Nachfolgend ein Beitrag vom 24.7.2018 von Fortmann, jurisPR-HaGesR 7/2018 Anm. 3
Leitsatz
Wird der Anwalt als Erfüllungsgehilfe eines Beraters tätig, haftet er dem Vertragspartner des Geschäftsherrn in der Regel nicht.
A. Problemstellung
Bei Verträgen, an deren Zustandekommen und/oder Durchführung Dritte mit einem besonderen Sachverstand beteiligt sind, stellt sich häufig die Frage, wer für Schäden durch Fehler dieser Dritten haftet: Der eigentliche Vertragspartner oder der Dritte direkt? Diese Frage stellt sich genauso, wenn es sich bei dem Dritten um einen Rechtsanwalt handelt.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin plante, eine Milchviehanlage in Rumänien zu erwerben, zu modernisieren und zu erweitern. Dies sollte u.a. durch EU-Fördermittel finanziert werden. Sie schloss mit einer Gesellschaft einen Vertrag, die sie bei diesem Vorhaben beraten und unterstützen sollte. In dem Vertrag war geregelt, dass die anwaltliche Beratung ausschließlich durch den Beklagten erfolgen sollte.
Zur Finanzierung des Vorhabens schloss die Klägerin mit der H Bank einen Darlehensvertrag. 10% der Gesamtinvestitionskosten von rund 15,5 Mio. Euro sollten durch die Klägerin als Eigenanteil durch einen Eigenwechsel erbracht werden. Fast 195.000 Euro überwies die Klägerin auf ein Anderkonto des Beklagten, der dieses Geld auf Weisung der H Bank an einen Dritten weiterleitete. Die Auszahlung der Darlehensvaluta scheiterte. Auch wurden die Fördermittel nicht bewilligt. Die Klägerin verlangte vom Beklagten die Rückzahlung des auf das Anderkonto gezahlten Betrages.
Der BGH hat die Klage abgewiesen.
Nach Auffassung des BGH kann die Klägerin aus dem zwischen der Gesellschaft und dem Beklagten geschlossenen Beratervertrag keine eigenen Rechte herleiten. Bei diesem Vertrag handele es sich nicht um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Zwar könnten auch Verträge über anwaltliche Leistungen Schutzwirkung zugunsten Dritter begründen. Allerdings sei dafür Voraussetzung, dass der Dritte schutzbedürftig sei. Die Schutzbedürftigkeit entfalle, wenn der Dritte bereits wegen des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts über einen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch verfüge. Die Klägerin sei im vorliegenden Fall daher nicht schutzbedürftig, da ihr ein vertraglicher Anspruch wegen der behaupteten Beratungsfehler gegen die Gesellschaft zustehe. Der Beklagte sei in diesem Zusammenhang lediglich als Erfüllungsgehilfe der Gesellschaft tätig geworden.
Der Vertrag zwischen Gesellschaft und Klägerin sei – aufgrund fehlender anderweitiger Anhaltspunkte – nicht nach § 3 RDG nichtig. Als mögliche Pflichtverletzung stehe im Raum, dass der Beklagte die Klägerin nicht darauf hingewiesen habe, dass sie eine ungesicherte Vorleistung mit Zahlung der 195.000 Euro eingehe. Diese Pflicht ergebe sich aber nicht aus einem eigenen Anwaltsvertrag zwischen Klägerin und Beklagten, sondern aus dem mit der Gesellschaft geschlossenen Vertrag, in dessen Rahmen der Beklagte lediglich als Erfüllungsgehilfe i.S.v. § 278 Satz 1 BGB tätig geworden sei. Insoweit werden dessen Verfehlungen der Gesellschaft zugerechnet. Dies gelte auch dann, wenn der Vertragspartner sich mit dem Einsatz eines bestimmten Erfüllungsgehilfen einverstanden erklärt habe.
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung des BGH ist stringent. Beauftragt jemand einen Rechtsanwalt zur Durchführung bestimmter Aufgaben aus dem Vertrag, besteht nur zwischen diesem Auftraggeber und dem Rechtsanwalt ein Vertragsverhältnis. Der andere Vertragsteil ist hingegen nicht an diesem Vertrag beteiligt.
Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der andere Vertragsteil in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages einbezogen wäre. Dann könnte er direkt Schadensersatzansprüche gegen den Rechtsanwalt geltend machen. Ist allerdings der Hauptvertrag wirksam, scheitert eine Einbeziehung in den Schutzbereich – wie vom BGH zutreffend dargestellt – an dem Umstand, dass der andere Vertragsteil nicht schutzbedürftig ist. Er hat nämlich einen eigenen vertraglichen Anspruch gegen seinen Vertragspartner, der sich die Handlungen und das Verschulden des Rechtsanwalts nach § 278 Satz 1 BGB zurechnen lassen muss. Dies lässt seine Schutzbedürftigkeit entfallen (st. Rspr. vgl. BGH, Urt. v. 10.12.2015 – IX ZR 56/15). Dabei ist irrelevant, ob dieser bereits bestehende vertragliche Anspruch wirtschaftlich durchsetzbar ist oder nicht (BGH, Urt. v. 22.07.2004 – IX ZR 132/03).
Dieses Ergebnis gilt jedenfalls solange, wie der Hauptvertrag wirksam ist, insbesondere nicht gegen das RDG oder die §§ 134, 138 BGB verstößt. Ist hingegen dieser Vertrag unwirksam, dürfte der andere Vertragspartner in Konstellationen, in denen der Anwalt Teile der Beratungsleistung aus dem Hauptvertrag übernimmt, in der Regel in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages einbezogen sein. Er kann dann Haftungsansprüche direkt gegen den Rechtsanwalt geltend machen.
D. Auswirkungen für die Praxis
In den Fällen, in denen ein Rechtsanwalt von einem Dritten, insbesondere einem Berater beauftragt wird, ist vorab genau zu prüfen, ob ein direkter Anspruch gegen den Rechtsanwalt besteht. Dies dürfte nur dann der Fall sein, wenn keine eigenen vertraglichen Ansprüche gegen den Berater bestehen. Bestehen Zweifel, ob ein solcher Anspruch gegeben ist, wird wohl der sicherste Weg sein, den Berater zu verklagen und gleichzeitig dem Rechtsanwalt den Streit zu verkünden.
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