Nachfolgend ein Beitrag vom 24.7.2018 von Hippeli, jurisPR-HaGesR 7/2018 Anm. 1
A. Hintergrund
Am 25.04.2018 hat die EU-Kommission passenderweise online ihr neues Company Law Package mit den beiden Regelungsgehalten Digitalisierung und Unternehmensmobilität der Öffentlichkeit vorgestellt (vgl. https://ec.europa.eu/info/publications/company-law-package_en). Öffnet man das Paket, findet man nicht nur ein Youtube-Video mit dem grafischen Charme der frühen 1990er Jahre, sondern auch mehrere Textdokumente. Das Company Law Package war unter dem Namen Company Law Upgrade Package ursprünglich schon für Ende 2017 angekündigt worden (vgl. im Detail Kumpan/Pauschinger, EuZW 2018, 353, 356; Knaier, NZG 2018, 576), nachdem es zwischen Mai und August 2017 ein entsprechendes Konsultationsverfahren gegeben hatte (vgl. http://ec.europa.eu/newsroom/just/item-detail.cfm?item_id=58190).
B. Inhalt des Company Law Packages
Inhaltlich geht es um zwei Richtlinienänderungsvorschläge, die auf die noch recht junge Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.06.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts (Gesellschaftsrechtsrichtlinie) aufsetzen sollen.
Die Gesellschaftsrechtsrichtlinie war ihrerseits keine Neuschöpfung, sondern es wurden lediglich mehrere bereits bestehende Richtlinien gebündelt. Dabei ging es um folgende Richtlinien:
• Spaltungsrichtlinie
• Zweigniederlassungsrichtlinie
• Richtlinie über grenzüberschreitende Verschmelzungen
• Publizitätsrichtlinie
• Verschmelzungsrichtlinie
• Kapitalrichtlinie
Inhaltlich gab es keine Änderungen. Die Konsolidierung des gesellschaftsrechtlichen Gehalts in einer einzigen Richtlinie ging auf einen entsprechenden Vorschlag der Kommission aus dem Jahre 2015 zurück und sollte mehr Transparenz auf Ebene des europäischen Gesellschaftsrechts bringen (vgl. hierzu Drygala/v. Bressensdorf, NZG 2016, 1161, 1168; Verse/Wiersch, EuZW 2016, 330, 337).
I. Vorschlag I – Digitalisierung
Der erste Vorschlag aus dem Company Law Package dreht sich um Digitalisierungsthemen („Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht“). Die Präambel spricht von der Verwirklichung des Binnenmarkts durch gesunde und florierende Unternehmen und davon, dass die Möglichkeiten der Online-Kommunikation zwischen Unternehmen und Behörden in den einzelnen Mitgliedstaaten bislang noch recht unterschiedlich ausgeprägt sind. Insbesondere sei dabei herauszustreichen, dass in einigen fortschrittlichen Mitgliedstaaten bereits eine reine Online-Gründung von Gesellschaften möglich sei, während andere Mitgliedstaaten demgegenüber weit hinterherhinkten. Ähnliche Unterschiede gebe es im weiteren Lebenszyklus von Gesellschaften.
Die Gesellschaftsrechtsrichtlinie offeriere in Bezug auf Digitalisierung bislang einzig den Online-Zugang zu den entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Registern, wohingegen die nationale Umsetzung dessen äußerst indifferent sei. Zur Online-Gründung oder Einrichtung von Zweigniederlassungen online etwa gebe es keine europarechtliche Regelung. Auch sei die europarechtliche Regelung der Veröffentlichung von Informationen über Gesellschaften in (allerdings online führbaren) nationalen Amtsblättern veraltet. Problematisch sei auch der europarechtlich geregelte bloße Mindestgehalt an kostenlos einsehbaren Informationen. Hier bestehe insgesamt Handlungsbedarf, um europaweit einen einheitlichen Standard zu gewährleisten. Ziel sei, dass die Anforderungen bei Gründung und Informationseintragung in Bezug auf Zeit, Belastung und Kosten künftig einheitlich sind, so dass das Business nicht beeinträchtigt oder gar von der Gründung von Gesellschaften abgesehen wird. Gleichzeitig müsse trotz digitaler Lösungen sichergestellt sein, dass damit nicht Betrug und Missbrauch ermöglicht werden (etwa durch sog. Briefkastenfirmen).
Vor diesem Hintergrund soll die Gesellschaftsrechtsrichtlinie insbesondere folgende Änderungen erfahren:
• In Titel I Kapitel III wird die Überschrift von „Offenlegung und Vernetzung von Zentral-, Handels- und Gesellschaftsregistern“ zu „Online-Eintragung und -Einreichung, Offenlegung und Register“ geändert.
• Ferner gibt es die neuen Artikel 13a bis 13e. In Art. 13a geht es um Begriffsbestimmungen im Zusammenhang mit elektronischer Identifizierung. In Art. 13b werden die Mitgliedstaaten zur Schaffung der Voraussetzungen für die Verwendung bestimmter elektronischer Identifizierungsmittel für Online-Eintragungen und -Einreichungen verpflichtet. In Art. 13c geht es um transparente und diskriminierungsfreie Gebühren für Online-Verfahren. Art. 13d nimmt die Mitgliedstaaten in die Pflicht, die Voraussetzungen für etwaig erforderliche grenzüberschreitende Zahlungen zu schaffen. Art. 13e erweitert die online zugänglich zu machenden Informationen über Gesellschaften deutlich um Regelungen/Informationen/Muster zu Online-Eintragungen und Online-Betrieb von Gesellschaften und Niederlassungen (Nr. 1), sämtliche Informationen zu entsprechenden Formalitäten wie Verfahren, Fristen, Gebühren, Beglaubigungen, Identifizierungsmitteln sowie in materieller Hinsicht über die Leitungsorgane (Befugnisse, Zuständigkeiten, Anforderungen, Entscheidungsprozesse, Vertretungsmacht), Aktionärsrechte und -pflichten, Dividenden und Rücklagen (Nr. 2).
• In Titel I Kapitel III wird ein neuer Abschnitt 1a „Online-Eintragung, Online-Einreichung und Offenlegung“ eingeführt. Dieser umfasst die neuen Artikel 13f bis 13i. In Art. 13f werden die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer vollständigen Online-Eintragung von Gesellschaften innerhalb von fünf Arbeitstagen verpflichtet. Nach Art. 13g müssen auf Portalen oder Websites die entsprechenden Muster zur Verfügung gestellt werden. Art. 13h befasst sich mit Details zu ggf. nach nationalem Recht als ungeeignet qualifizierten Geschäftsführern. In Art. 13i geht es darum, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass Urkunden und Angaben jederzeit online beim Register eingereicht werden können.
• Ein neuer Art. 16a regelt den Zugang zu offengelegten Angaben. Dabei gibt es Ausnahmen der Zugangsgewährung für vor dem 31.12.2006 in Papierform eingereichte Angaben. Vom Register als Ausgang übermittelte Dokumente und Angaben müssen ein Authentifizierungsverfahren durchlaufen, damit Original und Kopien sicher übereinstimmen.
• Der Art. 19 wird insoweit neu gefasst, als dass eine Gebührenäquivalenz hinsichtlich des Zugangs zu Dokumenten und Angaben aus dem Register auch für die nun digitalisierten Elemente im Zusammenhang mit einer europäischen Registervernetzung geschaffen wird. Dabei müssen gewisse Grundangaben zur jeweiligen Gesellschaft (z.B. Name, Rechtsform, Sitz, Unternehmensgegenstand, Anzahl der Beschäftigten, Angaben zu Mitgliedern der Leitungsorgane) auch transnational kostenlos erhältlich sein.
• In Titel I Kapitel III erhält der auf Zweigniederlassungen bezogene Abschnitt 2 die neue Überschrift „Eintragungs- und Offenlegungsvorschriften für Zweigniederlassungen von Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten“. Hierunter werden die neuen Artikel 28a bis 28c geschaffen. Nach Art. 28a müssen Zweigniederlassungen eines anderen Herkunftsstaates online eintragbar sein. Diesbezüglich müssen nach Art. 28b auch sämtliche Urkunden und Angaben online eingereicht werden können. Wird eine Zweigniederlassung geschlossen, muss das Register des Herkunftsstaates nach Art. 28c über das System der Registervernetzung hiervon benachrichtigt werden.
• Umgekehrt hat nach dem neuen Art. 30a das Register des Herkunftsstaates das Register der Zweigniederlassung über die Registervernetzung darüber zu informieren, dass sich bestimmte wesentliche Angaben bei der Gesellschaft geändert haben.
• Aus dem Inhalt von Anhang I, auf den in Art. 13 verwiesen wird, sowie aus der Möglichkeit der Ausnahme von Aktiengesellschaften von der Möglichkeit der reinen Online-Gründung in Art. 13f Abs. 1 lässt sich folgern, dass in Deutschland vor allem GmbHs betroffen sein werden.
II. Vorschlag II – Unternehmensmobilität
Der zweite Vorschlag hat grenzüberschreitende Strukturmaßnahmen im Auge („grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen“). Die Präambel ist in weiten Teilen wortlautidentisch zu Vorschlag I. Der Vorschlag geht insgesamt von der Prämisse aus, wonach die grenzüberschreitende Mobilität für Gesellschaften in Europa immer noch stark eingeschränkt ist. Wachstum und die Erschließung von neuen Märkten würden damit beeinträchtigt. Daher sei es das Regelungsziel, dass einerseits Handelshemmnisse abgebaut und andererseits Vorkehrungen gegen den eventuellen Missbrauch getroffen werden. Im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Umwandlungen komme der Rechtsprechung des EuGH zur effektiven Gewährleistung der Niederlassungsfreiheit (Rechtssachen „Cartesio“, „VALE“, „Polbud“) eine herausgehobene Bedeutung zu. Die vor allem in der Rechtssache „Polbud“ gewonnene Klarheit gelte es nun verfahrenstechnisch umzusetzen und die entsprechenden Voraussetzungen festzulegen. Die Nutzung des oftmals divergenten Rechts der Mitgliedstaaten – soweit überhaupt vorhanden – sei schließlich auf Dauer zu schwierig. Es gelte zudem, den unliebsamen Wettbewerb der Jurisdiktionen zu beenden, mit dessen Nutzung etwa Arbeitnehmerschutzregelungen gezielt umgangen oder betrügerische Absichten erleichtert würden. Auch bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen müsse eine immer noch unsichere Rechtslage in einigen Teilbereichen konstatiert werden. So seien die nationalen Vorschriften des materiellen Rechts zu uneinheitlich, die Verfahren gerade für komplexe Verschmelzungen seien ferner zu langsam und zu schwierig. Weiterhin erhielten die von einer Verschmelzung betroffenen Arbeitnehmer bislang nicht genügend Informationen, und es fehle an der Möglichkeit für ein vereinfachtes Verfahren. Ähnlich uneinheitlich sei der Rechtsrahmen bei grenzüberschreitenden Spaltungen, hier fehle es bislang sogar völlig an Regelungen auf Ebene der EU, so dass sich die nationale Unterschiedlichkeit der geltenden Regelungen hier am meisten bemerkbar mache.
Vor diesem Hintergrund soll die Gesellschaftsrechtsrichtlinie insbesondere wie folgt geändert werden:
• In Titel II gibt es ein neues Kapitel I „Grenzüberschreitende Umwandlung“ mit den neuen Artikeln 86a bis 86u (!). Bereits diese Bandbreite zeigt an, dass die Regelungen von enormer Dichte sind. Teilweise gibt es Bereichsausnahmen, vgl. Art. 86a, 86c. Im Falle erkennbarer Steuervermeidung kann nach Art. 86c Abs. 3 eine behördliche Untersagung erfolgen. Nach Art. 86d muss ein Umwandlungsplan mit Elementen des Schutzes von Gesellschaftern und Gläubigern vorgelegt werden. Für die Gesellschafter und die Arbeitnehmer sind nach Art. 86e, 86f gesonderte Berichte zu verfassen. Ein Sachverständiger soll den Umwandlungsplan und einzelne Berichte nach Art. 86g prüfen, sodann beschließt die Gesellschafterversammlung nach den Artikeln 86i ff.
• Es wird ein neuer Art. 122a zum Rechnungslegungsstichtag für grenzüberschreitende Verschmelzungen eingeführt.
• Die Artikel 123 und 124 zu Offenlegung und dem Bericht des Leitungs- oder Verwaltungsorgans bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen werden verdichtet.
• Nach dem neuen Art. 124a muss bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen ein Bericht für die Arbeitnehmer erstellt werden.
• Der neue § 126a gewährt bestimmten Gesellschaftern der betroffenen Unternehmen ein nach nationalen Maßstäben zu bestimmendes Ausstiegsrecht im Fall der grenzüberschreitenden Verschmelzung.
• Im neuen § 126b wird verankert, dass die Mitgliedstaaten aus Gründen des Gläubigerschutzes eine Art Lagebericht im Verschmelzungsplan vorsehen können.
• Nach dem neuen Art. 133a sollen Sachverständige künftig für Fehler bei der Erstellung des Verschmelzungsplans und dem Lagebericht nach Art. 126b haften.
• Ferner wird in Titel II ein neues Kapitel IV „Grenzüberschreitende Spaltung von Kapitalgesellschaften“ eingefügt. Dieses enthält die neuen Artikel 160a bis 160w und ist ähnlich dimensioniert und strukturiert wie das vorgenannte neue Kapitel I.
C. Stellungnahme und Auswirkungen für die Praxis
I. Leitlinie des Europäischen Gesellschaftsrechts ist bekanntermaßen die Aktiengesellschaft, wobei der deutschen Aktiengesellschaft eine herausgehobene Bedeutung zukommt. Das deutsche Aktienrecht wiederum ist bislang kaum digitalisiert. Ausnahmen bilden etwa die bislang kaum genutzte Möglichkeit der Online-Hauptversammlung nach § 118 Abs. 1 Satz 2 AktG und die Möglichkeiten der virtuellen Kommunikation der Leitungsorgane mit- und untereinander (vgl. im Detail Spindler, ZGR 2018, 17). Andere Mitgliedstaaten der EU sind beim Thema Digitalisierung von Kapitalgesellschaften weit voraus. Die alsbaldige Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie II in einem zweiten ARUG wird aber auch bei der deutschen Aktiengesellschaft weitere Digitalisierungseffekte bringen (Stichwort: elektronische Kommunikation zwischen Gesellschaft und Aktionären). Im Bereich der GmbH sieht es dagegen noch dürftiger hinsichtlich bislang vorhandener Digitalisierung aus. Hier herrscht bislang regelrecht eine Steinzeit vor: Gründung mit Anwesenheit vor dem Notar und Einberufung der (im Grundsatz rein physischen) Gesellschafterversammlung per eingeschriebenem Brief. Lediglich die Anmeldungen und Einreichungen zum Handelsregister sind nach § 12 HGB bereits digitalisiert.
II. 1. Digitalisierung scheint das Thema des Jahrzehnts zu sein, auch das an sich eher konservative Gesellschaftsrecht kann sich dem nicht entziehen. Alleine der derzeit in Kraft befindliche Koalitionsvertrag der Großen Koalition in Deutschland enthält auf 175 Seiten gleich 298mal die Wörter „Digitalisierung“ und „digital“, das will etwas heißen. Schon dort klingt an, wohin die Reise in Deutschland und Europa auch im Bereich des Gesellschaftsrechts gehen soll, wenn etwa von der „Vollendung des digitalen Binnenmarkts, um die Gründungskultur in Europa zu stärken und die europaweite Umsetzung von digitalen Geschäftsmodellen zu erleichtern“ die Rede ist oder hinsichtlich Verwaltungsdienstleistungen das Prinzip des „Digital first“ (bekannt auch durch den FDP-Slogan „Digital first – Bedenken second“) proklamiert wird. Auch heißt es im Koalitionsvertrag „Wir wollen unser Land in allen Bereichen zu einem Digitalland entwickeln“.
II. 2. Im Übrigen hält der bundesdeutsche Koalitionsvertrag 2018 auch etwas im Hinblick auf den zweiten Änderungsvorschlag aus dem Company Law Package bereit. So heißt es dort im Kontext von Recht und Rechtsfolgen der Digitalisierung, dass sich die Bundesregierung für eine europäische Harmonisierung der Regelungen über die grenzüberschreitende Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften („Sitzverlegungs-Richtlinie“) einsetzen werde. Bei Online-Registrierungen von Gesellschaften wolle man sich – auch auf europäischer Ebene – für effektive präventive Kontrollen und zuverlässige Identitätsprüfungen einsetzen, um die Richtigkeit der Eintragungen und den Vertrauensschutz öffentlicher Register zu gewährleisten, wobei man jedoch einfache Online-Anmeldungen ablehne!
III. An den beiden Vorschlägen aus dem Company Law Package ist interessant, dass sie als Rechtsgrundlage Art. 50 AEUV benennen. Darin geht es um Gesellschafter- und Gläubigerschutz im Rahmen der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV. Die Grenze der Regelungsmöglichkeiten der EU auch im Bereich des Gesellschaftsrechts liegt dabei im Prinzip der Subsidiarität nach Art. 5 AEUV (vgl. Kahnert, Rechtsetzung im Europäischen Gesellschaftsrecht, 2012, S. 13 ff.). Diesem Prinzip werden gesellschaftsrechtliche Richtlinien in aller Regel dann gerecht, wenn sie im Rahmen eines triftigen Regelungsgrundes nur eine Mindestharmonisierung vorsehen, den Mitgliedstaaten also einen ausgestalterischen Spielraum zuerkennen. Das erscheint vorliegend beim zweiten Vorschlag zur Unternehmensmobilität unproblematisch. Bedenklich stimmt in diesem Kontext allerdings der erste Vorschlag zur Digitalisierung. Zwar geht es hier auch um die Vertiefung des Regelungsgehalts der allerersten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie der EU (die in der Gesellschaftsrechtsrichtlinie aufgegangene Publizitätsrichtlinie von 1968), nämlich eine Modernisierung der seither europarechtlich etablierten Handelsregister und Registrierung von Unternehmen (vgl. im Detail Kalss/Klampfl, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2015, S. 16 f.). Dies erscheint insgesamt durchaus schlüssig. Schwierig ist allerdings der Aspekt der dann womöglich europarechtlich gebotenen reinen Online-Gründung von Gesellschaften in allen Mitgliedstaaten. Schließlich steht die Frage im Raum, ob die derzeit unterschiedlichen Gründungsakte für Gesellschaften in den Mitgliedstaaten das Ziel des digitalen Binnenmarkts wirklich nachhaltig beeinträchtigen. Denn nur dann wäre die europarechtlich verbindliche Online-Gründung hinreichend gefertigt.
IV. Zur Online-Gründung von Kapitalgesellschaften in Europa lässt sich tatsächlich eine derzeit vorhandene starke Divergenz ausmachen. Deutschland bietet diese Möglichkeit bislang nicht, einige andere Mitgliedstaaten aber schon. Genauer gesagt geht dies in zehn von 28 Mitgliedstaaten (vgl. Noack, DB 2018, 1324). Die bereits existierenden Online-Verfahren decken dabei in Sachen Zugang und Sicherheit wiederum eine erhebliche Bandbreite ab und binden teils Dritte wie etwa Banken mit ein oder erfordern gewisse Rechtskenntnisse; zudem ist die Nutzung teils nur in der Landessprache möglich und beruht bisweilen auf Verwaltungspraxis anstatt fester gesetzlicher Regelungen (vgl. im Detail Knaier, NZG 2018, 576; Teichmann, GmbHR 2018, 1). In diesem Zusammenhang ist das deutsche System der Zwischenschaltung eines Notars sicherlich aufwändiger und kostenintensiver als die reine Online-Gründung, allerdings wird durch diese eingezogene Schwelle dem Missbrauch etwa durch dann reine Briefkastenfirmen sicherlich proaktiv effektiver begegnet als durch Online-Authentifizierungsverfahren oder die in Art. 13b festgelegte (wohl aber praktisch kaum wirksame) Möglichkeit, bei Verdachtsgründen in Bezug auf Betrugsziele dennoch das Erscheinen vor einer nationalen Behörde anzuordnen (vgl. dazu auch Knaier, GmbHR 2018, R148).
D. Ausblick
Insgesamt also ein nahezu rundes Paket. Widerstand dürfte es auf Ebene der Mitgliedstaaten bei den nachfolgenden Diskussionen aber bei der vorgesehenen reinen Online-Gründung von Kapitalgesellschaften geben. Sollte diese gleichwohl kommen, wird Deutschland voraussichtlich ein Opt-out für Aktiengesellschaften erklären. Dies wiederum würde zu einer Zweigleisigkeit auf Ebene des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts führen. Auch die Notarpraxis steht dann vor einer Revolution, da das Brot-und-Butter-Geschäft der GmbH-Gründung wegfällt. Was mit den Folgeeinreichungen zum Handelsregister ist, ob also Notare nach wie vor bei Satzungsänderungen/Änderungen der Gesellschafterliste zuständig sein werden oder nicht, lässt sich dagegen vorliegend nicht wirklich erkennen (aus dem Company Law Package wegen des Schweigens hierzu keine Änderung der bisherigen Praxis ableitend aber Noack, DB 2018, 1324).
Ob die Frage der Arbeitnehmereinbeziehung bei den grenzüberschreitenden Strukturmaßnahmen wirklich zu einem Problem wird (so Knaier, GmbHR 2018, R148, R150), bleibt dagegen abzuwarten. Insgesamt ist es zu begrüßen, wenn es künftig zu mehr Rechtsklarheit und -einheit bei grenzüberschreitenden Umwandlungs-, Verschmelzungs- und Spaltungssachverhalten kommt. Bislang sind grenzüberschreitende Formwechsel schließlich mit erheblichen Rechtsunsicherheiten belastet und grenzüberschreitende Spaltungen gar nicht durchführbar. Abzuwarten bleibt auch, welche sonstigen Implikationen die Neuregelung der Unternehmensmobilität hat. Womöglich hat dies nämlich gravierende Auswirkungen auf den europäischen M&A-Markt, da die nach einer transnationalen Übernahme bestehenden Möglichkeiten einer Verschmelzung künftig deutlich klarer prognostiziert und in etwaige Übernahmeplanungen miteinkalkuliert werden könnten.
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