Nachfolgend ein Beitrag vom 11.8.2017 von Stenzel, jurisPR-ITR 16/2017 Anm. 5

Orientierungssätze

1. Es ist davon auszugehen, dass ein Internet-Reisebüro über ein Buchungsportal einen Luftbeförderungsvertrag lediglich vermittelt und nicht als Eigengeschäft geschlossen hat, wenn in der Rechnung und dem Ticket ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass diese „im Namen und für Rechnung der…“ Fluggesellschaft erstellt wurde.
2. Diese Indizien wurden auch nicht durch ein entgegenstehendes, anderweitiges Verhalten im Zeitpunkt der Buchung entkräftet. Zu berücksichtigen ist, dass die Buchung über ein sog. Online-Portal erfolgte, d.h. dass keine natürliche Person im Zuge der Buchung mündliche Angaben über die Vertragsgestaltung gemacht haben konnte, sodass als Auslegungskriterien ausschließlich die AGB sowie die Reisebestätigung bzw. Rechnung herangezogen werden können.
3. Die Passivlegitimation des Luftbeförderungsunternehmens im Rahmen einer Rückzahlungsklage nach Stornierung der Flugbuchung ergibt sich vorliegend auch daraus, dass das Unternehmen Steuern und Gebühren (zumindest teilweise) zurückerstattet hat. Dies spricht für einen mit ihm abgeschlossenen Beförderungsvertrag. Schließlich hat das Unternehmen auch eine an den Fluggast gerichtete „Stornierungsbestätigung“ verfasst, mit welcher bestätigt wurde, dass „Ihre“ Flüge storniert worden seien. Bei dieser Sachlage kann es nicht als Indiz für ein Eigengeschäft angesehen werden, dass das Beförderungsentgelt an das Internet-Reisebüro geleistet worden ist. Es entspricht üblicher Praxis eines Reisebüros, dass dieses Empfangsbevollmächtigter ist für die Zahlung des Reisepreises und den Reisepreis danach an den Reiseveranstalter bzw. Luftfahrtunternehmen weiterleitet. Auch die Tatsache, dass es sich nicht um eine sog. IATA-Agentur handelt, führt nicht zwingend zu dem Schluss, dass ein solches Reisebüro keine Fremdleistungen vermittelt.
4. Als Rechtsfolge kann der vertragliche Luftfrachtführer im Falle der Flugstornierung die vereinbarte Vergütung verlangen. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, d.h. im Falle eines gekündigten Luftbeförderungsvertrages die durch anderweitige Buchung erzielten oder böswillig nicht erzielten Erlöse, § 649 Satz 2 BGB. Wird ein Flugbeförderungsvertrag gemäß § 649 BGB gekündigt, sind zum einen die im Flugpreis enthaltenen Steuern (wie Mehrwertsteuer, Gebühren und Entgelte einschließlich etwaiger Zuschläge) zu erstatten. Diese Flugnebenkosten fallen nur an, wenn der Fluggast den Flugschein tatsächlich in Anspruch nimmt.
5. Darüber hinaus besteht auch ein Anspruch auf Erstattung des hälftigen restlichen Beförderungsentgelts. Das Luftbeförderungsunternehmen ist so zu behandeln, als habe es die stornierten Tickets anderweitig mit einem Erlös weiterverkaufen können, der zumindest dem von dem Fluggast anteilig bezahlten Betrag entsprach.
6. Zwar hat grundsätzlich der Besteller (bzw. der Fluggast) darzulegen und zu beweisen, dass der Unternehmer (bzw. der Luftfrachtführer) Aufwendungen erspart, bzw. Erlöse durch anderweitige Buchung erzielt hat. Weil der Besteller jedoch regelmäßig keinen Einblick in die Betriebsinterna des Unternehmers hat, ist dem Unternehmer im Wege der sog. sekundären Darlegungslast zuzumuten, seine ersparten Aufwendungen bzw. anderweitig erzielten Erlöse für den konkreten Fall darzulegen und zu beziffern. Erst dann ist es Sache des Bestellers, dazulegen und zu beweisen, dass der Unternehmer höhere Aufwendungen erspart bzw. höhere Erlöse erzielt hat als vom Unternehmer behauptet. Dieser sekundären Darlegungslast ist das Unternehmen vorliegen nicht gerecht geworden.
7. Wenn wie hier zwischen Kündigung und planmäßigem Abflug noch ein größerer Zeitraum, etwa von mehreren Wochen bis Monaten, liegt, kann unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein Luftfahrtunternehmen regelmäßig mit einer vollen Auslastung seiner Fluggeräte kalkuliert, davon ausgegangen werden, dass die Flugtickets nach der Stornierung an Dritte zu einem Entgelt „weiterverkauft“ werden konnten, welches zumindest dem ursprünglich geschuldeten Entgelt entspricht. Lediglich dann, wenn die Kündigung erst unmittelbar vor dem Abflug erfolgt, etwa wenn der Fluggast nicht zum Check-in erscheint, kann davon ausgegangen werden, dass ein Weiterverkauf tatsächlich nicht mehr möglich war.

A. Problemstellung

Bei der Buchung eines Fluges haben die Reisenden den Ticketpreis regelmäßig im Voraus zu entrichten. Dass diese Praxis rechtmäßig ist, hat der BGH mittlerweile bestätigt (BGH, Urt. v. 16.02.2016 – X ZR 97/14, X ZR 98/14, X ZR 5/15). Tritt der Fluggast den Flug nicht an oder storniert diesen vor dem Abflug, stellt sich die Frage, ob und inwieweit das Flugunternehmen die Zahlung behalten darf oder aber Rückzahlungen zu leisten hat. Erfolgt die Buchung zudem über ein Internet-Reisebüro oder eine Online-Plattform, ist ebenfalls zu klären, auf welchem Wege eine etwaige Erstattung vorzunehmen ist. Die 24. Zivilkammer des LG Frankfurt, die auch als „Reiserechtskammer“ bekannt ist, hat sich hiermit auseinandergesetzt.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin buchte über ein Internet-Reisebüro bzw. Online-Portal einen Hin- und Rückflug bei der Beklagten, einer Fluggesellschaft. Noch vor dem planmäßigen Abflug stornierte sie die Buchung. Von der Beklagten forderte sie die Rückzahlung der gezahlten Ticketkosten.
In erster Instanz hat das AG Frankfurt die Klage abgewiesen (AG Frankfurt, Urt. v. 23.03.2016 – 31 C 3871/15 (17), n.v.). Ausweislich des vorliegenden Berufungsurteils des LG Frankfurt hielt es die Beklagte nicht für passivlegitimiert und nahm offenbar ein Eigengeschäft des Internet-Reisebüros an. Im Berufungsverfahren hat das LG Frankfurt der Klage teilweise stattgegeben. Es bejahte die Passivlegitimation der Fluggesellschaft (unter I.) und zum Teil den gegen diese gerichteten Erstattungsanspruch (unter II.).
I. Passivlegitimation der Fluggesellschaft
Nach Auffassung des Landgerichts ist (von Beginn an) unstreitig gewesen, dass das Reisebüro den Flugbeförderungsvertrag lediglich vermittelt habe. Davon abgesehen bestünden mehrere Indizien, die für ein Vermittlungsgeschäft und gegen ein Eigengeschäft des Reisebüros sprächen. Werde dieses nach den AGB als Vermittler tätig, oder enthalte die Reisebestätigung einen klaren Hinweis auf eine solche Tätigkeit, seien dies starke Indizien für ein Vermittlergeschäft. Diese könnten im Einzelfall entkräftet werden, wenn das Reisebüro anlässlich des Vertragsabschlusses in einer Weise auftrete, welche für ein Eigengeschäft spreche. Dies sei der Fall, wenn es Flugtickets von einem Ticketzwischenhändler (sog. Consolidator) erworben habe, und diese mit einem eigens kalkulierten Aufschlag an den Fluggast weiterveräußere. Es fehle dann an der Preisidentität, einer wesentlichen Voraussetzung eines Vermittlergeschäfts.
Vorliegend werde in der Rechnung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese „im Namen und für Rechnung der …“ erstellt worden sei. Auch wurde das Ticket „ausgestellt auf …“. Nach den AGB werde das Reisebüro regelmäßig als Vermittlerin tätig. Auch das in der Rechnung erhobene Entgelt spreche dafür. Es handele sich offensichtlich um eine Vergütung für die Vermittlungstätigkeit.
Die Indizien wurden auch nicht durch ein entgegenstehendes, anderweitiges Verhalten im Zeitpunkt der Buchung entkräftet. Diese sei über ein Online-Portal erfolgt, d.h. dass keine natürliche Person im Zuge der Buchung mündliche Angaben über die Vertragsgestaltung gemacht haben konnte. Als Auslegungskriterien könnten daher ausschließlich die AGB sowie die Reisebestätigung bzw. Rechnung herangezogen werden. Darüber hinaus habe die Beklagte Steuern und Gebühren (zumindest teilweise) zurückerstattet, was für einen mit ihr abgeschlossenen Beförderungsvertrag spreche. Schließlich habe die Beklagte auch eine an die Klägerin gerichtete „Stornierungsbestätigung“ verfasst, mit welcher bestätigt worden sei, dass „Ihre“ Flüge, d.h. die Flüge der Klägerin, storniert worden seien. Die Beklage habe selbst zugestanden, dass auf „Tarife der Beklagten über offene Buchungsplattformen“ zugegriffen worden seien. Mithin bestehe auch Preisidentität.
Der pauschale Vortrag der Beklagten, das in der Rechnung ausgewiesene Beförderungsentgelt entspreche nicht dem tatsächlichen Beförderungspreis, sei unsubstantiiert. Sie hätte konkret vortragen müssen, wann und zu welchem Preis das Internet-Reisebüro die streitgegenständlichen Flugtickets zuvor von der Beklagten erworben haben soll.
Kein Indiz für ein Eigengeschäft sei, dass das Beförderungsentgelt von der Klägerin an das Reisebüro geleistet worden sei. Es entspreche üblicher Praxis eines Reisebüros, dass es Empfangsbevollmächtigter für die Zahlung des Reisepreises sei und diesen danach an den Reiseveranstalter bzw. das Luftfahrtunternehmen weiterleite.
Dass es sich bei dem Reisebüro nicht um eine sog. IATA-Agentur handele, führe ebenfalls nicht zwingend zu dem Schluss, dass es keine Fremdleistungen vermittele. Es komme ausschließlich auf den objektiven Empfängerhorizont des Reisenden bei der Buchung an.
II. Erstattung der Flugticketkosten
Hinsichtlich des Rückzahlungsanspruches führte das Landgericht aus, dass sich die Beklagte ersparte Aufwendungen bzw. einen anderweitigen Veräußerungserlös anrechnen lassen müsse. Die Klägerin könne entsprechend in dieser Höhe eine Rückzahlung verlangen, § 812 BGB.
Werde ein Flugbeförderungsvertrag, ein Werkvertrag i.S.d. §§ 631 ff. BGB, gemäß § 649 BGB gekündigt, seien zum einen die im Flugpreis enthaltenen Steuern (wie Mehrwertsteuer, Gebühren und Entgelte einschließlich etwaiger Zuschläge) zu erstatten. Diese Flugnebenkosten fielen nur an, wenn der Fluggast den Flugschein tatsächlich in Anspruch nehme. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass die in einer Rechnung ausgewiesenen Steuern der Höhe nach korrekt sind. Soweit die Beklagte behaupte, es seien geringere Steuern und Gebühren angefallen, hätte sie konkret vorrechnen müssen, welche Steuern und Gebühren nach welchen Vorschriften bezogen auf das in der Rechnung ausgewiesene Beförderungsentgelt tatsächlich erhoben wurden bzw. im Falle des Flugantritts erhoben worden wären.
Unbeachtlich sei, ob die Beklagte an das Reisebüro bereits einen Betrag erstattet habe. Dieser sei zumindest nicht an die Klägerin weitergeleitet worden. Ein etwaiger Zahlungsempfang durch das Reisebüro sei nicht einem Zahlungsempfang durch die Klägerin gleichzustellen. Das Reisebüro sei kein Empfangsvertreter des Reisenden, sondern lediglich schuldrechtlich gehalten, die vom Reiseveranstalter bzw. Luftfahrtunternehmen erhaltenen Gelder an den Reisenden weiterzuleiten.
Darüber hinaus bestehe auch ein Anspruch auf Erstattung des hälftigen, restlichen Beförderungsentgeltes. Die Beklagte sei so zu behandeln, als habe sie die stornierten Tickets für den Hinflug anderweitig mit einem Erlös weiterverkaufen können, der zumindest dem von der Klägerin anteilig bezahlten Betrag entspreche. Hinsichtlich des Hinfluges sei die Beklagte der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nicht gerecht geworden.
Wenn zwischen Kündigung und planmäßigem Abflug noch ein größerer Zeitraum, etwa von mehreren Wochen bis Monaten, liege, könne unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein Luftfahrtunternehmen regelmäßig mit einer vollen Auslastung seiner Fluggeräte kalkuliere, davon ausgegangen werden, dass die Flugtickets nach der Stornierung an Dritte zu einem Entgelt „weiterverkauft“ werden konnten, welches zumindest dem ursprünglich geschuldeten entspreche. Anders sei dies lediglich, wenn die Kündigung erst unmittelbar vor dem Abflug erfolge, etwa wenn der Fluggast nicht zum Check-in erscheine. Zwischen der Kündigung und dem gebuchten Flug habe vorliegend noch ein genügend großer Zwischenraum gelegen, der einen Weiterverkauf ermöglicht hätte. Von einem Luftfahrunternehmen könne daher gefordert werden, darzulegen, ob der freigewordene Platz wieder zum Verkauf angeboten worden sei und zudem, ob das Fluggerät voll besetzt gewesen sei.
Für den Fall, dass sämtliche Plätze „verkauft“ werden konnten, stehe fest, dass das Luftfahrunternehmen auch für den jeweils streitgegenständlichen Platz ein Entgelt habe erzielen können. Durch § 649 BGB solle eine doppelte Befriedigung des Luftfahrunternehmens vermieden werden. Es bestehe dann kein gerechtfertigter Anspruch, auch von dem Fluggast, der den Beförderungsvertrag gekündigt habe, das Entgelt zu verlangen. Stehe dagegen fest, dass das jeweilige Fluggerät nicht vollkommen ausgelastet gewesen sei, d.h. zumindest ein Platz frei geblieben sei, könne davon ausgegangen werden, dass der jeweils streitgegenständliche Platz nicht „weiterverkauft“ werden konnte. Habe danach das Luftfahrunternehmen tatsächlich keinen anderweitigen Erlös für den stornierten Platz erzielen können, habe es darzulegen, dass es sich zumindest um einen Weiterverkauf bemüht habe. Insoweit müsse der Vortrag genügen, dass der frei gewordene Platz wieder in das Buchungssystem aufgenommen worden, d.h. dass er erneut buchbar gewesen sei. Da es im eigenen wirtschaftlichen Interesse eines Luftfahrunternehmens liege, seine Fluggeräte möglichst auszulasten, könne davon regelmäßig ausgegangen werden.
Die Beklagte sei hinsichtlich des Hinfluges nicht bereit gewesen, zur tatsächlichen Belegung vorzutragen. Insoweit müsse das Landgericht davon ausgehen, dass auch der streitgegenständliche Platz habe „weiterverkauft“ werden können.
Hinsichtlich des Rückfluges sei dagegen davon auszugehen, dass die Beklagte keinen anderweitigen Erlös habe erzielen können. Insoweit sei sie ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen. Durch Vorlage des Flugbelegungsplanes habe sie dargelegt, dass sämtliche Buchungsklassen („First“, „Business“, „Economy“) nicht vollständig ausgebucht gewesen seien. Mithin müsse sich die Beklagte hinsichtlich des Rückfluges keinen anderweitig erzielten Erlös anrechnen lassen.
Die Beklagte habe hinsichtlich der Bordverpflegung auf dem Rückflug keine Aufwendungen erspart. Insoweit sei die Ersparnis – wenn eine solche überhaupt vorliege – verschwindend gering, sodass diese nicht messbar betragsmäßig bezifferbar wäre. Sie habe jedoch hinsichtlich des nicht voll ausgelasteten Rückflugs Kerosinkosten erspart, die sie der Klägerin zu erstatten habe. Das Landgericht schätzte diese auf 2,50 Euro.

C. Kontext der Entscheidung

I. Reisebuchung unter Einschaltung von Dritten: Eigen- oder Fremdgeschäft des Reisebüros?
Die Frage, wer bei der Buchung von Reiseleistungen mit Hilfe eines Dritten Vertragspartner des Reisenden wird, ist nicht neu. Sie stellt sich nicht erst seit der Möglichkeit von Buchungen über Internetportale, sondern bestand und besteht ebenfalls hinsichtlich herkömmlicher stationärer Reisebüros mit einem Ladenlokal. Klassischerweise vermitteln Reisebüros Leistungen wie Flüge als Fremdleistung, d.h. im Namen und auf Rechnung des Reiseunternehmens. Sie können diese aber auch im eigenen Namen und auf eigene Rechnung verkaufen. Dennoch wollen sie regelmäßig nicht Vertragspartner des Kunden in Bezug auf die Erbringung der gebuchten Leistung werden und damit auch für deren Erfolg haften, sondern an ihrer Vermittlerrolle festhalten.
Bei der Bestimmung, ob ein Fremd- oder Eigengeschäft des Reisebüros vorliegt, stellen die Gerichte, wie auch das LG Frankfurt, auf den objektiven Empfängerhorizont des Reisenden ab. Maßgeblich sind dessen Auftreten nach außen und die Beurteilung aus Sicht des (durchschnittlichen) Reisenden. Gewöhnlich werden für die Auslegung die AGB des Reisebüros herangezogen, die allerdings regelmäßig Vermittlerklauseln enthalten, aber auch die Reisebestätigungen und Rechnungen (OLG Frankfurt, Urt. v. 28.09.2009 – 16 U 238/08 Rn. 33; LG Wiesbaden, Beschl. v. 20.10.2015 – 9 T 4/15 Rn. 3; LG Berlin, Urt. v. 07.07.2004 – 33 O 130/03 Rn. 29).
Hieraus können sich (erste) Indizien für die Einordnung ergeben. Ebenfalls zu beachten sind, worauf auch das LG Frankfurt abstellt, u.a. die Vertriebswege. Dabei geht ein Teil der Rechtsprechung von einem Eigengeschäft des Reisebüros aus, wenn dieses Tickets von einem Consolidator kauft und mit einem eigenen höheren Preis an den Kunden weiterveräußert (AG Neuss, Urt. v. 19.09.2008 – 84 C 4801/07 – RRa 2009, 87, 88; vgl. auch Führich, Reiserecht, 7. Aufl. 2015, § 27 Rn. 22 m.w.N.; wohl a.A. LG Würzburg, Urt. v. 17.12.2008 – 43 S 1765/08 – RRa 2009, 232, 233 m. Anm. Führich, RRa 2009, 233, 234). Darauf, ob sich das Reisebüro in seinen AGB oder sonst als Vermittler darstellt, soll es dann nicht ankommen. Relevant seien die tatsächlichen und rechtlichen Umstände (AG Neuss, Urt. v. 19.09.2008 – 84 C 4801/07 – RRa 2009, 87, 88).
Vorliegend hielt das LG Frankfurt das Merkmal der Preisidentität für gegeben und bejahte ein Fremdgeschäft des Reisebüros. Dieses hatte die Flüge direkt über offene Buchungsplattformen der Beklagten gebucht und auf deren Tarife zurückgegriffen. Dafür, dass das Reisebüro die Flüge zu einem anderen, höheren Preis (weiter)verkauft hat, hielt das Landgericht den Vortrag der Beklagten nicht für ausreichend konkret. Dass in einem solchen Fall kein Eigen- sondern ein Fremdgeschäft des Reisebüros vorliegt, entspricht auch den Bewertungen anderer Gerichte in ähnlichen Konstellationen, in denen Reisebüros für die Buchungen die allgemein zur Verfügung stehenden Medien der Leistungserbringer, wie die Website eines Flugunternehmens, nutzen (LG Köln, Urt. v. 17.05.2016 – 11 S 352/14 Rn. 21). Mit diesen wollen die Unternehmen zwar, an den Vermittlern vorbei, den Reisenden ermöglichen, die Leistungen direkt bei ihnen zu buchen. Der Zugriff ist den (Online-)Reisebüros jedoch grundsätzlich nicht verwehrt, so dass diese – außerhalb von mit den Leistungserbringern ggf. bestehenden Agenturverträgen oder nur auf bestimmte Nutzerkreise beschränkte Reservierungssysteme – Buchungen für ihre Kunden vornehmen und so ihr Leistungsspektrum erweitern können (vgl. Tonner in: MünchKomm BGB, 6. Aufl. 2012, § 651a Rn. 50). Das Reisebüro wird in diesen Fällen als Vertreter des Kunden gesehen (§ 164 BGB), in dessen Namen es eine (fremde) Willenserklärung abgibt (LG Köln, Urt. v. 17.05.2016 – 11 S 352/14 Rn. 21).
Zutreffend führt das LG Frankfurt aus, dass die Zahlung des Beförderungsentgeltes an das Reisebüro kein taugliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdgeschäft sein kann. Die Weiterleitung von Zahlungen an das Reiseunternehmen gehört zu den typischen Aufgaben des Vermittlers (so auch OLG Frankfurt, Urt. v. 28.09.2009 – 16 U 238/08 Rn. 34; LG Wiesbaden, Beschl. v. 20.10.2015 – 9 T 4/15 Rn. 3). Hingegen ist hinsichtlich etwaiger Rückzahlungen des Reiseunternehmens an den Reisenden zu berücksichtigen, dass dieses grundsätzlich nicht der „Empfangsvertreter“ des Reisenden ist. Entsprechend ist eine Erstattung direkt im Verhältnis der eigentlichen Vertragspartner des Beförderungsvertrages, d.h. bei einer Vermittlung durch ein Reisebüro zwischen Flugunternehmen und Reisenden, vorzunehmen (so auch LG Wiesbaden, Beschl. v. 20.10.2015 – 9 T 4/15 Rn. 3).
In der Praxis erfolgen Rückzahlungen durch das Flugunternehmen häufig – wie im vorliegenden Fall – an das Internet-Reisebüro bzw. Buchungsportal. Dies mag praktische Gründe haben (etwa dem Unternehmen nicht bekannte Kontoverbindung des Reisenden, leichtere Abwicklung, buchhalterische Gründe). Die Zahlung an den Vermittler schützt es jedoch nicht davor, ggf. vom Reisenden in Anspruch genommen zu werden, wenn dieser den Betrag nicht oder nur teilweise erhält. Auch muss sich ein Reisender, der seinen Flug über ein Internet-Reisebüro gebucht hat, vom Flugunternehmen bezüglich etwaiger Erstattungsansprüche nicht ohne weiteres an dieses verweisen lassen.
II. Darlegungs- und Beweislast bei Rückforderung von Flugkosten im Falle einer Stornierung durch den Fluggast
Eine weitere Frage betrifft den Vergütungsanspruch des Flugunternehmens, wenn der Reisende den Beförderungsvertrag vor dem Abflug storniert oder aber nicht erscheint (sog. „no show“). Bei einem Luftbeförderungsvertrag handelt es sich nach allgemeiner Ansicht um einen Werkvertrag, so dass weitestgehend die Regelungen der §§ 631 BGB ff. gelten (BGH, Urt. v. 16.02.2016 – X ZR 5/15 Rn. 12 ff.). Entsprechend konsequent wendet das LG Frankfurt § 649 BGB an, wonach einerseits der Besteller (Fluggast, Reisender) den Vertrag jederzeit kündigen kann (§ 649 Satz 1 BGB), andererseits der Unternehmer (das vertragliche Flugunternehmen) seinen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung behält. Er muss sich jedoch die durch eine anderweitige Buchung erzielten oder böswillig nicht erzielten Erlöse anrechnen lassen (§ 649 Satz 2 BGB).
Grundsätzlich hat bei einer Rückforderung der Fluggast darzulegen und zu beweisen, dass das Flugunternehmen Aufwendungen erspart bzw. Erlöse durch anderweitige Buchung erzielt hat. Dieses trifft jedoch eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast. Da der Reisende regelmäßig keinen Einblick in die Betriebsinterna des Unternehmers habe, sei ihm zuzumuten, seine ersparten Aufwendungen bzw. anderweitig erzielten Erlöse für den konkreten Fall darzulegen und zu beziffern. Erst dann sei es Sache des Bestellers, darzulegen und zu beweisen, dass der Unternehmer höhere Aufwendungen erspart bzw. höhere Erlöse erzielt habe als behauptet (vgl. auch BGH, Urt. v. 14.01.1999 – VII ZR 277/97 Rn. 11, 14). Das Landgericht setzt damit seine Rechtsprechung zu den Vergütungsansprüchen des Flugunternehmens im Falle einer Stornierung durch den Fluggast fort (vgl. etwa LG Frankfurt, Urt. v. 06.06.2014 – 2-24 S 152/13 Rn. 16, 20; LG Frankfurt, Urt. v. 02.03.2016 – 2-24 S 178/15 Rn. 26). In der vorliegenden Entscheidung gibt es dabei eine Art „Darlegungshilfe“, indem es Schritt für Schritt aufzeigt, wie ein Flugunternehmen seiner sekundären Darlegungs- und Beweislast genügen kann und wie (anschließend) der Reisende seinen Vortrag auszurichten hat, um seinerseits die ihm obliegenden Lasten zu erfüllen.
Die Anforderungen, die die Gerichte an den Vortrag im Rahmen der sekundären Darlegungs- und Beweislast stellen, sind nicht einheitlich (vgl. z.B. AG Köln, Urt. v. 19.09.2016 – 142 C 222/16 und LG Köln, Urt. v. 15.04.2016 – 10 S 192/15). Generell gilt jedoch, insoweit einen Ausgleich zwischen dem Interesse des Flugunternehmens an seinen Geschäftsgeheimnissen und dem Auskunftsinteresse des Fluggastes zu finden. Die Grenze der sekundären Darlegungs- und Beweislast ist erreicht, wenn der erforderliche Vortrag zur Offenlegung der Geschäftspolitik, der Bekanntgabe von Geschäftsbeziehungen zu Dritten oder aber zur Preisgabe von Betriebsgeheimnissen führen würde, da dann das Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens überwiegt (AG Köln, Urt. v. 19.09.2016 – 142 C 222/16; AGH Hessen, Urt. v. 01.12.2014 – 32 C 3011/14 – 27). Ebenso hat das Flugunternehmen die Möglichkeit, sich auf die gesetzliche Vermutung des § 649 Satz 3 BGB zu berufen, wonach dann (jedenfalls) 95% des Ticketpreises zu erstatten wären (hierzu AG Frankfurt, Urt. v. 18.11.2013 – 29 C 2391/13 (44) Rn. 20; AG Rüsselsheim, Urt. v. 16.05.2012 – 3 C 119/12 (36) Rn. 33; AG Köln, Urt. v. 31.05.2016 – 133 C 56/15 Rn. 28).
Grundsätzlich divergieren die Ansichten in der Rechtsprechung zur Frage, ob und inwieweit § 649 BGB abbedungen werden kann. Diese stand in der vorliegenden Entscheidung nicht zur Debatte, ist aber wesentlicher Ausgangspunkt für etwaige Erstattungs- bzw. Rückzahlungsansprüche von Fluggästen. Flugunternehmen bieten ihre Tickets häufig zu unterschiedlichen Tarifen an. Abhängig vom Preis schließen sie dabei für besonders günstige Angebote u.a. Stornierungsmöglichkeiten in den Beförderungsbedingungen aus. Sog. „Billigairlines“, die ihre Tickets im Allgemeinen zu vergleichsweise niedrigen Preisen verkaufen, versagen diese von vornherein. Vorgesehen ist dann allenfalls eine Erstattung von nicht verbrauchten Steuern und Gebühren.
Das LG Frankfurt sieht in Formularabreden, die die Herausgabe von ersparten Aufwendungen oder anderweitiger Erlöse ausschließen, einen Verstoß gegen die §§ 308 Nr. 7, 309 Nr. 5 BGB, so dass diese unwirksam sind (LG Frankfurt, Urt. v. 02.03.2016 – 2-24 S 178/15 Rn. 24). Eine andere Ansicht vertreten insbesondere das AG Köln und das LG Köln, wonach § 649 BGB dispositiv sei und – je nach Ausgestaltung des Buchungsablaufs im Internet und den angebotenen Tarifoptionen – ausgeschlossen werden könne. Sie gehen in diesen Fällen von Individualabreden aus (LG Köln, Urt. v. 14.03.2017 – 11 S 263/16 Rn. 24 ff.; LG Köln, Urt. v. 24.11.2016 – 6 S 220/15 Rn. 5, 10 ff.; AG Köln, Urt. v. 10.02.2016 – 126 C 431/15 Rn. 18; im Ansatz auch LG Wiesbaden, Beschl. v. 20.10.2015 – 9 T 4/15 Rn. 3).

D. Auswirkungen für die Praxis

Buchen Reisende Flüge online über ein Internet-Reisebüro oder ein Portal, kann die Frage, zwischen wem der Beförderungsvertrag zustande kommt, Schwierigkeiten bereiten. Bei der Bestimmung sind nicht nur die AGB des Reisebüros und dessen sonstige Darstellung nach außen relevant, sondern insbesondere auch die Vertriebswege zu beachten. Im Falle von Erstattungsansprüchen nach einer Stornierung erfolgt die Abwicklung nach der Rechtsprechung grundsätzlich zwischen den eigentlichen Vertragspartnern des Beförderungsvertrages, d.h. regelmäßig zwischen Reisendem und Flugunternehmen. Leitet das Reisebüro Rückzahlungen jedoch nicht an den Reisenden weiter, kann dieser das Unternehmen (nochmals) direkt in Anspruch nehmen.
Bei der Stornierung eines Fluges können dem Fluggast grundsätzlich Erstattungsansprüche hinsichtlich des gesamten Flugpreises zustehen, jedenfalls aber bis zu 95% dieses Betrages. Durch die den Fluggesellschaften auferlegte sekundäre Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich eines Weiterverkaufs und ersparter Aufwendungen besteht für den Reisenden eine realistische Möglichkeit, tatsächlich eine Rückzahlung zu erhalten. Zu beachten ist, dass die Beförderungsunternehmen bei besonders günstigen Tarifen Stornierungen ausschließen. In diesen Fällen kann u.U. ein Erstattungsanspruch ganz oder teilweise entfallen. Die Rechtsprechung hierzu ist uneinheitlich.