Nachfolgend ein Beitrag vom 21.10.2016 von Lach, jurisPR-ITR 21/2016 Anm. 6

Leitsätze

1. Wenn der Käufer nach seinem Einkauf in einem Internetshop den Kaufpreis mit Zustimmung des Verkäufers über den Online-Zahlungsdienst PayPal an den Verkäufer zahlt, tritt mit der Gutschrift auf dem PayPal-Konto des Zahlungsempfängers auch dann Erfüllung ein, wenn PayPal nach einem erfolgreichen Käuferschutzverfahren das PayPal-Konto des Empfängers rückbelastet.
2. Die Grundsätze der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.2010 – XI ZR 236/07 – BGHZ 186, 269) zu dem „SEPA-Basis-Lastschriftverfahren“ finden auf diesen Fall keine Anwendung.

A. Problemstellung

In welchem Moment erlischt bei vereinbarungsgemäßer Zahlung über PayPal die Kaufpreisforderung? Welche Auswirkungen auf die Kaufpreisforderung hat die wirtschaftliche Rückabwicklung der Zahlung durch PayPal im Rahmen des sog. Käuferschutzprogramms? Führt sie entsprechend der BGH-Rechtsprechung zum SEPA-Lastschriftverfahren zum rückwirkenden Entfallen der Erfüllungswirkung?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin betrieb einen Onlineshop. Der Beklagte bestellte dort eine Maschine und zahlte den Kaufpreis vereinbarungsgemäß auf das PayPal-Konto der Klägerin, wo der Betrag gutgeschrieben wurde. Nach Lieferung der Kaufsache reklamierte der Beklagte, dass die Kaufsache von dem in dem Onlineshop abgebildeten Produkt abweiche. Anstatt die Klägerin in Anspruch zu nehmen, wandte sich der Beklagte an PayPal und beantragte unter Berufung auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen von PayPal Käuferschutz, da der gelieferte Artikel erheblich von der Artikelbeschreibung abweiche. PayPal forderte von dem Beklagten eine schriftliche Bestätigung des Schadens durch einen Händler, Sachverständigen, Gutachter oder eine andere anerkannte Organisation seines Vertrauens. Der Beklagte beauftragte ohne weiteren Kontakt mit der Klägerin, insbesondere ohne diese binnen einer angemessenen Frist zur Nachbesserung aufzufordern, einen Sachverständigen mit der Begutachtung. Dieser kam zum Ergebnis, dass das Produkt ein minderwertiger Fernostimport sei und nicht das geschuldete Originalprodukt. Nach Erhalt des Gutachtens teilte PayPal dem Beklagten mit, dass ihm Käuferschutz gewährt werde. Der Kaufpreis wurde seinem PayPal-Konto wieder gutgeschrieben und dem Konto der Klägerin belastet. PayPal forderte vom Beklagten den Nachweis, dass die Kaufsache zerstört worden sei, was dieser bestätigte.
Die Klägerin verklagte den Beklagten auf Kaufpreiszahlung. Sie vertrat die Auffassung, eine Erfüllung sei nicht eingetreten, da der Kaufpreis ihrem Konto nachträglich wieder belastet worden sei. Der Beklagte erhob Widerklage auf Ersatz der Kosten, die ihm für das Sachverständigengutachten entstanden waren. In erster Instanz wies das AG Merzig Klage und Widerklage ab. Die hiergegen eingelegte Berufung und Anschlussberufung der Parteien wies das LG Saarbrücken jeweils zurück.
Durch die Gutschrift des Kaufpreises auf dem PayPal-Konto der Verkäuferin sei Erfüllung eingetreten. Diese Wirkung sei nicht rückwirkend entfallen. Die Rückbuchung wirke sich nicht auf das Kaufvertragsverhältnis aus, sondern betreffe das Verhältnis zwischen PayPal und der Klägerin. Die Gutachterkosten schulde die Klägerin nicht. Der Beklagte habe sie nicht zur Durchsetzung seiner Sachmängelgewährleistungsansprüche aufgewendet, sondern zum Nachweis seines Rechtes auf Käuferschutz gegenüber PayPal.
Die Revision wurde zugelassen. Ob sie eingelegt wurde, ist nicht bekannt.

C. Kontext der Entscheidung

Gemäß § 362 Abs. 1 BGB erlischt ein Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung bewirkt wird. Das Bewirken der geschuldeten Leistung besteht in der Herbeiführung des Leistungserfolgs. Maßgebliches Anknüpfungskriterium für die Frage, wann Erfüllung eintritt, ist der Parteiwille von Gläubiger und Schuldner. Bei einer Geldschuld wird dieser Erfolg – mangels anderer Vereinbarung – nur dann erzielt, wenn der Gläubiger den Geldbetrag, den er beanspruchen kann, endgültig zur freien Verfügung erhält. Darf er den Betrag nicht behalten, tritt der Leistungserfolg nicht ein (BGH, Urt. v. 20.07.2010 – XI ZR 236/07).
Die Erfüllung einer Geldschuld erfolgt mangels abweichender Vereinbarung durch Übereignung von Bargeld. Erfolgt ohne vorherige Vereinbarung eine bargeldlose Zahlung, etwa durch Überweisung, wirkt diese bei Annahme des Zahlungsempfängers an Erfüllungs statt, § 364 Abs. 1 BGB. Vereinbaren Schuldner und Gläubiger eine bargeldlose Überweisung und wird die Zahlung durch Überweisung ausgeführt, kommt der Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers Erfüllungswirkung zu (Fetzer in: MünchKomm BGB, 7. Aufl. 2016, § 362 Rn. 20). Auch im SEPA-Lastschriftverfahren erlischt die Forderung des Gläubigers durch Gutschrift auf seinem Konto gemäß § 362 Abs. 1 BGB. Der Gläubiger erhält im SEPA-Basis-Lastschriftverfahren allerdings erst acht Wochen nach der Belastungsbuchung eine endgültig gesicherte Rechtsposition. Bis zu diesem Zeitpunkt kann der Zahler von seiner Bank ohne Angabe von Gründen Erstattung des Zahlbetrags verlangen, § 675x Abs. 1, 2, 4 BGB. Daher nimmt der BGH an, dass die Erfüllung im SEPA-Basislastschriftverfahren rückwirkend gemäß § 159 BGB entfällt, wenn es zu einer Rückbelastung kommt (BGH, Urt. v. 20.07.2010 – XI ZR 236/07).
Im vorliegenden Fall – soweit ersichtlich die erste veröffentlichte Entscheidung zur Frage, wann bei der Zahlung über PayPal Erfüllungswirkung eintritt – verneint das LG Saarbrücken die Übertragung der Grundsätze der vorgenannten SEPA-Basislastschriftverfahren-Entscheidung des BGH auf die Rückbuchung von PayPal-Kontogutschriften im Rahmen des durch allgemeine Geschäftsbedingungen geregelten Käuferschutzverfahrens von PayPal.
Ausgangspunkt ist die überzeugende Auffassung, dass die Erfüllung der Kaufpreisschuld bereits durch Gutschrift auf dem PayPal-Konto des Gläubigers eintritt, wenn die Parteien die Zahlung über PayPal vereinbart haben (so für E-Geld allgemein auch Jauernig, BGB, 16. Aufl. 2015, Anmerkungen zu den §§ 364, 365 Rn. 9; Knops/Wahlers, BKR 2013, 240). PayPal gibt E-Geld i.S.d. § 1a Abs. 3 ZAG aus. Nach § 675c Abs. 2 BGB finden die Vorschriften der §§ 675c bis 676c BGB auf E-Geld entsprechende Anwendung. E-Geld ist daher dem herkömmlichen Buchgeld gleichgestellt.
Überzeugend verneint das LG Saarbrücken auch den rückwirkenden Entfall der Erfüllungswirkung der Gutschrift, wenn es später im Rahmen des Käuferschutzes zu einer entsprechenden Belastung des PayPal-Kontos des Gläubigers kommt. Der maßgebliche Erwägungsgrund für den BGH, beim dort streitgegenständlichen Zahlungsweg einen nachträglichen Wegfall der Erfüllung anzunehmen, war, dass die Erfüllung aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Erfüllungsvereinbarung erfolge. Die Parteien hätten sich ursprünglich auf eine andere Leistung geeinigt. Die Erfüllungsvereinbarung sei daher (auch ohne Kenntnis der Funktionsweise des SEPA-Basislastschriftverfahrens) unter der auflösenden Bedingung geschlossen, dass der Schuldner binnen der Acht-Wochenfrist die Erstattung der Lastschrift verlangt. Diese Grundsätze lassen sich auf die von dem LG Saarbrücken zu entscheidende Konstellation schon nicht übertragen, da dort die Zahlung über PayPal ausdrücklich vereinbart war und somit kein Raum für die Annahme einer rechtsgeschäftlichen Erfüllungsvereinbarung bestand, die unter einer auflösenden Bedingung (erfolgreicher Antrag auf PayPal-Käuferschutz) geschlossen wurde. Vielmehr beruht die Belastung des Kontos des Gläubigers im entschiedenen Fall auf einer neben dem Zahlungsdienstverhältnis bestehenden Vertragsbeziehung und – anders als beim SEPA-Basislastschriftverfahren – nicht unmittelbar aufgrund eines (bei SEPA nicht zu begründenden) Rückerstattungsverlangens des Zahlungsschuldners. Zwar initiiert auch hier der Käufer in der Regel die Prozedur zur Prüfung, ob PayPal Käuferschutz gewährt. Ausschlaggebend für die Belastung des Gläubigerkontos ist jedoch eine selbstständige Entscheidung von PayPal. Zudem tritt PayPal dem Schuldner nach der streitgegenständlichen Fassung der PayPal-Käuferschutzrichtlinie im Rahmen des Käuferschutzprogramms als alleiniger Anspruchsgegner gegenüber.
Die Rückerstattung hängt auch nicht davon ab, ob PayPal den Kaufpreis vom Verkäufer zurückfordern kann. PayPal nimmt insoweit eine Doppelrolle ein. Neben seiner Rolle als Zahlungsdiensteanbieter leistet es auf Grundlage von Vereinbarungen mit beiden Zahlungsdienstkunden gleichzeitig faktisch versicherungsähnliche Dienstleistungen zugunsten der via PayPal zahlenden Käufer und vollstreckt seine (vermeintliche) Regressforderungen im Anschluss beim Verkäufer. Der Käufer erhält im Falle bestimmter Schlechtleistungen des Verkäufers einen von den Gewährleistungsansprüchen gegen den Verkäufer unabhängigen Anspruch auf Zahlung in Höhe des Kaufpreises gegen eine PayPal-Konzerngesellschaft. Die Entscheidung, ob eine Rückzahlung erfolgt, trifft PayPal in einem durch Vereinbarung mit den Parteien des Zahlungsdienstes vertraglich legitimierten und ausgeformten Verfahren. Im Falle der Leistung an den Käufer sehen die allgemeinen Geschäftsbedingungen konsequenterweise eine Abtretung der Ansprüche des Käufers aus dem Kaufvertrag an PayPal vor. Anders als eine Versicherung, auf die bei Eintritt ein Regressanspruch durch Gesetz (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VVG) übergeht, steht PayPal freilich die Möglichkeit zur Verfügung, unmittelbar eine Belastung des E-Geldkontoguthabens des Verkäufers herbeizuführen. Rechtsgrundlage für die Belastungsbuchung ist aber die vertragliche Unterwerfung des Verkäufers unter die Käuferschutzrichtlinie von PayPal. Nach der Entscheidung des LG Saarbrücken wird der Verkäufer, falls die nachträgliche Belastung im Einzelfall zu Unrecht erfolgt ist, sich zwecks Rückgängigmachens der Belastungsbuchung an PayPal zu wenden haben.
Schließlich überzeugt auch die Zurückweisung der Anschlussberufung. Das LG Saarbrücken verneinte einen Anspruch des Beklagten auf Ersatz seiner Gutachterkosten. Da er gegenüber der Klägerin keine Nacherfüllungsansprüche geltend gemacht hatte, habe ihm ein Anspruch mangels gesetzlicher Ansprüche nur auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH zu § 439 Abs. 2 BGB zustehen können. Nach dieser ergibt sich aus § 439 Abs. 2 BGB ein vom Vertretenmüssen unabhängiger Anspruch auf Ersatz der Sachverständigenkosten, sofern diese zum Zwecke der Nacherfüllung erforderliche Aufwendungen sind. Maßgeblich ist, dass die angefallenen Sachverständigenkosten jedenfalls zum Zeitpunkt ihrer für den Ersatzanspruch maßgeblichen Entstehung zumindest auch zum Zwecke der Nacherfüllung als den anderen Gewährleistungsrechten vorgeschaltetes Gewährleistungsrecht aufgewandt worden sind und aus damaliger Sicht zur Klärung der Ursache des Mangels und seiner Zurechnung erforderlich waren (BGH, Urt. v. 21.12.2011 – VIII ZR 70/08). Diese Voraussetzungen verneinte das LG Saarbrücken, da der Beklagte das Gutachten auf Anforderung von PayPal erstellen ließ. Dies wertete das Landgericht so, dass er die Kosten nur aufgewendet hat, um gegenüber PayPal nachzuweisen, dass ihm ein Anspruch auf Käuferschutz zusteht.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung zeigt Risiken für die Nutzer von PayPal auf. Sofern eine Transaktion unter die streitgegenständliche Fassung der Käuferschutzrichtlinie fällt, verliert der Verkäufer durch die Gutschrift des Kaufpreises auf seinem PayPal-Konto seinen Erfüllungsanspruch. Dieser lebt auch dann nicht wieder auf, falls PayPal den Betrag später wieder zurückbucht, nachdem es einen Antrag auf Käuferschutz positiv beschieden hat. Indem PayPal die Zahlung jedoch faktisch zurückabgewickelt hat, ohne dass die Erfüllungswirkung entfallen ist, kommt es zu einem einseitig (oder bei Rücksendung der Ware beidseitig) rückabgewickelten Vertrag, ohne dass notwendigerweise zugleich der zugrunde liegende Kaufvertrag in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt wurde. Der Verkäufer muss sich in diesem Fall an PayPal wenden, um gegen die möglicherweise rechtsgrundlose Rückbuchung vorzugehen.
Da die Käuferschutzrichtlinien primär auf die Rückabwicklung der Leistungen, nicht aber auf Nacherfüllung abzielen, etablieren sie in ihrem Anwendungsbereich faktisch ein gesondertes Gewährleistungsregime, welches den Vorrang der Nacherfüllung aushebeln kann. Während dies die Abwicklung vor allem für den Verkäufer erschwert, zeigt der entschiedene Fall, dass auch der vom Käuferschutz primär profitierende Käufer auf einem Schaden sitzen bleiben kann, wenn er die parallele Geltendmachung seiner Gewährleistungsansprüche vernachlässigt. So kann der von PayPal für die Glaubhaftmachung seines Antrags geforderte Nachweis mit Kosten verbunden sein. Will der Käufer diese nicht selbst tragen, muss er vor dem Tätigen der Aufwendung zunächst gegenüber dem Verkäufer Schritte zur Geltendmachung seiner Gewährleistungsansprüche einleiten, um einen Ersatzanspruch zu begründen. Will er seinen Antrag neben § 439 Abs. 2 BGB auf eine sichere Grundlage stellen, bietet es sich an, eine Frist zur Nacherfüllung zu setzen und deren fruchtlosen Ablauf abzuwarten.