BGH, Pressemitteilung vom 14.09.2016
In diesem Verfahren streiten die Parteien um die Frage, ob eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Wohnraummietverhältnis wegen Eigenbedarfs zu Gunsten eines Gesellschafters oder dessen Angehörigen kündigen kann.
Der Sachverhalt:
Die Beklagten haben im Jahr 1985 vom Rechtsvorgänger der Klägerin eine 5-Zimmer-Wohnung in München gemietet; die Miete für die 166 qm große Wohnung beläuft sich inzwischen auf 1.374,52 € monatlich.
Die Klägerin ist eine im Jahr 1991 gegründete, aus vier Gesellschaftern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die das Anwesen, in dem die streitige Wohnung liegt, im Jahr 1991 erworben hat. Nach § 2 des Gesellschaftsvertrages besteht der Zweck der Gesellschaft in der „Instandsetzung, Modernisierung und dem Ausbau des Anwesens, dessen Vermietung sowie nach Möglichkeit der Aufteilung in Wohnungseigentum“. Im Jahr 1994 begann die Klägerin mit der Sanierung des Anwesens und der Aufteilung der Wohnungen, wobei einige auch schon verkauft wurden. Die Wohnung der Beklagten ist die letzte Wohnung, die noch nicht saniert ist.
Mit Schreiben vom 30. September 2013 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis und begründete dies mit Eigenbedarf der Tochter eines der (Gründungs-)Gesellschafter. Die Beklagten sind der Kündigung mit der Behauptung entgegengetreten, der Eigenbedarf sei nur vorgetäuscht. Zudem habe die Klägerin ihre Anbietpflicht verletzt, weil sie den Beklagten eine seit April 2014 leerstehende 76 qm große 2-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss nicht angeboten habe und die Eigenbedarfskündigung deshalb rechtsmissbräuchlich sei.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Amtsgericht hat die Klage auf Räumung und Herausgabe der streitigen Wohnung nach Beweisaufnahme abgewiesen. Es hat offen gelassen, ob der behauptete Eigenbedarf bestand. Die Kündigung der Klägerin sei jedenfalls wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam, weil die Klägerin treuwidrig versäumt habe, den Beklagten die freie 2-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss anzubieten.
Die Berufung der Klägerin ist vor dem Landgericht ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, mit Rücksicht auf den unter anderem in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB* vorgesehenen Bestands- und Verdrängungsschutz des Mieters dürfe eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen Wohnraummietvertrag entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteile vom 27. Juni 2006 – VIII ZR 271/06, NJW 2007, 2845; vom 23. November 2011 – VIII ZR 74/11, NJW-RR 2012, 237) nicht wegen des Eigenbedarfs eines Gesellschafters oder dessen Angehöriger kündigen. Mit dieser Auffassung weiche es bewusst von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab und lasse deshalb die Revision wegen Divergenz zu.
Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Räumungs- und Herausgabebegehren weiter.
Vorinstanzen:
AG München – Urteil vom 28. Januar 2015 – 415 C 16849/14
LG München I – Urteil vom 7. Oktober 2015 – 14 S 2969/15
Karlsruhe, den 14. September 2016
*§ 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters
(1) 1Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. 2Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
1.[…]
2.der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3.[…]
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