Nachfolgend ein Beitrag vom 30.5.2017 von Baumann, jurisPR-HaGesR 5/2017 Anm. 5
Leitsatz
Bei Beendigung einer atypisch stillen Gesellschaft wird der Anspruch des stillen Gesellschafters auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens – ebenso wie ein eventueller Verlustausgleichsanspruch des Geschäftsinhabers – regelmäßig erst nach der Auseinandersetzung gemäß § 235 Abs. 1 HGB in Form der Durchführung einer Gesamtabrechnung fällig, die der Geschäftsinhaber allerdings nicht ungebührlich hinauszögern darf.
A. Problemstellung
Der BGH hatte im Zusammenhang mit der Beendigung einer stillen Gesellschaft zu entscheiden, ab welchem Zeitpunkt ein Verlustausgleichsanspruch des Geschäftsinhabers gegen den stillen Gesellschafter fällig wird und somit der Lauf der regelmäßigen Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnt.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. Der Beklagte war an dem Geschäftsbetrieb der Klägerin als stiller Gesellschafter beteiligt. Am 11.12.2009 beschlossen die stillen Gesellschafter die Liquidation der stillen Gesellschaft zum Ablauf des 15.12.2015. Zum 31.12.2009 wies das Kapitalkonto des Beklagten einen Negativsaldo von 19.530,04 Euro auf, von dem die Klägerin einen Betrag von 10.416,67 Euro gegen den Beklagten im März 2013 gerichtlich geltend machte. Diesen Betrag hatte der Beklagte während des Bestehens der stillen Gesellschaft in Form von gewinnunabhängigen Ausschüttungen gemäß den gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen erhalten. Die Klägerin erstellte die für die Auseinandersetzung erforderliche Gesamtabrechnung im Anschluss an die Fertigstellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2009. Der Beklagte erhob gegenüber der Klägerin im Prozess die Einrede der Verjährung, da seiner Ansicht nach die Verjährungsfrist für den von der Klägerin geltend gemachten Verlustausgleichsanspruch am 01.01.2010 zu laufen begonnen hatte.
II. Der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf die Rückzahlung der gewinnunabhängigen Ausschüttungen war im Zeitpunkt der Erhebung der Klage nach Ansicht des BGH nicht verjährt. Der Beginn der Verjährungsfrist des Anspruchs der Klägerin hatte gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mangels Fälligkeit nicht zu laufen begonnen. Mit der Auflösung der stillen Gesellschaft zum 15.12.2009 sei der Anspruch der Klägerin als solcher lediglich entstanden, aber noch nicht fällig geworden. Aufgrund fehlender abweichender Vereinbarungen oder Abreden nach § 271 Abs. 1 BGB würden Ansprüche des stillen Gesellschafters auf ein Auseinandersetzungsguthaben und Ansprüche des Geschäftsinhabers auf einen Verlustausgleich erst nach der Auseinandersetzung gemäß § 235 Abs. 1 HGB in Form der Durchführung der Gesamtabrechnung fällig. Die Erstellung der Gesamtabrechnung dürfe der Geschäftsinhaber allerdings nicht ungebührlich herauszögern, wozu vorliegend keine Anhaltspunkte bestanden.
C. Kontext der Entscheidung
Der BGH hatte bereits in früheren Urteilen entschieden, dass mit der Beendigung einer stillen Gesellschaft nach § 235 Abs. 1 HGB eine Auseinandersetzung zwischen den stillen Gesellschaftern und dem Geschäftsinhaber zu erfolgen habe, bei der die jeweiligen Einzelansprüche der Parteien als unselbstständige Rechnungsposten gelten, die diese nicht mehr durch Leistungsklage geltend machen können. Vielmehr gelte auch bei der stillen Gesellschaft – entsprechend der sog. Durchsetzungssperre bei der Auflösung einer Personengesellschaft – das Prinzip der Gesamtabrechnung (BGH, Urt. v. 03.02.2015 – II ZR 335/13, vgl. auch Hippeli, jurisPR-HaGesR 6/2015 Anm. 5; BGH, Urt. v. 08.11.2004 – II ZR 300/02; BGH, Urt. v. 29.06.1992 – II ZR 284/91; BGH, Urt. v. 12.05.1977 – III ZR 91/75; BGH, Urt. v. 08.07.1976 – II ZR 34/75; BGH, Urt. v. 12.06.1972 – II ZR 109/71; Haas in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl. 2014, § 155 Rn. 9). Erst aus dem Saldo der Auseinandersetzungsrechnung ergebe sich, wer von wem noch etwas zu fordern habe (vgl. BGH, Urt. v. 04.12.2012 – II ZR 159/10). Die jeweiligen Auseinandersetzungsansprüche würden daher ab dem Zeitpunkt der Fertigstellung der Gesamtabrechnung fällig. Ausnahmsweise könne der Auseinandersetzungsanspruch des stillen Gesellschafters aber bereits vor dem Abschluss der Auseinandersetzung begründet sein, wenn er am Verlust der Gesellschaft nicht beteiligt sei und daher auch ohne Auseinandersetzung feststehe, dass er einen Betrag in Höhe des Gewinnanspruchs verlangen könne (BGH, Urt. v. 08.11.2004 – II ZR 300/02; BGH; Urt. v. 29.06.1992 – II ZR 284/91).
D. Auswirkungen für die Praxis
Das Urteil schafft weitere Rechtssicherheit im Hinblick auf den Fälligkeitszeitpunkt von Auseinandersetzungsansprüchen bei der Beendigung von stillen Gesellschaften. In seinen bislang ergangenen Urteilen hatte der BGH lediglich über den Zeitpunkt der Fälligkeit der Auseinandersetzungsansprüche der stillen Gesellschafter zu entscheiden. Vorliegend betraf es jedoch den umgekehrten Fall, nämlich den Anspruch des Geschäftsinhabers gegen die stillen Gesellschafter.
E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Eine weitere Erkenntnis aus dem Urteil ist, dass die Parteien im Gesellschaftsvertrag der stillen Gesellschaft einen Verlustausgleichsanspruch des Geschäftsinhabers gegen die stillen Gesellschafter vereinbaren können (so der BGH jedoch ausdrücklich bereits im Urt. 20.09.2016 – II ZR 120/15), dies aber möglichst klar und deutlich formulieren sollten.
In Anknüpfung an seine bisherige Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 383/12; dazu auch Boche, jurisPR-HaGesR 5/2014 Anm. 1) hat der BGH des Weiteren klargestellt, dass der Durchsetzung eines Anspruchs aus Prospekthaftung wegen angeblicher Prospektmängel die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft und die damit bezweckte Gleichbehandlung aller Gesellschafter im Wege einer geordneten Auseinandersetzung entgegenstehen. Die Durchsetzung setze voraus, dass die Abfindungsansprüche aller anderen stillen Mitgesellschafter befriedigt sind oder befriedigt werden können. Ein einzelner Gesellschafter könne sich daher seiner Beteiligung an den von allen stillen Gesellschaftern zu tragenden Schulden des Geschäftsinhabers nicht durch Aufrechnung entziehen, da dies den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft und dem damit verbundenen Ziel der gleichmäßigen Belastung aller stillen Gesellschafter im Wege der geordneten Auseinandersetzung widerspreche (BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 383/12; Boche, jurisPR-HaGesR 5/2014 Anm. 1).