Nachfolgend ein Beitrag vom 19.12.2017 von Viefhues, jurisPR-FamR 25/2017 Anm. 6

Leitsatz

Wird die Betreuung eines Kindes durch Dritte allein infolge der Berufstätigkeit des betreuenden Elternteils erforderlich, stellen die Betreuungskosten keinen Mehrbedarf des Kindes dar, sondern gehören zur allgemeinen Betreuung, die vom betreuenden Elternteil im Gegenzug zur Barunterhaltspflicht des anderen allein zu leisten ist. Dafür entstehende Betreuungskosten können mithin lediglich als berufsbedingte Aufwendungen des betreuenden Elternteils Berücksichtigung finden (im Anschluss an Senatsurteile vom 14.03.2007 – XII ZR 158/04 – FamRZ 2007, 882 und vom 05.03.2008 – XII ZR 150/05 – FamRZ 2008, 1152).

A. Problemstellung

Bisher noch nicht abschließend geklärt war die Frage, wie Kosten der Kinderbetreuung in die Berechnung des Unterhaltes einbezogen werden können. Die Entscheidung des BGH schafft hier Klarheit für die Praxis.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Verfahrens über Kindesunterhalt über einen Beitrag des Vaters zu den Kosten einer Tagesmutter, die die Mutter der bei ihr lebenden beiden gemeinsamen minderjährigen Kinder angestellt hat. Das Amtsgericht hatte dem Antrag zugesprochen, das Oberlandesgericht ihn abgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde ist vor dem BGH erfolglos geblieben.
Die hier anfallenden Betreuungskosten seien kein Mehrbedarf der Antragsteller.
Nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB erfülle der Elternteil, der ein minderjähriges Kind betreue, durch die Pflege und die Erziehung des Kindes seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen. Im sog. Residenzmodell schulde danach ein Elternteil den Barunterhalt der Kinder, während der andere deren Betreuung übernehme. Nur ausnahmsweise gingen die Kosten einer Fremdbetreuung über die einem Elternteil obliegende Betreuung hinaus und seien dann Mehrbedarf des Kindes, für den die Eltern nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen aufzukommen haben. Ein solcher weitergehender Bedarf der Kinder liege nach der Rechtsprechung des BGH hinsichtlich der üblichen pädagogisch veranlassten Betreuung in staatlichen Einrichtungen wie etwa Kindergärten, Schulen und Horten vor.
Ob ein – von den Eltern anteilig zu tragender – Betreuungsmehrbedarf auch dann vorliege, wenn die Fremdbetreuung nicht über die allgemeine Kinderbetreuung hinausgehe, sondern nur erfolge, um dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen, werde nicht einheitlich beurteilt.
Der Gesetzgeber sei bei der Änderung der Unterhaltstatbestände davon ausgegangen, dass die Kosten der Kinderbetreuung bei der Unterhaltsberechnung im Rahmen des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB angemessen zu berücksichtigen seien (BT-Drs. 16/1830, S. 17). In der Literatur werde deswegen teilweise vertreten, die Betreuungskosten seien allgemein als Mehrbedarf des Kindes zu berücksichtigen (Schürmann, FamRZ 2016, 1113, 1120; Götz in: Palandt, BGB, 76. Aufl., § 1570 Rn. 17; Menne, FamRB 2008, 110, 115). Andere Stimmen nehmen einen Mehrbedarf nur in den Fällen an, in denen ein Anspruch auf Ehegattenunterhalt, etwa wegen Zusammenlebens mit einem neuen Partner oder bei Wiederverheiratung, nicht bestehe (Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl., § 1 Rn. 1055).
Eine solche generelle Qualifizierung der Kosten einer Fremdbetreuung als Mehrbedarf des Kindes widerspreche jedoch dem Gesetz. Denn grundsätzlich obliege nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB die Barunterhaltspflicht für ein minderjähriges Kind einem Elternteil allein, weil der andere Elternteil im Gegenzug dessen Betreuung übernommen habe. Dieser gesetzlichen Regelung widerspreche es, wenn im Falle einer Fremdbetreuung stets dieser Teil der eigentlich dem betreuenden Elternteil obliegenden Elternverpflichtung generell als Mehrbedarf nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB auf beide Eltern verlagert würde, während der andere Elternteil allein barunterhaltspflichtig bliebe. Veranlasse der betreuende Elternteil für die Kinder eine Fremdbetreuung, erfülle er damit regelmäßig lediglich die ihm obliegende Betreuungspflicht und habe deswegen auch die dafür erforderlichen Kosten zu tragen.
Werde die Betreuung eines Kindes durch Dritte allein infolge der Berufstätigkeit des betreuenden Elternteils erforderlich, stellten die Betreuungskosten deswegen keinen Mehrbedarf des Kindes dar, sondern gehörten zur allgemeinen Betreuung, die vom betreuenden Elternteil im Gegenzug zur Barunterhaltspflicht des anderen allein zu leisten sei. Dafür entstehende Betreuungskosten könnten mithin lediglich als berufsbedingte Aufwendungen des betreuenden Elternteils Berücksichtigung finden Ein betreuungsbedingter Mehrbedarf des Kindes liege deswegen nur dann vor, wenn es sich um einen Betreuungsbedarf handele, der über den Umfang der von dem betreuenden Elternteil ohnehin geschuldeten Betreuung hinausgehe, etwa wenn die Kosten eine besondere Förderung im Sinne der Rechtsprechung zu staatlichen Kindergärten, Kindertagesstätten oder Horten beträfen. Allerdings sei eine Qualifizierung der Betreuungskosten als Mehrbedarf nicht auf die besondere pädagogische Förderung in staatlichen Einrichtungen beschränkt. Auch die Förderung in vergleichbaren privaten Einrichtungen könne über den allgemeinen Betreuungsbedarf hinausgehen und damit einen Mehrbedarf des Kindes auslösen. Generell decke eine Fremdbetreuung stets insoweit einen Mehrbedarf des Kindes ab, als sie über die üblichen Betreuungsleistungen eines Elternteils (einschließlich der üblichen Hausaufgabenbetreuung) hinausgingen oder die weitere Betreuung etwa pädagogisch veranlasst sei. Auch dann handele es sich insoweit um Mehrbedarf des Kindes, für den beide Eltern nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB anteilig haften.
Die Tätigkeit einer Tagesmutter, die – wie hier – Kinder im Haushalt eines Elternteils auf 450 Euro-Basis stundenweise betreut, sei keine pädagogisch veranlasste Betreuung von Kindern, die der Sache nach wie in einer staatlichen oder vergleichbaren privaten Einrichtung einen Mehrbedarf des Kindes abdeckt. Auch der Umfang der Fremdbetreuung könne im vorliegenden Fall keinen Mehrbedarf der Kinder begründen, das sie lediglich – über die Abholung der Kinder von der Schule und die Hausaufgabenbetreuung hinaus – auch die Zubereitung der Speisen übernehme und leichte Hausarbeiten verrichte. Die Fremdbetreuung umfasse somit lediglich Aufgaben, die dem betreuenden Elternteil persönlich obliegen, was einen Mehrbedarf der Kinder ausschließe.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung ist eine konsequente Fortführung der Rechtsprechung zu der unterhaltsrechtlichen Einordnung der Kindergartenkosten (vgl. BGH, Urt. v. 05.03.2008 – XII ZR 150/05 Rn. 19 ff. – FamRZ 2008, 1152; BGH, Urt. v. 01.06.2011 – XII ZR 45/09 – FamRZ 2011, 1209 Rn. 36 und BGH, Beschl. v. 11.01.2017 – XII ZB 565/15 Rn. 37 – FamRZ 2017, 437).

D. Auswirkungen für die Praxis

Der Ausgleich der Betreuungskosten über den Ehegattenunterhalt greift praktisch nur, wenn ein solcher Ehegattenunterhaltsanspruch überhaupt besteht.
Entfällt der Ehegattenunterhalt, führt dies dazu, dass beide Eltern ihren Teil der Unterhaltsverantwortung allein und ohne Berücksichtigung gegenüber dem anderen Elternteil tragen müssen. Zwar werden sich die Kosten der Eltern durch Barunterhalt einerseits und Fremdbetreuung andererseits in der Regel nicht entsprechen. Dabei ist aber, so der BGH, zu berücksichtigen, dass bei jüngeren Kindern oft der Betreuungsanteil überwiegt und sich im Falle einer Fremdbetreuung auch monetär ausdrückt, während mit zunehmendem Alter der Kinder der nach Altersstufen gestaffelte Barunterhalt ein anteilig stärkeres Gewicht bekommt. Hinzu kommt, dass die Kosten einer Fremdbetreuung grundsätzlich nur entweder als Belastung der Eltern einen Abzugsposten im Rahmen des Ehegattenunterhalts oder als Mehrbedarf einen Unterhaltsbedarf des Kindes begründen können. Eine Einordnung als abzugsfähige Belastung des betreuenden Elternteils einerseits oder als Mehrbedarf des Kindes andererseits allein danach, ob ein Ausgleich über den Ehegattenunterhalt möglich ist, wäre systemwidrig.
Da die Einstufung als berufsbedingte Aufwendungen des Elternteils der Normalfall ist, muss der Verfahrensbeteiligte, der die Einstufung als Mehrbedarf des Kindes erreichen will, dies ggf. durch substantiierten Sachvortrag darlegen und beweisen.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Während des Getrenntlebens schlossen die Ehegatten eine bis Dezember 2014 befristete Unterhaltsvereinbarung, in der sich der Antragsgegner neben Kindesunterhalt zur Zahlung von Trennungs- bzw. nachehelichem Unterhalt i.H.v. monatlich 1.348 Euro verpflichtete. Bei der Berechnung dieses Unterhalts wurden die Betreuungskosten für eine private Tagesmutter und die Kindergartenkosten beim Einkommen der Mutter der Antragsteller als Abzugsposten berücksichtigt.
Der BGH stellt klar, dass sich aus diesem Vergleich jedenfalls keine Einigung über die künftige Berücksichtigung der Betreuungskosten als Mehrbedarf beim Kindesunterhalt ergibt.

Berücksichtigung der Kosten der Kinderbetreuung beim Unterhalt
Denise HübenthalRechtsanwältin
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