Nachfolgend ein Beitrag vom 29.11.2018 von Hampe, jurisPR-MedizinR 10/2018 Anm. 4

Orientierungssätze

1. Die Zulassung des Vertragsarztes zur kassenärztlichen Versorgung ist zu entziehen, wenn der Vertragsarzt seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Erbringt der Vertragsarzt den Fortbildungsnachweis nicht spätestens zwei Jahre nach Ablauf des maßgeblichen Fünf-Jahres-Zeitraums, so soll die Kassenärztliche Vereinigung unverzüglich nach § 95d Abs. 3 Satz 6 SGB V einen Antrag auf Entziehung der Zulassung stellen.
2. Die gesetzliche Regelung ist verfassungsgemäß.

A. Problemstellung

Die Entscheidung des LSG Essen betrachtet die Frage der Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung bei gröblicher Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten – hier in der Variante des fehlenden Fortbildungsnachweises (vgl. zu der Frage der Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung wegen mehrjähriger Falschabrechnungen tatsächlich nicht erbrachter Sonographieuntersuchungen bereits Hampe, jurisPR-MedizinR 8/2018 Anm. 3). Erbringt ein Vertragsarzt den Fortbildungsnachweis nicht spätestens zwei Jahre nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums, soll die Kassenärztliche Vereinigung unverzüglich einen Antrag auf Entziehung der Zulassung stellen (§ 95d Abs. 3 Satz 6 SGB V).

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Streitig ist die Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung.
Der Kläger war als praktischer Arzt in O nieder- und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Den Praxisbetrieb hat er zwischenzeitlich eingestellt.
Die Beklagte kürzte das Honorar des Klägers unter Hinweis auf § 95d SGB V, da er den Fortbildungsnachweis nicht erbracht hatte. Der Disziplinarausschuss maßregelte den Kläger durch Beschluss wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur Fortbildung mit einer Geldbuße. Diese Maßnahme ist nach erfolgloser Ausschöpfung des Rechtswegs (LSG Essen, Urt. v. 18.02.2015 – L 11 KA 39/13, und BSG, Beschl. v. 08.10.2015 – B 6 KA 2/15 BH) inzwischen bestandskräftig.
Die Beigeladene beantragte die Entziehung der Zulassung des Klägers. Dem entsprach der Zulassungsausschuss mit Beschluss.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit dem Vorbringen, das Nichtbesuchen von Fortbildungsveranstaltungen rechtfertige die Entziehung der „Kassenzulassung“ nicht. Es könne von ihm nicht verlangt werden, sich 250 Stunden „dummes Zeug“ anzuhören, was er selber schon lange besser wisse. Er habe die gesetzliche Pflicht des § 95d SGB V für einen schlechten Scherz gehalten.
Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers zurück. Die Zulassung sei zu entziehen, wenn der Vertragsarzt seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletze. Erbringe ein Vertragsarzt den Fortbildungsnachweis nicht spätestens zwei Jahre nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums, solle die Kassenärztliche Vereinigung unverzüglich einen Antrag auf Entziehung der Zulassung stellen (§ 95d Abs. 3 Satz 6 SGB V). Der Kläger habe auch in der Nachfrist keinen Nachweis über seine Fortbildung erbracht. Er habe auch nach den Honorarkürzungen sowohl im Disziplinarverfahren als auch im Entziehungsverfahren immer wieder – z.T. mit polemischen Äußerungen – deutlich gemacht, dass er der gesetzlichen Fortbildungspflicht nicht nachkommen werde. Eine Unverhältnismäßigkeit der Zulassungsentziehung sei nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber gebe mit der zuvor erfolgenden Honorarkürzung bereits ein abgestuftes Programm vor, das den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genüge.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben.
Das SG Düsseldorf hatte die Klage durch Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger seine vertragsärztlichen Pflichten durch den Verstoß gegen die Fortbildungspflicht gröblich verletzt habe. Darauf sei er auch in den vorausgegangenen Gerichtsverfahren bereits hingewiesen worden. Die Entziehung der Zulassung sei verhältnismäßig und verstoße – wie das BSG mehrfach entschieden habe – nicht gegen höherrangiges Recht.
Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen. Die Fortbildung müsse in der Eigenverantwortung des Arztes bleiben. Durch die sinnlose Pflichtfortbildung werde den Ärzten wichtige Zeit für die eigene fall- und patientenbezogene Literaturrecherche entzogen.
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl für den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Beschluss des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG).

C. Kontext der Entscheidung

Ein Vertragsarzt hat grundsätzlich alle fünf Jahre gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung den Nachweis zu erbringen, dass er in dem zurückliegenden Fünfjahreszeitraum seiner Fortbildungspflicht nach § 95d Abs. 1 SGB V nachgekommen ist. Für die Zeit des Ruhens der Zulassung ist diese Frist unterbrochen. Erbringt ein Vertragsarzt den Fortbildungsnachweis nicht oder nicht vollständig, ist die Kassenärztliche Vereinigung verpflichtet, das an ihn zu zahlende Honorar aus der Vergütung vertragsärztlicher Tätigkeit zu kürzen. Im Sinne des Gesetzgebers sind die Honorarkürzungen einerseits ein Abschlag für die „schlechtere“ Qualität der ärztlichen Leistungserbringung, zum anderen sollen sie den Vertragsarzt nachdrücklich zu der Einhaltung seiner Fortbildungsverpflichtung anhalten (Lissel in: Orlowski/Remmert, SGB V, 48. Aufl., § 95d Rn. 11). Ein Vertragsarzt kann die für den Fünf-Jahres-Zeitraum festgelegte Fortbildung binnen zwei Jahren ganz oder in Teilen nachholen. Die nachgeholte Fortbildung wird auf den folgenden Fünf-Jahres-Zeitraum nicht angerechnet. Die Kürzung des Honorars endet nach Ablauf des Quartals, in dem der vollständige Fortbildungsnachweis erbracht wird. Erbringt ein Vertragsarzt den Fortbildungsnachweis nicht spätestens zwei Jahre nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums, soll die Kassenärztliche Vereinigung unverzüglich gegenüber dem Zulassungsausschuss einen Antrag auf Entziehung der Zulassung stellen. „Soll“ ist in diesem Fall im Sinne eines „muss“ zu verstehen, soweit nicht ein atypischer Ausnahmefall greift (Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 95d Rn. 46). Der Gesetzgeber führt zur Begründung an, dass die Nichterfüllung der Fortbildungspflicht in aller Regel eine gröbliche Verletzung vertragsärztlicher Pflichten darstellt (Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/1525, S. 110; Lissel in: Orlowski/Remmert, SGB V, § 95d Rn. 14). Indes bleibt eine Ablehnung der Zulassungsentziehung nach den Erwägungen des Gesetzgebers in Ausnahmefällen denkbar, etwa weil dies aufgrund des Fehlens nur weniger Fortbildungsstunden unverhältnismäßig wäre (Lissel in: Orlowski/Remmert, SGB V, § 95d Rn. 14). Persönliche Gründe des Vertragsarztes können allenfalls in besonderen Einzelfällen berücksichtigt werden, da nach der Regelungssystematik insoweit das Ruhen der Zulassung in Betracht kommt (Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/1525, S. 111; vgl. SG Marburg, Gerichtsbescheid v. 26.08.2013 – S 12 KA 86/13; Lissel in: Orlowski/Remmert, SGB V, § 95d Rn. 14).

D. Auswirkungen für die Praxis

Die vorliegende Entscheidung des LSG Essen zeigt nachdrücklich, dass die Fortbildungsverpflichtung für Vertragsärzte nach § 95d Abs. 1 SGB V keine lediglich theoretisch bestehende Verpflichtung ist, sondern von tatsächlich praktischer Bedeutung und Notwendigkeit. Mit Blick auf den Umstand, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Nichterfüllung der Fortbildungspflicht in aller Regel eine gröbliche Verletzung vertragsärztlicher Pflichten darstellt und insoweit eine Entziehung der Zulassung nach sich zieht, verbleibt lediglich im Einzelfall die Möglichkeit einen Entzug der Zulassung zu verhindern. Rechtsanwälte, die betroffene Ärzte vertreten, sollten in diesen Fällen ihren Mandanten jedoch über das der gesetzlichen Regelung zugrunde liegende „Regel-Ausnahme-Prinzip“ in Kenntnis setzen.

Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung
Birgit OehlmannRechtsanwältin
Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung
Andrea KahleRechtsanwältin

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