Nachfolgend ein Beitrag vom 19.2.2019 von Tiedemann, jurisPR-BKR 2/2019 Anm. 1

Orientierungssatz zur Anmerkung

Behauptet der Kläger eine vorsätzliche Pflichtverletzung der beratenden Bank und beruft sich die beklagte Bank darauf, der Anspruch sei nach § 37a WpHG a.F. verjährt, weil sie nicht vorsätzlich gehandelt habe, trägt sie die Darlegungs- und Beweislast für vorsätzliches Handeln, nicht der geschädigte Anleger, der sich insoweit auf § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB berufen kann. Vielmehr muss die Bank beweisen, dass sie die Pflichtverletzung nicht vorsätzlich begangen hat.

A. Problemstellung

Der BGH befasste sich in der besprochenen Entscheidung mit der Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Aufklärung von anfänglichen negativen Marktwerten bei Swap-Verträgen. Er ist der Ansicht, dass das beratende Kreditinstitut die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass keine vorsätzliche Pflichtverletzung, die über § 37a WpHG a.F. bei Vorsatz nicht verjährt, vorliegt.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der BGH hatte mit dem besprochenen Beschluss über eine Nichtzulassungsbeschwerde einer Klägerin zu entscheiden, welche im Jahre 2008 derivative Swaps bei der beklagten Bank aufgenommen hatte. Vor Aufnahme erfolgten Beratungsgespräche zwischen den Parteien. Die klägerische Partei warf der Beklagten vor, sie nicht anleger- und objektgerecht beraten zu haben. Desgleichen sei sie nicht über einen schwerwiegenden Interessenkonflikt, nämlich dem Vorliegen eines anfänglichen negativen Marktwertes bei Vertragsschluss, hingewiesen worden. Die beklagte Bank verteidigte sich damit, dass – unterstellte – entsprechende Fehlberatungen nach § 37a WpHG a.F. verjährt seien. Schließlich verjähren Ansprüche nach § 37a WpHG a.F. in der bis zum 04.08.2009 geltenden Fassung drei Jahre nach Abschluss von Swaps. Ferner habe die Klägerin keine Indizien für eine vorsätzliche Fehlberatung vorgetragen. Daher sei nicht von einer vorsätzlichen Fehlberatung auszugehen.
Das Landgericht folgte den Argumenten der Beklagten und wies die Klage ab. Auch das Berufungsgericht wies die Berufung zurück mit der Begründung, dass die klägerische Partei keine Indizien für ein vorsätzliches Verschweigen des anfänglichen negativen Marktwertes vorgetragen habe (OLG München, Urt. v. 06.07.2016 – 7 U 3913/14). Daher gelange § 37a WpHG a.F. nicht zur Anwendung. Das Oberlandesgericht ließ die Revision nicht zu. Gegen dieses Berufungsurteil legte die klägerische Partei Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH ein – und war nunmehr erfolgreich.
Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde angenommen und entschieden, dass ein Verstoß gegen die Grundsätze des Art. 103 Abs. 1 GG vorliegt. Denn Art. 103 Abs. 1 GG verpflichte die Gerichte, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Hierbei darf das Gericht die Anforderung einer Substantiierung des Parteivortrages nicht überspannen.
Nach diesen Maßgaben wurde nach Auffassung des BGH hier Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Es sei mithin fehlerhaft, wenn das OLG München der klägerischen Partei einen Negativbeweis abverlange. Denn es sei nicht an der Klägerin, schlüssige Tatsachen bzw. Indizien für eine vorsätzliche Falschberatung vorzutragen. Vielmehr hätte das OLG München bis zum Beweis des Gegenteils von einem vorsätzlichen Handeln der Beklagten ausgehen müssen. Indem das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin als unzureichend und unsubstantiiert behandelt habe, sei gegen die Grundätze von Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen worden.

C. Kontext der Entscheidung

Der Entscheidung des BGH ist zuzustimmen. Es ist nicht recht verständlich, warum das OLG München im Ergebnis diametral zur höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden hat. Schließlich hat der BGH bereits im Jahr 2014 erkannt, dass es die beklagte beratende Bank ist, die nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB die Darlegungs- und Beweislast für fehlenden Vorsatz trägt. An dieser Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ändert der Umstand nichts, dass eine fahrlässige Aufklärungspflichtverletzung nach § 37a WpHG verjährt ist und damit nur noch eine Vorsatzhaftung im Raum steht (BGH, Urt. v. 30.10.2014 – III ZR 493/13 Rn. 43).
Trotz der höchstrichterlichen Entscheidung aus dem Jahr 2014 wurde die Frage der Darlegungs- und Beweislast für eine vorsätzliche Fehlberatung bundesweit von den Oberlandesgerichten unterschiedlich bewertet – wobei allerdings durchaus auch Unterschiede im Sachverhalt und in der Substantiierungslast eine Rolle spielten. Beispielsweise haben das OLG München und das OLG Karlsruhe grundsätzlich auch eine substantiierte Darlegung von Anhaltspunkten für den Vorsatz der beratenden Bank durch die Klagepartei gefordert. Dabei sollte die Klagepartei darlegen, aus welchen konkreten Umständen bzw. aus welchem konkreten Handeln eines Mitarbeiters der jeweiligen beklagten Bank sich ein vorsätzliches Handeln bzw. eine vorsätzliche Aufklärungspflichtverletzung ergeben soll (vgl. OLG München, Urt. v. 27.03.2012 – 5 U 4137/11 Ls. 3 und Rn. 18 – BKR 2013, 262; OLG München, Beschl. v. 16.07.2013 – 19 U 789/13 Rn. 20; OLG Karlsruhe, Urt. v. 08.05.2012 – 17 U 82/11 Ls. 2, Rn. 26 ff.; vgl. auch OLG Frankfurt, Urt. v. 20.10.2014 – 23 U 248/13 Rn. 30 – BKR 2015, 38; LG Köln, Urt. v. 06.08.2013 – 3 O 330/12 Rn. 32; LG Wuppertal, Urt. v. 27.06.2012 – 3 O 67/12 Rn. 27, um nur einige zu nennen; gegenteiliger Beschluss OLG Dresden, Beschl. v. 12.11.2014 – 8 U 1723/13).
Generell ist die besprochene Entscheidung des BGH jedoch richtig und notwendig, damit eine möglichst einheitliche Rechtsprechung in dieser Frage hergestellt wird. Insoweit ist durch den BGH klargestellt, dass es die beklagten Banken sind, die beweisen müssen, dass sie keine vorsätzliche Pflichtverletzung begangen haben. Dieser Beweislast können Banken dadurch entkommen, dass sie sich auf einen Rechtsirrtum bezüglich der Aufklärung eines anfänglichen negativen Marktwertes berufen (vgl. auch unten unter D.).

D. Auswirkungen für die Praxis

Grundsätzlich muss eine beklagte Bank darlegen und beweisen, nicht vorsätzlich gehandelt zu haben. Wenn ihr das gelingt, scheidet eine Haftung aus. Auch viele der Schadensersatzansprüche aufgrund einfacher Fahrlässigkeit dürften nach drei Jahren verjährt sein, da dann § 37a WpHG, jetzt § 131 WpHG, zur Anwendung gelangt.
Im Falle einer Haftung bleibt jedoch den beklagten Kreditinstituten die Exkulpationsmöglichkeit offen. Denn nach der Rechtsprechung des BGH scheidet eine (bedingt) vorsätzliche Aufklärungspflichtverletzung aus, wenn den Mitarbeitern der jeweiligen beklagten Institute die Rechtswidrigkeit ihres Tuns nicht bewusst war. Das ist u.a. der Fall, wenn ein vorsatzausschließender Rechtsirrtum vorliegt (vgl. BGH, Urt. v. 15.07.2014 – XI ZR 418/13 Rn. 14 – WM 2014, 1670; BGH, Urt. v. 12.05.2009 – XI ZR 586/07 Rn. 20 – WM 2009, 1274; BGH, Urt. v. 19.12.2006 – XI ZR 56/05 Rn. 25 – BGHZ 170, 226; Grüneberg in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 276 Rn. 11 m.w.N).
Dabei umfasst der Vorsatz im Zivilrecht auch das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit einer Handlung, so dass auch ein Irrtum über handlungspflichtbegründende, tatsächliche Umstände sowie über die sich aus den tatsächlichen Umständen ergebenden Rechtspflichten den Vorsatz ausschließen können (Grüneberg in: Palandt, BGB, § 276 Rn. 11 m.w.N.).
Beim Rechtsirrtum wird von Kreditinstituten ins Feld geführt, dass bis zum ersten BGH-Swap-Urteil (Urt. v. 22.03.2011 – XI ZR 33/10) grundsätzlich die Banken davon ausgehen durften, nicht über den anfänglichen negativen Marktwert aufklären zu müssen. Schließlich gab es eine Reihe von Urteilen, in denen solch eine Pflicht verneint wurde (OLG Frankfurt, Urt. v. 29.07.2009 – 23 U 76/08 – WM 2009, 1563; OLG Frankfurt, Urt. v. 04.08.2010 – 23 U 230/08; OLG Hamm, Urt. v. 10.11.2010 – 31 U 121/08 – BKR 2011, 68; andere Ansicht allerdings: OLG Stuttgart, Urt. v. 26.02.2010 – 9 U 164/08 Rn. 105 ff. – WM 2010, 756; OLG Stuttgart, Urt. v. 27.10.2010 – 9 U 148/08 Rn. 62 ff. – WM 2010, 2169).
Hiervon ausgehend ist es an den Kreditinstituten, im Prozess entsprechend vorzutragen. Das Kreditinstitut hat konkrete Anhaltspunkte dafür anzugeben, dass es sich in einem Rechtsirrtum befunden hat (vgl. hierzu OLG München, Urt. v. 24.09.2015 – 23 U 3491/14 Rn. 119). Dabei müssen die verantwortlichen Personen, beispielsweise in den Rechtsabteilungen der Kreditinstitute, konkret darlegen, wie konkret sie geprüft haben, ob eine Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert notwendig ist. Soweit dabei ein Kreditinstitut ausführt, dass seine Rechtsabteilung in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Deutscher Banken aktuelle Entwicklungen in der Gesetzgebung und Rechtsprechung geprüft hat und die Ergebnisse auswertete, um seine Mitarbeiter zu informieren, vermag dies nach einzelnen Auffassungen in der Rechtsprechung „die Annahme eines Rechtsirrtums über die vorliegende bestehende Aufklärungspflicht nicht zu tragen“ (so OLG München, Urt. v. 24.09.2015 – 23 U 3491/14 Rn. 124).
Soweit die Institute anführen, dass ein Urteil des LG Frankfurt vom 10.03.2008 (2-4 O 388/06 – WM 2008, 1061) das einzige Urteil war, welches eine Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert angenommen hat, wird dies vom OLG München ebenfalls als nicht ausreichend für Darlegung und Beweis eines Rechtsirrtums angesehen (OLG München, Urt. v. 24.09.2015 – 23 U 3491/14 Rn. 128). Gefordert wird von der beklagten Bank vorzutragen, inwieweit Mitarbeiter der Rechtsabteilung im entsprechenden relevanten Zeitraum entsprechende Urteile gewürdigt haben. Wenn dies die darlegungs- und beweispflichtige Bank nicht tut, kann sie sich von einer vorsätzlichen Aufklärungspflichtverletzung nicht entlasten. Da dann § 37a WpHG a.F. nicht zur Anwendung kommt, greift § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB (OLG München, Urt. v. 24.09.2015 – 23 U 3491/14 Rn. 129).
Die Rechtsprechungslage zeigt, dass die Verteidigungsstrategien der Kreditinstitute anders und detaillierter im Vortrag aufgezäumt werden müssen, als dies in der Praxis häufig zu beobachten ist. Es sollte verstanden werden, dass ein einfacher Verweis darauf, dass die klägerische Partei Indizien für eine vorsätzliche Fehlberatung vorzutragen habe, jedenfalls nicht ausreicht. Vielmehr ist seitens der beklagten Bank darzulegen und zu beweisen, nicht vorsätzlich gehandelt zu haben. Hierfür geeignet erscheint insbesondere die Vorlage entsprechender Legal Opinions der Rechtsabteilung. Auch ein Rechtsirrtum kann nicht angenommen werden und § 37a WpHG a.F. gelangt nicht zur Anwendung, wenn diesbezüglich nicht substantiiert vorgetragen wird.

Darlegungs- und Beweislast für vorsätzliche Pflichtverletzung bei Swap-Verträgen
Carsten OehlmannRechtsanwalt
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Darlegungs- und Beweislast für vorsätzliche Pflichtverletzung bei Swap-Verträgen
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