denkbar ist. Der Arbeitnehmer wird in der Regel nicht anerkannt haben, dass der Vertreter kündigungsbevollmächtigt ist. Im Regelfall wird er mit der Kündigungsbevollmächtigung in Bezug auf sein Arbeitsverhältnis auch erst bei seiner Kündigung konfrontiert werden (Klostermann-Schneider, S. 281). Dass der Kündigende anderweitig an der Vertragsdurchführung beteiligt war, lässt nicht den Schluss zu, dass er auch Beendigungskompetenz hat (vgl. oben).
Auch die Treuwidrigkeitsannahme des Landesarbeitsgerichts ist daher nicht richtig.
D. Auswirkungen für die Praxis
Konkrete Auswirkungen hat die Entscheidung für die Praxis nicht. Ob eine Inkenntnissetzung (konkludent) erfolgt ist, ist Frage des Einzelfalls. Auch ob das Berufen auf die Unwirksamkeit der Kündigung wegen mangelnder Vollmachtsvorlage treuwidrig ist, ist Frage des Einzelfalls.
Die Urteilsbegründung mahnt den Rechtsanwender jedoch, sich unbedingt mit dieser Norm vertraut zu machen.
Der Arbeitnehmeranwalt muss strikt zwischen der Frage trennen, ob eine Kündigung wegen mangelnder Vorlage der Vollmachtsurkunde zurückgewiesen (dann § 174 BGB) oder ob sie in Ermangelung der Bevollmächtigung selbst beanstandet werden soll (dann § 180 BGB). Dies hat zum einen Auswirkungen auf die Wahl der richtigen Rüge (Klostermann-Schneider, S. 196 ff.), zum anderen auf die Einhaltung der Drei-Wochen-Frist nach § 4 Satz 1 KSchG (vgl. Meyer/Reufels, NZA 2011, 5; Kiel in: ErfKomm, 17. Aufl. 2017, § 4 KSchG Rn. 4). Die rechtswirksame Zurückweisung führt zur Unwirksamkeit der Kündigung. Da sie unverzüglich zu erfolgen hat, sollte der Arbeitnehmeranwalt als ersten Schritt im Zusammenhang mit einem Kündigungsschutzmandat die Kündigungsberechtigung prüfen.
Der Arbeitgeber muss bei der Zwischenschaltung rechtsgeschäftlicher Vertreter entsprechend weitsichtig sein. Entweder er stattet seine Vertreter mit Kündigungsvollmachtsurkunden aus oder er wählte eine rechtssichere Gestaltung zur Inkenntnissetzung. Die Inkenntnissetzung ist sehr fehleranfällig, wenngleich es viele Möglichkeiten für eine rechtssichere Inkenntnissetzung gibt (vgl. zu den Inkenntnissetzungsmöglichkeiten: Klostermann-Schneider, S. 225 ff.). Im Allgemeinen sollten sich Arbeitgeber bei der Inkenntnissetzung keine Experimente erlauben.