BGH, Pressemitteilung vom 05.05.2017
Die Klägerinnen nehmen als Erbinnen des während des Berufungsverfahrens verstorbenen vormaligen Klägers (im Folgenden: Kläger) den Beklagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld im Zusammenhang mit einem Hausnotrufvertrag in Anspruch.
Der 1934 geborene Kläger und der Beklagte schlossen am 8. Januar 2010 einen „Dienstleistungsvertrag zur Teilnahme am Hausnotruf“. § 1 Abs. 2 des Vertrags lautet:
„Das Hausnotrufgerät wird an eine ständig besetzte Zentrale angeschlossen. Von dieser Zentrale wird im Fall eines Notrufs unverzüglich eine angemessene Hilfeleistung vermittelt (z.B. durch vereinbarte Schlüsseladressen, Rettungsdienst, Hausarzt, Schlüsseldienst).“
Dem Vertrag war ein Erhebungsbogen beigefügt, aus dem sich multiple Erkrankungen des Klägers ergaben (Arthrose, Atemnot, chronische Bronchitis, Herzrhythmusstörungen, Diabetes mellitus). Der Kläger war auf die Zufuhr von Sauerstoff und die Einnahme verschiedener Medikamente angewiesen. Es bestand ein stark erhöhtes Schlaganfallrisiko. Bis April 2012 lebte er allein in einer Wohnung in einem Seniorenwohnheim bei Pflegestufe 2.
Am 9. April 2012 betätigte der Kläger den direkten Notruf zur Zentrale des Beklagten. Der den Anruf entgegennehmende Mitarbeiter des Beklagten vernahm lediglich ein Stöhnen. Mehrere Versuche, den Kläger telefonisch zu erreichen, scheiterten. Der Beklagte veranlasste daraufhin, dass ein Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes (Streithelferin) sich zu der Wohnung des Klägers begab. Dieser fand den Kläger am Boden liegend vor. Es gelang ihm nicht, ihn aufzurichten. Nach Hinzuziehung eines weiteren Mitarbeiters konnte der Kläger schließlich mit vereinten Kräften auf eine Couch gesetzt werden. Sodann ließen die beiden Mitarbeiter der Streithelferin den Kläger allein in der Wohnung zurück, ohne eine ärztliche Versorgung zu veranlassen. Am 11. April 2012 wurde der Kläger in der Wohnung liegend aufgefunden und mit einer Halbseitenlähmung sowie einer Aphasie (Sprachstörung) in ein Krankenhaus eingeliefert, wo ein nicht mehr ganz frischer Schlaganfall diagnostiziert wurde.
Der Kläger hat geltend gemacht, er habe gegen Mittag des 9. April 2012 einen Schlaganfall erlitten. Dessen gravierende Folgen wären vermieden worden, wenn der den Notruf entgegennehmende Mitarbeiter des Beklagten einen Rettungswagen mit medizinisch qualifizierten Rettungskräften geschickt hätte.
Die auf Zahlung von Schadensersatz und eines angemessenen Schmerzensgeldes (mindestens 40.000 €) sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden gerichtete Klage hat das Landgericht abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung war erfolglos. Mit ihrer vom III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihre zuletzt gestellten Klageanträge weiter.
Vorinstanz:
LG Berlin – Urteil vom 7. November 2013 – 63 O 41/13
Kammergericht – Urteil vom 20. Januar 2016 – 26 U 5/14
Karlsruhe, 5. Mai 2017
§ 280 Abs. 1 BGB
Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
§ 276 BGB
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. …
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
§ 611 BGB
(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.
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