Nachfolgend ein Beitrag vom 28.10.2016 von Hippeli, jurisPR-HaGesR 10/2016 Anm. 6

Orientierungssatz zur Anmerkung

Die vollständige Zerrüttung der persönlichen Verhältnisse der Gesellschafter untereinander kann den Ausschluss des Minderheitsgesellschafters aus wichtigem Grund grundsätzlich nicht rechtfertigen. Das Zerwürfnis muss von dem betroffenen Gesellschafter zumindest überwiegend verursacht worden sein, und in der Person des die Ausschließung betreibenden Gesellschafters dürfen keine Umstände vorliegen, die dessen Ausschließung oder die Auflösung des Gesellschaft rechtfertigen.

A. Problemstellung

Der Ausschluss eines Gesellschafters ist im GmbHG – anders als etwa im Personengesellschaftsrecht (BGB/HGB) – nicht ausdrücklich geregelt. Dies bietet immer wieder Anlass dafür, den an dieser Stelle richterrechtlich begründeten Maßstab für den Ausschluss eines Gesellschafters im oft nur um Nuancen changierenden jeweiligen Einzelfall auszutesten.
Vorliegend ging es um einen Fall, in dem sich Mehrheits- und Minderheitsgesellschafter einer Zwei-Personen-GmbH gegenseitig aus der GmbH herausdrängen wollten, wobei unterschiedliche Vorwürfe zur Begründung dessen erhoben wurden. Im Kern galt es, v.a. das Verhalten des beklagten Minderheitsgesellschafters zu bewerten, der ohne die satzungsrechtlich notwendige Zustimmung der Gesellschafterversammlung seine Anteile veräußern und nach dem Scheitern dieses Vorhabens den Mehrheitsgesellschafter aus der GmbH drängen wollte.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die GmbH war vorliegend Klägerin, der Beklagte war ihr Minderheitsgesellschafter (25%-Beteiligung). Die Klägerin klagte auf Ausschluss des Beklagten, der bis 2010 auch ihr Geschäftsführer war. Neue Geschäftsführerin war seither die Ehefrau des Mehrheitsgesellschafters (75%-Beteiligung), ausstehende Vergütungen des Beklagten aus der Zeit als Geschäftsführer konnte dieser nach langem Rechtsstreit in einem anderen Verfahren erfolgreich einklagen.
Versuche des Beklagten, seine 25%-Beteiligung zu veräußern, schlugen fehl. Die hierzu vorgenommenen (teilweise verdeckten) Rechtsgeschäfte wurden von der Gesellschafterversammlung und dem dort auftretenden Mehrheitsgesellschafter nicht goutiert; von einem Vorkaufsrecht wurde aber auch kein Gebrauch gemacht. Es entbrannte nun ein Gesellschafterstreit: Der Beklagte beantragte bei Gericht letztlich vergeblich, die Beteiligung des Mehrheitsgesellschafters einzuziehen und auf ihn zu übertragen. Begründet wurde dies damit, dass der Mehrheitsgesellschafter einzelne Umsätze nicht über die Bücher der GmbH laufen lasse. Dementgegen versuchte der Mehrheitsgesellschafter, den Ausschluss des Beklagten aus der Klägerin gegen Zahlung einer Abfindung zu erreichen. Hierzu wurde zunächst ein Gesellschafterbeschluss gefasst.
Den gebotenen Ausschluss des Beklagten leitete die Klägerin daraus ab, dass ein wichtiger Grund für den Ausschluss bestehe. Denn durch sein Verhalten habe der Beklagte gegen die Satzung verstoßen. Schließlich ermögliche diese allenfalls die Verfügung über Geschäftsanteile mit (vorheriger) Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses sei deswegen und aufgrund des eindeutig unzulässigen Herausdrängungsversuchs für den Mehrheitsgesellschafter unzumutbar.
Das Landgericht wies die angestrengte Klage auf Ausschluss des Beklagten aus der Klägerin zunächst ab. Zwar seien die Veräußerungsversuche des Beklagten als satzungswidriges Verhalten zu verstehen. Insbesondere in Anbetracht seiner wirtschaftlichen Notlage und mangels alternativer Verwertungsmöglichkeiten sei dieses Verhalten jedoch als nicht so schwerwiegend anzusehen, dass es einen Ausschluss aus der Klägerin rechtfertige.
Auch die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin blieb letztlich erfolglos. Das OLG Brandenburg erachtete die Klage als unbegründet.
Auch wenn vorliegend keine Bestimmung des Gesellschaftsvertrags die Modalitäten des Ausschlusses eines GmbH-Gesellschafters regele, so sei ein Ausschluss dennoch stets möglich. Voraussetzung sei dann das Vorliegen eines in der Person des betroffenen Gesellschafters liegenden wichtigen Grundes. Gerade bei einer Zwei-Personen-GmbH müsse allerdings eine Gesamtbewertung des Verhaltens beider Gesellschafter erfolgen. Der Ausschluss bedürfe schließlich der Rechtsprechung des BGH nach der umfassenden Prüfung aller Umstände des Einzelfalls und einer Gesamtabwägung der beteiligten Interessen sowie des Verhaltens der übrigen Gesellschafter.
Vorliegend könne zwar von einer dauerhaften und vollständigen Zerrüttung des persönlichen Verhältnisses der beiden Gesellschafter untereinander gesprochen werden. Für den Ausschluss eines Gesellschafters müsse dann aber noch hinzutreten, dass diese Zerrüttung zumindest überwiegend von diesem Gesellschafter verursacht worden ist und in der Person des anderen Gesellschafters keine zu einer gegenläufigen Bewertung führenden Umstände vorliegen. Da vorliegend erkennbar sei, dass es eine Strategie des Mehrheitsgesellschafters gegeben habe, den Beklagten finanziell auszuhungern, erschienen die satzungswidrigen Veräußerungsversuche des Beklagten wie auch der Versuch, den Anteil des Mehrheitsgesellschafters einzuziehen, angesichts dessen allerdings in einem milderen Licht. Der Ausschluss des Beklagten aus der GmbH als ultima ratio sei vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt.

C. Kontext der Entscheidung

Anerkanntermaßen ist der Ausschluss eines Gesellschafters auch ohne individuell vereinbarte Regelung im Gesellschaftsvertrag möglich. Zum Teil wird diese Option aus der das Gesellschaftsverhältnis beherrschenden Treuepflicht abgeleitet (Merkt in: MünchKomm GmbHG, 2. Aufl. 2015, § 13 Rn. 195 f.). Einer anderen Auffassung nach folgt dies aus der schuldrechtlichen Komponente des Gesellschaftsvertrags und dem Umstand, dass Dauerschuldverhältnisse ausweislich § 314 BGB immer aus wichtigem Grund kündbar sein müssen (Görner in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl. 2013, § 34 Rn. 80). Dieser Fall (keine Regelung im Gesellschaftsvertrag) ist, dies zeigt die Sichtung der einschlägigen Rechtsprechung, dennoch äußerst selten.
Voraussetzung ist aber im Recht der GmbH – wie im Zusammenhang mit den §§ 737, 723 Abs. 1 Satz 2 BGB, §§ 140 Abs. 1, 133 HGB auch –, dass es für den Ausschluss des betroffenen Gesellschafters einen wichtigen Grund gibt (vgl. BGH, Urt. v. 01.04.1953 – II ZR 235/52 – BGHZ 9, 157, 159 ff.; BGH, Urt. v. 23.02.1981 – II ZR 229/79 – NJW 1981, 2302; BGH, Urt. v. 24.02.2003 – II ZR 243/02 – NZG 2003, 530 ff.; BGH, Urt. v. 24.09.2013 – II ZR 216/11 – DZWIR 2014, 88, 89; OLG Jena, Urt. v. 05.10.2005 – 6 U 162/05 – DStR 2006, 152). Verfahrensrechtlich muss der Ausschlussklage ein darauf gerichteter Gesellschafterbeschluss vorausgehen, wobei der auszuschließende Gesellschafter bei dieser Beschlussfassung nach § 47 Abs. 4 GmbHG kein Stimmrecht hat. Vom vorausgehenden Gesellschafterbeschluss kann allerdings bei einer zweigliedrigen GmbH abgesehen werden, da es in diesem Fall eine reine Förmelei wäre, einen formellen Beschluss der Gesellschafter über die Klageerhebung zu verlangen (BGH, Urt. v. 24.02.2003 – II ZR 243/02 – NZG 2003, 530; OLG Jena, Urt. v. 05.10.2005 – 6 U 162/05 – DStR 2006, 152).
Fraglich war vorliegend, worin der wichtige Grund auf Seiten des Beklagten bestehen konnte. Im Wesentlichen zielte das Oberlandesgericht auf die unerlaubten Veräußerungsversuche im Hinblick auf die GmbH-Geschäftsanteile des Beklagten und nur am Rande darauf, dass dieser im Anschluss an die gescheiterte Veräußerung den Mehrheitsgesellschafter aus der GmbH drängen wollte. Dies würde sich bereits unter die Regelbeispiele aus den §§ 737, 723 Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. den §§ 140 Abs. 1, 133 HGB subsumieren lassen. Denn dort geht es um grob fahrlässige oder vorsätzliche Verletzungen einer dem Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag obliegenden wesentlichen Pflicht sowie das Unmöglichwerden einer solchen. Nichts völlig anderes ergibt sich, wenn man die gesetzgeberischen Gedanken zum Gesellschafterausschluss aus der GmbH im Wortlaut von § 207 Abs. 1 Satz 2 des RegE für ein GmbHG von 1972 (BT-Drs. VI/3088 v. 31.01.1972, S. 57) betrachtet. Danach sollte ein Gesellschafterausschluss insbesondere dann möglich sein, wenn ein Gesellschafter durch sein Verhalten oder durch einen in seiner Person liegenden Grund die Weiterverfolgung des Gesellschaftszwecks behindert (vgl. dazu auch Sikora, JA 2005, 816). Zusammenführend lässt sich dies wohl so beschreiben, dass ein wichtiger Grund in der Person des auszuschließenden Gesellschafters immer dann vorliegt, wenn die gemeinsamen Vermögenswerte der GmbH als Verstoß gegen die gesellschafterliche Treuepflicht (womöglich in der Fixierung als Satzungsregelung) in Frage gestellt werden. Die zusammenführende Formel der Rechtsprechung für den wichtigen Grund lautet indes „wenn Umstände vorliegen, die das Verbleiben eines Gesellschafters in der GmbH untragbar erscheinen lassen und die eine gedeihliche Fortführung des Unternehmens in Frage stellen“ (BGH, Urt. v. 01.04.1953 – II ZR 235/52 – BGHZ 9, 157, 159 ff.; so auch OLG Stuttgart, Urt. v. 19.12.2012 – 14 U 10/12 – GmbHR 2013, 414, 417). Auf ein Verschulden des betroffenen Gesellschafters kommt es demnach nicht an.
Vorliegend ist die Entscheidung des OLG Brandenburg, wonach im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände und des Verhaltens beider Gesellschafter kein wichtiger Grund vorliegt, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn zwar wäre es mitunter für die GmbH besser, wenn der Gesellschafterstreit enden würde, etwa der Beklagte also ausgeschlossen würde. Es kann aber nicht erblickt werden, dass die Gründe der die Fortführung in Frage stellenden Zerrüttung unter den Gesellschaftern überwiegend beim Beklagten zu verorten wären. Tatsächlich – und dieser Umstand ist in der Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht ganz trennscharf dargestellt – geht es an dieser Stelle einerseits um die Grade der Verantwortlichkeit für das dauerhaft zerrüttete Verhältnis, andererseits muss aber auch die Frage gestellt werden, ob etwa das Verhalten des vom Ausschluss bedrohten Gesellschafters durch einen rechtfertigenden Grund gedeckt ist (BGH, Urt. v. 23.02.1981 – II ZR 229/79 – NJW 1981, 2302; BGH, Urt. v. 22.01.1990 – II ZR 21/89 – WM 1990, 677, 678). Letzteren Aspekt deutet das Oberlandesgericht lediglich an, wenn es von der wirtschaftlichen Notlage des Beklagten spricht, die ihn zu Veräußerungsversuchen verleitet hat.
Festzustellen bleibt im Übrigen, dass das Oberlandesgericht das im Ergebnis zutreffende Ergebnis sogar noch wesentlich leichter hätte herleiten können. In der Zwei-Personen-GmbH wie vorliegend ist der Ausschluss eines Mitgesellschafters schließlich bereits dann ausgeschlossen, wenn in der Person des den Ausschluss betreibenden Gesellschafters selbst ein wichtiger Grund für dessen Ausschluss vorliegt (BGH, Urt. v. 23.02.1981 – II ZR 229/79 – NJW 1981, 2302). Da das Oberlandesgericht festgestellt hat, dass der den Ausschluss betreibende Mehrheitsgesellschafter den Beklagten finanziell aushungern wollte (= eklatanter Verstoß gegen die gesellschafterliche Treuepflicht in der Ausprägung als Schädigungsverbot) und somit seinerseits potenziell hätte ausgeschlossen werden können, wäre der Ausschluss des Beklagten schon hiernach nicht in Betracht gekommen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Auswirkungen für die Praxis sind vorhanden, aber überschaubar. Letzten Endes ist wieder ein Einzelfall im Zusammenhang mit der Frage des Vorliegens eines wichtigen Grundes für den Ausschluss eines GmbH-Gesellschafters entschieden worden.