Das Oberlandesgericht München hatte in einem Einstweiligen Verfügungsverfahren über die Berufung des Verfügungsklägers gegen ein klageabweisendes Urteil des LG München zu entscheiden, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über eine Klage des Klägers gegen die Beklagte auf Ausschließung der Beklagten aus einer OHG Einzelgeschäftsführungs- und Einzelvertretungsbefugnis für die OHG einzuräumen. Sein Begehren blieb jedoch ohne Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:
Der Senat teilt die Beurteilung des Verhaltens des Verfügungsklägers im Zusammenhang mit den Darlehensverträgen im Jahr 2013. Dieses Verhalten stellt eine massive Überschreitung seiner Befugnisse und auch eine schwerwiegende Treupflichtverletzung gegenüber der Beklagten als Mitgesellschafterin dar. Aufgrund dieses Verhaltens des Verfügungsklägers wurde die ihm bis dahin gewährte Einzelgeschäftsführungs- und -vertretungsbefugnis aufgehoben und eine Gesamtvertretungsbefugnis eingeführt. Da es vorliegend insbesondere aufgrund des Antrags des Klägers gerade darum geht, ihm (wieder) Einzelvertretungsbefugnis und -geschäftsführungsbefugnis einzuräumen, ist es nicht zu beanstanden, vielmehr sachgerecht auch das Verhalten des Klägers in der Zeit, als er unstreitig bereits Einzelgeschäftsführungs- und -vertretungsbefugnis hatte, zu berücksichtigen. Damit kann das damalige Fehlverhalten, das – wie der Kläger vortragen lässt – durch „die Etablierung einer neuen Vertretungsregelung gesühnt worden“ ist, durchaus eine Rolle bei der Frage spielen, ob sich die Verhältnisse derart gravierend geändert haben, dass dem Kläger antragsgemäß wieder Einzelgeschäftsführungs- und -vertretungsbefugnis eingeräumt werden kann, etwa weil künftiges Fehlverhalten ausgeschlossen ist oder die Abwägung der Umstände ein solches erfordert.

Soweit der Verfügungskläger nunmehr vortragen lässt und durch eidesstattliche Versicherung des Herrn G. glaubhaft macht, dass die Verfügungsbeklagte über mittelbaren VPN-Zugang zur Buchhaltung verfügt, begründet dies nach Auffassung des Senats eine von der Würdigung durch das Landgericht abweichende Beurteilung nicht. Die dort zitierte Aussage der Beklagten, über einen „Verbündeten“ mittels dessen VPN-Tunnel Zugang zu Buchhaltung zu haben, belegt vielmehr die Feststellung und das ausdrückliche Vorbingen des Klägers, dass ihr ein eigener Zugang nicht eingeräumt ist, obwohl ihr – wie das Erstgericht zutreffend feststellte – ein Zugang zusteht. Der Kläger hat selbst in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, der Beklagten wissentlich und willentlich einen umfassenden Zugang zu den Buchhaltungsunterlagen nicht gewähren zu wollen. Der Verweis darauf, dass sie sich ggf. über Dritte Informationen über die Buchhaltung besorgen kann, ist nicht geeignet, das Misstrauen der Beklagten, das sie nach dem Missbrauch der Einzelvertretungs- und Einzelverfügungsbefugnis des Klägers hatte, auszuräumen. Auch vor diesem Hintergrund und des vom Kläger selbst eingeräumten Erschwerens bzw. Ausschlusses der Einsichtnahme der Beklagten in Geschäftsvorgänge, gerade auch im Jahr 2013, hat das Erstgericht die Weigerung der Beklagten, den Jahresabschluss für das Jahr 2013 zu unterzeichnen, in nicht zu beanstandender Weise gewürdigt.
Der Senat teilt die – im Grundsatz nicht angegriffene – Auffassung des Erstgerichts, wonach angesichts der gesellschaftsvertraglichen Regelung ein Wettbewerbsverbot der Gesellschafter der OHG nicht besteht und daher das Betreiben der L. KG durch die Beklagte keine Pflichtwidrigkeit darstellt. Soweit der Kläger in der Berufung neu dazu vorträgt und glaubhaft macht, dass die Beklagte der L. KG interne Informationen etc. der OHG zukommen ließ und sie damit Geheimnisse der OHG verraten habe, kann darin ein Pflichtverstoß und eine Treuwidrigkeit durch die Beklagte gesehen werden, die in der Gesamtabwägung (s.u.) zu berücksichtigen sein werden. Anzumerken ist allerdings, dass die Beklagte als Gesellschafterin der OHG über Kenntnisse/Informationen etc. verfügt, die auch zwangsläufig in ihre Tätigkeit als Alleingesellschafterin/Komplementärin der L. KG einfließen können. Außerdem ist festzuhalten, dass aufgrund der vertraglichen Regelung allein aus der Tatsache, dass die L. KG als (Teil-) Wettbewerber der OHG auftritt, keine Pflichtwidrigkeit der Beklagten folgt.

Die Gesamtwürdigung des Verhaltens der Streitparteien, insbesondere in der Geschäftsführung der OHG, durch das Landgericht begegnet keinen durchgreifenden Einwänden. Das Landgericht hat durchaus Pflichtverletzungen der Beklagten gesehen, diese jedoch im Gesamtzusammenhang auch mit Pflichtverletzungen des Klägers gewertet. Es hat angesichts des schwerwiegenden Zerwürfnisses zwischen den Streitparteien und der wechselseitig beantragten einstweiligen Verfügung, auch erkannt, dass ein vertrauensvolles, konstruktives Zusammenarbeiten der Parteien als Geschäftsführer der OHG erheblich erschwert ist. Im Hinblick auf den Verfügungsgrund, d.h. die Notwendigkeit einer einstweiligen Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile vor Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung, bedarf es der Abwägung der Interessen beider Seiten. Der Senat ist auch nach dem Vortrag des Klägers nicht davon überzeugt, dass die Übertragung der Geschäftsführung für die OHG, an der die Streitparteien zu jeweils 50 % beteiligt sind, allein auf den Kläger im Wege der einstweiligen Verfügung zu Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich ist. Bei den vom Kläger geschilderten Pflichtverletzungen durch die Beklagte, die vor allem in der behaupteten Verweigerung der Mitwirkung/Zustimmung zu Geschäftsführungsmaßnahmen liegen sollen, ist auf der anderen Seite zu berücksichtigen, dass der Kläger selbst die Beklagte von Zugang zu wesentlichen Geschäftsunterlagen fern hält, ihr damit letztlich auch Informationen, die sie für die Mitwirkung in der Geschäftsführung benötigt, versagt. Entgegen der Auffassung des Klägers darf auch das Vorverhalten des Klägers selbst während der Zeit als er einzelvertretungs- und -verfügungsbefugt war, nicht unberücksichtigt bleiben. Auch die Tatsache, dass die Beklagte ihrerseits durch einstweilige Verfügung die Einzelvertretungs- und -verfügungsbefungnis anstrebt, stellt keine Verfügungsgrund für seinen Antrag dar. Hinzu kommt, dass der Kläger unmittelbar drohende wesentliche Nachteile nicht hinreichend konkret darlegt.
Der Senat regt daher an, die Berufung zur Meidung weiterer Kosten zurückzunehmen, im Fall der Rechtsmittelrücknahme ermäßigen sich die zweitinstanziellen Gerichtsgebühren um die Hälfte.
(OLG München, Beschluss vom 05. Mai 2015 – 7 U 675/15 –, juris)


Anmerkung:
Nachdem der Verfügungskläger die angeregte Berufungsrücknahme nicht vornahm, wies das Oberlandesgericht München mit einstimmigem Beschluss vom 25.6.2015 unter Bezugnahme auf die eben dargestellten Gründe die Berufung zurück.