Nachfolgend ein Beitrag vom 23.11.2016 von Boemke, jurisPR-ArbR 47/2016 Anm. 3

Orientierungssatz zur Anmerkung

Urlaubsabgeltung (analog) § 7 Abs. 4 BUrlG kann nicht deswegen verlangt werden, weil der Urlaubsanspruch bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis aufgrund einer Langzeiterkrankung infolge Fristablaufs unterzugehen droht.

A. Problemstellung

Urlaubsabgeltung kann ein Arbeitnehmer nach § 7 Abs. 4 BUrlG nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangen. Sind aber zur Vermeidung des Untergangs des Urlaubsanspruchs Ausnahmen dann zulässig, wenn der Urlaubsanspruch wegen Langzeiterkrankung unterzugehen droht? Mit dieser Fragestellung hatte sich das LArbG Berlin-Brandenburg zu beschäftigen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung. Die Klägerin ist seit 2009 bei dem Beklagten tätig und seit Mitte 2013 arbeitsunfähig erkrankt. Sie verlangt von dem Beklagten bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses Urlaubsgeltung für in den Jahren 2013 und 2014 nicht genommenen Urlaub. Sie macht geltend, der Urlaub müsse „analog § 7 BUrlG“ abgegolten werden. Andernfalls würde dieser erlöschen. Die Klage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg.
Das LArbG Berlin-Brandenburg legt zunächst dar, dass § 7 Abs. 4 BUrlG keine unmittelbare Anwendung finden könne, weil das Arbeitsverhältnis nicht beendet sei. Für eine analoge Anwendung im bestehenden Arbeitsverhältnis fehle es schon an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber wollte die Abgeltung von Urlaub grundsätzlich verbieten (sog. Abgeltungsverbot, vgl. Neumann in: Neumann/Fenski/Kühn, BUrlG, § 7 Rn. 102) und hat diese nur für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehen. Kann Urlaub nicht genommen werden, erlischt der Urlaubsanspruch, ohne dass an seine Stelle ein Abgeltungsanspruch tritt (BAG, Urt. v. 07.08.2012 – 9 AZR 353/10 Rn. 24). Nur im Falle des Verzugs des Arbeitgebers mit der Urlaubsgewährung tritt an die Stelle des erloschenen Urlaubsanspruchs ein Schadenersatzanspruch; dieser ist aber wiederum nicht auf eine Geldleistung, sondern auf (bezahlte) Arbeitsbefreiung gerichtet (BAG, Urt. v. 18.03.2003 – 9 AZR 190/02). Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG kann nur in Tarifverträgen eine nach dem BUrlG nicht vorgesehene Abgeltungsmöglichkeit für Urlaub geregelt werden, der wegen Krankheit nicht genommen werden kann (BAG, Urt. v. 26.05.1983 – 6 AZR 273/82). Der Gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, die Urlaubsabgeltung nur für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, nicht aber während dessen Bestehen vorzusehen. Die Klage hatte daher mangels Anspruchsgrundlage keinen Erfolg.

C. Kontext der Entscheidung

Der Entscheidung ist uneingeschränkt zuzustimmen. Sie entspricht der fast einhelligen Rechtsprechung (vgl. nur BAG, Urt. v. 22.10.1987 – 8 AZR 171/86) und Auffassung in der Literatur (Lampe in: BeckOK-ArbR, 41. Ed. 09.2016, § 7 BUrlG Rn. 21a; Schinz in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, 7. Aufl. 2016, § 7 BUrlG Rn. 102). Die 28. Kammer des ArbG Berlin hat jüngst mit beachtlichem Begründungsaufwand eine abweichende Auffassung vertreten (ArbG Berlin, Urt. v. 12.08.2016 – 28 Ca 6951/16). Leider hat das ArbG Berlin dabei Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2000/34/EG übersehen, der ausdrücklich eine finanzielle Abgeltung des Mindesturlaubs im bestehenden Arbeitsverhältnis untersagt (EuGH, Urt. v. 06.04.2006 – C-124/05).

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung bestätigt die h.M. und ständige Rechtsprechung und schafft somit Rechtssicherheit.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Im Übrigen bestätigt das LArbG Berlin-Brandenburg die Rechtsprechung des BAG, wonach Urlaubsansprüche, die krankheitsbedingt nicht genommen werden konnten, 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahrs verfallen (BAG, Urt. v. 07.08.2012 – 9 AZR 353/10; BAG, Urt. v. 16.10.2012 – 9 AZR 63/11; im Anschluss an EuGH, Urt. v. 22.11.2011 – C-214/10). In diesem Zusammenhang ist auch auf das Ersuchen des BAG vom 18.10.2016 (9 AZR 196/16 (A)) um Vorabentscheidung des EuGH hinzuweisen. Danach besteht Klärungsbedarf bezüglich des Untergangs des vom Unionsrecht garantierten Mindestjahresurlaubs, wenn der Urlaub für den Arbeitnehmer keine positive Wirkung als Erholungszeit mehr haben kann. Letzteres ist nicht nur beim Tod des Arbeitnehmers der Fall.