Nachfolgend ein Beitrag vom 1.3.2017 von Zimmermann/Kallhoff, jurisPR-ArbR 9/2017 Anm. 6

Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Die Blockierung der Zufahrt zu einem Betriebsgelände durch sich in den Weg stellende Streikende oder Streikposten zur Verhinderung der Zufahrt von Lieferanten, Kunden, Besuchern und sonstigen zutrittswilligen Personen als Streikmaßnahme ist ein rechtswidriger und nicht im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gerechtfertigter Eingriff in den von ihr ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb.
2. Bei der Blockierung der Zufahrt zum Betrieb, insbesondere für Zulieferer und Kunden, handelt es sich um einen Streikexzess, der nicht im Rahmen der Abwägung als verhältnismäßig angesehen werden kann.

A. Problemstellung

Die Frage, ob die Gewerkschaften als Arbeitskampfmittel zu Betriebsblockaden greifen dürfen, ist umstritten. Solche Betriebsblockaden werden etwa durch Abriegelung aller Zugänge des Betriebs oder Betriebsbesetzungen erreicht.
Das LArbG Berlin-Brandenburg hatte in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren über eine Blockade der Zufahrt zum Betriebsgelände eines Unternehmens durch Streikmaßnahmen der IG Metall zu entscheiden. Während das Absperren durch Gegenstände bereits durch einstweilige Verfügung des Arbeitsgerichts untersagt worden war, hielt das Landesarbeitsgericht darüber hinaus die Zufahrtsblockade durch Streikende oder Streikposten für unverhältnismäßig.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Parteien stritten um die Untersagung bestimmter Streikmaßnahmen während eines laufenden Streiks im Wege der einstweiligen Verfügung.
Die Verfügungsklägerin betreibt an mehreren Standorten in Deutschland ein Unternehmen der Säge- und Holzbearbeitung, darunter im streitgegenständlichen Betrieb mit etwa 330 Arbeitnehmern. Sie ist nicht tarifgebunden. Verfügungsbeklagte ist die IG Metall.
Die Parteien führten seit dem Jahr 2015 Verhandlungen über den Abschluss eines Haustarifvertrags, die die Verfügungsklägerin im Februar 2016 für gescheitert erklärte. Die Verfügungsbeklagte rief ihre Mitglieder seit März 2016 mehrfach zu Warnstreiks auf und führte seit Mitte Mai 2016 einen Erzwingungsstreik, an dem sich Arbeitnehmer der Verfügungsklägerin beteiligten.
Das Betriebsgelände der Verfügungsklägerin ist für Fahrzeuge aller Art, insbesondere sowohl für Lkw der Lieferanten und Abholer als auch für Pkw der Arbeitnehmer, nur über eine Zufahrt zugänglich. Die für Ein- und Ausfahrt sämtlicher Kraftfahrzeuge genutzte Zufahrt ist etwa 20 Meter breit und von der öffentlichen Straße aus über einen etwa 1,50 Meter breiten Gehweg und Fahrradweg ohne Schranke erreichbar. Unmittelbar hinter dieser Zufahrt beginnt das Betriebsgelände der Verfügungsklägerin. Im linken Bereich der Zufahrt ist die Ein- und Ausfahrt für Lkw vorgesehen, während der Betriebsparkplatz für die Arbeitnehmer über einen rechts hinter der Zufahrt abzweigenden Weg erreichbar ist.
Bei normalem Betrieb beliefern täglich etwa 200 Lkw die Verfügungsklägerin mit Holz. Zudem fahren täglich etwa 90 leere Lkw auf das Betriebsgelände, um nach Beladung vor Ort wieder auszufahren.
Am 08.06.2016 versperrten Streikende und Streikposten von frühmorgens bis etwa 10:30 Uhr die Zufahrt zum Betriebsgelände mit einer Plastikkette, Bierbänken und Menschen, so dass weder Lkw noch Pkw ein- und ausfahren konnten. Dadurch entstand ein erheblicher Rückstau. Die von der Verfügungsklägerin gerufene Polizei veranlasste die Beendigung der Zufahrtsblockade.
Am darauffolgenden Tag ließen die Streikenden und Streikposten etwa zehn Lkw vom Betriebsgelände ausfahren, verhinderten jedoch in Einzelfällen versuchte Zufahrten von Lkw auf das Betriebsgelände. Für den 10.06.2016 sagte die Verfügungsklägerin daraufhin ihren Zulieferern – bis auf einzelne Testfahrten, bei denen die Zufahrt auf das Betriebsgelände jedoch von den Streikenden und Streikposten erneut verwehrt wurde – ab.
Das Arbeitsgericht hatte in erster Instanz dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung teilweise unter Androhung von Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, stattgegeben und im Übrigen zurückgewiesen. Damit wurde der Verfügungsbeklagten eine Blockierung der Zufahrt für Lieferanten, Kunden, Besucher und sonstige zutrittswillige Personen durch das Abstellen sperriger Gegenstände in oder vor den Eingängen oder Einfahrten durch Streikende oder Streikposten untersagt. Im Hinblick auf die Blockierung der Zufahrt für Lkw durch Personen hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen, da die Blockierung der Zufahrt durch Menschenansammlungen nicht nachvollziehbar dargelegt worden sei.
Gegen die Zurückweisung des Antrags auf einstweilige Verfügung hinsichtlich der Blockierung der Zufahrt für Lieferanten und andere zutrittswillige Personen durch Streikende und Streikposten wendet sich die Verfügungsklägerin mit ihrer Berufung.
Die Verfügungsklägerin hat in der Berufungsinstanz vorgetragen und eine dahingehende eidesstattliche Versicherung des Werksleiters vorgelegt, dass bereits an den ersten beiden Tagen die Blockierung der Zufahrt auch durch die Streikenden und Streikposten selbst erfolgt sei. Seit dem dritten Tag sei die Zufahrt nicht mehr durch sperrige Gegenstände versperrt worden, sondern indem sich Streikende und Streikposten ein- und ausfahrwilligen Lkw so in den Weg gestellt hätten, dass diese an der Weiterfahrt gehindert wurden und das Betriebsgelände weder befahren noch verlassen hätten. Lkw mit Rundholzlieferungen hätten demnach für die Dauer der Blockade das angelieferte Holz im Wert von 0,5 Mio. Euro ungeschützt vor Diebstahl auf öffentlichem Land abgelegt. Im Falle eines drohenden Befalls mit Bläuepilzen trete ein Wertverlust von etwa 40% ein oder werde die Ware insgesamt unverkäuflich.
Das LArbG Berlin-Brandenburg hält die Berufung für zulässig und begründet. Die Verfügungsklägerin könne von der Verfügungsbeklagten verlangen, eine Blockierung der Zufahrt zu ihrem Betriebsgelände für Lieferanten, Kunden, Besucher und sonstige zutrittswillige Personen auch durch sich in den Weg stellende Streikende oder Streikposten zu unterlassen, da insoweit ein unrechtmäßiger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vorliege, der auch im Rahmen eines rechtmäßigen Streiks nicht gerechtfertigt sei.
Der Verfügungsgrund ergebe sich bereits daraus, dass die beanstandete Streikmaßnahme der Blockierung der Zufahrt im laufenden Arbeitskampf und während des laufenden Streiks begonnen habe und zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Landesarbeitsgericht noch andauerte. Im Hinblick auf die unstreitig erfolgte Abladung der Rundholzlieferungen im Wert von etwa 0,5 Mio. Euro ohne Schutz vor Diebstahl und dem zu erwartenden Befall mit Bläuepilz sowie einem damit einhergehenden erheblichen Wertverlust sei eine Entscheidung dringend geboten.
Ein Verfügungsanspruch ergebe sich daraus, dass es sich bei der Blockierung der Zufahrt zum Betrieb, insbesondere für Zulieferer und Kunden, um einen Streikexzess handele, der nicht im Rahmen der durchzuführenden Abwägung als verhältnismäßig angesehen werden könne. Die Verfügungsbeklagte habe ersichtlich beabsichtigt, den ein- und ausgehenden Lkw-Verkehr vom Betriebsgelände zu stoppen und habe dies auch erreicht. Daher könne es dahinstehen, ob die Verfügungsbeklagte daneben auch das Ziel der Gesprächsführung verfolgt habe.
Als Gewerkschaft hafte die Verfügungsbeklagte gemäß § 831 BGB für Rechtsverletzungen durch die Streikenden und Streikposten sowie gemäß § 31 BGB für solche des Streikleiters. Insbesondere habe die Verfügungsbeklagte deshalb für deren Verhalten einzustehen, weil sie nicht auf die Streikenden im Wege einer angemessenen Organisationsanweisung dahingehend eingewirkt habe, dass diese sich rechtmäßig zu verhalten haben.

C. Kontext der Entscheidung

Indem das LArbG Berlin-Brandenburg die Blockierung der Zufahrt zu einem Betriebsgelände durch sich in den Weg stellende Streikende oder Streikposten als einen rechtswidrigen Eingriff in den ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb einstuft, zeigt es die Grenzen zulässiger Streikmaßnahmen auf.
Das Landesarbeitsgericht betont in der vorliegenden Entscheidung, dass an den Erlass einer Unterlassungsverfügung, die auf das Unterlassen einer bestimmten Streikmaßnahme im laufenden Streik gerichtet sei, wegen der regelmäßigen Vorwegnahme der Hauptsache ein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen sei. Eine solche Verfügung sei umso eher zu erlassen, je offensichtlicher die Rechtswidrigkeit der Maßnahme ist. Die beantragte Unterlassungsverfügung müsse zum Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und zur Abwendung drohender wesentlicher Nachteile geboten und erforderlich sein. Im Rahmen einer Interessenabwägung seien weiter sämtliche in Betracht kommenden materiell-rechtlichen und vollstreckungsrechtlichen Erwägungen sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen für beide Parteien einzubeziehen. Anträge, die den Arbeitskampf insgesamt untersagen sollen, greifen stark in den Kernbereich des Art. 9 Abs. 3 GG der Gewerkschaft ein, wohingegen ein geringerer Eingriff vorliege, wenn lediglich die Rechtswidrigkeit einzelner Kampfmaßnahmen im Rahmen der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werde (vgl. insoweit auch LArbG Stuttgart, Urt. v. 31.03.2009 – 2 SaGa 1/09).
Das Urteil steht damit im Einklang mit der Rechtsprechung des BAG, wonach die Blockade von Betrieben durch das Streikrecht nicht gedeckt ist, sondern einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt.

D. Auswirkungen für die Praxis

Gewerkschaften dürfen nicht durch Streikmaßnahmen die Zufahrt zum bestreikten Betrieb blockieren. Insbesondere das Abstellen sperriger Gegenstände vor Eingängen oder Einfahrten sowie das Verhindern der Zufahrt von Lastwagen durch Personen vor dem Fahrzeug sind unzulässig und nicht vom Streikrecht gedeckt. Von einer solchen Blockade betroffene Unternehmen können die Untersagung solcher Streikmaßnahmen auch während eines laufenden Streiks im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen, soweit eine Entscheidung insbesondere zur Verhinderung drohender Schäden dringend geboten ist.
Bei der Abgrenzung eines rechtswidrigen Eingriffs in den ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb zu einer zulässigen, kurzzeitigen Behinderung kommt es vor allem darauf an, ob tatsächlich die betrieblichen Vorgänge unterbrochen werden sollten oder vielmehr lediglich eine Einflussnahme auf andere Mitarbeiter und Personen beabsichtigt war. Wird die Blockierung des Betriebs ersichtlich beabsichtigt, ist es irrelevant, wenn mit den Maßnahmen daneben auch das Ziel der Gesprächsführung verfolgt wird.