Nachfolgend ein Beitrag vom 18.4.2017 von Müller-Christmann, jurisPR-BKR 4/2017 Anm. 4

Orientierungssatz zur Anmerkung

Ungeachtet einer etwaigen Stellung als Gründungskommanditistin trifft die Treuhandkommanditistin schon als Vertragspartnerin des Treuhandvertrages die Pflicht, die künftigen Treugeber über alle wesentlichen Punkte aufzuklären, die für die zu übernehmende mittelbare Beteiligung von Bedeutung sind. Diese Aufklärungspflicht als Vertragspartnerin des Treuhandvertrages beschränkt sich nicht auf regelwidrige Auffälligkeiten.

A. Problemstellung

Für fehlerhafte Angaben in Prospekten können neben Anlageberatern und -vermittlern auch Gründungs- und Treuhandkommanditisten geschlossener Fonds haften. Bei Gründungsgesellschaftern ist eine Prospekthaftung im weiteren Sinne seit einer Entscheidung des 2. Zivilsenats des BGH aus dem Jahre 1978 (Urt. v. 24.04.1978 – II ZR 172/76 – BGHZ 71, 284) anerkannt. In Anspruch genommene (bloße) Treuhandgesellschafter wehren sich gegen eine Haftung häufig mit dem Argument, sie würden keine Gesellschaftsbeteiligung halten und könnten deshalb nicht wie ein Gründungsgesellschafter behandelt werden.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Kläger verlangen Schadensersatz im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung an einer Medienfonds-KG. Sie haben sich mit Beitrittserklärung vom 10.11.2005 über die Beklagte als Treuhänderin mittelbar als Kommanditisten mit einer Einlage von jeweils 40.000 Euro beteiligt. Die Beklagte, die am 02.11.2005 als Kommanditistin in das Handelsregister eingetragen wurde, war bis 01.08.2011 Mittelverwendungskontrolleurin und Treuhandkommanditistin.
Die Kläger haben der Beklagten Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht vorgeworfen. Der Prospekt weise zahlreiche Fehler auf, der Vermittler habe nicht ausreichend über die Risiken der Beteiligung aufgeklärt. Die Beklagte hat Prospektfehler bestritten und im Übrigen die Auffassung vertreten, dass sie keine Aufklärungspflicht treffe. Sie sei nicht Gründungskommanditistin gewesen und habe auch keinen eigenen Anteil gehabt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beklagte hafte aus Rechtsgründen nicht für Aufklärungs- und Beratungsfehler des Vermittlers.
Das OLG München korrigiert diese Entscheidung.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts trifft die Beklagte schon als Vertragspartnerin des Treuhandvertrags eine Verpflichtung, die künftigen Treugeber über alle wesentlichen Punkte aufzuklären, die für die zu übernehmende mittelbare Beteiligung von Bedeutung sind.

C. Kontext der Entscheidung

Auf jede einzelne Voraussetzung für eine Haftung des Treuhandgesellschafters kann hier nicht eingegangen werden; insbesondere die am konkreten Fall orientierten Feststellungen zu den Risiken des Finanzierungskonzepts und ihrer – nach Auffassung des Oberlandesgerichts – unzureichenden, teilweise widersprüchlichen Darstellung im Anlageprospekt sollen hier nicht weiter thematisiert werden. Andere Gerichte (z.B. LG Berlin, Urt. v. 29.07.2016 – 31 O 100/16) vermochten bei dem streitgegenständlichen Prospekt fehlerhafte Angaben nicht zu erkennen. Für die weiteren Erörterungen soll das vom OLG München ausführlich begründete Ergebnis zugrunde gelegt werden, dass der Prospekt die Anleger nicht ausreichend über die Risiken aufklärt, die durch das Finanzierungskonzept entstehen.
I. Haftung des Treuhandkommanditisten
Die Beklagte hatte sich darauf berufen, sie sei nicht Gründungskommanditistin gewesen und habe keinen eigenen Anteil gehabt. Als Vertragspartnerin des Treuhandvertrags beschränke sich ihre Aufklärungspflicht auf regelwidrige Auffälligkeiten. Mit dieser rechtlichen Einschätzung lag sie falsch. Eine solche Einschränkung lässt sich den einschlägigen Entscheidungen des BGH zur Aufklärungspflicht des Treuhandkommanditisten nicht entnehmen. Ungeachtet einer etwaigen Stellung als Gründungskommanditistin trifft die Beklagte schon als Vertragspartnerin des Treuhandvertrags die Pflicht, die künftigen Treugeber über alle wesentlichen Punkte aufzuklären, die für die zu übernehmende mittelbare Beteiligung von Bedeutung sind (vgl. BGH, Beschl. v. 26.11.2015 – III ZR 78/15 Rn. 16 a.E. m.w.N.). Diese Pflicht erstreckt sich – wie der BGH in mehreren Entscheidungen betont hat – insbesondere auf regelwidrige Auffälligkeiten (BGH, Urt. v. 14.01.2002 – II ZR 40/00 – NJW 2002, 1711; BGH, Urt. v. 29.05.2008 – III ZR 59/07 Rn. 8 – NJW-RR 2008, 1129; BGH, Urt. v. 12.02.2009 – III ZR 90/08 Rn. 8 – NJW-RR 2009, 613). Entgegen der Auffassung der beklagten Treuhandkommanditistin beschränkt sie sich aber nicht darauf.
II. Zurechnung
Auch mit dem Einwand, sie habe den Vertrieb nicht beauftragt, konnte die Beklagte keinen Erfolg haben. Hier war von vornherein vorgesehen (wie sich im Einzelnen aus dem Prospekt ergibt), dass der Vertrieb der Beteiligung durch die von der Fondsgesellschaft zu beauftragende E.-Vertriebs GmbH erfolgen und eine mittelbare Beteiligung über die Beklagte als Treuhandkommanditistin möglich sein sollte. Der Beklagten musste deshalb bekannt sein, dass die künftigen Anleger, die sich über sie als Treuhänderin beteiligen, durch die E. Vertriebs GmbH (bzw. durch die von dieser beauftragten Untervermittler) für den Beitritt und für den Abschluss des Treuhandvertrages gewonnen werden. Zwar war es die Komplementärin der Fondsgesellschaft, die als deren gesetzliche Vertreterin sowohl die Vertriebsgesellschaft beauftragt als auch – in Vertretung für die Beklagte – den Treuhandvertrag mit dem Anleger abgeschlossen hat. Die Einschaltung der E.-Vertriebs GmbH als Vermittlerin erfolgte aber auch für den Abschluss des Treuhandvertrages mit Wissen und Wollen der Beklagten. Wenn ein Vermittler mit Wissen und Wollen einer Vertragspartei Aufgaben übernimmt, die typischerweise dieser obliegen, steht der Vermittler unabhängig von seiner etwaigen Selbstständigkeit und einer Tätigkeit auch für den Vertragspartner in ihrem Lager, wird in ihrem Pflichtenkreis tätig und ist als ihre Hilfsperson zu betrachten (vgl. BGH, Urt. v. 09.07.2013 – II ZR 9/12 – NJW-RR 2013, 1255; BGH, Urt. v. 14.05.2012 – II ZR 69/12 – NJW-RR 2012, 1316; BGH, Urt. v. 11.07.2012 – IV ZR 151/11 Rn. 48). Dies reicht für eine Zurechnung nach § 278 Satz 1 BGB aus.
III. Haftungsausschluss
In § 13 Abs. 2 Sätze 3 und 4 des Treuhandvertrags sind unter der Überschrift „Haftung der Treuhänderin“ die Aussagen enthalten, dass die Treuhänderin das Beteiligungsangebot und insbesondere den Prospekt nicht überprüft und sich bei der Entwicklung der Fondstruktur nicht beteiligt habe; die Anlageberatung oder Information über die Vor- und Nachteile einer Beteiligung an der Gesellschaft sei nicht vertragliche Pflicht der Treuhänderin. Eher neben der Sache lag in diesem Zusammenhang das Argument der Beklagten, die Klausel sei AGB-rechtlich unbedenklich, weil sie als bloße Leistungsbeschreibung, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistungen festlege, einer Inhaltskontrolle entzogen sei. Die erwähnten Regelungen im Treuhandvertrag enthalten keine „bloße Leistungsbeschreibung“ im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach der für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung nur der enge Bereich der Leistungsbezeichnungen bleibt, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (BGH, Urt. v. 12.03.2014 – IV ZR 295/13 Rn. 27; Berger in: PWW, BGB, 11. Aufl. 2016, § 307 Rn. 35). Sie stellen vielmehr eine Abweichung von der gesetzlichen Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss dar (§§ 280 Abs. 1, 3, 282, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB), die an den §§ 307 Abs. 1, 309 Nr. 7b BGB zu messen ist. Die Klauseln des formularmäßigen Treuhandvertrages unterliegen als Allgemeine Geschäftsbedingungen einer objektiven Auslegung (vgl. BGH, Urt. v. 22.09.2015 – II ZR 341/14 Rn. 24 m.w.N.). Sie sind, wie das OLG München ausführt – ausgehend von den Interessen, Vorstellungen und Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden –, dahingehend zu verstehen, dass die Beklagte von einer Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss infolge Verletzung der Aufklärungspflicht freigezeichnet werden soll. Derartige formularmäßige Freizeichnungsklauseln sind wegen der grundlegenden Bedeutung der Aufklärungspflicht für den Schutz der Anleger nach § 307 Abs. 1 BGB nichtig, weil sie die Anleger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Dies gilt hinsichtlich der Haftung für vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten (§ 309 Nr. 7b BGB) ebenso wie hinsichtlich der Haftung für leichte Fahrlässigkeit (BGH, Urt. v. 09.07.2013 – II ZR 193/11 Rn. 35).
IV. Verjährung
Unwirksam war nach den §§ 309 Nr. 7, 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB auch die Regelung in § 13 Abs. 3 des Treuhandvertrags, wonach ein Anspruch auf Schadensersatz, soweit gesetzlich keine frühere Verjährung eintritt, in drei Jahren ab Anspruchsentstehung verjährt, denn auch dies stellt eine unzulässige Haftungsbegrenzung dar (vgl. BGH, Urt. v. 23.04.2012 – II ZR 211/09 Rn. 40 ff. – WM 2012, 1184; BGH, Urt. v. 29.05.2008 – III ZR 59/07 Rn. 35 – ZIP 2008, 1481).

D. Auswirkungen für die Praxis

Unabhängig davon, ob er als Gründungskommanditist fungiert oder eigene Anteile gehalten hat, ist die Gefahr einer Inanspruchnahme für den Treuhandkommanditisten groß, wenn der Prospekt fehlerhaft oder die Aufklärung durch den Vertrieb unzureichend war.