Nachfolgend ein Beitrag vom 20.11.2018 von Roy, jurisPR-BKR 11/2018 Anm. 4

Leitsatz

Das Zeugnisverweigerungsrecht eines Bankangestellten entfällt nicht allein deshalb, weil das Gespräch, dessen Inhalt das Beweisthema ist, zwischen den Parteien des Rechtsstreits, die die „Herren des Geheimnisses“ sind, in öffentlicher Verhandlung bereits geschildert und/oder über dieses Gespräch auch schon Beweis durch Vernehmung anderer Personen erhoben worden ist.

A. Problemstellung

Im Rahmen einer sofortigen Beschwerde hatte sich das OLG Hamm mit dem Zeugnisverweigerungsrecht von Personen zu befassen, deren Amts- oder Berufsausübung die schutzwürdige Vertrauenssphäre Dritter berührt. Ausgangspunkt hierfür war die streitige Tatsache, ob ein bestimmtes – beide Parteien betreffendes – Gespräch mit einem bestimmten Inhalt im Beisein eines Bankangestellten tatsächlich stattgefunden hat. Die Parteien hatten sich hierzu bereits in öffentlicher Verhandlung umfangreich eingelassen. Die beweisbelastete Partei hatte ihrerseits den Zeugen von der Verschwiegenheit entbunden, die beklagte Partei hingegen nicht.
Das OLG Hamm hat – entgegen der Vorinstanz – ein Zeugnisverweigerungsrecht des Bankangestellten bejaht. Es konturiert damit das Tatbestandsmerkmal des Geheimnisses. Zugleich konkretisiert es die Anforderungen, die an eine Entbindung von der Verschwiegenheit in einer solchen Konstellation zu stellen sind.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Ausgangspunkt der Besprechungsentscheidung war eine zwischen den Parteien anhängige vermögensrechtliche Auseinandersetzung. In dieser hatte der Kläger „stehengelassene Provisionsansprüche“ gegen die Beklagte, seine geschiedene Ehefrau, geltend gemacht. Nach klägerischem Vortrag resultierten diese Ansprüche aus Vermittlungstätigkeiten des Klägers für das Unternehmen seiner Ex-Frau. Dabei war zwischen den Parteien unstreitig, dass entsprechende Geschäfte vermittelt wurden und dass diese über das Unternehmen der Beklagten – sprich der Ehefrau – abgewickelt worden waren, weil den Kläger – pikanterweise – ein Wettbewerbsverbot einschränkte. Allerdings war die Beklagte der Ansicht, dass die Vermittlungstätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht und auch abgegolten war. Der Kläger hatte insoweit vorgetragen, dass im Rahmen eines gemeinsamen Gespräches bei der Bank über seine Ansprüche gesprochen worden sei und hatte hierfür als Beweis das Zeugnis des späteren Beschwerdeführers angeboten. Die Beklagte hingegen – nachdem sie zunächst einen Aktenvermerk des späteren Beschwerdeführers, aus dem sich sie begünstigende Umstände ergaben, zu den Akten gereicht hatte – entband den Zeugen nicht von seiner Verschwiegenheit. Der Zeuge verweigerte daraufhin die Aussage.
Das LG Münster entschied im Rahmen eines Zwischenurteils (§ 387 ZPO), dass der Zeuge die Aussage unberechtigt verweigere. Es stellte dabei maßgeblich auf den Gesichtspunkt ab, dass in dem gemeinsamen Gespräch bei der Bank ein beide Parteien umfassender Geheimnisbereich geschaffen worden sei, der nicht nachträglich allein auf die Beklagte reduziert werden könne. So könne das Vertrauensverhältnis, dessen der Zeuge zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit bedürfe, auch nicht verletzt werden, da der Inhalt des Gesprächs ohnehin beiden Parteien bekannt sei. Die Beklagte wandte ein, dass, wenn man der Auffassung des Landgerichts folgen würde, der Zeuge ohne Einwilligung der Beklagten in öffentlicher Sitzung vernommen werden würde und so jedermann Kenntnis erlangen könne. Diesem Einwand trat das Landgericht mit der Überlegung entgegen, dass auch die bisherige Beweisaufnahme, die sich mittelbar auf dieselbe Beweistatsache bezog, ebenfalls in öffentlicher Sitzung erfolgt sei und so auch jedermann Kenntnis erlangt haben könnte. Auf den weiteren Einwand der Beklagten, es läge bereits in Form des von ihr zu den Akten gereichten Vermerkes des Zeugen eine schriftliche Aussage vor, entgegnete das Landgericht, dass nur eine persönliche Vernehmung es ermöglichen würde, die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage zu beurteilen.
Im Rahmen der vom Zeugen gegen das Zwischenurteil eingelegten sofortigen Beschwerde (§ 387 Abs. 3, 567 ff. ZPO) änderte das OLG Hamm das Zwischenurteil dahingehend ab, dass der Zeuge seine Aussage zu Recht verweigere.
Das Oberlandesgericht stellt in seiner Entscheidung zunächst klar, dass zwischen den Parteien nicht nur der Inhalt des Gespräches streitig sei, sondern auch, ob ein entsprechendes Gespräch überhaupt stattgefunden habe. Damit sei nicht davon auszugehen, dass beiden Parteien der Inhalt des Gespräches bekannt sei. Doch selbst in dem Falle, dass ein solches Gespräch stattgefunden habe, sei zu berücksichtigen, dass dann beide Parteien gemeinsam „Herren des Geheimnisses“ seien und sie demnach auch nur gemeinsam den Zeugen von seiner Verschwiegenheitspflicht entbinden könnten.
Auch könne man aus dem Umstand, dass die beiden „Herren des Geheimnisses“ über den Inhalt eben dieses Gespräches streiten, nicht schließen, dass das Interesse an der Verschwiegenheit des Zeugen entfallen würde. Dies zeige sich schon daran, dass einer der „Herren des Geheimnisses“ an der Pflicht zur Verschwiegenheit des Zeugen festhielte. Der Umstand, dass die Beklagte selbst einen Aktenvermerk des Zeugen zu den Akten gereicht habe, könne allenfalls im Rahmen der Beweisvereitelung berücksichtigt werden.
Zu der bereits in der Öffentlichkeit stattgefundenen Verhandlung und dem bisherigen Verhandlungsverlauf stellte das OLG Hamm darauf ab, dass auch ein Ausschluss der Öffentlichkeit im Rahmen der Vernehmung des Zeugen nicht zielführend sei, da durch die Wiedergabe im Urteil und einer etwaigen Veröffentlichung desselben der Inhalt der Aussage bekannt würde. Ebenso komme es nicht darauf an, ob das dem Zeugen Anvertraute auch anderen oder gar allgemein bekannt sei. Vielmehr komme es ausschließlich darauf an, ob bereits offenkundig allgemein bekannt ist, welche Wahrnehmungen der Geheimnisträger selbst bezüglich des Beweisthemas getätigt hat. Nur in einem solchen Falle könne ausnahmsweise – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH – die geheime Tatsache die Natur des Geheimnisses verlieren.

C. Kontext der Entscheidung

Die sachlich richtige und begrüßenswerte Entscheidung des OLG Hamm verleiht dem Zeugnisverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen im Rahmen der Bankpraxis eine deutlichere Kontur, die im Hinblick auf die divergierende Entscheidung der Vorinstanz einer klaren Hervorhebung bedurfte. Die Entscheidung fügt sich damit in die bisherige Rechtsprechung ein, erweitert sie aber zugleich um eine weitere Facette.
Die prozessuale Ausgangssituation, in die die Entscheidung eingebettet ist, ist das klägerische Beweisangebot eines Zeugen zu der streitigen Tatsache, ob und mit welchem Inhalt ein Gespräch zwischen den Parteien stattgefunden hat. Der Beweisbelastete greift hier auf einen Dritten zurück, der – nach seinem Vortrag – an diesem Gespräch ebenfalls teilgenommen haben soll. Von Bedeutung ist, dass bei der Wahrnehmung der Tatsachen, die es hier zu beweisen galt, die Tätigkeit des Bankangestellten die Kenntnis schutzwürdiger Geheimnisse bedingt. Wobei nach h.M. gilt, dass sich die Verschwiegenheit nur auf kundenbezogene Tatsachen und Wertungen bezieht, die einem Kreditinstitut aufgrund, aus Anlass bzw. im Rahmen der Geschäftsverbindung zum Kunden bekannt geworden sind. Erforderlich ist, dass es einen inneren Zusammenhang zwischen der Kenntniserlangung von dem Geheimnis durch das Kreditinstitut und dem Bestehen der Geschäftsverbindung gibt (BGH, Urt. v. 24.01.2006 – XI ZR 384/03 m. Anm. Cranshaw, jurisPR-InsR 20/2006 Anm. 1 und Peifer, jurisPR-WettbR 5/2006 Anm. 1).
Für den Charakter eines Geheimnisses kommt es darauf an, dass die Tatsachen oder Umstände nur einem beschränkten Kreis bekannt sind und an deren Geheimhaltung jemand ein sachlich begründetes Interesse hat (BGH, Urt. v. 24.01.2006 – XI ZR 384/03 m. Anm. Cranshaw, jurisPR-InsR 20/2006 Anm. 1 und Peifer, jurisPR-WettbR 5/2006 Anm. 1). Handelt es sich um eine Auskunftsverweigerung aus beruflichen Gründen, bedarf es der beweisgeeigneten Darlegung, dass es sich um Tatsachen handelt, die im Rahmen der Berufsausübung anvertraut oder bekannt geworden sind. Dies war im vorliegenden Fall unproblematisch.
Die Tatsachen waren auch nicht durch die öffentliche Verhandlung bzw. den Akteninhalt offenkundig geworden; dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn sie jedermann ohne Weiteres zugänglich gewesen wären. Also, wenn sie einem größeren, unbeschränkten Kreis an Personen, der nicht durch individuelle Beziehungen verbunden ist, bekannt geworden sind (BGH, Urt. v. 14.11.1963 – III ZR 19/63). Damit war vorliegend der Anwendungsbereich des Zeugnisverweigerungsrechtes eröffnet. Er wäre im Übrigen auch dann eröffnet gewesen, wenn es sich nicht, wie hier, um die schutzwürdigen Interessen der Parteien, sondern eines am Rechtsstreit unbeteiligten Dritten gehandelt hätte (Greger in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 383 Rn. 16). Die Bestimmung der betroffenen Interessen ist entscheidend, denn an ihnen knüpft tatbestandlich die mit dem Zeugnisverweigerungsrecht korrespondierende Norm der Entbindung von eben diesem an (§ 385 Abs. 2 ZPO).
Das Landgericht scheint zunächst die betroffenen Interessen zutreffend bestimmt zu haben, denn es sieht die Interessen beider Parteien geschützt. Bei der Anwendung des § 385 Abs. 2 ZPO nimmt es dann jedoch einen interessanten Blickwinkel ein, denn es lässt die Entbindung durch einen Betroffenen – hier den Kläger – ausreichen. Dies begründet es damit, dass der Geheimnisbereich nicht auf die „nichtentbindende“ Partei reduziert werden könne. Ein solch pragmatischer Blickwinkel setzt den Schwerpunkt darauf, dass die Beklagte durch die fehlende Entbindung die Vernehmung des Zeugen verhindern kann. Er lässt aber den Sinn und Zweck des Zeugnisverweigerungsrechtes – nämlich den Schutz des Interesses des oder der Betroffenen – in den Hintergrund treten. Letzterer ist jedoch maßgeblich für die Anwendung des § 383 Abs. 2 ZPO, so dass sich festhalten lässt, dass bei mehreren Betroffenen zwar keine gemeinsame Entbindung im Sinne einer einheitlichen Erklärung erforderlich ist, aber wenn mehrere geschützt sind, alle für sich eine Entbindung erklären müssen. Eine Grenze der Entbindungsmöglichkeit ist dann erreicht, wenn es sich nicht nur um mehrere Personen, sondern um die Allgemeinheit handelt, wie dies beispielsweise im Rahmen der Pressefreiheit der Fall ist. Hier ist eine Entbindung faktisch unmöglich.

D. Auswirkungen für die Praxis

Gerade das Zeugnisverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen, über das das Gericht nicht belehren muss (§ 383 Abs. 3 ZPO), bedarf in der anwaltlichen Praxis besonderer Aufmerksamkeit. Hierbei sollte zunächst im Bewusstsein sein, dass im Zweifel im Rahmen des § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO von einem Geheimnis auszugehen ist. Trotz des damit weiten Anwendungsbereichs ist für den damit geschaffenen Geheimnisbereich aus prozesstaktischen Gesichtspunkten wenig Spielraum.
Wird das Zeugnisverweigerungsrecht übergangen, führt dies nicht zur Unverwertbarkeit der Aussage (Trautwein in: Prütting/Gerlein, ZPO, 10. Aufl., § 385 Rn. 12). Weigert sich die nicht beweisbelastete Partei, den Zeugen von der Verschwiegenheit zu entbinden, ist dies bei den Tatsachenfeststellungen zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 26.09.1996 – III ZR 56/96; a.A.: OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.04.1976 – 14 U 165/75). Sie geht dann zulasten der nicht entbindenden Partei, wenn diese nur das Ziel verfolgt, die Aussage über entscheidungserhebliche Behauptungen zu verhindern (OLG Celle, Urt. v. 07.01.1981 – 3 U 107/80), wobei wohl grundsätzlich von einer entsprechenden Zielrichtung auszugehen ist.
Die Berücksichtigung der verweigerten Entbindung von der Verschwiegenheit reicht von freier Beweiswürdigung (BGH, Urt. v. 20.04.1983 – VIII ZR 46/82) über Beweisvereitelung insbesondere in Bezug auf das Bankgeheimnis (BGH, Urt. v. 20.06.1967 – VI ZR 201/65) bis zur Umkehr der Beweislast (BGH, Urt. v. 13.03.1978 – II ZR 142/76), wobei gerade in der neueren Entwicklung regelmäßig die Thematik unter dem Gesichtspunkt der Beweisvereitelung behandelt wird (Huber in: Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 383 Rn. 10).
Will eine Partei erreichen, dass die Verweigerung keine entsprechenden Konsequenzen nach sich zieht, muss sie glaubhaft machen, dass sie mit einer Einwilligung gegen ihre höherwertigen, über den Rechtsstreit hinausgreifenden Interessen handeln müsste (bspw.: Besorgnis der „Zeuge sei nicht (mehr) neutral, sondern er stehe – freiwillig oder unter Druck – ‚im Lager’ der Gegenpartei“; vgl. BGH Urt. v. 26.09.1996 – III ZR 56/96). Dieses Vorbringen unterliegt dann seinerseits der freien Beweiswürdigung. Mit anderen Worten ist der durch § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO geschützte Geheimnisbereich rein aus prozesstaktischen Gründen nur in wenigen Konstellationen nutzbar. Eigentlich nur dann, wenn der Zeuge sich selbst auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft und (auch) die Interessen eines nicht am Prozess beteiligten Dritten geschützt sind. Verweigert dieser unbeteiligte Dritte seine Entbindung, dürfen daraus keine beweisrechtlichen Schlussfolgerungen gezogen werden.
Der Zeuge ist gut beraten, sich regelmäßig auf sein Zeugnisverweigerungsrecht zu berufen. Denn grundsätzlich ist nämlich davon auszugehen, dass es sich bei seinem Wissen um ein Geheimnis handelt, so dass er zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Sagt er ohne entsprechende Entbindung aus, macht er sich ggf. gegenüber dem, dem er zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, schadensersatzpflichtig. Sagt er nicht aus und kommt es auf Antrag zu einem Zwischenurteil über das Zeugnisverweigerungsrecht, das dieses negiert, ist er – selbst wenn seine sofortige Beschwerde gegen das Zwischenurteil verworfen oder zurückgewiesen wird – nur mit Gerichtsgebühren gemäß § 34 GKG Nr. 1812 KV (derzeit 60 Euro) belastet. Es steht ihm frei, sich anwaltlich vertreten zu lassen, wobei dies mit weiteren Kosten verbunden ist.

Bankgeheimnis unter prozesstaktischen Gesichtspunkten
Carsten OehlmannRechtsanwalt
  • Fachanwalt für Steuerrecht
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Bankgeheimnis unter prozesstaktischen Gesichtspunkten
Thomas HansenRechtsanwalt
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