Nachfolgend ein Beitrag vom 27.6.2018 von Gutt, jurisPR-VerkR 13/2018 Anm. 3

Leitsätze

1. Wird ein Fahrzeug in einem vorgeschädigten Bereich erneut (= deckungsgleich) beschädigt und ist die Unfallursächlichkeit der geltend gemachten Schäden deshalb streitig, muss der Geschädigte darlegen und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit i.S.v. § 287 ZPO nachweisen, dass der geltend gemachte Schaden nach Art und Umfang insgesamt oder ein abgrenzbarer Teil hiervon auf das streitgegenständliche Unfallereignis zurückzuführen ist.
2. Vom Kläger benannte Zeugen sind zum Beweis einer vollständig und ordnungsgemäß ausgeführten Vorschadensreparatur nur dann zu vernehmen, wenn das klägerische Vorbringen zu Art und Ausführung der Vorschadensreparatur ausreichend substantiiert ist; denn anderenfalls handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis.

A. Problemstellung

Das OLG Hamm musste sich in der Berufung mit dem Vorschadenseinwand der Beklagten auseinandersetzen. Es legte in seinem Hinweisbeschluss dar, in welchem Umfang der Geschädigte beim Vorschadenseinwand vorzutragen hat.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Nach einem Verkehrsunfall, aufgrund dessen die Beklagten unstreitig dem Grunde nach zu 100% hafteten, war der Umfang des entstandenen Schadens am Fahrzeug des Klägers streitig. Betroffen war eine Stelle, an der das Fahrzeug bereits vorgeschädigt war. Das Landgericht wies die Klage ab, weil der Kläger den Umfang der durch diesen Unfall entstandenen Schäden gegenüber den Vorschäden nicht abgrenzen konnte. Hiergegen richtete sich die Berufung des Klägers.
Die Berufung hat nach Auffassung des OLG Hamm offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Der Kläger habe nicht dargelegt, welcher wirtschaftliche Schaden ihm durch den Verkehrsunfall entstanden sei. Im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität müsse vom Geschädigten dargelegt und bewiesen werden, dass die von ihm konkret ersetzt verlangten Schäden in ihrer Gesamtheit oder zumindest ein abgrenzbarer Teil hiervon mit überwiegender Wahrscheinlichkeit i.S.d. § 287 ZPO bei dem Unfall entstanden seien.
Werde ein Fahrzeug in einem vorgeschädigten Bereich erneut (= deckungsgleich) beschädigt und sei die Unfallursächlichkeit der geltend gemachten Schäden deshalb streitig, müsse der Geschädigte darlegen und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit i.S.v. § 287 ZPO nachweisen, dass der geltend gemachte Schaden nach Art und Umfang insgesamt oder ein abgrenzbarer Teil hiervon auf das streitgegenständliche Unfallereignis zurückzuführen sei. Der Geschädigte müsse dementsprechend mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass der aktuell geltend gemachte Schaden bereits durch den Vorschaden entstanden gewesen sei. Dazu müsse er darlegen und ggf. nachweisen, welche eingrenzbaren Vorschäden an dem Fahrzeug vorhanden gewesen und durch welche konkreten Reparaturmaßnahmen diese zeitlich vor dem streitgegenständlichen Unfall fachgerecht beseitigt worden seien – in diesem Zusammenhang müsse er im Einzelnen zu Art und Umfang der Vorschäden und den durchgeführten Reparaturmaßnahmen vortragen.
Der Kläger habe weder vorgetragen, welche Vorschäden konkret an dem Fahrzeug auf der rechten Fahrzeugseite bereits vorhanden gewesen seien, noch habe er substantiiert vorgetragen, in welcher Weise die Vorschäden behoben worden seien.
Auch aus dem Privatschadensgutachten ergebe sich nicht, welcher Art die Vorschäden gewesen und dass diese Vorschäden vollständig und fachgerecht beseitigt worden seien. Eine solche Aussage habe der Schadensgutachter schon deshalb nicht treffen können, weil er nicht gewusst habe, welchen Vorschaden das Fahrzeug aufgenommen hatte.
Vom Kläger benannte Zeugen seien zum Beweis einer vollständig und ordnungsgemäß ausgeführten Vorschadensreparatur nur dann zu vernehmen, wenn das klägerische Vorbringen zu Art und Ausführung der Vorschadensreparatur ausreichend substantiiert sei; denn anderenfalls handele es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Insbesondere nicht ausreichend sei die unter den Zeugenbeweis gestellte pauschale Behauptung, die Vorschäden seien gemäß den (hier zudem nicht bekannten) sachverständigen Vorgaben sach- und fachgerecht beseitigt worden. Es bedürfe jedenfalls konkreter Angaben dazu, wann, von wem und unter welchen Umständen in Kenntnis der sachverständigen Vorgaben die Reparaturen durchgeführt worden sein sollen. Würden auch zum Beleg der Reparaturen keine Reparaturrechnungen, Rechnungen über benötigte Ersatzteile oder ähnliches vorgelegt, obwohl es Rechnungen gegeben haben müsste, fehle es an konkretem Sachvortrag, der eine Verifizierung durch Zeugenbefragung und keine unzulässige Ausforschung ermögliche.

C. Kontext der Entscheidung

Die Klage unterliegt grundsätzlich dann der Abweisung, wenn sich beim nachgewiesenen Schadensereignis auf der Ebene der haftungsausfüllenden Kausalität nicht beweisen lässt, welcher konkrete Schaden entstanden ist (OLG Saarbrücken, Urt. v. 08.05.2014 – 4 U 393/11 – 124, 4 U 393/11). Dieser Nachweis ist insbesondere dann schwer zu führen, wenn das Fahrzeug Vorschäden aufwies. Denn in einem solchen Fall ist allenfalls der technisch und rechnerisch abgrenzbare Zweitschaden erstattungsfähig (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 12 StVG Rn. 6). Hierbei ist es nicht Sache des Gerichts, diesen technisch und rechnerisch abgrenzbaren Teil des Zweitschadens von Amts wegen zu ermitteln. Grundsätzlich kann im Fall von Vorschäden der Geschädigte mit dem späteren Schadenereignis kompatible Schäden dann ersetzt verlangen, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gemäß § 287 ZPO auszuschließen ist, dass sie bereits im Rahmen eines Vorschadens entstanden sind, also Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs noch vorhanden waren (KG, Urt. v. 27.08.2015 – 22 U 152/14 – DAR 2016, 461; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.07.2015 – 1 U 164/14 – RuS 2016, 96). Hierfür muss der Geschädigte den Umfang des Vorschadens und dessen Reparatur belegen, da sich der Ersatzanspruch lediglich auf den Ersatz derjenigen Kosten erstreckt, die zur Wiederherstellung des vorbestehenden Zustandes erforderlich sind (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.02.2006 – I-1 U 148/05, 1 U 148/05 – DAR 2006, 324). Insoweit muss der Geschädigte geeignete Schätzgrundlagen, welche Anhaltspunkte für die Einschätzung des Schadens und seine Höhe bieten, beibringen. Eine Schätzung ist unzulässig, wenn sie mangels greifbarer, vom Kläger vorzutragender Anhaltspunkte völlig in der Luft hängen würde (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2010 – VI ZR 35/10 – DAR 2011, 131). Nur soweit der geltend gemachte Schaden technisch und rechnerisch eindeutig von den Vorschäden abgrenzbar ist, besteht jedenfalls in dieser Höhe ein Ersatzanspruch des Geschädigten (vgl. OLG München, Urt. v. 27.01.2006 – 10 U 4904/05 – NZV 2006, 261, OLG Düsseldorf – Urt. v. 11.02.2008 – I-1 U 181/07, 1 U 181/07 – DAR 2008, 344; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.07.2015 – 1 U 164/14 – RuS 2016, 96). Ist hingegen eine zuverlässige Ermittlung auch nur eines unfallbedingten Teilschadens aufgrund der Wahrscheinlichkeit von erheblichen Vorschäden nicht möglich, so hat diese Unsicherheit die vollständige Klageabweisung zur Folge (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.07.2015 – I-1 U 164/14, 1 U 164/14).
Sofern Vorschäden am Fahrzeug vorhanden sind, kann der Geschädigte den aus dem Verkehrsunfall geltend gemachten Schaden nur dann ersetzt verlangen, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist, dass diese bereits im Rahmen des Vorschadens entstanden sind. Insofern ist der Geschädigte zu einem substantiierten Vortrag bzgl. einer ordnungsgemäßen Reparatur der Vorschäden sowie zur Vorlage entsprechender Belege verpflichtet (LG Aachen, Beschl. v. 08.04.2014 – 2 S 427/13). Der durch einen Verkehrsunfall Geschädigte muss die Verursachung des Schadens durch das Fahrzeug des Inanspruchgenommenen darlegen und beweisen. Waren Vorschäden an dem Fahrzeug des Geschädigten aus anderen Unfallereignissen vorhanden, muss der Geschädigte darlegen und beweisen, welche Schäden im Einzelnen durch die vorherigen Unfallereignisse entstanden sind und wann, wo und durch wen diese behoben wurden (LG Essen, Urt. v. 17.12.2013 – 8 O 24/13 – Schaden-Praxis 2014, 231, Hoffmann-Benz, jurisPR-VerkR 7/2014 Anm. 3). Tut er dies nicht, scheiden Schadensersatzansprüche aus (OLG Frankfurt, Urt. v. 10.09.2015 – 22 U 150/14 – RuS 2016, 97).
Der Darlegungs- und Beweislast genügt der Geschädigte im Übrigen weder durch Vorlage von Lichtbildern noch durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens, in welchem sich unter der Position „Reparierte Vorschäden“ die Angabe „keine bekannt laut Fahrzeughalter“ befindet, da das Gutachten aufgrund dieser falschen Angaben unbrauchbar ist (LG Duisburg, Urt. v. 05.02.2014 – 3 O 265/12).

D. Auswirkungen für die Praxis

Vorschäden machen Arbeit. Hier muss wirklich sehr genau zu den einzelnen Vorschäden vorgetragen werden. Wird dies nicht getan, so droht trotz einer sonst unstreitigen Haftung dem Grunde nach eine Klageabweisung und der Geschädigte bleibt auf seinem Schaden sitzen.

Der Vorschadenseinwand
Andrea KahleRechtsanwältin

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